Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

Es freut mich deshalb, dass der Bund – im Bund gibt es ja auch diese Koalition aus CDU und SPD – genau über solche Maßnahmen nachdenkt, wie in den letzten Tagen deutlich geworden ist; und der vorliegende Antrag befördert diese Debatte.

Der Antrag der Koalition soll also genau diese Diskussion vertiefen. Er soll praktikable Lösungen suchen. Es soll vor allem eine Plattform dafür sein, dass wir uns gemeinsam dem Thema Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit stellen. Insofern bitte ich folgerichtig um Zustimmung zu diesem Antrag.

Was den Antrag der PDS-Fraktion anbelangt, ist es so, dass die Zustimmung nicht erteilt werden kann; das möchte ich auch begründen. Die beiden Operationellen Programme für Sachsen liegen schon sehr lange in Brüssel vor; wir waren sehr schnell. Sachsen ist bei der Erstellung dieser Operationellen Programme für die EUStrukturförderung europaweit unter den Vorreitern und startet gemeinsam mit Bayern als eines der ersten Länder die neue Förderperiode, was EFRE betrifft. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Operationelle Programm zu dem Europäischen Sozialfonds so schnell wie möglich genehmigt wird; denn bisher wurden von anderen Bundesländern keine Länder-OPs für den Europäischen Sozialfonds genehmigt. Wie in der Antwort der Staatsregierung ausgeführt, kommt dem ESF als einem Instrument der Strukturfonds eine ergänzende Funktion zu.

Die Erarbeitung der entsprechenden Förderrichtlinie gehört zum Kernbereich der Exekutive – das hat meine Kollegin ausgeführt –, und im Vorfeld war es nicht Beratungsgegenstand im Plenum. Wir haben uns an der einen oder anderen Stelle im Ausschuss darüber verständigt.

(Sven Morlok, FDP: „Verständigt“ war es wohl eher nicht!)

Dass wir uns nicht verständigen konnten, liegt in der Natur der Sache. Aber grundsätzlich verständigen wir uns doch; wir versuchen es zumindest.

Insofern habe ich hinreichend begründet, warum wir die Notwendigkeit unseres Antrages sehen und warum wir den PDS-Antrag nicht für notwendig halten; denn viele

Punkte von dem, was die Linksfraktion.PDS fordert, sind Bestandteil des OPs.

Herzlichen Dank.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD, und des Staatsministers Thomas Jurk)

Die NPD-Fraktion schickt Herrn Abg. Delle ins Rennen; bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion sieht im PDS-Ansinnen eines höheren ESF-Ansatzes im Vergleich zum EFRE sogar eine noch größere Gefahr als bisher, die Mittelverwendung nicht sicherstellen zu können und – wie in den beiden vergangenen Jahren – einen Verfall der Mittel zu riskieren. Von daher ist der PDS-Antrag mit Blick auf die Punkte I und III.2 in sich nicht zwingend ganz schlüssig.

Eine zeitige Unterrichtung über die unter Punkt II des Antrages angesprochenen Förderprogramme würde wohl zumindest jede Oppositionsfraktion gern erhalten, doch hält sich unsere Hoffnung diesbezüglich in Grenzen, denn weshalb sollte die Staatsregierung uns an der Erarbeitung der Förderprogramme zum OP teilhaben lassen, wenn sie schon an keine Teilhabe bei dem OP selbst dachte? Ebenso verhält es sich mit der ESF-Richtlinie.

Die Stellungnahme der Staatsregierung zeigt, dass diese sich argumentativ – sofern man das als Argumentation ansehen kann – auf die sogenannten Kernbereiche der Exekutive zurückzieht. Realistisch ist davon auszugehen, dass der Landtag zwar Förderprogramme und Richtlinien irgendwann zur Kenntnis bekommen wird, allerdings erst dann, wenn sie regierungsintern beschlossene Sache sind, aber keineswegs im Vorfeld, um in einem konstruktiven Diskussionsprozess mitgestaltend wirken zu können.

Im Gegensatz zu den in Gestaltung befindlichen Prozessen wird in Punkt II.2 des vorliegenden Antrages der Linksfraktion.PDS auf einen Sachverhalt Bezug genommen, bei dem Erfolg und Misserfolg des politischen Handelns nicht auf zukunftsgerichteten Prognosen beruhen, sondern das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Ich beziehe mich auf das Verfallen von ESF-Mitteln. Daran, wie die Staatsregierung sicherstellen will, dass nicht, wie in den beiden vergangenen Jahren, erneut ESFMittel verfallen und Mittel aus der zurückliegenden Periode noch Anwendung finden können, ist die NPDFraktion insbesondere deshalb interessiert, weil es sich nach Auffassung der NPD-Fraktion aufgrund der Stellung Deutschlands als Hauptnettozahler der EU keineswegs um, wie fälschlicherweise immer wieder behauptet wird, europäische Gelder handelt, sondern einzig und allein um das Geld des deutschen Steuerzahlers. Dieser Forderungspunkt ist uns der wichtigste, denn wenn nicht sichergestellt ist, dass Mittel überhaupt Verwendung finden können, ist es müßig, sich über deren Verwendung zu unterhalten.

Mit Ihrer Forderung unter Punkt II.3 stößt die Linksfraktion.PDS abschließend die Diskussion darüber an, ob der Schwerpunkt in der Etablierung eines regulären zweiten Arbeitsmarktes liegen soll oder darin, vorrangig die Integration in den ersten Arbeitsmarkt anzustreben. Letzteres bewerkstelligt zu wissen wäre ein wirtschafts- und sozialpolitisches Herzensanliegen. Allerdings sind wir Nationaldemokraten auch nicht die Fraktion der reinen Marktgläubigkeit und vertreten die Auffassung, dass der Markt eben nicht eine sich selbst zu aller Zufriedenheit regulierende Alleinseligkeit darstellt und der Staat sich insbesondere dort nicht zurückziehen darf, wo der Markt sinnvolle Aufgaben nicht nachfragt. Eine möglichst effiziente Mittelverwendung zur Schaffung dauerhafter, existenzsichernder Beschäftigung dürfte Grundvoraussetzung zur Zielerreichung sein. Die erwünschte Zielrichtung der Linksfraktion.PDS hätte aber etwas konkreter dargestellt werden sollen. – Bei dieser Gelegenheit bitte ich um punktweise Abstimmung beim Antrag der Linksfraktion.PDS.

Der Koalitionsantrag zielt ausnahmslos auf den ersten Arbeitsmarkt ab. Doch unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen der Globalisierung, die von vornherein nicht darauf ausgerichtet sind, jedem Arbeit zu geben, können auch die genannten Instrumente nicht greifen. Durch Qualifizierung allein, so begrüßens- und wünschenswert sie auch ist, entstehen jedoch noch keine zusätzlichen Arbeitsplätze und auch die GenderMainstreaming-Experimente werden zu keinem Beschäftigungsboom führen. Dem Wunschzettel der Koalition muss also nicht zugestimmt werden, da er sich aufgrund grundsätzlicher wirtschaftspolitischer Weichenfehlstellung ohnehin nicht erfüllen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Morlok, Sie sprechen für die FDP-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz offensichtlich liegt bei der Staatsregierung bei dem Thema ESF einiges im Argen. Das wird durch den Antrag der Linksfraktion.PDS deutlich, aber insbesondere durch den Antrag der Koalitionsfraktionen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Koalitionsfraktionen sich entgegen ihrer üblichen Gepflogenheit bemüßigt sehen, nicht nur einen Berichtsantrag zu stellen, sondern in diesem Fall ganz ausnahmsweise zu dem Ergebnis gekommen sind, man müsse die Staatsregierung zum konkreten Handeln auffordern, dann zeigt das, dass offensichtlich innerhalb der Koalitionsfraktionen erkannt wurde, dass in diesem Bereich erhebliche Defizite vorliegen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Sie haben mit Ihrem Antrag recht, deswegen werden wir ihn unterstützen. Allerdings sind Sie auch hier wieder zu

kurz gesprungen, weil Sie wesentliche Probleme in dem Sachzusammenhang überhaupt nicht angesprochen haben. Wir haben in diesem Hause schon öfter über die Berufsorientierung junger Menschen debattiert: Wie bekommen wir junge Menschen dazu, dass sie sich innerhalb der Schule mit der Wirtschaft bzw. Unternehmen und unternehmerischem Denken auseinandersetzen und Spaß daran finden, Verantwortung zu übernehmen? Das fehlt vollkommen in Ihrem Antrag. Wir haben ein Defizit im Bereich der technischen Berufe. Weiterhin fehlt in Ihrem Antrag, durch eine engere Kooperation zwischen Unternehmen und Wirtschaft Interesse bei jungen Menschen für technische Berufe zu wecken. Sie haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wesentliche Punkte vergessen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Zum Antrag der Linksfraktion.PDS und zur Frage, wie die Staatsregierung im Rahmen der Erarbeitung der Operationellen Programme mit dem Landtag umgegangen ist, gibt es sehr verschiedene Wahrnehmungen. Herr Kollege Brangs, wir haben uns im Ausschuss sicher verständigt, weil wir miteinander geredet haben – gar keine Frage –; wir haben uns aber inhaltlich nur in einem einzigen Punkt verständigt, nämlich indem auf Initiative der Oppositionsfraktionen ohne Gegenstimme der Koalitionsfraktionen dem Minister eine Frist im Ausschuss gesetzt wurde, das Operationelle Programm im Entwurf vorzulegen. Es ist ein unerhörter Vorgang, dass es eines solchen Beschlusses bedurfte, um die Regierung zum Handeln zu bringen. Wir hatten die Situation, dass der Minister mit seinen Mitarbeitern im Ausschuss in einem Entwurf blätterte, den er dem Parlament vorenthalten hat. Das ist genau der Punkt. Das konnten Sie nicht wissen, Frau Dombois, weil Sie nicht dabei gewesen sind, aber das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS – Stefan Brangs, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

In Kenntnis dieser Realität müssen Sie zu dem Ergebnis kommen, dass der Missbilligungsteil in Punkt 1 des Antrags der Linksfraktion.PDS vollkommen zu Recht beantragt wurde und zustimmungsfähig ist. Die Staatsregierung hat das Parlament hier überhaupt nicht beteiligt. Das ist aus unserer Sicht ein nicht zu akzeptierender Fall, weil in diesen Operationellen Programmen, die über sieben Jahre gehen, eine Bindung von Finanzmitteln erfolgt, die andere Parlamente in anderen Legislaturen überhaupt nicht mehr korrigieren können.

Ich wollte gern bis zum Punkt warten, aber ich fand ihn nicht. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Brangs, bitte.

Sie haben von Realität gesprochen, deshalb meine Frage: Erinnern Sie sich noch daran, dass

die Oppositionsfraktionen in der besagten Sitzung eine Bedingung aufgemacht haben, dass sie, wenn wir nicht zu einem solchen Beschluss kommen, die Sitzung verlassen und damit den kompletten Ausschuss blockieren wollten? Können Sie sich daran noch erinnern? Deshalb kam eine Enthaltung der Koalitionsfraktionen zustande.

Lieber Herr Kollege Brangs, ich kann nicht für alle Fraktionen in diesem Parlament sprechen, sondern nur für meine. Wir haben zu keinem Zeitpunkt der Ausschusssitzung mit Verlassen gedroht.

(Beifall des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Das ist die Realität. Oder wollen Sie das bestreiten? Wir haben nicht damit gedroht, die Ausschusssitzung zu verlassen. Wir haben auch nicht gesagt, dass wir die Arbeit unmöglich machen werden. Wir haben nur gesagt, dann macht es keinen Sinn, über einen besagten Punkt der Tagesordnung weiter zu sprechen. Es ist ein deutlicher Unterschied, Herr Kollege Brangs, ob ich durch Verlassen einer Sitzung die Arbeit eines Ausschusses unmöglich mache oder ob ich sage, ich kann nicht über ein Programm diskutieren, wenn es nicht vorliegt. Sie haben von uns erwartet, dass wir über einen Antrag zum Thema Entwurf des Operationellen Programms diskutieren, ohne dass dieses Programm in den Händen des Ausschusses ist, während der Minister zum gleichen Zeitpunkt mit den Mitarbeitern seines Hauses in diesem Programm blättert. Sie müssen uns doch verstehen, dass wir das nicht mitmachen. Nur darum ging es. Selbstverständlich wären wir gern bereit gewesen, sämtliche andere Punkte auf der Ausschusssitzung mit Ihnen zu diskutieren; nur dieser eine Punkt war angesichts dieses skandalösen Zustandes einfach nicht machbar.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion.PDS, sprechen Sie von einer falschen Gewichtung in der Beratung der Operationellen Programme. Ich gebe Ihnen recht, dass wir eine falsche Gewichtung haben. Wenn wir in zwei Jahren fast 90 Millionen Euro im Bereich des ESF nicht ordnungsgemäß ausgeben können, liebe Kollegen von der Linksfraktion, ist das auch ein Indiz dafür, dass der Anteil aus dem ESF im Verhältnis zu groß ist. Deswegen hat sich meine Fraktion – leider ohne Erfolg – dafür eingesetzt, dass wir den Anteil im EFRE erhöhen, weil wir genau dort Defizite haben, zum Beispiel in der Stärkung des Eigenkapitals der Unternehmen.

Im Bereich der Technologieorientierungsunternehmen sind erhebliche Defizite vorhanden, die wir mit diesen Geldern gern ausgeglichen hätten, statt sie verfallen zu lassen.

Die Krönung im Antrag der PDS finden wir im Nachsatz kaum auffindbar unter Punkt III.3, und zwar als Trojaner formuliert, sage ich einmal. Da haben wir plötzlich den zweiten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion! Durch Wiederholung wird diese Vorstellung auch nicht besser. Angesichts der demografischen Entwicklung im Freistaat, die wir haben, kann es nicht darum gehen, dass wir uns dafür einsetzen, einen zweiten Arbeitsmarkt zu schaffen. Viel wichtiger ist es, dass wir uns dafür einsetzen, die Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Das ist doch nicht so!)

Das ist der Königsweg. Angesichts der demografischen Entwicklung muss das unsere Aufgabe sein, weil wir nämlich künftig einen Arbeitskräftebedarf haben werden, den wir aufgrund der demografischen Entwicklung nicht decken können. Im Fachkräftebereich spüren wir diese Defizite bereits. Das ist Realität. Wenn Sie Fachkräfte in einem bestimmten Bereich suchen – ich selbst bin Geschäftsführer eines Bauunternehmens –, ist es schwierig, gute Leute zu finden. Dann können wir uns nicht damit abfinden, dass wir Leute auf dem zweiten Arbeitsmarkt entsorgen. Es muss darum gehen, diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist der Königsweg.

(Beifall bei der FDP)

Es könnte allerdings sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, dass Ihre Forderung nach einem zweiten Arbeitsmarkt irgendwo in einem Sachzusammenhang steht, wie so landläufig auch von der SPD angebrachte Forderungen, einen Mindestlohn einzuführen; denn vermutlich haben Sie erkannt, dass die Einführung eines Mindestlohnes zu einer Massenarbeitslosigkeit in Sachsen führen würde, und da haben Sie präventiv schon einmal dafür gesorgt, mit einem zweiten Arbeitsmarkt das von Ihnen hervorgerufene Problem der Massenarbeitslosigkeit durch Mindestlöhne zu bekämpfen. So kann ich mir das vorstellen. Das würde in das Bild der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Linksfraktion passen. Das ist nicht die Lösung.

Was passiert, wenn man den Arbeitsmarkt tatsächlich vom Markt abkoppelt, haben wir über eine Langzeitstudie schon einmal kennengelernt. Über 40 Jahre lief dieser Modellversuch. Dieser Modellversuch hieß DDR und die Beschäftigungsgesellschaften hießen VEB. Aber dieses Modell, liebe Damen und Herren, ist auf der ganzen Linie gescheitert.

(Beifall bei der FDP – Volker Bandmann, CDU: Seien Sie glücklich, dass Sie das nicht miterlebt haben!)

Herr Weichert spricht für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Morlok, wir werden, glaube ich, nicht die Augen vor der Tatsache verschließen können,

dass es Menschen gibt, die im ersten Arbeitsmarkt nicht unterkommen. Für diese haben wir genauso eine Verantwortung wie für die, die wir im ersten Arbeitsmarkt unterbringen. Deshalb müssen wir uns auch langfristig darüber Gedanken machen, wie wir mit diesen Menschen umgehen.