Protokoll der Sitzung vom 15.03.2007

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau Schöne-Firmenich, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Als ich den Titel dieser Aktuellen Debatte gelesen habe, habe ich mich gefragt, was das eigentlich soll.

(Falk Neubert, Linksfraktion.PDS: Zeitung lesen!)

Ihre Absicht ist ja deutlich zu erkennen: Sie wollen Klamauk, Populismus. Wissen Sie, Herr Neubert, was sich seit 1990 im Osten Deutschlands geändert hat? Wir haben Meinungsfreiheit, Meinungsfreiheit in einer Demokratie, die sich dadurch auszeichnet, – –

(Protest des Abg. Neubert, Linksfraktion.PDS, und bei der NPD)

Hören Sie doch einmal zu, Sie haben das ja immer noch nicht begriffen!

dass freie Menschen ihre Meinung sagen können, ohne Angst zu haben, dass sie hinterher Repressalien erleiden müssen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der NPD: Das kann doch nicht wahr sein!)

Das steht Ihnen zu, das steht mir zu, und das steht auch einem Staatsminister zu.

(Beifall bei der CDU)

Nun frage ich Sie: Was hat Steffen Flath denn Böses getan? Er hat seine Meinung geäußert, und das ist okay. Wer richtig hingehört hat – er hat zwei ganz wichtige Kernbotschaften zum Ausdruck gebracht. In diesen Botschaften sind wir uns, so wie ich Ihre Rede jetzt

verstanden habe, ja vollkommen einig. Er hat als Erstes gesagt, dass die Verantwortung für die Erziehung der Kinder in erster Linie bei den Eltern liegt. Dort haben wir sie zu lassen und nicht wegzunehmen. Das will auch niemand.

Er hat als Zweites klargestellt, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, den Eltern vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu organisieren haben, sondern dass wir lediglich die Rahmenbedingungen zu schaffen haben, dass sich die Eltern frei entscheiden können. Sie haben ja gerade selbst gefordert, dass die Eltern nach ihren eigenen Lebensentwürfen entscheiden können, ob sie ihr Kind zu Hause betreuen wollen oder in die Einrichtung oder in die Tagesbetreuung geben wollen. Uns als Politiker steht es überhaupt nicht zu zu klassifizieren, was davon eine gute Entscheidung oder was eine schlechte Entscheidung ist, weil das nicht unsere Sache ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir schaffen die Rahmenbedingungen und Sachsen hat dabei eine sehr gute Position. Wir sind beispielgebend für die alten Bundesländer. Wenn ich Ihren Antrag hernehme, schreiben Sie das sogar selbst: Sachsen nimmt zweifellos einen Spitzenplatz hinsichtlich der Versorgungsquote in der Bundesrepublik ein. Ich möchte hinzufügen: auch hinsichtlich der qualitativen Betreuung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Wissen Sie, meine lieben Kollegen von der Linksfraktion.PDS, Ihr Versuch, aus Ihrem Antrag, Ihrer Debatte heute politischen Honig zu saugen, läuft total ins Leere. Eines haben Sie unter Beweis gestellt: dass Sie noch lange nicht in der Demokratie angekommen sind.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Du meine Güte!)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Dr. Schwarz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nur wundern, warum jetzt eigentlich die Wellen so hoch schlagen. Die Situation ist doch bekannt, und die neuen Bundesländer handeln schon lange – sicherlich auch, weil es hier eine andere Akzeptanz für die Kinderbetreuung gibt. Auch der Bund hat zurzeit von Rot-Grün mit dem Tagesbetreuungsaufbaugesetz die Weichen für eine bessere Betreuung für die unter Dreijährigen gestellt. Sowohl im Elterngeld als auch in dieser Frage knüpft Frau von der Leyen an die Politik von Renate Schmidt an.

Ich möchte noch einmal die Position der sächsischen SPD darstellen. Wir wollen einen Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung der Kinder ab dem zweiten Lebensjahr, weil es das Problem des Anschlusses an die jetzige Elterngeldregelung gibt, und das – da gehen wir über die Bundes-SPD hinaus – bis zum Ende der Grundschule. Wir

wollen eine gute qualitative Bildung, Erziehung und Betreuung in den Kindertageseinrichtungen. Ich denke, da haben wir den Schwerpunkt hier in der Koalition gesetzt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Sagen Sie doch einmal etwas zu Herrn Flath!)

Der gesamte Kindergartenaufenthalt sollte schrittweise gebührenfrei werden. Ich habe die Hoffnung, dass wir mit unserem kostenfreien Vorschuljahr vielleicht auch noch mit unseren Kollegen von der großen Fraktion zu Potte kommen.

(Beifall bei der FDP)

Warum jetzt diese Diskussion – weil es die konservative Familienpolitik durcheinanderbringt – oder in welcher Form sich der Bund – gerade nach der Föderalismusreform – an der Betreuung der unter Dreijährigen beteiligen kann? Ich finde, so revolutionär sind ja nun die Vorschläge der Familienministerin von der Leyen auch wieder nicht. Bis 2013 will sie, dass 35 % der Kinder in einer Krippe betreut werden sollen. Wo sind wir denn? Das haben wir in Sachsen doch schon lange geschafft!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der Westen noch nicht!)

Zurücklehnen können wir uns deswegen trotzdem nicht; denn wir wissen, es gibt in den Ballungsräumen Wartelisten, und es ist eben doch kein rein westliches Problem. Obwohl wir uns sehen lassen können und eigentlich stolz auf die Diskussion sein können, passen so manche schrägen Töne aus Sachsen für mich nicht so ganz ins Konzept.

Man kann die Kitas in der DDR nicht mit den heutigen vergleichen. Es ist das Markenzeichen dieser Koalition, gerade auch die Qualität von Bildung, Erziehung und Betreuung in den Mittelpunkt zu stellen.

Wir haben auch mit den Investitionen, die aufgestockt worden sind, ein Zeichen gesetzt, dass wir die Kommunen insbesondere im Krippenbereich unterstützen wollen.

Natürlich haben wir die Freiheit von Lebensentwürfen von Familien zu akzeptieren. Aber es ist auch bekannt, dass sich Frauen eher für ein Kind entscheiden, wenn sie ein entsprechendes Angebot haben, wenn sie im Beruf bleiben wollen. Gleichstellungsorientierte Familienpolitik – das zeigen Länder wie Frankreich oder Schweden – bedeutet, dass mehr Kinder geboren werden und mehr Frauen erwerbstätig sind – und bitte lassen wir doch auch nicht die Väter aus dem Blick.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Genau!)

Wahlfreiheit, die konservative Familienpolitikerinnen und -politiker im Munde führen, gibt es nur, wenn wirklich ausreichend Plätze zur Verfügung gestellt werden.

Wir haben immer dafür plädiert, dass alle Eltern, die eine Betreuung in der Kita wünschen, dies auch realisieren können. Sie wissen, ich spreche die Bedarfskriterien an; denn allen Kindern muss das Angebot von Bildung und Betreuung gleichermaßen zugängig sein.

Eines ist mir in der Diskussion etwas zu kurz gekommen, nämlich die Arbeit der Erzieherinnen in den Kitas.

(Tino Günther, FDP: … und Erzieher!)

Wir haben wenig Erzieher. – Sie haben Tag für Tag eine schwierige, aber auch schöne Aufgabe zu leisten. Ihre Arbeit ist kein Elternersatz und soll es auch nicht sein, sondern ergänzt Bildung, Erziehung und Betreuung im Elternhaus. Eltern, die sich dafür entscheiden, ihr Kind in einer Kinderkrippe betreuen zu lassen, geben damit doch nicht die Verantwortung an den Staat ab oder schieben ihre Kinder ab – der, den ich damit ansprechen würde, ist nicht im Saal –, und es sollte ihnen auch bitte nicht unterstellt werden. Für manche Kinder – das muss man dazusagen – ist es ein Segen, dass es Kitas gibt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Ein Vergleich mit den Betreuungseinrichtungen in der DDR – das wird sogar die PDS zugestehen – ist nun gerade nicht angebracht. Die Qualitätsdiskussion, die Kita-Gesetzgebung und die Realität in den Kitas – gleich, welcher Trägerschaft – sprechen für sich. Gehen Sie mal wieder in eine Kita, sprechen Sie mit den Erzieherinnen, mit den Eltern und mit den Kindern – ich verspreche Ihnen: Das wird ein schöner Tag!

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ein Feld, auf dem die Landesregierung bisher völlig versagt hat, nämlich die Familienpolitik.

(Allgemeiner Widerspruch – Zurufe)

Diese machen wir von der NPD-Fraktion mitnichten nur an der Zahl der Kita-Plätze und deren Gebühren fest, sondern insbesondere auch an pronatalen Maßnahmen. Nachdem auch diese Landesregierung nicht länger verschweigen kann, dass es einen nicht mehr zu beschönigenden und rapide voranschreitenden Bevölkerungsschwund gibt, hat man dafür auch schon einen neuen Begriff geprägt: demografischer Wandel. Wenn solche Tatsachen nicht mehr zu verschleiern sind, dann streuen Sie den Menschen mit harmlos klingenden Begriffen Sand in die Augen.

(Anhaltende Unruhe)

Um es Ihnen in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir erleben keinen demografischen Wandel – wir steuern mit hoher Geschwindigkeit auf eine bevölkerungs- und familienpolitische Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zu. Dies ist umso gefährlicher, als Ihr politischer Karren – bildhaft gesprochen –, mit fehlendem Rückspiegel, äußerst geringer Knautschzone und einer Bereifung ohne jegliches politisches Profil ausgestattet, ungebremst auf diesen

Abgrund zusteuert. Sie sprechen in diesem Zusammenhang gern von gesellschaftlicher Entwicklung – als sei ein solcher Prozess nicht steuerbar, als sei er gewissermaßen ein Naturvorgang – und lenken damit von Ihrer konkreten Verantwortung ab.