Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden diesen Antrag ablehnen. Es gab, wie Sie bemerkt haben, einige Irritationen;
aber der Sinn der Abstimmung, die jetzt kommt, ist es ja, dass noch einmal berichtet werden muss, da wir einen Bericht vorliegen haben, der schon etwas älter ist und da der Landesaktionsplan nun auch erst einmal in die Debatte des ganzen Landtages gegeben ist – deshalb die Abstimmung. Dazu bekommen wir in dieser Legislaturperiode noch einen Bericht, und es ergibt keinen Sinn, jetzt einen Beschluss für die nächste Legislaturperiode zu fassen, wie es hier gedacht ist, sondern es ist Aufgabe des nächsten Sächsischen Landtages, sich der Thematik differenziert oder anders zu nähern.
Frau Präsidentin! Im Grunde der Seele ist der Änderungsantrag jenseits von Gut und Böse. Natürlich ist es erst einmal nicht schlecht und richtig, einmal in der Legislaturperiode zu berichten und vor allem Ergebnisse darzulegen. Das ist okay, keine Frage. Ich will nur sagen: Im Grunde sollte dies jede Regierung tun. Man weiß ja nicht, welche Regierung demnächst ab 2009 regieren wird; vielleicht sind wir das auch.
Wir können dem jedenfalls für unsere Fraktion ruhigen Gewissens zustimmen. Insofern stimmen wir auch diesem Änderungsantrag zu.
Möchten Sie sich noch einbringen, Herr Lichdi? – Das sieht nicht so aus. Deshalb lasse ich nun über den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN in der Drucksache 4/7722 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich komme nun zum Antrag der Koalition und lasse über die Drucksache 4/3031 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Wenige Stimmenthaltungen und keine Gegenstimmen, damit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt, meine Damen und Herren.
Die Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion.PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE, Herr Schmidt und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion.PDS als Einreicherin das Wort. Bitte, Frau Abg. Bonk.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik erlebt die völlige Umkehrung des Präventionsbegriffes. Der Gedanke von Prävention stand ursprünglich in dem Kredo: Nicht nur die Straftat, auch den Menschen dahinter sollst du sehen. – Entsprechend dieser Überlegung sollten die sozialen und persönlichen Gründe für das Begehen von Straftaten im Vorfeld behoben werden. Stattdessen wird nun die Idee in die Gesellschaft geimpft, Prävention würde bedeuten, polizeiliche Maßnahmen vor der Straftat auf die gesamte Bevölkerung anzuwenden. Aber verdachtsunabhängige Eingriffsbefugnisse sind unrechtsstaatlich.
Darum erheben die Datenschutzbeauftragten aller Länder regelmäßig Einspruch gegen diese Maßnahmen, und darum wenden auch wir uns dagegen.
Mit einem solchen Sicherheitskonzept revidieren willfährige Anhängerinnen und Anhänger solcher Überlegungen genau die Freiheit, von der sie immer so viel reden, die ihnen nämlich viel wert ist, wenn es um die Freiheit des Besitzes, die Freiheit des Handelns oder die vermeintliche Freiheit, sich privat krankenversichern zu dürfen, geht. Das alles ist vermeintliche Freiheit – im Grunde Interessenvertreterpolitik für die Stärkeren in der Gesellschaft.
Wenn es um die individuellen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger geht, sind sie die Ersten, die die Schere ansetzen und der Freiheit die Flügel stutzen.
„Denn wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, sagte schon Benjamin Franklin.
Meine erste Eingangsthese: Es geht bei dieser Debatte und bei der Videoüberwachung in der Neustadt nicht um das technisch Machbare und im Grunde auch nicht nur um die Dresdner Neustadt, sondern um die viel weiter gehende Frage, was für eine Gesellschaft wir anstreben. Es geht darum, ob der Staat das Recht hat, sich in alle Lebensbereiche seiner Bürger einzumischen, oder – wie es der „Spiegel“ in seiner Ausgabe von diesem Montag formuliert hat – ob wir uns von der aufgeklärten Gesellschaft verabschieden wollen.
Der Iststand in Sachsen: Derzeit werden vier öffentliche Plätze in Leipzig und zwei in Dresden mit stationären Kameras überwacht. Nebenbei bemerkt: Ausgerechnet diese beiden Städte brauchten sich zu DDR-Zeiten nicht über eine ausreichende Überwachung zu beklagen. Die Frage ist, ob man nun daran anknüpfen möchte. Es gibt derzeit – auch nach umfangreicher Recherche – noch keine ernst zu nehmende unabhängige wissenschaftliche empirische Studie über die tatsächliche Wirksamkeit dieser Maßnahmen.
Zweitens. Die Zahlen, mit denen der Innenminister bisher in der Öffentlichkeit hantiert hat, sind wenigstens bedenklich zu nennen, da weder Erhebungszeiträume genannt werden noch Vergleichsdaten vorliegen, noch die notwendigen Beziehungen zur Kriminalitätsentwicklung insgesamt in Sachsen oder zu der der jeweiligen Stadt hergestellt werden.
Drittens. Der als Kompromiss vorgeschlagene Einsatz von Videokameras oder auch nur zeitweise eingeschalteter Technik ist abzulehnen, da eine öffentliche Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzrichtlinien so noch weniger gewährleistet ist, zumal eine Studie, die vom britischen Innenministerium in Auftrag gegeben wurde und jetzt in einem Dossier der Zeitung „Die Zeit“ zitiert wurde, belegt: Impulsdelikte, nämlich spontane, in erster Linie durch Alkoholmissbrauch verursachte Straftaten bleiben von der Kameraüberwachung völlig unberührt. Das heißt, die Überwachung verhindert keine Krawalle und dient somit weder der Abschreckung noch der Herstellung von Ordnung und Sicherheit im intendierten Sinne.
Mit der Einführung der stationären und/oder mobilen Kameraüberwachung öffentlicher Räume war – viertens – bisher stets die Verdrängung von unerwünschten Handlungen in andere Gebiete verbunden.
Lohnend wäre es in diesem Zusammenhang, endlich die zahlreichen Untersuchungen in Großbritannien zur Kenntnis zu nehmen, nachdem das Innenministerium hier zwar 78 % seines Kriminalitätsvorbeugungsetats in die Kameraüberwachung investiert, aber bei gleichzeitig
sinkender Kriminalitätsrate Straßenraub und Gewalttätigkeiten in der Öffentlichkeit um 13 % zunahmen, während die mutwillige Zerstörung öffentlicher Einrichtungen um 5 % stieg – trotz der in Großbritannien allgegenwärtigen Kameraüberwachung; oder, wie es ein Nachrichtenmagazin drastisch formuliert – ich zitiere –: „Die Leute klauen jetzt einfach woanders.“ Kameraüberwachung dient also nicht der Verbrechensprävention und in der Gesamttendenz nicht der tatsächlichen Kriminalitätsrate, auch wenn in der Öffentlichkeit gern etwas anderes behauptet wird.
Fünftens – und daraus folgend – scheint der Innenminister also ein persönliches Steckenpferd zu reiten und die Videoüberwachung in der Neustadt als Trojaner zu programmieren, der demnächst weitere Innenstädte und Szeneviertel befallen soll. Die Missachtung des Votums des Ortsbeirates gegen eine Videoüberwachung und das Überhören weiterer kritischer Stimmen spricht eine deutliche Sprache.
Merkwürdig ist des Weiteren, dass nach einem „SZ“Artikel vom 12. Januar 2007 bereits im Oktober eine Kamera an der Ecke Alaunstraße/Louisenstraße montiert wurde. Diese wurde zwar angeblich mittlerweile wieder entfernt, aber seltsam ist es schon, dass mir der Innenminister auf meine Kleine Anfrage noch im November 2006 in seiner Antwort mitteilte – Zitat –: „Gegenwärtig wird durch staatliche Stellen keine ständige Videoüberwachung in der Dresdner Neustadt durchgeführt.“ Aber es stellt sich die Frage: Wer hat denn da überwacht? – Oder wusste das Ministerium von nichts? Und der Minister? Ahnungslos im Elbtal wie weiland der westfernsehbefreite Dresdner? Mit Verlaub, ich halte es für einen Skandal – und auch, wenn das ständig sein soll –, wie hier das demokratisch gewählte Parlament und die Öffentlichkeit durch die Exekutive außen vor gelassen werden, und sei es durch eine – allerdings unwahrscheinliche – Wissenslücke
Es stellt sich auch die Frage: Warum überhaupt jetzt eine neue Verordnung? – An Brennpunkten oder eben nur mobil zu überwachen ist nach dem Sächsischen Polizeigesetz § 38 Abs. 2 längst möglich. Eine Polizeiverordnung können die allgemeinen Polizeibehörden, letztlich nur die Stadt Dresden, erlassen. Was ist da also noch im Busch, wenn der Innenminister davon spricht, eine Verordnung über die Überwachung von Szenevierteln erlassen zu wollen? Wir haben heute die erste öffentliche parlamentarische Debatte zu diesem Thema und ich fordere Sie, Herr Buttolo, auf, zu diesem Thema ein paar Antworten auf den Tisch zu legen.
Sechstens. Kameraüberwachung kostet Geld – Steuergeld. Nicht nur die Anschaffung der Kameras ist teuer und nutzt letztlich eventuell vor allem den im Zentralverband der Elektronik- und Elektroindustrie organisierten Unternehmen.
Das müssen Sie mir gestatten. Das muss man der Vollständigkeit halber erwähnen. – Nicht nur das, sondern auch die monatlichen Wartungskosten – Herr Minister, ich gehe davon aus, dass Ihnen das bekannt ist, und erwarte demzufolge auch eine Stellungnahme dazu – können sich auf bis zu 2 500 Euro pro Kamera und Datenleitung belaufen.
Da scheinen persönliche Erfahrungen vorhanden zu sein. – Die Frage ist, ob dieses Geld nicht sinnvoller für tatsächlich wirksame präventive Maßnahmen ausgegeben werden könnte denn für Überwachung, die am Ende im Kern ohnehin nichts hilft.
Siebentens. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger wird sich aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht langfristig verbessern, da die Kameras keine Straftaten verhindern und auch nicht direkt eingreifen können, wie es zum Beispiel Streifenpolizisten tun könnten.
Im Gegenteil, der massive Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung führt zu unnatürlichem und angepasstem Verhalten.