Wenn aber nun schon die Exekutive die Aufgabe der Legislative übernimmt, dann sollte sie wenigstens die richtige Legislative unaufgefordert auf dem Laufenden halten; ich denke, das kann man schon erwarten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da die FDPBundestagsfraktion den Antrag zur Bund-LänderKommission mit unterschrieben hat, also Miteinbringer war, ist es ganz selbstverständlich, dass wir den heutigen Antrag der Koalition als auch den der PDS unterstützen werden. Es geht ja auch noch nicht so sehr um die Inhalte,
sondern vielmehr um das Verfahren – wenngleich ich zugeben muss, dass man den Kollegen von CDU und SPD schon sagen muss, dass der Begriff Spätzünder ganz gut zu Ihnen passt; denn das, was Sie heute mit Ihrem Antrag fordern, hat uns Herr Dr. Metz schon genauso in der letzten Haushalts- und Finanzausschusssitzung versprochen und angekündigt.
Sie, Herr Dr. Metz, haben das – was ich für eine Selbstverständlichkeit halte, nämlich dass uns die Staatsregierung auf dem Laufenden hält und uns regelmäßig informiert – beim letzten Mal schon im Haushalts- und Finanzausschusses getan. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch ohne Ihren formellen Antrag absoluter Verlass auf unseren geschätzten Finanzminister ist und dass er uns regelmäßig informieren wird, meine Damen und Herren.
Unabhängig vom Verfahren, ist es tatsächlich dringend erforderlich, sich über die Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem Bund Gedanken zu machen und diese Beziehungen neu zu definieren. Unser fast 40 Jahre altes Finanzausgleichssystem hat – an der Stelle ist es wahrscheinlich ganz menschlich – mit zunehmendem Alter leider auch an Torheit zugenommen.
Die Absurdität unseres Systems zeigt eine Rechnung, die das Institut der Deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr gemacht hat. Wenn Bayern zum Beispiel auf die Idee käme, mehr Steuern einzutreiben, dann hätte Bayern nicht nur eine Menge Ärger mit den Bürgern oder Unternehmen, die die Steuern zahlen müssen, sondern es hätte von dieser Maßnahme auch so gut wie nichts. Denn von beispielsweise 2 000 Euro Mehreinnahmen aus der Lohnsteuer darf es gerade einmal ein Zehntel, also 200 Euro, behalten. Das halte ich für ziemlich paradox; denn der Rest dieser Steuermehreinnahmen – vielleicht entstanden durch eine gute Finanzpolitik, gute Wirtschaftspolitik – fließt in eine riesige Blackbox, die Sie alle kennen: den Länderfinanzausgleich.
Ganz klar ist, dass der Länderfinanzausgleich ein System ist, von dem Sachsen im Moment außerordentlich stark profitiert. Aber es ist aus meiner Sicht auch ein System, das für Uniformität statt für Vielfalt, für Gleichmacherei statt für Wettbewerb steht. Es ist in vielen Bereichen immer mehr zu einem leistungstötenden System geworden.
Im Jahr 2005 hat Sachsen rund 7 Milliarden Euro vom Bund und von den reichen Ländern erhalten. Wir sind also gegenwärtig ein Nehmerland und müssten – könnte man zumindest erwarten; allerdings wäre das wiederum nicht gerade typisch sächsisch – in dieser aktuellen Diskussion mucksmäuschenstill sein. Wir sind es aber nicht, und das ist auch vollkommen richtig so; denn wir wissen, dass das jetzige System an seine Grenzen gestoßen ist und dass es keine Tabus in der Debatte um neue, um die künftigen Strukturen geben kann, meine Damen und Herren.
Herr Pecher hat schon angedeutet, dass andere da ganz anders drauf sind. Ihr Kollege zum Beispiel, der Chef der Thüringer SPD, Herr Matschie, hat in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“ gesagt, „dass die ostdeutschen Länder kein Interesse an einer Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen haben, weil sie dabei nur verlieren können“. Aus meiner Sicht ist das ein ganz, ganz großer Irrtum. Einmal abgesehen davon, dass mir jemand leid tut, der mit so wenig Selbstbewusstsein, mit so wenig Zuversicht und Zutrauen in die künftige Leistungskraft seines Landes Politik macht, denke ich, dass unser Finanzminister und auch unser Ministerpräsident absolut richtig daran tun, wenn sie – und das habe ich hoffentlich richtig verstanden – ein außerordentliches Interesse an einer Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen zeigen. Wir brauchen in Deutschland endlich ein leistungsförderndes System, meine Damen und Herren.
Im Gegensatz zu den Thüringer Sozialdemokraten sollten wir uns in Sachsen das gemeinsame Ziel setzen, künftig ohne Transfermittel auszukommen. Das wird noch eine ganze Weile dauern, aber langfristiges Ziel sollte es sein. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ich habe keine Lust, vielleicht noch 20 oder 30 Jahre von fremdem, von geschenktem Geld zu leben. Ich würde es gern noch sehen wollen, dass wir es in Sachsen schaffen, auf eigenen Beinen zu stehen anstatt bettelnd durch die Bundesrepublik zu ziehen. Wir sollten unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen, um vielleicht in ein paar Jahren den wirklich schwächeren Ländern helfen zu können. Meine Damen und Herren, das sollte das Ziel des Freistaates Sachsen sein.
Noch ist das absolute Zukunftsmusik. Für die FDP ist klar, dass es Ziel sein muss, dass Sachsen eines Tages zu einem Geberland wird und dass Sachsen dort steht, wo es vor vielen, vielen Jahrzehnten schon gestanden hat: an der Spitze aller Länder in Deutschland.
Dass so etwas möglich ist, hat uns schon einmal jemand vorgemacht, nämlich das Land Bayern. Bayern hat seit dem Krieg bis 1986 zu den Ländern gehört, die von den reicheren Ländern bekommen haben. Die haben eine ordentliche Zeit gebraucht – –
Wir sind ja nicht ganz so träge wie die Bayern. Wir sind ein bisschen fixer. Gott sei Dank, Herr Pecher, haben wir keine rein schwarze Regierung. Deswegen wird es hier durch den Schwung, den Sie in die Regierung bringen, viel schneller gehen.
Bayern hat es uns vorgemacht, wie man von einem Nehmerland zu einem ganz starken Geberland werden kann. Ich schlage Ihnen hiermit vor, dass wir es ähnlich machen.
Wir unterstützen selbstverständlich unseren Ministerpräsidenten in der Forderung eines Schuldenverbots für Deutschland und bei Sanktionen gegen die Bundesländer, die permanent neue Schulden machen und sich nicht an die Sparkriterien halten. Herr Rößler hat es vorhin als nationalen Stabilitätspakt bezeichnet. Es kann nicht sein, dass wir in Sachsen Schulden vermeiden, letztes Jahr sogar welche abgebaut haben, während sich andere Länder immer wieder neu verschulden.
Das gilt auch für die kommunale Ebene. Dresden hat die WOBA verkauft. Das haben wir gemacht, um uns selbst, aber auch kommenden Generationen ganz neue Gestaltungsspielräume zu ermöglichen. Doch was nützt dieser aus meiner Sicht sehr mutige Schritt, wenn beispielsweise Länder wie Berlin Tag für Tag neue Schulden aufnehmen und trotz dieser Situation nicht bereit sind, über den Verkauf der landeseigenen Immobilien nachzudenken, Studiengebühren einzuführen, ernsthafte Einschnitte beim Landespersonal vorzunehmen, stattdessen aber weiter Geschenke verteilen wollen. In Berlin steht ein kostenloses Kita-Jahr zur Debatte, was sie sich nun mit Sicherheit nicht leisten können. Am Ende wird aus purer Solidarität, Herr Pecher, gefordert, dass alle anderen Bundesländer die 60 Milliarden Euro Schulden von Berlin, die sich inzwischen angehäuft haben, gemeinschaftlich tragen sollen. Einmal abgesehen davon, dass das die Spitze von verantwortungsloser Politik ist, muss ich sagen, dass die Idee von Georg Milbradt ganz gut ist, denn ich würde Herrn Wowereit ohne den vorgeschlagenen Sparkommissar überhaupt nicht mehr regieren lassen.
Die Föderalismusreform I hat uns beim Gestaltungswettbewerb aus unserer Sicht nur Peanuts gebracht. Wir wollen jetzt echte Gestaltungsrechte und auch bei den Ländern das Prinzip einführen, dass sich Leistung wieder lohnen muss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern ist wahrlich eine Mammutaufgabe. Dr. Rößler und Mario Pecher haben das schon beschrieben und Zahlen dazu genannt. Es geht darum, die dringendsten finanzpolitischen Probleme anzupacken, die sich in den 60 Jahren Existenz der Bundesrepublik aufgetürmt haben, und das im Kontext widerstreitender finanzieller Interessen, die quer von Ost
Unsere Mindestanforderung an eine erfolgreiche Föderalismusreform II ist, dass wir das Schuldenproblem von Bund, Ländern und Gemeinden in den Griff bekommen. Bisher haben der Bund und zahlreiche Länder etliche verfassungswidrige Haushalte verabschiedet, ohne dass es zu echten Konsequenzen kam. Vielmehr hat man sich im Notfall auf die Solidargemeinschaft verlassen oder weitere Schulden aufgenommen. Die Zinszahlung für das Schuldengebirge von Bund, Ländern und Kommunen beläuft sich derzeit auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr. 70 Milliarden pro Jahr! Das heißt, dass politische Entscheidungen aus Vergangenheit und Gegenwart wichtige Investitionen in die Zukunft verhindern, zum Beispiel beim Thema Bildung und Forschung oder Klima- und Umweltschutz.
Meine Damen und Herren! Die derzeitige Finanzverfassung hat sich damit in weiten Teilen als ungeeignet erwiesen, künftigen Generationen ihre finanziellen und politischen Gestaltungsspielräume zu erhalten. Für einen Ausweg aus dem Schuldenstaat brauchen wir daher eine Finanzverfassung mit neuen Spielregeln und neuen Verschuldungsgrenzen. Die Schweizer haben uns mit ihrer Schuldenbremse vorgemacht, in welche Richtung es gehen könnte.
Was wir uns erhoffen, meine Damen und Herren, ist eine Neuorganisation der Finanzströme. Im derzeitigen System des Länderfinanzausgleichs lohnt es sich weder für Geber- noch für Nehmerländer, beispielsweise eigene Steuereinnahmen zu steigern. So fließen einem ostdeutschen Bundesland von 1 Euro zusätzlicher Lohnsteuer nur etwa 10 Cent in die eigene Kasse, der Rest geht an den Bund und die anderen Länder. Bei den Geberländern sieht es ganz ähnlich aus. Bei solchen Verteilungswirkungen lohnt es sich zu wenig, die eigene Wirtschaftskraft zu erhöhen und die Steuern bestmöglich einzutreiben. Herr Zastrow hat das am Beispiel von Berlin gerade bildhaft gezeigt. Mehr Wettbewerb würde uns hier guttun.
Wir denken dabei an einen Länderfinanzausgleich, der weniger stark nivelliert und die Umverteilungsintensität reduziert. Wir denken auch an die partielle Übertragung der Steuerautonomie auf die Länder, damit sie die Zuschlagsrechte auf bestimmte Steuerarten für sich selbst erhalten. Meine Damen und Herren, das sind die Schritte, die wir erwarten und erhoffen.
Bedauerlicherweise hat Ministerpräsident Oettinger aus Baden-Württemberg, der die Kommission zur Föderalismusreform II leiten wird, im Bundesrat bereits eingeräumt, dass die Finanzströme wahrscheinlich nicht angerührt werden. Auch unser Finanzminister Herr Dr. Metz hat bereits verkündet, dass für ihn der Länderfinanzausgleich tabu ist. Von einer Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen, die diesen Namen auch verdient, erwarten wir jedoch, dass diese Fragen angepackt werden. Herr Minister, bei einer echten Reform darf es keine Tabus geben, sonst kann man es gleich lassen.
Meine Damen und Herren! Die Föderalismusreform II bietet auch die riesige, vielleicht letzte Chance, den Solidarpakt II, das wichtigste Förderinstrument beim Aufbau Ost, endlich zu modernisieren. Bisher dürfen mit den Korb-I-Geldern des Solidarpaktes II ausschließlich Investitionen gefördert werden.
Ja, aber jetzt kommt’s. Der Investitionsbegriff ist völlig veraltet, wenn man mit der Förderung nur in Beton und Asphalt investieren kann. Technischer Fortschritt und die Generierung neuen Wissens und der Wissenstransfer – das sind die echten Quellen für wirtschaftliches Wachstum, wie uns die moderne Wachstumstheorie lehrt. Solche Ausgaben zählen jedoch zu den konsumtiven Ausgaben und dürfen daher mit dem Solidarpakt nicht gefördert werden. Die Folgen sind fatal. Die Anschaffung von Dienstwagen oder der Bau eines Verwaltungsgebäudes ist eine Investition und darf daher gefördert werden; die betriebliche Forschungsförderung hingegen nicht, weil es eine konsumtive Ausgabe ist.
Da mit dem Solidarpakt auch die EU-Mittel kofinanziert werden, zieht sich dieser alte Investitionsbegriff praktisch durch alle Förderhaushalte.
Bedauerlicherweise hat auch hier der Finanzminister den Solidarpakt bereits zum Tabuthema erklärt. Nach unserer Meinung ist jedoch die Modernisierung des Solidarpaktes der wichtigste Schlüssel für einen größtmöglichen und nachhaltigen Erfolg beim Aufbau Ost, meine Damen und Herren.
Die Kommission, die Bundestag und Bundesrat jetzt eingesetzt haben, ist – wen wundert es – eine Kommission der Großen Koalition geworden. Alle Landesregierungen hocken auf ihren Kommissionssitzen wie die Glucken auf dem Ei und wollen ihre Landtage und Kommunalvertretungen nicht angemessen einbinden.
Gemäß der Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat nehmen gerade einmal vier Abgeordnete der 16 Länder an den Beratungen teil und sie haben – genau wie die Kommunen – in der Kommission kein Stimmrecht. Verfassungsrechtlich ist das ein erstaunlicher Rückschritt, denn die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wird grundsätzliche Auswirkungen auf die Finanz- und Haushaltspolitik der Länder und der Kommunen haben. Das Haushaltsrecht der Länder aber liegt bei den Landtagen, nicht bei den Landesregierungen, und die Kommunen können durch die angestrebte Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erheblich in ihren Interessen berührt werden.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Koalitionsantrag will zumindest den Informationsfluss zwischen Staatsregierung und Landtag sicherstellen. Diesem Antrag werden wir ebenso wie dem der Linksfraktion zustimmen. So hat sich aus unserer Sicht – Herr Friedrich hat es schon gesagt – der Antrag der Linksfraktion bereits weitestgehend erledigt, weil die von Ihnen geforderte Kommission inzwischen eingesetzt wurde.
Nichtsdestoweniger würden wir einen Bericht der Staatsregierung zum 31. März 2007 begrüßen, in dem sie noch einmal ihre Position darlegt.