Zweitens. Auch und gerade – hier spreche ich aus eigener Erfahrung – in den neuen Bundesländern ist die Eigenkapitaldecke der Unternehmen vergleichsweise dünner als in anderen Regionen unserer Bundesrepublik. Mit dem
Investivlohn besteht die Möglichkeit, dieses Eigenkapital für Unternehmen zu stärken, und dies ist teilweise bereits praktiziert worden.
Drittens. Es ist angeführt worden, die Mitarbeiterbeteiligung in mittelständischen Unternehmen sei gut für die Fachkräftebindung. Die Fluktuation in den Betrieben wird geringer, weil die Bindung größer wird, und selbst die Beteiligungen – stille Beteiligungen oder wie auch immer dies geregelt werden wird – werden mit Sicherheit die Nachfolgeregelungen, die in den nächsten Jahren in verstärktem Maße auf uns zukommen werden, besser abfedern können und daraus neue Ansätze für die Nachfolge initiieren.
Viertens – und dieser Aspekt ist in der Debatte noch gar nicht aufgeführt worden –: der steuerliche Aspekt – gerade jetzt, im November und Dezember, wenn die Firmen, die es ermöglichen können, die Weihnachtsgratifikationen und Zuwendungen noch auf den Bruttolohn auflegen; gerade in dieser Zeit, wenn die Unternehmer ihren Mitarbeitern, da die Gewinne im abgeschlossenen Geschäftsjahr doch recht gut waren, eine zusätzliche Motivation geben wollen.
Machen wir es an einem Beispiel fest: Sie zahlen ihren Mitarbeitern in der Novemberabrechnung 200 Euro – ich kann dies aus eigenen Erfahrungen durchaus kundtun –, und nach allen Abzügen, die gesetzlich gefordert werden, bleiben diesen gerade einmal 45 bis 50 %. Im besten Fall, wenn sie mit Steuerklasse III versteuert werden, liegen sie bei 55 bis 60 %. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo ist da noch die Motivation, wenn der Arbeitnehmer auf dem Zettel liest – ich mache es mal an so kleinen Dingen fest –, dass ihm der Chef 200 Euro draufgelegt hat, aber nach Abzug aller Dinge hat er vielleicht gerade mal eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 97 oder 95 Euro?
Deshalb – und das möchte ich hier noch einmal deutlich hervorheben – muss der Investivlohn nachgelagert besteuert werden: Steuern und Beiträge werden erst dann fällig, wenn der Arbeitnehmer das Geld in der Hand hat. Wir lassen es erst wachsen und besteuern es nachher.
Ich möchte jetzt nicht auf das Beispiel des Druckhauses Dresden eingehen. Da gibt es noch Beispiele aus meiner Region. Ich möchte es an der Firma Goldbeck in Treuen darstellen, die die Umsatzrendite verzinst. Sie erreichen hier einen drei- bis vierfach höheren Wert, als wenn sie ihr Geld bei herkömmlicher Verzinsung – –
Wir als CDU wollen ein Volk von Eigentümern und eine Politik der sozialen Kapitalpartnerschaft. Wir wollen mehr verantwortlich entscheidende Bürger in diesem Land, was heißt: Wir wollen Arbeitnehmer, die an der Gewinnerarbeitung und an der Ausschüttung des Gewinns beteiligt sind.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Nolle, ich teile Ihre Auffassung, dass wir diese Debatte nicht aus formalen Gründen infrage stellen sollten. Ich muss allerdings auch sagen: Investivlöhne werden seit den Fünfzigerjahren diskutiert. Insbesondere in den Siebzigerjahren hat diese Debatte eine Hoch-Zeit erlebt. Damals galten sie auch als eine Art Wunderwaffe. Insofern denke ich, dass diese Debatte nicht unbedingt das Etikett „Aktuelle Debatte“ verdient. Aus meiner Sicht ist es mehr eine Retro-Debatte.
Ich empfinde sie in Teilen auch als eine scheinheilige Debatte. Denn wie ist denn die aktuelle Einbettung? Es ist eine Debatte, die Angela Merkel und Kurt Beck zu einem Zeitpunkt losgetreten haben, zu dem wir eigentlich auf etwas anderes gewartet haben, und zwar mit Spannung. Nicht auf Investivlöhne haben wir gewartet, sondern wir haben auf ein Konzept für Mindestlöhne gewartet. Wir, das ist die Linke und das sind, wie ich denke, auch Teile der SPD.
Sie haben natürlich auf etwas anderes gewartet in diesem Herbst – für den es angekündigt war –: auf ein Konzept für Kombilöhne. Darauf haben gewartet: die CDU, die FDP und möglicherweise auch Teile der SPD. Das ist die Aktuelle Debatte. In diesem Widerstreit zwischen Kombilöhnen auf der einen Seite und Mindestlöhnen auf der anderen Seite sind dann Investivlöhne herausgekommen.
Meine Damen und Herren, dass es Vorteile bei einer Mitarbeiterbeteilung gibt, darüber haben wir vor einigen Monaten hier schon diskutiert. Darin bestand in der Tat Einigkeit, was die bessere Motivation anbelangt, die höhere Identifikation mit dem Betrieb, aber auch eine potenzielle Umverteilung zugunsten von Vermögenseinkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um einmal die Punkte zu nennen, die auch die Linke mitgetragen hat.
Die Probleme allerdings, die es dabei gibt, hat Herr Pecher vorhin sehr deutlich benannt. Wenn wir hier in Sachsen Tariflöhne haben, die im Friseurgewerbe bei 3,50 Euro liegen, was soll denn da noch für die Vermö
gensbildung übrig bleiben? Insofern sagen wir als Linke: Investivlöhne sind keine Wunderwaffe. Wir sind damit, denke ich, auch nahe bei den sächsischen Unternehmern, denn der Erfolg des sächsischen Projekts zur Mitarbeiterbeteiligung, das vor einigen Jahren stattgefunden hat, war nicht gerade berauschend.
Jetzt aber zu diesem aktuellen Vorstoß zu Investivlöhnen. Was ist das Fatale daran? Das Fatale daran ist, dass er einhergeht mit der Forderung zur Mäßigung bei den Lohnforderungen oder gar mit der Forderung zum Lohnverzicht.
Wir halten es nämlich für ein Märchen, dass moderate Lohnforderungen zu mehr Wirtschaftswachstum führen sollen. Das ist Quatsch. Ich kann es an dieser Stelle nur wiederholen: Wir haben als Linke andere Grundsätze in der Lohnpolitik. Wir wollen höhere Löhne, auch für Sachsen. Das ist zum Ersten eine Frage der Gerechtigkeit, denn erst vor wenigen Tagen hat eine neue Statistik des Bundesamtes herausgefunden, dass die deutschen Privathaushalte rund 2 % weniger Realeinkommen haben als Mitte der Neunzigerjahre.
Seit Jahren stagniert die Lohnentwicklung in der Bundesrepublik, auch in Sachsen, und das ist das eigentliche Problem.
Ein weiteres Problem: Es geht in diesen aktuellen Vorschlägen zum Tariflohn nicht um zusätzliche Einkommen für die Arbeitnehmer, sondern sie werden anstelle des Lohnes bzw. der Lohnsteigerung diskutiert. In dieser Fassung ist es dann aber nichts anderes als Lohnverzicht und diesen lehnen wir entschieden ab.
Ich freue mich, dass die SPD in dieser Frage heute auch deutliche Worte gefunden hat. Wir werden den Verlauf der Debatte weiter verfolgen und Sie im Zweifelsfall daran erinnern.
Entscheidend ist auch, dass die meisten Vorschläge eben nicht an eine regelmäßige Gewinnbeteiligung glauben, was sinnvoll wäre. Vielmehr soll die Beteiligung erst beim Ausscheiden aus dem Betrieb oder bei Renteneintritt fällig werden. Was wir aber brauchen, ist jetzt eine Stärkung der Binnenkaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Beschäftigten werden in den von Ihnen diskutierten Modellen zu Miteigentümern, nicht aber zu Mitbestimmern. Aber wer am Risiko beteiligt wird, der muss auch an der Entscheidung beteiligt werden. Das wäre tatsächlich mal eine Entwicklungsauf
gabe für die FDP. Wer für mehr Mitarbeiterbeteiligung ist, der muss auch für eine bessere Mitbestimmung sein.
Meine Damen und Herren! Was wir wollen, sind ein Mindestlohn und Lohnerhöhungen in der Bundesrepublik, damit Deutschland endlich anschließen kann an die erfolgreichen Länder in Europa, die einen Mindestlohn haben,
und damit sich die Schere zwischen Unternehmergewinnen einerseits und Arbeitnehmerentgelten auf der anderen Seite nicht weiter öffnet. Das ist das tatsächliche Problem.
Deswegen sage ich auch an dieser Stelle: Wir brauchen hier keine vagen Versprechungen auf zukünftige Kapitaleinkommen, wir brauchen auch kein neues Ablenkungsmanöver. Was wir brauchen, sind Lohnerhöhungen und Mindestlöhne im Hier und Heute.
Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Ich frage die NPD-Fraktion. – Die GRÜNEN hatten schon gesagt, dass sie in dieser Runde nicht mehr sprechen wollen. – Dann frage ich die FDP – Herr Morlok, bitte.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Morlok, sind Sie am Unternehmen beteiligt, weil Sie so eifrig auftreten?)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lay, Sie haben mir offensichtlich nicht zugehört und Sie hören mir gerade wieder nicht zu, weil Sie sich umwenden. Deswegen bekommen Sie natürlich auch die Erkenntnisse nicht mit. Das sieht man an Ihrem Redebeitrag.
(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, das wird bei uns alles ausgewertet!)
Ich habe deutlich gemacht, dass es, wenn es um einen Lohnverzicht geht, eine freiwillige Entscheidung des Arbeitnehmers sein muss, einen Teil seines Bruttolohnes in eine Beteiligung umzuwandeln. Eine freiwillige Entscheidung!