(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ist Ihnen bekannt, dass ich deutscher Staatsbürger bin?)
Diese Anforderungen, von denen ich vorhin gesprochen habe, müssen sich immer am Maßstab des Grundgesetzes bzw. an der Verfassung des Freistaates Sachsen messen lassen. Das ist natürlich, Herr Dr. Martens, ein ziemlich schmaler Grat, soll doch die Balance zwischen Bürgerrechten und Freiheit auf der einen und Eingriffsrechten und Präventivmaßnahmen des Staates auf der anderen Seite gewährleistet sein.
Aber wenn Kapitalverbrechen wie zum Beispiel Sexualverbrechen geschehen und dann – wie von der Rednerin der Linksfraktion.PDS – die Strafbekämpfung gegen Sexualstraftäter hier so larmoyant in Zweifel gezogen wird, dann zeigt das, wessen Gesinnung diese Damen und Herren wirklich sind.
Entscheidend ist nämlich für uns, dass die Frage nach dem Begriff der Freiheit in der Tat an erster Stelle steht. Wer die Freiheit eingrenzt, der muss hinterfragt werden. Die Frage ist aber, wie ich auch die Freiheit garantieren und verteidigen kann. Wenn Angriffe auf die Freiheit unternommen werden, muss man das zurückweisen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie haben sie gerade mit Füßen getreten, zum Beispiel die Freizügigkeit!)
Herr Porsch, Emmanuel Kant hat einmal gesagt: „Niemand kann mich zwingen, auf seine Art glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Weg suchen, welcher ihm selbst gutdünkt, wenn er nur der Freiheit anderer nicht Abbruch tut.“
An dieser Aussage hat sich bis heute nichts grundlegend geändert. Diese Formulierung findet sich auch im Artikel 2 des Grundgesetzes.
Was sich aber in der Tat geändert hat, ist die Reichweite. Durch die zunehmende Globalisierung sowie mit dem Ausbau der Telekommunikations-, Informations- und Infrastrukturwege werden den Menschen heute Möglichkeiten eröffnet, die vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht denkbar gewesen sind.
Nie zuvor sind die Menschen so viel in der Welt gereist und haben so viel mit modernsten Medien miteinander
kommuniziert. Ich denke, das ist die Basis, der wir uns stellen müssen. Wir müssen diese Freiheit garantieren. Wir müssen aber den Veränderungen in der Welt Rechnung tragen, weil allen anderen diese technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen – den Straftätern und Leuten, die den Terrorismus bedienen. Wir dürfen am Ende dem Staat bei seiner Verteidigung der Freiheit diese Mittel nicht verweigern.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer klatscht, ist mit schuld! Sie haben alle meine Freiheitsrechte geleugnet!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bandmann, wenn Sie etwas zitieren, wird das nicht klüger. Das will ich Ihnen einmal ganz klar sagen. Sie verbreiten hier eine Ungeheuerlichkeit. Sie müssen einmal überlegen, wie Sie mit Menschen umgehen und was Sie für eine Auffassung von der Welt haben. Die hört nämlich bei der Grenze auf. Was Sie über Staatsbürgerlichkeit denken, davor graut mir. Ich möchte auch zurückweisen, was Sie unserem Fraktionschef entgegengeschleudert haben. Es spricht für Ihre primitive Weltsicht. Das kann ich nicht ändern, das ist Ihr Bild, und damit müssen Sie fertig werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor mehr als 20 Jahren erkannte das Bundesverfassungsgericht die informationelle Selbstbestimmung als schutzwürdiges Gut, als Grundrecht an. Insbesondere der Kernbereich privater Lebensgestaltung wurde schutzwürdig. Es entstanden Datenschutzgesetze, es wurden Datenschutzbeauftragte bestellt, gewählt. Doch binnen weniger Jahre stellen wir fest, dass genau dieses Freiheitsgut wieder unterstellt wird, und zwar aktiv aus dem Ministersessel heraus. Das passiert.
Immer mehr Daten werden dem Bürger abverlangt. Was Privatsache ist, kann heute schon gar keiner mehr unterscheiden. Wie man zum Beispiel den Kernbereich privater Lebensgestaltung tatsächlich außen vor lassen will, dafür haben Sie nie eine Formel gefunden. Die gibt es auch nicht, so, wie die Gesetze von Ihnen entwickelt werden.
Viele Dinge – da gebe ich Herrn Brangs recht – laufen schon ganz anders ab. Viele Dinge der Einholung von Daten kennen die Bürger überhaupt nicht, sie werden gar nicht darüber aufgeklärt. Es gibt neue Techniken, die es ermöglichen, Kundenprofile beim Einkauf im Supermarkt bis ins Letzte zu entwickeln. Die Kreditwürdigkeit von Kunden hängt von sogenannten Scores ab, die statistisch errechnet werden, auf die der Bürger überhaupt keinen Einfluss hat. Dann bekommt er keinen Kredit, weil er praktisch auf der falschen Straße lebt oder unter einer falschen Adresse wahrgenommen wird.
Ich denke an die Datenflut von Hartz IV. Das ist ein großer Skandal, der von Ihnen befördert worden ist. Menschen werden gläsern gemacht. Das ist ein Weg, den wir auf keinen Fall unterstützen können. Datenschützer warnen seit Langem vor diesem Weg und vor solchen Erscheinungen, und zwar deshalb, weil es ihnen um einen wirksameren Datenschutz geht und nicht um vereinfachte Datenabnahme. Es geht um die Wahrung existenzieller Rechte, die zum Kern des Rechtsstaates gehören. Ich merke, dass die Staatsregierung diese Bedenken wohlwollend zur Kenntnis nimmt, aber letztlich doch ausschlägt.
Bürgerrechtler und Datenschützer werden Exoten, richtige Exoten oder vermeintliche Hinterwäldler. Es ist unmodern geworden, sich für solche Dinge einzusetzen. An dieser Stelle möchte ich an das sogenannte Volkszählungsurteil des BVG aus dem Jahre 1983 erinnern. Darin heißt es sinngemäß – das ist sehr aktuell: Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder wissen können, wer was über sie weiß, sind nicht mehr souverän. Wer nicht mehr souverän ist, kann auch kein Souverän sein, und eine Demokratie ohne Souveräne ist undenkbar. – Um diese Dimension geht es. Darüber möchte ich mit Ihnen diskutieren.
Wenn wir so weitermachen – ich sage es ganz offen – wie bisher, können wir die Datenschutzbeauftragten als Museumsleiter für den ehemaligen Schutz der ehemaligen informationellen Selbstbestimmung einstellen. Ich will das nicht, aber vielleicht ist das Ihre Zielstellung, Herr Bandmann. Das kann ja sein.
Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion.PDS bleibt dabei: Polizei und Verfassungsschutz sind strikt zu trennen. Das ist das Erste.
Das Zweite. Wir bleiben dabei, dass die Bürgerrechte wie der Schutz der informationellen Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Unverletzbarkeit der Wohnung zu wahren sind, und zwar trotz des Begehrens, Sicherheit zu erhöhen. Sie sind zu wahren und nicht auszuschalten.
Wir bleiben dabei, dass mit mehr Überwachung der Bürger kein Jota mehr Sicherheit besteht und kein Terrorist davon abgehalten wird, Terrorist zu sein. Das ist nun einmal so. Terrorismusbekämpfung lässt sich nicht mit Grundrechtsverlusten erkaufen. Bitte, begreifen Sie das, wenigstens ein bisschen! Denken Sie wenigstens etwas darüber nach. Im Gegenteil: Die Antastung von Grundrechten der Bürger verschlimmert die Situation, denn sie schafft unmündige Bürger. Wollen Sie das?
Wir brauchen stattdessen ein Datenschutzrecht, das die Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre und den öffentlichen Interessen wiederherstellt – ich spreche an dieser Stelle ganz bewusst von der Wiederherstellung – und auf Transparenz und Verhältnismäßigkeit abstellt. Insofern brauchen wir Augenmaß und vor allem Augenhöhe zwischen Staat und Bürger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Lichdi, Sie hatten die Abwesenheit meines Kollegen Mackenroth kritisch hinterfragt. Er vertritt heute den Freistaat Sachsen im Bundesrat. Ich denke, das ist ein Grund, dass er als entschuldigt gelten kann.
Freiheit und Sicherheit sind Grundfesten unseres Gemeinwesens. Es ist die Kernaufgabe des Staates, um der Freiheit der Bürger willen die innere Sicherheit zu gewährleisten. Dies ist es letztlich, was den Staat überhaupt legitimiert. Die sächsischen Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf wirkungsvollen Schutz ihrer persönlichen Freiheit, insbesondere ihres Lebens, ihrer Gesundheit, ihres Eigentums durch den Staat, seine Polizei und seine Justiz.
Diese sich aus dem Grundgesetz ergebende Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern gewinnt zunehmend an Bedeutung; dies nicht zuletzt bei der gestiegenen Bedrohung unserer Demokratie durch den Terrorismus und andere Erscheinungsformen internationaler Kriminalität, aber auch einer verstärkt zu beobachtenden Gewaltbereitschaft innerhalb unserer Gesellschaft beispielsweise im Zusammenhang mit Ausschreitungen bei Demonstrationen und bei Fußballspielen. Deshalb ist es für eine wehrhafte Demokratie wie die unsere wichtig, eine funktionierende Polizei zu besitzen, die auf der Grundlage geeigneter Eingriffsnormen in der Lage ist, die innere Sicherheit zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sächsische Staatsregierung ist sich sehr wohl bewusst, dass der Staat nicht alle Sphären des gesellschaftlichen Lebens gleichermaßen intensiv schützen kann und schützen muss. Im Gegenteil: Wir wollen so viel persönliche Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig. Wir wollen auf keinen Fall die Freiheit sozusagen zu Tode schützen.
Lassen Sie mich unsere Politik an einem Beispiel belegen. Die Fahndungstätigkeit der sächsischen Polizei zu unterstützen ist für mich eine große Zielstellung. Ich will deshalb bei einer anstehenden Novellierung des Polizeigesetzes für eine Regelung werben, die den Einsatz vollautomatischer Kennzeichenerkennungssysteme gestattet. Ich möchte Sie nur daran erinnern: In der Bundesrepublik Deutschland haben mehrere Länder bereits erfolgreich diese automatisierten Kennzeichenerfassungssysteme eingesetzt. Es ist nicht nur Bayern, sondern beispielsweise auch Brandenburg.
Durch den Einsatz dieses rechtlichen Instrumentariums verspreche ich mir eine nachhaltige Wirkung bei der Bekämpfung der organisierten Kfz-Verschiebung, insbesondere nach Osteuropa.