Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

Deshalb brauchte man eigentlich auch nicht fachlich zu reagieren; denn alle Fachministerien haben zugestimmt.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Wir haben es doch gar nicht!)

Wenn aber der Chef falsch beraten wird und deshalb Dinge in die Kamera spricht, die fachlich falsch sind, dann muss ich – darauf lege ich besonderen Wert – als Träger dieser Koalition fachlich reagieren. Ich beschränke mich auf zwei Aussagen.

Erstens. Das alte Energieprogramm sei eine gute und verlässliche Grundlage für die Entwicklung der Energiewirtschaft in Sachsen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Zweitens. Wir könnten angeblich nicht auf die Kernkraftoption verzichten.

(Fortgesetztes Lachen bei den GRÜNEN)

Zum Ersten: Das Gegenteil ist der Fall. Das alte Energieprogramm ist arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv, weil es die erneuerbaren Energien nicht nur ausklammert, sondern das EEG auch abschaffen möchte. Nicht im fossilen Bereich, sondern im Bereich der erneuerbaren Energien sind Arbeitsplätze entstanden.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Zum Zweiten, der Kernkraft: Sicherheitsprobleme, insbesondere Probleme mit der Radioaktivität, lasse ich heute weg. Sie sind hier schon mehrfach besprochen worden, zuletzt in der Tschernobyl-Debatte.

Nun wird gesagt, Kernenergie sei wettbewerbsfähig. Wahr ist: Der in Kernkraftwerken produzierte Strom ist billig, weil a) die Kernenergie mit über 20 Milliarden Euro gefördert wurde und deshalb relativ schnell zum Selbstkostenpreis produziert werden konnte und weil b) die Betreiber in Deutschland nur vergleichsweise geringe Haftungsverpflichtungen eingehen müssen. Es sind zwar 2,5 Milliarden Euro, aber nur 0,05 % der geschätzten Kosten eines Supergaus.

Ferner wird behauptet, Atomstrom sei bis 2020 durch CO2-neutrale Energieträger nicht ersetzbar.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: So ein Quatsch!)

Die Kernkraftwerke in Deutschland haben zwar einen Anteil von über 26 % an der Stromerzeugung; der CO2relevante Endenergieverbrauchsanteil liegt aber nur bei 5,7 % und damit um 0,7 % niedriger als bei erneuerbaren Energien. Was den genannten Atomstromanteil angeht, so können die erneuerbaren Energien 15 Prozentpunkte ersetzen; die restlichen circa 10 Prozentpunkte werden durch die inzwischen beschlossene Energieeinsparung erreicht. Die EU will 20 % bis 2020 erreichen und hat auch noch eine andere Vergleichszahl genannt.

Daten aus Berlin spielen für viele eine große Rolle. Das Bundeswirtschaftsministerium spielt jedoch auf seiner

Homepage ein schlimmes Halbinformationsspiel, das mich an die Zeit erinnert, als meine Heimatzeitung „Freie Presse“ noch Zentralorgan der SED-Bezirksleitung war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was bringt mich zu dieser schlimmen Behauptung in einer Zeit, in der DDR-Vergleiche offensichtlich Hochkonjunktur haben? Drei Beispiele dazu:

Erstens. Das Ministerium schreibt, die Reichweite der Uranvorräte betrage mehr als 200 Jahre – bei als konstant angenommenem Verbrauch; das wird vorausgesetzt.

Zweitens. Ohne auf die Plutoniumproblematik einzugehen – notwendige Stichworte sind Giftigkeit und Bombenterror –, philosophiert das Ministerium, bei Einsatz der Brütertechnologie „wäre die Reichweite des Urans nach menschlichen Maßstäben praktisch unbegrenzt“.

Drittens. Uran wird als „quasi einheimische Energie“ bezeichnet.

Was ist an diesen drei Beispielen richtig, was ist falsch?

Die Formulierung „quasi einheimische Energie“ wird mit folgendem Satz begründet – ich zitiere –: „Die UranVersorgungssicherheit ist im Vergleich zu Gas und Öl sehr hoch, da die Uranreserven in überwiegend politisch stabilen Regionen (zum Beispiel Kanada, Australien, Südafrika) liegen und der Kernbrennstoff wegen seiner sehr hohen Energiedichte und daraus benötigten geringen Menge für die Reaktoren für viele Jahre vorrätig gelagert werden kann.“

Da die Veredelung des Urans auch in Deutschland erfolgen könne, sei Uran eine „quasi einheimische Energie“. Die Begründung disqualifiziert sich selbst.

Zur Reichweite der Uranvorräte spricht der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages von 25 Jahren als gesichertem Wert und von 166 Jahren in Abhängigkeit von den prognostizierten Angaben. Diese Werte unterscheiden sich um 600 %. Das Wirtschaftsministerium legte noch einmal locker 200 % drauf. Das kann doch keine seriöse Grundlage für fundamentale Entscheidungen sein, oder?

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

In Sachsen bezieht man sich auf solche Werte. Interessant bei der Reichweitendiskussion ist Folgendes: Die von mir zitierten Werte werden von Grün bis Schwarz kaum angezweifelt; sie werden nur politisch unterschiedlich interpretiert. Wer der SPD ideologische Scheuklappen andichten will, sollte sich erst einmal mit solcher „Informationspolitik“ auseinandersetzen und dann neu nachdenken. Zu den Zahlenspielereien gehört, dass von den Energieprogrammkritikern die vom Braunkohlenverband genannten Braunkohlenarbeitskräftezahlen kritiklos übernommen werden, während die von den eigenen Ministeriumsfachleuten erhobenen Zahlen ignoriert werden.

Bitte zum Schluss kommen.

Das ist der letzte Satz, Herr Präsident. – Da werden aus 2 900 in der Braunkohlenstromindustrie Beschäftigten plötzlich 10 000, in der „LVZ“ sogar 50 000, denen die Braunkohlenförderung angeblich die Arbeitsplätze sichere.

Mehr möchte ich dazu erst einmal nicht sagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über „Sächsische Energiepolitik in Zeiten des Klimawandels“, wie der Titel dieser Debatte lautet, kann nicht gesprochen werden, ohne gleichzeitig auf den nur vordergründig beigelegten Energiestreit zwischen den Koalitionsfraktionen zu sprechen zu kommen.

Es ist betrüblich zu sehen, dass unter dem Wechselspiel von Koalitionsräson und Profilierungssucht selbst eine bitter nötige energiepolitische Standortbestimmung zur reinen Politposse verkommt.

Energiepolitik ist ganz wesentlich Klimapolitik, und da bemerkt der aufmerksame Beobachter in Sachsen eine Klimaverschlechterung ganz eigener Art, nämlich politischer. Ausgelöst wurden die atmosphärischen Störungen innerhalb der Staatsregierung durch Minister Jurks löblichen Versuch, das Energieprogramm in Sachsen fortzuschreiben. Aber anstatt nun die Offenheit in der energiepolitischen Diskussion zu nutzen, Sachsens Energiepolitik auf einen gleichermaßen umwelt- wie wirtschaftsgerechten Zukunftskurs zu bringen, bremste die CDU den Minister auf demütigende Weise aus und setzte die Fortschreibung des Energieprogramms für den Rest der Legislaturperiode einfach aus. Bravo, meine Damen und Herren von der CDU, das ist wohl Ihr Dreiklang von Entscheidungsstärke, Gestaltungswillen und Verantwortung.

Um die angestoßene energiepolitische Debatte im Freistaat aber nicht verebben zu lassen, hat die NPD-Fraktion den ministeriellen Entwurf frisch und frei als Antrag in den parlamentarischen Geschäftsgang eingebracht. Während im bisherigen Energieprogramm die Braunkohle den ersten Handlungsschwerpunkt bildet, erwähnt der SMWA-Entwurf nach der Energieeffizienz in wünschenswerter Weise die erneuerbaren Energien. Nach denen sucht man im derzeitigen Programm nahezu vergeblich, was heißt, dass das derzeitige Programm gar nicht in einem Atemzug mit der Klimaschutzdebatte erwähnt werden darf.

Weil sich unter den gegebenen liberalkapitalistischen Wettbewerbsbedingungen Klimaschutzziele aber kaum verwirklichen lassen, bedauert es die NPD-Fraktion, – –

Bitte zum Schluss kommen.

– dass sich das Kabinett nicht zur Annahme des SMWA-Entwurfs durchringen konnte, der zumindest von einer „politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs“ zu sprechen wagte. Diese Gestaltung der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs vermissen wir und wir sind gespannt, ob Minister Jurk unseren Antrag nur deswegen ablehnt, weil er von uns eingebracht wurde, obwohl er den sinnidentischen Entwurf des neuen Energieprogramms selbst im Kabinett noch so leidenschaftlich verteidigt hat. Die energiepolitische Wende muss auch in Sachsen endlich eingeläutet werden.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der knappen Redezeit muss ich natürlich versuchen, das etwas holzschnittartig zu erledigen.

Um es gleich vorauszuschicken: Wir begrüßen, dass erneuerbare Energien im Entwurf des Energieprogramms von Minister Jurk einen weit größeren Raum einnehmen als im alten, weil wir tatsächlich ohne eine verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien den entsprechenden Klimawandel nicht aufhalten können.

(Beifall bei der FDP)

Da stehen wir in der Verantwortung. Bisher sind erhebliche Defizite vorhanden.

Aber – das möchte ich auch ganz klar sagen – wir stehen hier in Sachsen zur Verstromung der Braunkohle.

(Beifall bei der FDP)

80 % der Stromerzeugung kommen aus der Braunkohle. Herr Jurk, wenn man hergeht und zu Recht sagt, wir wollen den Verbrauch bis 2020 um 20 % senken und den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung um 15 % erhöhen, wird deutlich, dass das nur funktionieren kann, wenn deutlich weniger Braunkohle verstromt wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Morlok?