Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Weckesser.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gedacht, dass es ein großes Interesse an weiteren Reden gibt, und habe gewartet. Ich wollte mich nicht vordrängen.

Nachdem wir diese vaterländischen Reden alle gehört haben – was ja auch in Ordnung ist, denn das Thema ist wichtig genug –, will ich wenigstens noch zwei Bemerkungen vorwegschicken. Das reizt mich, weil immer wieder Gedanken neu auftauchen, bei denen ich mich frage: Wer glaubt eigentlich ernsthaft, dass ein anderer Verteilungsmodus zu mehr Geld führt? Er verteilt nur anders. Das heißt, es sind andere die Begünstigten und andere die Benachteiligten. Wenn man die Perspektive betrachtet, dann sieht das schon anders aus. Man kann die Hoffnung haben, dass man durch einen neuen Mechanismus in der Folge auch zu einem höheren Aufkommen kommt. Dann würde es sich lohnen. Aber das ist etwas schwierig.

Es ist hier schon wiederholt angesprochen worden, welche Themen im Grunde genommen relativ als Tabu ausscheiden, bevor es richtig losgegangen ist. Ich sage mir: Schauen wir einmal, wie es am Ende sein wird.

Der ganze Mechanismus ist so schwerfällig, dass ich keine allzu große Hoffnung habe, dass es zu gravierenden Änderungen kommt, weder in der von Herrn Zastrow geforderten noch in einer anderen Richtung.

Auch zu Herrn Pecher noch eine Bemerkung: Das ist immer so eine Sache mit dem Glück. Sie haben ja recht: Glück spielt immer eine gewisse Rolle dabei. Wenn ich dann sehe, dass die oft geschmähte rot-rote Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern als zweite die Nullneuverschuldung erreicht hat, dann ist es so, dass der Wahlverlierer Glück hat, als derjenige dazustehen, unter dessen Verantwortung das geschehen ist, und der Koalitionspartner, der die Wahl eigentlich nach den Zahlen nicht verloren hat, hatte eben Pech. Am Erfolgstrog steht nun die CDU, die damit gar nichts zu tun hatte. So ist das wirklich mit dem Glück.

Für mich war es einfach spannend, wie so etwas geht, während Thüringen ja nun wohl hoffnungslos abgeschlagen ist, obwohl dort nie eine rot-rote Regierung an der Macht war.

Zurück zum eigentlichen Thema, zu den vaterländischen Reden: Ich habe mir das angesehen; diese Bundestagsdebatte war hoch spannend. Ich weiß nicht, wer sie sich auch angesehen hat. Dort fielen ja alle Begriffe schon einmal. Herr Struck sprach namens der SPD von der

„Herkulesaufgabe“, aber er sei guter Hoffnung, das hinzubekommen.

Antje Tillmann freute sich für die Union, dass man nur aus den Fehlern der ersten Stufe der Föderalismusreform lernen könne usw. usf.

Herr Dr. Friedrich hat hier bereits zitiert, was da auch an kritischen Dingen gesagt wurde, und das aus unterschiedlichen politischen Ecken. Für mich war aber der ernsthafte Versuch wichtiger, einen Vorschlag zu machen, doch noch etwas zu ändern. Der kam von meinen Kollegen. Sie hatten einen eigenen Antrag, der natürlich erwartungsgemäß abgelehnt wurde, obwohl er weder einen Staatsstreich noch einen Putsch machen, sondern lediglich den Anteil der Landtage an dieser Kommission ein bisschen erhöhen wollte.

Herr Dr. Rößler, wir trauen uns ja gar nicht mehr vorzuschlagen, dass die Landtage gleichberechtigt vertreten sind. Aber die Wahrheit ist, dass wir in der ersten Stufe immerhin noch sechs Vertreter von Landtagen hatten und dass diese nun auf vier zusammengeschrumpft sind. Wie sie dann besetzt werden, ist die einzige Sache, die heute vielleicht noch beeinflusst werden kann, wahrscheinlich aber auch nicht. Meine Hoffnung hält sich in Grenzen; aber wir haben es immerhin versucht. Wenigstens in dieser Frage sollten wir uns einig sein, Sachsen spielt schon eine herausgehobene Rolle in der finanzpolitischen Debatte – sowohl die Regierung als auch der Landtag im Ganzen. Ich bin richtig froh darüber.

Die heutige Debatte hat wieder gezeigt, dass hier sehr vernünftig und sehr überlegt etwas vorgetragen wurde.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Es muss ein Sachse dabei sein!)

Wir haben das Thema – Sie wissen das, Herr Dr. Rößler – intensiv im HFA diskutiert. Selbstverständlich kam von Herrn Finanzminister unaufgefordert und ohne dass man ihn unter Druck setzen musste die Zusage, wir werden regelmäßig informiert, sobald dort neue Ergebnisse vorliegen. Wir waren uns im Ausschuss alle einig, und wir sollten Wert darauf legen, auch der Minister. Immer, wenn solche Kommissionen bestanden haben, hat es sich als vorteilhaft erwiesen, wenn Sachsen dabei waren, und zwar nicht allein für Sachsen, sondern wir sind stark genug, denke ich, diese Rolle auch gern für die anderen ostdeutschen Länder übernehmen zu können. Darüber waren wir uns alle einig.

Dann hat Herr Pecher vorgeschlagen, ich möge doch einen Brief an Herrn Präsidenten schreiben. Den habe ich geschrieben. Ich habe ihm diesen Standpunkt dargestellt. Der Herr Landtagspräsident hat mir freundlich geantwortet. Das ist alles nicht das Problem. Der Antwort entnehme ich aber: Es ist schon alles gelaufen und es wird wahrscheinlich doch nicht so, wie wir es uns gewünscht haben. Das ist der Hintergrund, warum ich die Gelegenheit wahrnehme, um es hier noch einmal zu versuchen.

Ein Wort ist mir noch wichtig: Dieser Versuch im Bundestag – das war übrigens ein Antrag vom November – war

relativ zeitig vor der Beschlussfassung eingereicht worden. Er ist in namentlicher Abstimmung bei 544 abgegebenen Stimmen mit 46 Stimmenthaltungen und 47 Stimmen dagegen abgelehnt worden. Da war alles gebongt. Wenn er vielleicht von einer anderen Fraktion gekommen wäre, hätte es ein etwas anderes Verhalten gegeben, aber ich glaube auch das nicht.

Für alle diejenigen, die jetzt nicht in den „Innereien“ des Finanzausschusses zu Gange sind – es steht alles im Protokoll und Sie können es nachlesen, schauen Sie bei den Kollegen nach –: Es ist in Sachsen ganz spannend gewesen, weil wir uns im Grunde einig waren. Es geht um viel Geld und deshalb sollten wir auch versuchen, diesen Einfluss anzustreben.

Ich komme zum Schluss und nenne noch einmal drei Wünsche, die ich hätte.

Der erste Wunsch bezieht sich auf die Handlungsebene. Das Land sollte versuchen, alle ihm zugängigen Mittel zu nutzen, um Einfluss auf die Diskussion zu nehmen. Da bin ich relativ guter Hoffnung; ich kenne einfach die Akteure.

Der zweite Wunsch. Auf der strukturellen Ebene allerdings sollten wir uns tatsächlich ernsthaft um einen Sitz, wenn es schon nur noch vier sind, bemühen. Ich möchte nur daran erinnern, dass Herr Steinbrück in der Bundestagsdebatte richtigerweise festgestellt hat, dass die Konfliktlinien nicht zwischen A- und B-Ländern verlaufen, nicht parteipolitisch orientiert sind, sondern zwischen großen und kleinen Ländern, zwischen Ost- und Westländern, zwischen Geber- und Nehmerländern. Damit hat man im Grunde schon eine vernünftige Aufteilung unterstellt.

Drittens, die informationelle Ebene. Die Zusage der Exekutive liegt vor. Damit sind wir alle zufrieden. Ein zusätzlicher Informationskanal wäre wünschenswert. Sollte es, wie wir es vorgeschlagen haben, direkt ein Vertreter des HFA sein, wäre es optimal. Wenn es nicht ein Vertreter des HFA ist, sollte der Informationsfluss trotzdem gewünscht sein. Wen auch immer das Glück trifft – ich würde einfach vorschlagen, er möge sich als korrespondierendes Mitglied unseres Ausschusses verstehen, damit wir auch auf dieser Ebene etwas haben. Aber noch ist das alles Zukunftsmusik. Ich bitte Sie, machen wir das mit.

Ich kann selbstverständlich beiden Anträgen, so wie sie vorliegen, zustimmen. Die Einschränkung hat Herr Dr. Friedrich genannt. Zu dem Zeitpunkt, als wir es eingebracht haben, hatte es noch Sinn, das zu fordern. Mittlerweile hat es sich erledigt.

Recht schönen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Dann frage ich die Staatsregierung, ob sie sprechen will. – Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Föderalismuskommission wird sich nach heutigem Stand am 8. März dieses Jahres konstituieren. Über die sich anschließende inhaltliche Arbeit, die sich allerdings schwerpunktmäßig in das zweite Halbjahr des Jahres 2007 verlagern wird, wird die Staatsregierung selbstverständlich den Landtag umfassend unterrichten. Alles Wichtige und Richtige, was es noch zu sagen gäbe und was nicht gesagt worden ist, habe ich in meiner Rede stehen, die ich zu Protokoll gebe.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zu den Schlussworten. Ich übergebe das Schlusswort den Fraktionen CDU und SPD. Wird das gewünscht? – Nein. Dann frage ich die Linksfraktion.PDS. – Herr Dr. Friedrich, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Angst, ich quäle Sie ganz bestimmt nicht lange.

Herr Staatsminister Winkler, es wäre natürlich ganz nett gewesen, wenn Sie Ihre Rede, weil sie wichtig ist, vorgetragen hätten. Ich gehe auch gern nach Hause. Aber wie soll man antworten, wenn Sie die Rede zu Protokoll geben? Das ist schon sehr gewagt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Ich werde nicht der Versuchung unterliegen. Mir ist auch das Herz voll, und ich könnte hier noch viel sagen. Ich denke, dass wir in der Sache eine große Einigkeit erzielt haben, was ja hinreichend selten vorkommt. Ich habe ja schon angekündigt, dass über den ersten Punkt, obwohl wir nicht mit der Zusammensetzung zufrieden sind, hier laut Geschäftsordnung nicht noch einmal abgestimmt werden kann und darf.

Wir würden aber schon bei Ziffer 2 bleiben, einen zeitnahen Bericht über diese offene Problemsammlung, auch wenn Sie Schwierigkeiten wegen der EU-Ratspräsidentschaft und allen anderen möglichen und unmöglichen Dingen angedeutet haben. Es müsste doch möglich sein, dass Sie hier im Landtag zeitnah – zeitnah bedeutet für uns: der 31. März dieses Jahres – diese interessante offene Problemsammlung nicht nur den Mitgliedern des HFA – das ist hier wohl selbstverständlich –, sondern dem gesamten Haus zur Verfügung stellen und dass wir Sie dann zu gegebener Zeit an Ihre Versprechen erinnern, den Sächsischen Landtag als Gesamtheit in diese wichtige Reformdebatte einzubeziehen und es dezidiert besser zu machen als bei der Stufe I der Reform.

In diesem Sinne bin ich mit der Debatte zufrieden. Auch wir werden dem Koalitionsantrag zustimmen und bitten darum, extra noch über unseren Punkt 2 abzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst ab über die Drucksache 4/7560, Antrag der Fraktion der CDU und der SPD. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das war einstimmig. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich lasse abstimmen über die Drucksache 4/7186, Antrag der Linksfraktion.PDS, Punkt 2 des Antrages. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Erklärung zu Protokoll

Die Föderalismusreform II befasst sich mit einem Thema, das für den Freistaat Sachsen von besonderer Bedeutung ist: Es geht um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Angesichts der nach wie vor hohen Transferabhängigkeit aller neuen Länder – also auch Sachsens – muss es unser Ziel sein, an den bis 2019 geltenden Vereinbarungen zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt II festzuhalten. Dies haben die Regierungschefs der ostdeutschen Länder auf ihrer letzten Regionalkonferenz noch einmal bekräftigt.

Gleichwohl besteht aus sächsischer Sicht dringender Handlungsbedarf bei der Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen. Dies betrifft vor allem die Frage, wie es künftig besser gelingen kann, die öffentlichen Haushal

te zu konsolidieren und den ungebremsten Anstieg der Staatsverschuldung dauerhaft zu stoppen.

Die gesamtstaatlichen Schulden haben im vergangenen Jahr die 1,5-Billionen-Euro-Grenze überstiegen. Dies ist aber nur der sichtbare Teil der Verschuldung. Die unsichtbare Staatsverschuldung – in erster Linie künftige Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenpensionen – ist vier- bis fünfmal so hoch. Zusammengenommen beläuft sich unser Schuldenstand auf weit über 300 % des Bruttoinlandsproduktes.

Dieser unsolidarischen Entwicklung zulasten unserer Kinder und Enkel muss dringend Einhalt geboten werden. Wir müssen deshalb im Rahmen der Föderalismusreform II wirksamere Instrumente zur Begrenzung der Kreditaufnahme finden, weil sich die bestehenden Regeln

des Grundgesetzes und der Landesverfassungen als nicht ausreichender Schutzmechanismus erwiesen haben.

Sachsen wird sich deshalb im Rahmen der anstehenden Verhandlungen für einen Nationalen Stabilitätspakt einsetzen, der Bund und Länder umfasst und nach dem Vorbild des Europäischen Stabilitätspaktes ausgestaltet wird.

Kurzfristig brauchen wir eine Konkretisierung und Verschärfung der Verschuldungsobergrenze sowie ein effektives Frühwarnsystem, das anhand geeigneter Indikatoren rechtzeitig auf drohende Fehlentwicklungen hinweist und aus dem Verhaltensvorgaben bzw. -empfehlungen abgeleitet werden können, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Damit dies nicht ins Leere läuft, sollten sich Bund und Länder zudem auf einen verbindlichen Sanktionsmechanismus verständigen: Eine Nichteinhaltung der Sanierungsauflagen muss für den Verursacher spürbare Konsequenzen haben.