Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

von kleinen und Kleinstunternehmen gefördert, die nur regionalen Absatz haben. Wir sprechen damit eine Gruppe von Unternehmen im Handwerk, in der Industrie, bei Dienstleistungen und im Handel an, für die es bisher keine Fördermöglichkeiten gab. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 160 Anträge auf Investitionszuschüsse bewilligt. Damit wurden 214 sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze mit einer Bindungsfrist von fünf Jahren geschaffen und 650 Arbeitsplätze gesichert. Der mit Abstand größte Anteil davon entfiel auf die Handwerksbetriebe. Dort wurden 192 neue sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze geschaffen und 600 Arbeitsplätze gesichert. Pro Antrag wurden durchschnittlich 5,4 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert. Dies ergibt einen finanziellen Einsatz von rund 8 000 Euro zur Schaffung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes mit einer fünfjährigen Bindungsfrist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Programm Regionales Wachstum heißt aber auch Netzwerkförderung, und gerade Netzwerke wie Technische Textilien und Bahntechnik setzen auf die Potenziale ballungsfernerer Räume. Deshalb ist es eine wirksamere Unterstützung für die Potenziale, die in der Lausitz oder im Erzgebirge schlummern. Ich freue mich sehr darüber, dass das neue Programm gut angenommen wird. Dies war auch der Grund dafür, dass das Programm auch in den Jahren 2007 und 2008 fortgesetzt wird, obwohl es zunächst auf die Jahre 2005 und 2006 begrenzt war.

Am Dienstag hat das Kabinett die neuen Mittelstandsrichtlinien beschlossen. Wichtige Elemente wie die Kooperationsförderung und die Messeförderung werden teilweise regionalisiert. Das heißt, in besonders strukturschwachen Gebieten kann stärker als in anderen Regionen des Landes gefördert werden. Dafür werden wir uns künftig an der Gebietskulisse für die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ orientieren. Mit der Globalisierung der Wirtschaft gibt es einen Trend zu größeren Unternehmenseinheiten. Mit Blick auf die kleinbetriebliche Struktur ostdeutscher Unternehmen bieten Kooperationen große Chancen für die Etablierung leistungsfähiger Unternehmensnetzwerke in strukturschwachen Gebieten. Die jeweiligen unternehmerischen Potenziale müssen optimal für die Praxis genutzt werden, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Im Rahmen der nichtinvestiven Mittelstandsrichtlinie setzen wir daher finanzielle Anreize zur Bildung von Netzwerken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mittelstandsrichtlinie wird sicherlich in den nächsten Tagen noch gründlich diskutiert. Da die Zeit davonläuft – das ist am Rednerpult immer ein Problem –, möchte ich aber gern noch darauf eingehen, was unter anderem Frau Mattern gesagt hat. Frau Mattern, seien Sie einmal ganz ehrlich: Sie haben Ihre persönliche Standortentscheidung doch längst getroffen. Sie haben jahrelang in der Lausitz gewohnt. Nunmehr sind Sie in Dresden angekommen.

(Zuruf der Abg. Ingrid Mattern, Linksfraktion.PDS)

Ich muss Ihnen sagen: Bei dem martialischen Eingangsstatement, das Sie hier gehalten haben, glaube ich wirklich nicht, dass Sie noch wissen, wovon Sie sprechen, wenn Sie über strukturschwache Räume reden. Wer nämlich über die Wirtschaftsförderung und ihre Umsetzung zugunsten strukturschwacher Regionen spricht, kommt an der GA Infrastrukturförderung nicht vorbei. Sie hat das Ziel, Investitionen der gewerblichen Wirtschaft vorzubereiten, zu begleiten und zu unterstützen. Dazu konzentriert sie die Mittel in erster Linie auf fünf Felder: Verkehrsanbindungen/Verkehrsverbindungen für gewerbliche Unternehmen, Fremdenverkehrseinrichtungen, Erschließung von Gewerbegebieten, Gewerbe- und Technologiezentren, nicht investive Maßnahmen wie Gutachten, Regionalmanagement und Clusterförderung. Allein in den drei zurückliegenden Jahren sind fast 280 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von über 218 Millionen Euro im Bereich der wirtschaftsnahen GA Infrastruktur gefördert worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn die kommunale Finanzsituation das Antragsverhältnis beeinflusst, sind doch die Unterschiede in erster Linie auf den regionalen Bedarf zurückzuführen. So werden neue Gewerbegebiete nicht auf Vorrat erschlossen, sondern nur dann, wenn sich konkrete Ansiedlungen abzeichnen. Damit vermeiden wir übrigens auch Investitionsruinen. Der schon erkennbare Trend, durch Infrastrukturförderung die Wirtschaftsentwicklung im Dienstleistungssektor zu fördern, wird sich fortsetzen. Er bietet die Chance, auch in Regionen mit geringerer Wirtschaftskraft – zum Beispiel durch touristische Nutzung – neue Perspektiven für die Menschen zu eröffnen.

Für eine zielgerichtete und erfolgreiche Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur bedarf es einer schlüssigen Förderkulisse. Bei der GA Infrastrukturförderung werden daher drei Prioritäten mit unterschiedlichen Fördersätzen gebildet. Erste Priorität: 75 bis 90 % Fördersatz, zweite Priorität: 60 bis 75 % Fördersatz und in der dritten Priorität bis zu 60 % Fördersatz. Die Einstufung der Landkreise und der Kommunen in diese Prioritäten findet auf der Grundlage des vom GA-Planungsausschuss entwickelten regionalen Indikatorenmodells statt. Ich werde dem Kabinett alsbald eine aktualisierte Richtlinie vorlegen.

Um aktuell auf das Thema einzugehen, das auch das Thema der Debatte ist: Ich habe gerade eine Kleine Anfrage der Abg. Roth von der Linksfraktion.PDS beantwortet. – Ist sie jetzt da?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Leider nicht. Sie verfolgt die Debatte leider nicht.

Da geht es um die Frage: Wie viel Geld werden wir in Zukunft in die Braunkohlensanierung stecken, das heißt, im Rahmen des Verwaltungsabkommens IV für die Jahre 2008 bis 2012: Ich kann sagen, dass rund 400 Millio

nen Euro in diesen kommenden fünf Jahren in das Lausitzer und mitteldeutsche Revier fließen werden, um die Potenziale gerade auch der Nachfolgenutzung ehemaliger Bergbaugebiete sicherzustellen. Ich denke, das ist ein klares Bekenntnis auch für diese allzu gebeutelten Regionen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wir nutzen die unterschiedlichen Instrumente der Wirtschaftsförderung in Sachsen dafür, dass möglichst viele neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen und bestehende Arbeitsplätze gesichert werden. Wir setzen die Instrumente so ein, dass Arbeitsplätze möglichst dort entstehen, wo sie besonders nötig sind. Wir wissen aber: Überall in Sachsen brauchen wir dringend zusätzliche neue Arbeitsplätze. Deshalb dürfen wir nicht eine Region gegen die andere Region unseres Landes ausspielen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich bleibe dabei: Für einen jungen Menschen aus Mittelsachsen, aus dem Erzgebirge oder der Lausitz, der hier eine Kita besucht hat, den wir hier ausgebildet haben, der vielleicht hier studiert hat oder eine Ausbildung erfahren hat, ist es mir lieber, dass er in unserem Land bleibt und dass er, wenn er zum Beispiel in der Lausitz keine Arbeit findet, vielleicht eine Arbeit in Dresden oder Leipzig findet, als dass er uns verlässt und wir das, was wir in ihn investiert haben, nicht zurückbekommen können, weil er sich nach München oder Stuttgart bewegt hat – was sein gutes Recht ist. Wir wollen die Zentren in diesem Land auch stärken, damit sie eine Zukunftsperspektive für die Jugend in unserem Land darstellen können.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr sind in Sachsen zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in nennenswertem Umfang sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Von September 2005 bis 2006 waren es über 20 000. Endgültige Zahlen für das gesamte Jahr liegen noch nicht vor.

Vieles spricht dafür, dass wir auch in diesem Jahr die Zahl der Arbeitslosen verringern und die Zahl der Arbeitsplätze deutlich steigern können. Was wir mit den Mitteln der Wirtschaftsförderung dazu beitragen können, das werden wir auch tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Verehrte Abgeordnete! Die Debatte ist beendet und wir treten jetzt in eine Mittagspause bis 13:35 Uhr ein.

(Unterbrechung von 12:35 bis 13:35 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns pünktlich beginnen – als Bonus für all die, die pünktlich vom Mittagessen zurückgekommen sind.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der Staatsregierung)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Stand des Naturschutzes und der Novellierung des Naturschutzgesetzes in Sachsen

Drucksache 4/6488, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Antwort der Staatsregierung

Zuerst hat die Fraktion der GRÜNEN das Wort. Es folgen in der ersten Runde CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Abg. Lichdi, ich erteile Ihnen jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Haben Sie schon einmal bei einem Ihrer Spaziergänge am nahen Wasser oder Teich die Kleine Flussmuschel und die Schöne Erbsenmuschel bestaunt?

(Gottfried Teubner, CDU: Ja!)

Konnten Sie im vergangenen Frühjahr

(Zurufe von der CDU)

hören Sie weiter zu, Herr Kollege! – dem Gesang des Triel oder dem großen Brachvogel lauschen? Oder war es Ihnen vielleicht schon einmal vergönnt, die majestätisch anmutende Großtrappe beim Balztanz zu beobachten?

(Gottfried Teubner, CDU: Ja! – Weitere Zurufe)

Herr Kollege Teubner, wenn Sie hier zum wiederholten Male „Ja“ in den Raum rufen, dann liegen Sie falsch, denn die Namen der soeben genannten Tierarten kennen vielleicht noch einige – also vielleicht auch Sie, Herr Kollege Teubner –, doch sie sind in Freiheit in den letzten 15 Jahren in Sachsen ausgestorben.

Das Artensterben in Sachsen wie die geplante Anpassung des Landesnaturschutzgesetzes an das Bundesrecht haben unsere Fraktion veranlasst, eine Große Anfrage „Stand des Naturschutzes und Novellierung des Naturschutzgesetzes in Sachsen“ auf die heutige Tagesordnung des Plenums setzen zu lassen. Wir haben in der Antwort auf die Große Anfrage durchaus viele neue Sachverhalte über den Naturschutz in Sachsen erfahren. Leider erhielten wir von Staatsminister Tillich auf einige Fragen keine oder nur äußerst unzureichende Antworten und über diese Themen möchte ich heute sprechen.

Doch gestatten Sie mir zu Anfang einen kleinen historischen Exkurs zum Thema Naturschutz:

Die Praxis, Natur vor menschlicher Nutzung zu schützen, ist kein Phänomen moderner Gesellschaften. Das Motiv des Bewahrens hat in sehr vielen Weltbildern und Gesellschaftsordnungen einen selbstverständlichen Platz eingenommen. Wenn die Vögel im späten Mittelalter zum Beispiel Schonung erfuhren, dann nicht um ihrer selbst willen, sondern aufgrund ihrer Nützlichkeit und damit auch als Erfüllungsgehilfen menschlicher Interessen oder auch, weil ihre Bejagung nennenswert zur Ernährung beitragen konnte, sie sozusagen eine materielle Ressource waren.

(Sven Morlok, FDP, steht am Mikrofon.)

Es war 1836, als wegen des schwelenden Konfliktes zwischen der materiellen Nutzung eines Trachitkegels bei Königswinter durch örtliche Steinhauer und seiner Bewahrung das erste amtliche Naturschutzgebiet geschaffen wurde.

Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Herr Kollege Morlok ist mir bis jetzt als Wirtschaftspolitiker bekannt gewesen. Aber er kann sicherlich auch zum Naturschutz Wesentliches beitragen; bitte.

Herr Kollege Lichdi, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie sich erklären können, warum dieses Thema bei Ihrer Fraktion auf solch geringes Interesse stößt, dass Sie bis eben allein waren und Herr Gerstenberg gerade erst hereingekommen ist. Warum ist das Interesse an dieser Debatte bei Ihnen so gering?

Herr Morlok, ich bitte darum, mir zu gestatten, in meinem Redetext fortzufahren. Wirklich!

Die Gründungsphase des Naturschutzes in Deutschland kann an den Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt werden. Infolge der Hochindustrialisierungsschübe seit 1880 kam es in Deutschland zur Gründung zahlreicher Organisationen, die sich dem Schutz der Natur verschrieben haben.

Meine Damen und Herren! Richtig verstandene Naturschutzpolitik war nie Nischenpolitik, weil es im Kern immer um die Frage ging und geht, ob der die Ressourcen der Natur nutzende Mensch Tieren, Pflanzen und Habitaten noch Raum für deren Überleben lässt oder ob der Mensch durch seine Nutzungen Tiere, Pflanzen und Biotope vollständig verdrängt und ausrottet. Jeder Kundige weiß eigentlich, dass die Verdrängung anderer Lebewesen immer nur der erste Schritt zum Zusammenbruch einer menschlichen Gesellschaft ist.

Der amerikanische Bestseller-Autor Jared Diamond hat in seinem Buch „Kollaps“ die ökologischen Zusammenbrüche historischer Gesellschaften eindrucksvoll beschrieben. Besonders beeindruckt hat mich seine Frage: Was hat

sich eigentlich der Mensch auf der nun baumlosen Osterinsel gedacht, als er den letzten Baum fällte, um die Riesenstatuen aufzurichten, die wir heute so bewundern?

Meine Damen und Herren! Naturschutzpolitik ist heute weniger denn je Nischenpolitik, sondern vielmehr Überlebenspolitik für die Menschheit. Diejenigen, die sich kundig machen, wissen, dass der Mensch die Erde maßlos übernutzt, also mehr verbraucht, als die Regeneration der Erde zur Verfügung stellt. Der sogenannte ökologische Fußabdruck liegt nach meinen Kenntnissen ungefähr bei 120 %. Es gibt dort verschiedene Aussagen und Deutungen.

Naturschutz ist in den Zeiten des Artensterbens und des Klimawandels nötiger denn je. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN berichtet in Zahlen für 2004, dass 20 bis 30 % der Säugetiere, 12 % der Vögel und 31 % der Amphibien weltweit gefährdet sind. Manche sagen dann: „Na ja, es sind immer Tiere und Pflanzen ausgestorben.“ – Aber niemals waren es so viele auf einmal. Die derzeitige Aussterberate übertrifft die vermutete natürliche Rate um das Hundert- bis Tausendfache. Sie ist eindeutig durch menschliches Handeln verursacht.