Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Kurzfristig brauchen wir eine Konkretisierung und Verschärfung der Verschuldungsobergrenze sowie ein effektives Frühwarnsystem, das anhand geeigneter Indikatoren rechtzeitig auf drohende Fehlentwicklungen hinweist und aus dem Verhaltensvorgaben bzw. -empfehlungen abgeleitet werden können, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Damit dies nicht ins Leere läuft, sollten sich Bund und Länder zudem auf einen verbindlichen Sanktionsmechanismus verständigen: Eine Nichteinhaltung der Sanierungsauflagen muss für den Verursacher spürbare Konsequenzen haben.

Den wirksamsten Schutz vor einer übermäßigen Staatsverschuldung böte ein generelles Verschuldungsverbot. Dieses müsste im Grundgesetz und in den Landesverfassungen verankert werden. Angesichts der finanziellen Situation mehrerer Bundesländer erscheint ein solches Verschuldungsverbot allerdings nicht kurzfristig, sondern eher auf längere Sicht durchsetzbar.

Die Sächsische Staatsregierung wird jedenfalls im Rahmen der Arbeit der Reformkommission alle Initiativen unterstützen, die auf mehr Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik und eine stärkere Generationengerechtigkeit ausgerichtet sind. Dagegen wird sich die Staatsregierung allen Bestrebungen widersetzen, die darauf hinauslaufen, die bislang aufgelaufenen Länderschulden in einen Fonds zu überführen, der von allen Ländern gemeinsam abfinanziert wird. Damit würden autonome Ausgabenentscheidungen auf die Schultern anderer übertragen. Länder, die in der Vergangenheit sparsam und solide gewirtschaftet haben, wären die Verlierer einer solchen Lösung. Damit habe ich die Vorstellungen und Ziele der Staatsregierung für die anstehende Reform umrissen. Natürlich wird die Staatsregierung dem Landtag regelmäßig und zeitnah über den Beratungsstand und die erzielten Ergebnisse berichten. Damit tragen wir den Anliegen der Fraktionen der CDU und der SPD Rechnung.

In dem Antrag der Linksfraktion.PDS wurde die Staatsregierung gebeten, sich für das Zustandekommen einer paritätisch aus Bundestags- und Bundesratsvertretern zusammengesetzten Bundesstaatskommission einzusetzen, in der auch Vertreter der Bundesregierung, der Landtage und der kommunalen Spitzenverbände mitwirken.

Wie Sie wissen, haben sich die Regierungschefs der Länder auf ihrer Konferenz am 13. Dezember 2006 mit der Bundeskanzlerin einstimmig auf einen gemeinsamen Einsetzungsbeschluss von Bundestag und Bundesrat für eine Kommission zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen verständigt. Dieser Einsetzungsbeschluss sieht vor, dass sich die Kommission aus jeweils 16 Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat zusammensetzt. Von den Mitgliedern des Bundestages gehören vier der Bundesregierung an. Die Landtage werden mit vier Mitgliedern ohne Stimmrecht beteiligt. Die Kommunen sollen zudem in geeigneter Weise in die Arbeit der Kommission einbezogen werden.

Der Einsetzungsbeschluss wurde am 15. Dezember 2006 als gemeinsamer Antrag aller Länder vom Bundesrat verabschiedet; der Bundestag hat ihm am gleichen Tag mit großer Mehrheit zugestimmt. Darüber hinaus wurde die Staatsregierung im Antrag der Linksfraktion.PDS gebeten, dem Landtag bis zum 31. März 2007 einen Bericht über die Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der länderoffenen Arbeitsgruppe sowie über die Verhandlungspositionen des Freistaates vorzulegen.

Diesem Anliegen werden wir voraussichtlich nicht bis zu dem gewünschten Termin entsprechen können. Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben verabredet, dass die am 15. Dezember 2006 von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erst in der zweiten Jahreshälfte 2007 die Arbeit aufnimmt. Hintergrund ist insbesondere die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und der deutsche Vorsitz in der G-8-Gruppe im ersten Halbjahr 2007.

Allerdings wurde verabredet, dass Bund und Länder bis dahin jeweils getrennt die Arbeit der Kommission entsprechend vorbereiten. Angesichts der Komplexität der zu behandelnden Fragestellungen ist aber nicht davon auszugehen, dass der Prozess der Bestandsaufnahme und Problembeschreibung bereits zum 31. März 2007 abgeschlossen ist. Die Staatsregierung wird somit erst zu einem späteren Zeitpunkt zu den entsprechenden Ergebnissen Stellung nehmen können.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten gemeinsam – unseren Möglichkeiten entsprechend – darauf hinwirken, dass die beschriebenen Probleme im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform gelöst werden und ein akzeptables Ergebnis für die Menschen in Sachsen erzielt werden kann.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Ziele für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft definieren: Erweiterungspolitik und EU-Verfassung stoppen – Binnenmarkt zurückführen!

Drucksache 4/7611, Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion der NPD, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der NPD, das Wort zu nehmen. Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Europa gelingt gemeinsam“, lautet der Titel des Arbeitsprogramms für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, das Berlin nun vorgestellt hat. Das wirft in erster Linie die Frage auf, was mit dem Wort „gemeinsam“ gemeint ist, denn die Erwartungen der Bürger und die des Brüsseler Politestablishments könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Bürger, die sich gegenüber der antidemokratischen EU-Administration zunehmend als unmündige Untertanen wiederfinden, wünschen sich ein Europa, in dem souveräne Nationalstaaten eine tragende Rolle spielen, ein Europa, das Schutz bietet gegen die Auswüchse der Globalisierung und einen hemmungslosen Liberalismus, und vor allem ein Europa, das sich seiner Identität und seiner Grenzen bewusst ist.

Im Gegenzug dazu steht die EU für ein zentralistisches System, das brav die Vorgaben der Welthandelsorganisation und damit der multinationalen Konzerne erfüllt, ein EU-Europa, das sich entgegen den geistig-kulturellen Traditionen seiner Mitglieder ins Unendliche erweitern will. Vor allem steht die real existierende EU aber für ein unfassbares Ausmaß an offener Demokratieverachtung.

Dies zeigt gleich der erste Schwerpunkt des deutschen Programms, nämlich der Versuch, die europäische Verfassungsleiche wiederzubeleben. Hier stockt einem der Atem angesichts des unglaublichen Ausmaßes, in dem Brüssel den Willen der europäischen Völker missachtet, denn schließlich haben Franzosen und Niederländer der EUVerfassung eine deutliche Abfuhr erteilt. Weil aber in der Europäischen Union der Wille der Bürger bekanntlich nicht zählt, soll der deutsche EU-Vorsitz vor den übrigen Mitgliedsstaaten und den EU-Organen ausführliche Konsultationen führen, wie es so schön heißt. Nur, welches Ziel sollen solche Gespräche haben – um in Berichten dann festzuhalten, wie die Entscheidungen der Franzosen und Niederländer im Sinne der Brüsseler Zentrale zwangskorrigiert werden können? Dass dieser Weg nur den EU-Verdruss der Bürger um ein Vielfaches verstärkt, kommt der abgehobenen politischen Pseudoelite freilich nicht in den Sinn.

Wollte die Regierung ihre Ankündigungen ernst nehmen, wonach Europa immer nur das sein kann, was die europäischen Völker und Staaten aus ihm machen wollen, dann,

meine Damen und Herren, müsste Berlin einen Grundlagenvertrag zur Ausarbeitung geben, in dem geregelt wird, wie Europa und die europäische Zusammenarbeit nach dem längst fälligen Ende der Europäischen Union aussehen könnten. Gespannt werden wir in den nächsten Monaten zu beobachten haben, welche politischen und juristischen Tricks angewandt werden, um die demokratische Entscheidung der Niederländer und Franzosen auszuhebeln. Als wahrscheinliches Szenario wird die Verfassung der Europäischen Union noch einmal unwesentlich geändert und den Franzosen und Niederländern dann nochmals zur Abstimmung vorgelegt, um unerwünschte Bürgerentscheidungen doch ungültig zu machen. Erinnert sei hier an den von den Dänen abgelehnten Vertrag von Maastricht und den von den Iren abgelehnten Vertrag von Nizza.

Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen EURatspräsidentschaft wird wohl die Fortsetzung des katastrophenschwangeren Erweiterungswahnsinns sein. Hier kann vonseiten Ankaras eigentlich jede, aber auch wirklich jede Zusage gebrochen werden. Die Phrase der ergebnisoffenen Verhandlungen wird sich letztlich doch wieder als Verrat am Bürger herausstellen.

Die Europäische Kommission hat ja mit ihrem Fortschrittsbericht ein weiteres Dokument über die Türkei veröffentlicht. Allerdings befasst sich dieser nicht mit den von der Türkenlobby immer wieder gepriesenen Fortschritten. Der faktische Mängelbericht zeigt stattdessen anhand vieler Beispiele auf, dass Ankara mentalitätsmäßig und politisch weiterhin tief im Orient verankert ist – dort, wo die Türkei nach Ansicht der NPD auch bleiben sollte, da wir Gegner jeder Zwangsintegration sind. Der Bericht zeigt schonungslos auf, dass Misshandlungen und Folter noch immer Teil des türkischen Alltags sind. Die Situation der Kurden und Christen ist nach wie vor von weitgehender Rechtlosigkeit gekennzeichnet. Zudem zeigen die unendlichen Unruhen in Ostanatolien, dass das Pulverfass des Kurdenkonflikts jederzeit in die Luft fliegen kann.

Auch die Lage im benachbarten Irak, wo die Kurden nach Unabhängigkeit streben, wirkt alles andere als stabilisierend auf das Land.

Die parallel zur EU-Ratspräsidentschaft laufenden Beitrittsgespräche mit Ankara werden deshalb auch der große Glaubwürdigkeitstest für Angela Merkel sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn besteht, ist gering, denn die Bundeskanzlerin befindet sich im Zangengriff der Türkeilobby. Zu dieser gehören an allererster Stelle die USA, deren Ziel es ist, Europa zum Objekt einer riesigen

Überfremdungswelle zu machen und gleichzeitig in die schwelenden Militärkonflikte der Osttürkei hineinzuziehen. Da sich die Bundeskanzlerin ganz den außenpolitischen Traditionen der Bundesrepublik verpflichtet fühlt, nur ja kein eigenes nationales Profil auf europäischem Parkett zu zeigen, ist das Schlimmste zu befürchten.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, muss Sachsen das Möglichste tun, um auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Einfluss zu gewinnen. Es muss verhindert werden, dass sich die Bundesregierung zum willfährigen Erfüllungsgehilfen der EU-Politik-Nomenklatura macht und so ihr Mandat skrupellos missbraucht, das sie eigentlich im Interesse der europäischen Völker auszuüben hätte.

Unser Antrag enthält viele Punkte, mit denen wir die Regierung wieder an ihren eigentlichen Auftrag erinnern wollen.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Verlassen Sie, meine Damen und Herren, endlich den Weg des antidemokratischen Neofeudalismus der Europäischen Union. Legen Sie endlich die Macht wieder in die Hand des Souveräns zurück, nämlich in die Hände der Völker Europas.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Wird von der CDU-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Linksfraktion.PDS. – Auch nicht der Fall. Die SPDFraktion? – Frau Weihnert, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Tränentücher bereitlegen!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Einige Nachhilfe an die andere Fraktion: Der europäische Einigungsprozess hat in seiner jahrzehntelangen Geschichte drei wesentliche Eckpfeiler erreicht. Der erste – und darüber sind wir alle froh –: 60 Jahre war Frieden.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Das ist ein wichtiger, elementarer Bestandteil. Ein zweiter wesentlicher Meilenstein ist die Entwicklung des Binnenmarktes und ein dritter Meilenstein in dieser erfolgreichen europäischen Politik ist deren Erweiterungspolitik nach dem Fall der Mauer.

Einige Daten für Sie zum Binnenmarkt, weil da irgendetwas in der Art in Ihrem Antrag steht: Nach der Erhebung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes mindestens 2,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland entstanden.

(Zuruf von der NPD: Wo denn?)

Keine andere Wirtschaft profitiert von der europäischen Einigung so wie die deutsche.

(Jürgen Gansel, NPD: Das wird durch Wiederholung auch nicht richtiger!)

Hören Sie lieber zu, bevor Sie herumschreien!

Im Jahre 2004 hatte Deutschland 7,1 Milliarden Euro netto an die EU gezahlt. Dagegen stehen 123 Milliarden Euro Handelsüberschuss.

(Alexander Delle, NPD: Was ist das für eine Rechnung?)

82 % der deutschen Exporte, circa 600 Milliarden Euro, gehen in die EU-Länder; Tendenz steigend. Insgesamt erhöhten sich die deutschen Exporte von 2000 bis 2004 um rund 25 %. Mittlerweile liegt die Steigerungsrate bereits bei 30 %. In die osteuropäischen Länder konnten die deutschen Unternehmen ihre Verkäufe in dem gleichen Zeitraum gar um 34 % steigern.

Wer wie Sie am Binnenmarkt rüttelt, rüttelt an Millionen von Arbeitsplätzen; ein hoher Preis für Ihre verblendete Ideologie.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Ich frage die Fraktion der FDP, ob sie sprechen möchte. – Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich müsste man sich fragen: Was soll der Antrag jetzt noch? Am 17.01.2007 hat die Bundesregierung ihr übrigens in mehrmonatiger Arbeit abgestimmtes Programm für die EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt. Da kommt dieser Antrag reichlich spät.

Aber eines muss auch noch gesagt werden: Er zeugt von einem tiefen Unverständnis der Antragsteller über die Europäische Union, ihr Funktionieren und ihre Organe.

Wenn hier verlangt wird, dass ein europäisches Diätengesetz oder ein europäisches Parteiengesetz geändert werden soll, dann sei erstens gesagt: Solche Gesetze gibt es nicht. Zweitens kann der Rat nicht über die Parlamentsinterna bestimmen. Aber das sind nur Kleinigkeiten.