Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

(Beifall bei der CDU)

Thema „Häusliche Gewalt“ – ich hoffe, es besteht eine nicht ganz so große Interesselosigkeit. Herr Weichert, dass Sie da sind, finde ich toll. Bei Ihnen setze ich ja auch voraus, dass es wie bei uns allen keine Gewalt gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt endlich liegt der lang erwartete Landesaktionsplan von der Staatsregierung zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt vor. In ihm sind alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt zusammengefasst. Wie wir wissen, bildet er die Grundlage für die Arbeit des für diesen Bereich bereits im April 2003 eingesetzten Lenkungsausschusses.

Wir haben dieses Organ damals geschaffen, um den Ausbau lokaler Netzwerke voranzutreiben und deren Arbeit effektiver zu gestalten. Damit können heute abgestimmte Maßnahmen für einen verbesserten Opferschutz und ein konsequentes Handeln gegenüber den Tätern sinnvoll eingesetzt werden. Diese lokalen Netzwerke

fungieren als Bindeglied zwischen staatlicher Intervention bei häuslicher Gewalt und den Beratungs- und Betreuungsangeboten der freien Träger.

Neben der Einrichtung des Lenkungsausschusses haben wir eine Reihe von Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die die Arbeit aller mit der Bekämpfung häuslicher Gewalt befassten Stellen auf eine solide Basis stellen und die Polizei bei ihren Einsätzen flexibel handeln lassen.

(Beifall bei der CDU)

Konsequent wurde am Aufbau von Kriseninterventions- und -koordinierungsstellen in allen Zuständigkeitsbereichen der Polizeidirektionen gearbeitet. Mit der Schaffung eines eigenständigen zivilrechtlichen Gesetzeswerkes zum Schutz vor häuslicher Gewalt haben wir zu einer Enttabuisierung und einer stärkeren Öffentlichkeitsarbeit beigetragen. Leider gibt es das Thema häusliche Gewalt schon immer. Jetzt ist es in der Öffentlichkeit, jetzt wird darüber diskutiert, und es werden Maßnahmen ergriffen. Das ist gut so.

Die gesellschaftliche Sensibilität für diese Problematik hat sich sehr stark erhöht. Die gestiegene Wahrnehmung und Reflexion des Themas in der Bevölkerung ist aber auch in besonderem Maße der erfolgreichen Netzwerk- und Sensibilisierungsarbeit zu verdanken. Immer, wenn wir dieses Thema diskutieren, wird es wahrgenommen, und es wird daran gearbeitet. Viele, viele machen eine engagierte Arbeit in den regional operierenden Netzwer

ken. Viele freie Träger arbeiten sehr gut. Ihnen ist der Erfolg zuzuschreiben.

(Beifall bei der CDU)

Alle bisher von uns geleisteten Anstrengungen unterstreichen den vollzogenen Paradigmenwechsel im Bereich der Bekämpfung häuslicher Gewalt. Nur eine ganzheitlich ausgerichtete Kette von Interventionsmaßnahmen des Staates und der nichtstaatlichen Unterstützungseinrichtungen machen ein effektives Arbeiten möglich. Die früher geleistete und meist unvernetzte Unterstützung der Beratung der Opfer ist heute Gott sei Dank überholt. Sie ist immer noch ein sehr wichtiger Teil in unserem Konzept; doch ist sie jetzt besser mit allen anderen Maßnahmen vernetzt und dadurch viel leistungsfähiger.

Gerade diese enge Vernetzung und die enge Zusammenarbeit hat zum Ziel, nicht nur Gewalt oder Bedrohung in Akutsituationen zu beenden; sie eröffnet den betroffenen Menschen vor allem Perspektiven für ein dauerhaft gewaltfreies Leben.

Ergänzend zu den Hilfsangeboten und dem bereits bestehenden Hilfenetz für Opfer häuslicher Gewalt unterstützen wir Projekte zur täterorientierten Antigewaltarbeit. Dies ist mittlerweile fester Bestandteil des Beratungsnetzes und hat sich als ein wesentlicher Beitrag zum aktiven Opferschutz etablieren können.

Meine Damen und Herren, durch das stetige Vorantreiben der Netzwerkbildung im Bereich der Interventionsangebote haben wir erreicht, dass nun auch die freie Straffälligen- und Opferhilfe ineinander übergreifen und sich gegenseitig ergänzen.

Es bleibt festzuhalten, dass sich das im Freistaat bestehende Netzwerk zur Bekämpfung häuslicher Gewalt beständig weiterentwickelt.

(Beifall bei der CDU)

Wir können es als einen großen Erfolg werten, dass wir es geschafft haben, intervenierenden und präventiven Charakter der Hilfeleistungen sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Im Ergebnis heißt das: Der Freistaat stellt zur Bekämpfung von häuslicher Beziehungs- und sexualisierter Gewalt eine leistungsfähige und effizient arbeitende Struktur zum Schutz der Opfer bereit.

Nun ist – wie auch immer – Kritik laut geworden, der Landesaktionsplan beschränke sich lediglich auf schöne Worte, die finanziellen Mittel würden gekürzt, obwohl der Bedarf gegeben ist. Dazu kann ich nur sagen – die nachfolgenden Kolleginnen werden dies sicherlich ansprechen –: Die Aufgaben des Freistaates sind gegenüber kommunalen Zuständigkeiten klar abgegrenzt. Die Bedarfsermittlung, Einrichtung und Schließung von Schutzeinrichtungen liegt nun einmal in kommunaler Hand. In diesen Punkten haben wir als Regierungsfraktion gehandelt und entscheidend zur Verbesserung beigetragen können. Das werden wir auch in Zukunft tun.

Allein an der Zahl der Frauenhäuser können die Erfolge unserer Arbeit in diesem Bereich nicht gemessen werden;

das wäre zu kurz gesprungen. Ich möchte ein Beispiel aus meinem Wahlkreis bringen. Wir haben in Wurzen das Frauenhaus geschlossen – nicht, weil wir gegen eine solche Einrichtung sind, sondern weil die Nutzung sehr vage war. Die Frauen und Männer aus dieser Region, die bedroht sind, gehen natürlich in die Großstadt nach Leipzig, weil sie dort anonym sind, und werden sich in der Kleinstadt wenig Hilfe suchen. Somit unterstützen wir Leipzig mit, haben aber in Wurzen eine Notwohnung, die ab und an auch belegt ist. Ein Frauenhaus hat sich aber nicht bewährt.

Natürlich ist es besonders wichtig für jene Schutzsuchenden, dass wir die Kommunen auch in Zukunft bei der Erhaltung der Frauenhäuser und solcher Schutzeinrichtungswohnungen unterstützen. Dieser Pflicht sind wir uns bewusst.

Darüber hinaus müssen wir – das sieht auch der Landesaktionsplan vor – die Einrichtung von Interventions- und Koordinierungsstellen in jeder Polizeidirektion vorantreiben; denn diese weisen die nötigen Kompetenzen auf, Opfern wie Tätern die Hilfsangebote sozialer Dienste zu vermitteln. Allen voran die zuständigen Ministerien, aber auch wir als CDU-Fraktion werden weiterhin alle gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen unterstützen, die zur Verbesserung der Stellung von Opfern häuslicher Gewalt beitragen,

(Beifall bei der CDU)

sei es die Etablierung eines Frühwarnsystems zum Schutz der von häuslicher Gewalt betroffenen Kinder oder die Sensibilisierung des Themas an unseren Schulen.

Eines ist auch wichtig, meine Damen und Herren: Lehrer können, sollen und müssen im Rahmen einer Sexual- und Familienerziehung häusliche Gewalt und deren Bekämpfung im Unterricht thematisieren. Unsere Unterstützung verdient darüber hinaus der Auftrag der Justiz, ein flächendeckendes Netz an Sonderdezernaten zu errichten, um häusliche Gewalt noch besser verfolgen zu können.

Weiterhin sieht der Landesaktionsplan die Erarbeitung eines Leitfadens für Mitarbeiter des Gesundheitswesens vor und trägt somit unserer Forderung nach stärkerer Einbindung des Gesundheitswesens in das Präventionsnetzwerk des Freistaates Rechnung.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Es ist viel getan worden und es bleibt noch viel zu tun, um die bewährten Maßnahmen fortzuführen und neue notwendige Schritte einzuleiten, um dem steigenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt gerecht zu werden.

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD, und bei der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion; Frau Dr. Schwarz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema häusliche Gewalt

hat in den letzten fünf bis sechs Jahren eine große Dynamik entfaltet. Dies ist unter anderem auf das Gewaltschutzgesetz der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen. Aber auch Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, insbesondere Österreich – ich erinnere daran, wir hatten eine interessante Anhörung, in der auch österreichische Frauen ihre Projekte vorgestellt haben –, zeigten uns, dass es doch Mittel und Wege gibt, dieses Thema zu enttabuisieren, und dass es Instrumente gibt, den Betroffenen zu helfen. Auch das Gesetz zur gewaltfreien Erziehung hat dazu beigetragen, für dieses Thema zu sensibilisieren.

Heute titelt „Die Welt“ – Sie können es im „Pressespiegel“ nachlesen –: „Familie ist Hochburg der Gewalt“. In einer Studie wird dargelegt, dass 20 % der Jugendlichen in Deutschland Gewalt in der Erziehung erleben und dass Frauen in Familien ein zehnfach höheres Risiko droht als außerhalb. Es bleibt also eine große Herausforderung, denn wir wissen aus vielen Studien, dass viele Jugendliche, die selbst Gewalt erleben, später auch dazu neigen, diese anzuwenden. Gewaltprävention und Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt sind also eine aktuelle Herausforderung.

Nach zögerlichem Beginn in Sachsen haben sich mittlerweile doch gute Strukturen entwickelt, und ich möchte sagen, dass auch meine Fraktion gerade in der vergangenen Legislaturperiode dazu beigetragen hat. Vor allem aber verdanken wir dies den engagierten Frauen vor Ort und den Hilfs- und Beratungseinrichtungen, den Frauen- und Kinderschutzhäusern, die sich in einem landesweiten Netzwerk zusammengefunden und das Thema maßgeblich vorangebracht haben.

Selbst die Polizei in Sachsen hat sich zu einer mittlerweile wichtigen Triebkraft entwickelt. Durch die täglichen Erfahrungen mit Gewalt im familiären und engen sozialen Umfeld sind es eben Polizistinnen und Polizisten, die einen verlässlichen Handlungsrahmen und verlässliche Partner brauchen. Die angebotenen Weiterbildungen sind sehr gut angenommen worden und die Polizistinnen und Polizisten, die zu solchen Einsätzen gerufen werden, verdienen unseren Respekt;

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

denn sie sind gewissermaßen die Feuerwehr, die sich auf die konkrete Situation einstellen muss.

Mittlerweile gibt es sowohl Interventions- und Koordinierungsstellen als auch Täterberatungsstellen. In vielen Regionen finden sich regionale Netzwerke, Runde Tische, an denen sich die Beteiligten vor Ort zusammenfinden und im Sinne der Betroffenen agieren. Das Ziel, in jeder Polizeidirektion eine Interventions- und Koordinierungsstelle zu haben, ist fast erreicht. Neben Dresden, Leipzig, Westsachsen, Oberlausitz/Niederschlesien und Oberes Elbtal/Osterzgebirge ist kürzlich in Chemnitz eine weitere IKS eröffnet worden, und in Zwickau wird es in Kürze so weit sein; ein wichtiges Ziel haben wir erreicht.

Frau Schütz, Sie haben Unrecht, wenn Sie behaupten, dass die Frauenhäuser weniger Geld bekommen. Wir haben dies bei den Haushaltsberatungen ausführlich besprochen und die Ministerin hat uns dargelegt, dass dem eben nicht so ist. Dass wir auf kommunaler Ebene noch so manches Problem haben, muss auch auf kommunaler Ebene geklärt werden. Wir müssen dazu beitragen, dass es dort eben nicht zu diesem typischen Verdrängungssyndrom kommt. Das wird unser aller Aufgabe sein.

Betroffene werden sich auch nicht immer nur an Kinder- und Frauenschutzhäuser wenden, sondern werden die kompetenten Interventions- und Koordinierungsstellen nutzen, und es wird stärker vom Wegweisungsrecht Gebrauch gemacht. Entscheidend ist die Zusammenarbeit vor Ort. So weiß ich es aus der Interventions- und Koordinierungsstelle in Leipzig von Frau Gabi Eßbach, die vielen hier bekannt ist, weil sie in diesem Bereich sehr engagiert gearbeitet hat und immer noch arbeitet. Sie sagt, dass es in der Vernetzung auf kommunaler Ebene sehr gut funktioniert. Das betrifft die Zusammenarbeit mit Polizei, Justiz sowie Frauen- und Kinderschutzhäusern und der Koordinierungsstelle selbst. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir sehr konkret weitergekommen sind.

Im Koalitionsvertrag haben wir folgenden Satz verankert: „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen; häusliche Gewalt ist nach wie vor ein gesellschaftliches Problem, das nicht hingenommen werden darf; alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt werden binnen Jahresfrist in einem Landesaktionsplan zusammengefasst.“

Nun liegt der Aktionsplan vor, der aus unserer Sicht eine gute Grundlage für das weitere Handeln in diesem Bereich darstellt. Dass es mit der Erstellung des Planes etwas länger gedauert hat, wird sicherlich Teil der Kritik sein. Auch der heute vorliegende Antrag ist ein bisschen alt. Damals war er notwendig, um dazu beizutragen, dass der Landesaktionsplan zügig bearbeitet wird.

Es gibt Gründe, warum es so lange gedauert hat. Das Thema berührt viele Politikfelder. Die verschiedensten Ministerien sind daran beteiligt, wie Sie dem Landesaktionsplan entnehmen können. Viele haben sich erst intensiver mit dem Thema beschäftigen müssen. All das war zusammenzuführen und positiv zu entwickeln. Es gab die vielen Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen und Verbänden, zum Beispiel von Opferverbänden, Frauenorganisationen, Familienverbänden, der LIGA und weiteren. Diese Herangehensweise ist sehr aufwendig und braucht Zeit, führt aber zu diesem Plan, der detailliert auf die verschiedenen Handlungsfelder eingeht sowie sinnvolle Verknüpfungen und Empfehlungen ausspricht. Der Plan gibt konkrete Empfehlungen und beschränkt sich nicht auf Gewalt gegen Frauen.

Es ist aber eine weitere Sensibilisierung der Ressorts notwendig. Das zeigt – die Innenausschussmitglieder kennen die Briefe der einzelnen Ressorts – auch die Äußerung bei der Mitzeichnung aus dem Kultusministerium. Daran müssen wir noch arbeiten.

Nun gilt es im Sinne dieses Planes zu handeln und zu versuchen, den Empfehlungen Handlungen folgen zu lassen. Manche lassen sich wahrscheinlich schnell bzw. leicht umsetzen, beispielsweise die Einbeziehung des Themas in eine Intensivierung innerhalb der verschiedenen Fortbildungsbereiche. Ein Leitfaden für das medizinische Personal wird bald vorliegen. Auch für die Einführung unseres sogenannten Frühwarnsystems haben wir die Weichen gestellt.

Anderes wird uns länger beschäftigen, beispielsweise der Ausbau der Hilfeangebote. Es gibt sicherlich noch Regionen, in denen mehr getan werden muss, vor allem im ländlichen Raum. Hier müssen die kommunalpolitisch Verantwortlichen – ich habe es schon gesagt – zum Handeln aufgefordert werden.

Die Planung einer Internetseite zum Thema begrüße ich ebenfalls außerordentlich. Die Arbeit des Lenkungsausschusses wird intensiv weitergeführt. Die Berichte des Ausschusses sollten regelmäßig erfolgen und dem Landtag zugeleitet werden. Auch ist darüber nachzudenken, den Landesaktionsplan in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und der jeweiligen Entwicklung anzupassen. Ich denke, alle Fraktionen sind frei, hier die entsprechenden Anträge zu stellen.

Die Forderung nach einer finanziellen Unterstützung ist nachvollziehbar. Die Federführung liegt beim Innenministerium. Es muss doch möglich sein, mit den beteiligten Ressorts die im Verhältnis zu unserem Gesamthaushalt geringe Summe aufzubringen, um die Arbeit des Lenkungsausschusses zu professionalisieren.

Der Ihnen vorliegende Antrag ist erledigt. Nachdem es etwas Verwirrung über das Verfahren gegeben hatte und der Landesaktionsplan zurzeit nur den Mitgliedern des Innenausschusses vorliegt, wird – so ist es mir bekannt – der im Kabinett verabschiedete Landesaktionsplan allen Fraktionen zugestellt werden.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD, und vereinzelt bei der CDU)