Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Nein, das ist mir zu einfach. Schwuppdiwupp mal schnell über das ganze Themenfeld: Rentenalter, Eckrente, Erwerbsminderungsrente, breitere Finanzbasis der Rentenversicherung, makroökonomisch fundierte Finanzwirtschaft, Arbeitsmarktpolitik für mehr Beschäftigung usw. usf. So lösen wir die Probleme nicht. Was ist mit den Menschen? Wir brauchen eine andere Herangehensweise.

Ich will Ihnen das an einem Punkt Ihres Antrages verdeutlichen. Die Verfasser des Altenberichts fanden keine einheitliche Position zur Erhöhung des Rentenalters. Aber eine klare Ablehnung, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, wie Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene behauptet haben, steht dort auch nicht. Einigkeit bestand darüber, dass ein höheres Renteneintrittsalter in eine Gesamtstrategie von zukunftsorientierten Rahmenbedingungen eingebettet sein muss.

Das ist auch unsere Forderung. Das höhere Renteneintrittsalter und die Beschäftigung Älterer gehören zusammen und verlangen eine darauf ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik und natürlich die entsprechenden Rahmenbedingungen. Wirtschaft, Politik, aber auch jeder Einzelne ist hier in der Verantwortung. Ohne Arbeitsplätze für Ältere ist die Rente mit 67 eine Rentenkürzung, und diese lehnen wir ab. Müssen wir ein Alter X für die Verrentung zwingend festschreiben? In Deutschland haben wir die Frühverrentung subventioniert, und das war jedenfalls der falsche Anreiz.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Richtig!)

Andere Länder machen uns vor, wie es auch gehen kann. Die Niederländer setzen den Anreiz im Steuerrecht. Dort gibt es die sogenannte Arbeitspauschale, mit der man das zu versteuernde Einkommen senken kann. Die Höhe der Arbeitspauschale ist abhängig vom Lebensalter des Arbeitnehmers, und für 60- bis 65-Jährige ist sie am höchsten. Das heißt, je älter ich werde, desto höher wird mein Einkommen, das ich nach Steuern erhalte. Schweden und Niederländer setzen den Anreiz über das Renteneintrittsalter. Dort gibt es Zeitkorridore zwischen dem 60. und dem 67. bzw. 70. Lebensjahr. Je früher man aufhört zu arbeiten, desto kleiner fällt die Rente aus. Die Finnen setzen den Anreiz über die Rentenformel. Ab dem 60. Lebensjahr werden die Arbeitsjahre in der Rentenformel stärker berücksichtigt als die Jahre zuvor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können auf das Erfahrungswissen von Älteren nicht länger verzichten und wollen es auch nicht. Aber das erreichen wir nur über einen aktivierenden Ansatz. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab bzw. können wir bei punktweiser Abstimmung nur einzelnen Punkten zustimmen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Der Abg. Schmidt hat um das Wort gebeten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Die Chancen für einen langzeitarbeitslosen Bürger oder einen, der schon etwas über 30 Jahre alt ist, sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt fast gleich null. Ich kenne Menschen, die in ernsthaftem Bemühen um Arbeit schon Ordner mit Bewerbungen

angehäuft haben. Eigentlich sollte dies uns allen bereits ausreichend bekannt sein, zumal man selbst schon mit der Jugendarbeitslosigkeit Probleme hat.

In der Vergangenheit hat es bereits Politiker gegeben, die der Meinung waren, das Renteneintrittsalter zu senken, um so jüngeren Arbeitsuchenden Platz zu machen. Das ist nach meiner Meinung ein eher sinnvoller Weg, um der Arbeitslosigkeit im Lande entgegenzutreten. Aber darum scheint es ja wohl nicht zu gehen; denn es geht doch viel eher wieder um den Dreh- und Angelpunkt, um das Geld und nicht um die Menschen. Ein vorzeitig in Rente gehender Mensch wird demzufolge auch schon eher als mit 65 Jahren Rente beziehen. Obwohl der ehemalige Arbeitsminister Blüm immer der festen Meinung war, dass die Renten auf Dauer sicher seien, wiegt man sich derzeit, diese Frage betreffend, wohl eher in krampfhaften Nöten.

Verlängern wir also die Arbeitszeit von derzeit 65 auf 67 Jahre, so müssen in Brot stehende Menschen zwei Jahre länger in die Rentenkasse einzahlen. Man mag bei der geplanten Anhebung des Renteneintrittsalters wohl offenbar auch davon ausgehen, dass die Menschen bei uns bekanntlich älter werden. Aus medizinischer Sicht wird sich das Nachlassen des Zellwachstums jedoch nicht einfach auf zwei Jahre verlängern lassen, und so muss man schon davon ausgehen, dass die noch längere berufliche Inanspruchnahme eines Arbeitnehmers nicht gerade positive Folgen haben wird; es sei denn, dass man bewusst damit rechnet. Peitscht man das Gesetz „Rente mit 67“ jedoch durch, erreicht man bei all den vielen, die ohnehin schon zu Hause auf Arbeit warten, dass sie noch länger Hartz IV beziehen und diesem Zeitverschub entsprechend erst später ihre margere Rente beziehen können; denn die Arbeitsjahre zählen ja bekanntlich.

Angesichts dieser Tatsache empfinde ich das Vorhaben, die Rente auf 67 anzuheben, den Menschen gegenüber als unglaubliche, menschenunwürdige Frechheit, und ich glaube weder auch nur im Geringsten, dass dieser Schritt auf dem deutschen Arbeitsmarkt jemals etwas gravierend Positives bringt, noch, dass man mit diesem Schritt finanzielle Sanierung auf staatlicher Ebene vornehmen kann. Wenn man schon nicht mehr ein noch aus weiß, sollte man es nicht unbedingt mit Halbheiten versuchen, sondern das gesamte Finanzsystem umkrempeln, selbst auf die Gefahr hin, dass es Menschen einmal Schmerzen bereitet, die die Schmerzen der breiten Bevölkerung überhaupt nicht kennt. An einen solchen Schritt glaube ich jedoch nicht und kann dem vorliegenden Antrag daher nur zustimmen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Staatsministerin? – Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Europäische Zentralbank hat

sich in ihrem Monatsbericht im Oktober 2006 mit den Konsequenzen des demografischen Wandels in Europa auseinandergesetzt und dabei Folgendes festgestellt – ich zitiere –: „Auf längere Sicht wird auch eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bzw. der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit erforderlich sein. Es liegt im Verantwortungsbereich der einzelnen Euro-Länder, wie sie die Maßnahmen zur Beschäftigung und Produktivität im Rahmen der Lissabon-Strategie und der integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung 2005 bis 2008 ausgestalten.“

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen um die Rente mit 67 nicht herum. Das habe ich in meiner Stellungnahme deutlich gemacht, und darauf haben auch einige Vorredner in der Debatte bereits hingewiesen. Obwohl die Gründe für die stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters hinlänglich bekannt sein sollten, möchten Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, alles beim Alten lassen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Nein!)

Frau Herrmann hat es bereits ausgeführt: Eine Vollkaskoversicherung des Staates, wie Sie sie sich wünschen, ist mehr als realitätsfern; ja, sie ist sogar rückwärtsgewandt.

Meine Damen und Herren! Die gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt die wichtigste Säule der Alterssicherung in Deutschland. Wir stellen uns der Verpflichtung, die Rente auch in Zukunft verlässlich zu halten und nachhaltig auf eine solide Finanzgrundlage zu stellen. Selbstverständlich muss die Anhebung des Renteneintrittsalters mit einer gezielten Förderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden sein, und dies nicht nur aus sozialen Gründen; – –

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Staatsministerin?

Nein.

denn die Zahl der qualifizierten Erwerbspersonen wird mit dem demografischen Wandel deutlich zurückgehen. Auch wenn viele Unternehmen heute noch in ihrer Einstellungspolitik ältere Mitarbeitende nicht präferieren, bin ich überzeugt davon, dass sich dies schon sehr bald ändern wird. Wir werden die Erfahrungen und das Potenzial der älteren Beschäftigten brauchen, und die heute faktisch betriebene Frühverrentung wird sich so nicht weiterführen lassen.

Meine Damen und Herren! Sachsen ist hier auf einem Weg, der besser ist, als Sie, die Antragsteller, es darstellen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das Wissen um einen künftigen Fachkräftemangel hat die Unternehmen mehr und mehr erreicht und für die Potenziale älterer Mitarbeiter sensibilisiert. Natürlich gibt es auch hier noch viel zu tun, und deshalb, meine

Damen und Herren, werden wir uns auch weiterhin um bestmögliche Rahmenbedingungen bemühen, um so viele Menschen wie möglich in dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion.PDS hat das Schlusswort. Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, offenbar muss es hier ein Missverständnis geben.

(Staatsministerin Helma Orosz: Erklären Sie mir das!)

Wir sind nicht für eine Vollkaskorente des Staates. Das Umlageverfahren – das wissen Sie doch – ist keine staatliche Rente. Wir sind dafür, dass das Umlageverfahren qualifiziert und ausgeweitet wird; das ist unser Problem. Und wir können es dadurch ausweiten und qualifizieren, dass wir den Produktivitätsgewinn anders, besser und gerechter verteilen.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Genau!)

Das ist in der Vergangenheit bereits geschehen. Es müssen eben nicht mehr so viele arbeiten, damit der gleiche Anteil an gesellschaftlichem Reichtum entsteht. Das ist eine alte ökonomische Weisheit.

(Tino Günther, FDP: Blödsinn!)

Was verstehen Sie denn davon?!

Ich denke, auch das sei hier deutlich gesagt: Wir sind nicht prinzipiell dagegen, dass länger als bis 65 gearbeitet wird,

(Staatsministerin Helma Orosz: Aha!)

sondern wir sind dagegen, dass es eine Zwangsfestlegung des Renteneintrittsalters gibt, nämlich auf 67.

Frau Herrmann hat einiges angedeutet, was man sich über eine längere Zeit überlegen kann, sodass man also durchaus flexibler damit umgehen kann. Aber es darf niemand, der körperlich nicht mehr in der Lage ist, gezwungen werden, länger zu arbeiten, obwohl er es gar nicht kann. Das ist unser Standpunkt.

(Staatsministerin Helma Orosz: Das ist doch heute schon nicht der Fall!)

Aber dann bekommt man Abschläge, das wissen Sie doch.

Ich wollte noch eine Bemerkung zu diesen unsäglichen Debatten machen, die insbesondere von der Jungen Union immer wieder kolportiert werden – Herr Rohwer hat es vorhin auch wieder gemacht –: den Debatten über den angeblichen Verteilungskonflikt zwischen den Generatio

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/6888 zur Abstimmung. Es wurde beantragt, über die Punkte einzeln abzustimmen. Das werden wir jetzt tun.

nen. Ich sage Ihnen: Zwischen den Generationen gibt es überhaupt keinen Verteilungskonflikt, Sie reden ihn herbei. Wenn es einen Verteilungskonflikt gibt, dann vollzieht er sich innerhalb der jeweiligen Generation. Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass etwa die Alten reich und die Jungen arm sind. So läuft doch die Geschichte nicht!

Wer dem Punkt 1 des Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Stimmenthaltung und Stimmen dafür ist der Punkt 1 mehrheitlich abgelehnt.

Eine positive Botschaft zum Abschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie werden den Antrag heute mehrheitlich ablehnen, davon gehe ich aus. Das zeigt mir nur, dass wir weiter an den Dingen arbeiten müssen. Denn wenn Herr Jähnichen heute in seinem Beitrag gesagt hat – ich war völlig erstaunt –, dass er von der Bundesregierung erwarte, dass sie endlich die Rentenungerechtigkeiten zwischen Ost und West beseitigen möge, – –

Ich lasse über den Punkt 2 des Antrages abstimmen. Wer dem Punkt 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist der Punkt 2 ebenfalls abgelehnt.

Ich lasse über den Punkt 3 abstimmen. Wer dem Punkt 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür ist dieser Punkt dennoch mehrheitlich abgelehnt.