Protokoll der Sitzung vom 14.03.2007

Dann heißt es im Bericht: „Bei der eigenständigen Erforschung historischer Quellen lernen die Schüler den offiziellen Schulalltag zwischen Pioniergruppe und Wehrübung kennen und erfahren gleichzeitig etwas über oppositionelle Gruppen in der DDR.“

(Zurufe von der CDU: Ist doch richtig so!)

Das war es! Das ist die DDR, wie sie dann in den Schulen gelehrt wird. Nichts von Kinderkrippen, nichts von Schulen, nichts von Ambulanzen, nichts! Die Botschaft lautet auf einen Nenner gebracht: Das war die DDR. Unter Punkt 3.5.5. – Lehrerfortbildung – schreibt der Landesbeauftragte, es wird für die Lehrerfortbildung unter dem Titel „DDR – was war das? – Vorstellung einer Kurzfilm-DVD zum Thema DDR“ angeboten.

(Volker Bandmann, CDU: Eine Diktatur war die DDR! Das wollen Sie bis heute nicht wahrhaben!)

Ja, Herr Bandmann, Diktatur des Proletariats. Das stand auch in der Verfassung.

Wir fragen: Hat diese Aktivität des Landesbeauftragten etwas mit dem in § 3 enthaltenen Auftrag zu tun?

Ein letztes Beispiel, weshalb wir mitnichten diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen werden, wie es der Verfassungs- und Rechtsausschuss vorschlägt. Ich

verweise auf Seite 37. Unsensiblerweise unter der Überschrift „Zur Notwendigkeit einer Verbesserung der Rehabilitierungsgesetze“ schreibt der Landesbeauftragte schwarz auf weiß, in einer Landtagsdrucksache nachlesbar, Folgendes: „Ein GULag-Überlebender aus dem Erzgebirge schrieb in einem Brief vom 5. März 2006: ‚Schon zu Kohls Zeiten las man in der ‚Freiheitsglocke’ betreffs einer kleinen Opferrente wiederholt das Wort ‚biologische Lösung’. Was damit gemeint ist, werden Sie doch verstehen. [...] Und heute, 15 Jahre nach der Wiedervereinigung? Die biologische Lösung ist fast vollbracht.“

Es folgen Beispiele. Nach einer Auslassung geht es weiter: „Ich war 1989 bei der ersten Demo in Aue dabei, ich war in Plauen (wo es so gefährlich war), in Auerbach und sonst wo.“

Nach einer erneuten Auslassung folgt: „Ablenken von den Verbrechen der Kommunisten ist das große Ziel der mächtigen ‚Linken’. Und sie haben ihre Ziele erreicht. Ablenken vom zig-millionenfachen Mord der Kommunisten am eigenen Volk.“

Dann heißt es, wiederum nach einer Auslassung, wörtlich: „Warum gedenkt man dieser Menschen nicht? Oder hatte Adolf Hitler doch recht, wenn er die Russen als ‚Untermenschen’ abwertend bezeichnete?“

Nach dem Zitat aus diesem Brief, wohl ausgewählt, folgt die Aussage: Sogar bei ehemals Verfolgten, die heute regelmäßig als Zeitzeugen bei Veranstaltungen und in Schulklassen über ihre Diktaturerfahrungen berichten und für eine Stärkung der Demokratie eintreten, kommen inzwischen Zweifel auf.

Beim allerbesten Willen: Dass ein solcher Brief, ausgewählt aus vielen Briefen, wie es heißt, unkommentiert, ohne Distanzierung, ohne jedwede Erklärung, dass man sich mit dieser Formulierung nicht gemein macht, in einer Landtagsdrucksache erscheinen kann, halten wir für einen Skandal, einen richtiggehenden, ausgewachsenen Skandal.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Bartl, schauen Sie bitte einmal auf Ihre Redezeit.

Wir halten es für einen Skandal, dass uns angetragen wird, einer Drucksache zuzustimmen, in der die – meinethalben auch nur rhetorische – Frage aufgeworfen werden darf, ob Hitler mit der Bewertung der Russen als „Untermenschen“ recht hatte.

Herr Bartl, bitte!

Dass Sie das zustimmend zur Kenntnis nehmen wollen, werden wir logischerweise nicht verstehen und nicht hinnehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Bräunig, Sie sprechen für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte selbstverständlich auch ich für meine Fraktion, wie es schon Herr Schowtka für die CDU-Fraktion getan hat, Herrn Beleites und seinen Mitarbeitern für die Vorlage des nunmehr 14. Tätigkeitsberichts und natürlich für die geleistete Arbeit recht herzlich danken.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine lebendige Gesellschaft ist immer im Wandel. Dieser Wandel bedeutet zugleich, dass Vorstellungen, Einschätzungen und Wertungen der jüngeren Geschichte immer auch ein Spiegel der eigenen Gesellschaft und ihrer aktuellen Entwicklungen sind.

Nun sind seit dem Ende der DDR 17 Jahre vergangen und eine neue junge Generation wächst heran. Das Bild von der SED-Diktatur verblasst leider immer mehr im Bewusstsein vieler Menschen. Es ist zwar eine zutiefst menschliche und bisweilen auch gute Eigenschaft, die Fähigkeit zu haben, Schlechtes schnell zu verdrängen; aber ich glaube, dass die deutsche Geschichte an vielen Stellen historische Lehren bietet, die niemals in Vergessenheit geraten sollten.

Der immer größer werdende zeitliche Abstand zur SEDDiktatur ist ursächlich für falsch verstandene Ostalgie und mangelndes Interesse an einem wirklichkeitsgetreuen Bild der ehemaligen DDR.

Die Unwissenheit gerade junger Menschen auch über dieses Kapitel deutscher Geschichte – –

Herr Bräunig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

ist ein großes Risiko im Hinblick auf den Verfall der demokratischen Kultur und eine Chance,

(Beifall bei der SPD und der CDU)

die bereits jene nutzen, deren Verstrickung ursächlich für das Leid so vieler Menschen in der DDR war. Das Ziel dieser Menschen ist, ihr eigenes Handeln in der DDR und die DDR als solche zu verklären.

Niemand, dessen Wissen über die DDR lebendig ist, wird bestreiten können, dass es sich um einen Unrechtsstaat gehandelt hat, in dem die SED mit ihrem alleinigen Machtanspruch Urheber dieses Unrechts und die Staatssicherheit totalitäres Machtinstrument war, um unzählige Menschen zu unterdrücken und ihnen Leid zuzufügen.

Die Verbrechen der Staatssicherheit, meine Damen und Herren, die die ganze Palette menschlichen Unrechts umfassten, sind uns als Mahnung, Verantwortung und

Erinnerung an dieses Kapitel deutscher Geschichte wert, weiterhin umfassend aufgearbeitet zu werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die SPD-Landtagsfraktion wehrt sich dagegen, die Geschichte der Staatssicherheit mit einem Schlussstrich zu versehen und allein der Wissenschaft zu überlassen. Wir glauben, dass es für unsere Demokratie wichtig ist, über die Stasi und ihr Wirken gerade bei jungen Menschen breit zu informieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Einbindung in den Gesamtkontext der SED-Diktatur. Ich fand es bereits bei den Beratungen im Rechtsausschuss beschämend, Herr Bartl, und ich finde es auch beschämend, dass Sie heute wieder versuchen, diese unwürdige Debatte zu führen, ob denn nun die Information über den Alltag in der DDR oder in der sowjetischen Besatzungszone noch durch den gesetzlichen Auftrag des Landesbeauftragten gedeckt ist oder nicht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das war doch nicht alles!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wer diese Fragen so erörtert, dem geht es nur um eines: nämlich Geschichte und ihre Zusammenhänge vergessen zu machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich bin Herrn Beleites dankbar dafür, dass er seine Aufgabe, nämlich die Geschichte der Staatssicherheit aufzuklären, so versteht, dass sie eben nicht von den Gesamtzusammenhängen und der Gesamtgeschichte der DDR und der sowjetischen Besatzungszone zu trennen ist.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Landesbeauftragten zeigt auch über 16 Jahre nach der friedlichen Revolution, wie wichtig die politische und historische Aufarbeitung der SED-Diktatur und insbesondere der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes ist. Im Zentrum der Arbeit des Landesbeauftragten steht dabei zu Recht über die Beratung von Bürgern und Verwaltungen hinaus immer mehr die Öffentlichkeitsarbeit und die politische Bildung.

Angesichts der Tatsache, dass gerade die Jugendlichen von heute den Alltag der DDR nicht mehr selbst erlebt haben und vieles von dem, was die menschenverachtende Arbeit der Staatssicherheit ausmachte, nicht kennen, kann die Tätigkeit des Landesbeauftragten nicht ernsthaft infrage gestellt werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wie auch weiterhin die Betreuung von einzelnen Opfern der Diktatur und Opferverbänden wichtig bleibt, sehe ich den künftigen Schwerpunkt der Arbeit des Landesbeauf

tragten in der politischen Bildung. Nur wenn es gelingt, die Erinnerung an totalitäre Regime aufrechtzuerhalten, wird das Bewusstsein gerade junger Menschen für die Werte unseres demokratischen Staatswesens geschärft.

Meine Fraktion ist überzeugt, dass es hierzu der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes bedarf.

Mit dem aktuellen Bericht hat der Landesbeauftragte erneut einen umfassenden Einblick in seine Arbeit gewährt und hierbei das Spektrum seiner wichtigen Tätigkeit vermittelt. Dabei freut mich besonders, dass sich die aktuelle Zusammenarbeit mit den Opferverbänden und die individuelle Betreuung einzelner Opfer weiterhin positiv gestalten.