Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

Das war unser Wunsch. Ich denke, dass dieses Geld ebenfalls gut angelegt ist, weil die Tagespflegestellen vor Ort hinsichtlich der materiellen Bedingungen entsprechend ausgestattet werden sollen. Nicht verhehlen will ich an dieser Stelle – das gehört auch zur Ehrlichkeit –, dass Tagespflegepersonen, Kindertagesstellen hinsichtlich der Elternbeiträge günstiger sind als eine stationäre Einrichtung, das heißt, wenn die Kinder in eine Krippeneinrichtung gehen. Ich denke, es ist einfach opportun, dass dies so geschieht. Die Eltern haben ja die Möglichkeit auszuwählen, sofern diese Möglichkeiten von den Trägern vor Ort angeboten werden.

Von der Sache her sind wir mit dem Stand der Kindertagespflege zufrieden. Eigentlich darf man ja nie zufrieden sein, sonst stagnieren wir in diesem Bereich. Das wollen wir natürlich nicht, denn die Dinge sollen hinsichtlich Qualität und Quantität weiter fortschreiten. Wir sehen es als gleichwertige Alternative zu den jeweiligen Einrichtungen vor Ort. Das soll auch so bleiben. Von daher ist die entsprechende gesetzliche Grundlage so verabschiedet worden.

Ich möchte noch ein Wort über den Antrag der PDSFraktion verlieren. Dazu werden Sie, Herr Neubert, sicher noch ausführen. Meiner Ansicht nach ist das eine oder andere schon überholt. Darin werden Sie mir einfach recht geben müssen; denn der Antrag ist drei Wochen vor dem „Krippengipfel“ eingebracht worden. Am 2. April dieses Jahres ist schon festgestellt worden, dass die neuen Bundesländer nicht benachteiligt werden sollen. Es wäre aus meiner Sicht ein Unding, wenn das geschehen sollte. Wir haben in den neuen Bundesländern in jedem Fall eine Vorreiterstellung, was den Ausbau der Kindertagesstätten bzw. aller Plätze – auch die der Tagesmütter – betrifft. Wir wollen natürlich gern einen Ansporn für die alten Bundesländer geben, auf dieses Niveau zu kommen, sowohl die Qualität als auch die Quantität betreffend. Wenn der Bund das eine oder andere an finanziellen Ressourcen der kommunalen Ebene zur Verfügung stellt, nehmen wir das selbstverständlich sehr dankbar an. Das ist gar keine Frage. Aber ich denke, es bedarf nicht Ihres Antrages, dass wir vom Freistaat Sachsen dementsprechend nachkarten werden.

In diesem Sinne bedanke ich mich herzlich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die folgenden Redebeiträge.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort; Frau Dr. Schwarz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Antrag der Linksfraktion.PDS hat meine Kollegin bereits einiges gesagt. Ich möchte noch ein paar andere Aspekte berühren. Ich weiß nicht so recht, Herr Neubert, was ich davon halten soll, wen Sie hier vorführen oder nicht vorführen wollen.

(Staatsministerin Helma Orosz: Genau so!)

Ich denke, der Sächsische Landtag – da bin ich ganz egoistisch – hat seine eigenen Überlegungen dazu, ob wir das alles begrüßen und unterstützen müssen. Was soll das heißen, bis 2013 auf 35 % zu steigern? Das würde ja heißen, wir können hier in Sachsen die Hände in den Schoß legen.

(Beifall der Staatsministerin Helma Orosz)

Zu den Ländern, die die Entwicklung verpasst haben – unter anderem auch aus ideologischen Gründen, das muss man deutlich sagen –, die gar nicht so arm sind und die jetzt die Bundesmittel zur Verfügung haben sollen, habe

ich meine eigene Position. Wir haben jedenfalls in den letzten 15 Jahren, sowohl die Kommunen als auch das Land, sehr viel Geld dafür ausgegeben.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wenn Frau von der Leyen mit dieser Diskussion eine Veränderung des Familienbildes innerhalb der CDU ausgelöst hat, dann ist das nicht unsere Sache, sondern Sache der CDU. Man sieht ja auch die Entwicklung, was das Grundsatzprogramm angeht.

Was auf Bundesebene noch strittig ist – das wissen Sie auch, Sie konnten es heute den Medien entnehmen –, ist eben die Finanzierung. Da nehme ich meine Partei gar nicht aus. Aus unserer Sicht – da teile ich die Auffassung der Städte- und Gemeindetage, von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern aller Couleur sowie Spitzenpolitikern der CDU – kann es nicht allein um Investitionen gehen. Es müssen Mittel und Wege überlegt werden, wie sich der Bund – auch an den Betriebskosten – beteiligen kann. Wir favorisieren – ich weiß nicht, wie weit die Annäherung ist – eine Änderung des SGB VIII, indem der Rechtsanspruch zum Beispiel mit dem ersten Geburtstag einsetzt und damit Mittel und Wege des Bundes gefunden werden müssen. Es gibt verschiedene Instrumentarien, dass dafür Geld fließt. Insofern teilen wir Ihren Vorstoß nicht: diese alleinige Zielrichtung, das Geld zur Abschaffung von Elternbeiträgen einzusetzen.

Wir fordern ein – ich denke, das ist auch gegeben, Kollegin Nicolaus hat es gesagt –, dass wir als neue Bundesländer bei den zu erwartenden finanziellen Mitteln des Bundes nicht benachteiligt werden. – So viel zu Ihrem Antrag.

Die Kindertagespflege in den Fokus zu nehmen, besonders vor dem Hintergrund der Qualitätsentwicklung, ist nach eineinhalb Jahren – so lange ist das neue Kindertagesstättengesetz in Kraft – auch richtig, weil mit diesem Gesetz die Kindertagespflege der Betreuung in einer Einrichtung gleichgestellt wurde. Das muss entscheidende Auswirkungen auf die Qualitätsentwicklung haben.

Ein anderer Aspekt. Wir haben beschlossen, dass Kindertagespflege auch in anderen kindgerechten Räumen angeboten werden kann. Damals haben wir heftig darüber gestritten und wollten eine Überprüfung dieser Möglichkeit. Es haben gerade einmal 38 Kindertagespflegepersonen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Allerdings ist die Tendenz steigend. Es gab Befürchtungen, es entstünde eine neue Konkurrenz zu den herkömmlichen Kindertagesstätten. Diese haben sich nicht bewahrheitet, im Gegenteil: Den betreffenden Kindertagespflegepersonen wurden Möglichkeiten eröffnet, die nach meinen bisherigen Erfahrungen vor allem den Kindern zugute kommen.

Ich möchte ein Beispiel nennen. Wenn die Kinder im familiären Umfeld der Eltern oder in den Räumen der Tagesmutter betreut werden, dann gibt es bestimmte Räumlichkeiten, die die Kinder aus ganz normalen Grün

den nicht nutzen dürfen. Haben sie die Möglichkeit, in gesonderten Räumen betreut zu werden, dann stehen diese Räume zu 100 % den Kindern zur Verfügung. Es heißt dann nicht: Das darfst du nicht anfassen. Oder: Dort darfst du nicht hinein. Es hat sich erwiesen, dass das ganz positive Auswirkungen haben kann.

Das soll wiederum nicht heißen – ich möchte nicht falsch verstanden werden, Herr Neubert –, dass es nicht in Räumlichkeiten der Eltern oder der Kindertagespflegepersonen stattfinden soll, denn gerade der familiäre Charakter wird von den Eltern oft gewünscht. Befürchtungen, dass es die Kosten der Betreuung erhöht, wenn es in anderen Räumlichkeiten stattfindet, bewahrheiten sich nicht, denn diese Kosten müssen allein die Kindertagespflegepersonen tragen.

Wir ersehen aus der Antwort der Staatsregierung: Fünf Landkreise bzw. kreisfreie Städte haben die Kindertagespflege nicht in die Bedarfsplanung aufgenommen. In zwei weiteren Landkreisen wurde die Kindertagespflege zwar in der Bedarfsplanung berücksichtigt; es findet hier jedoch keine Betreuung in Kindertagespflege statt. Wenn die Ursache in einem ausreichenden Betreuungsangebot mit Krippenplätzen liegt und Betreuung in Kindertagespflege von den Eltern tatsächlich nicht gewollt ist, ist das grundsätzlich zu begrüßen.

Nach meiner Kenntnis ist das in einigen Landkreisen nicht der Fall. Es gibt lange Kämpfe, den Eltern die Möglichkeit einzuräumen, auch die Tagespflege in Anspruch zu nehmen. Hintergrund sind die Öffnungszeiten der Einrichtungen, sodass andere Möglichkeiten der Betreuung zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Tagesstätte geschlossen ist, erforderlich sind. Die Kinder könnten dann auch in Tagespflege betreut werden.

Ich denke, an dieser Stelle muss noch einmal nachgehakt werden; denn wenn Eltern in den betreffenden Jugendämtern gesagt wird, dass es ein solches Angebot nicht gibt, dann handelt es sich um keine Wahlfreiheit, die wir eigentlich gewollt haben.

Die Kindertagespflege und eine Betreuung in der Kindertageseinrichtung sollen Angebote für Eltern sein, die ihren individuellen Bedarf berücksichtigen. Diese Angebote sollten aber nicht in Konkurrenz treten. Wie es in unserem Antrag enthalten ist, sollten wir den Fokus auf die Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Kindertagespflege legen – das halte ich im Interesse von Kindern und Eltern für eine gute Möglichkeit – und darauf, dass beide Seiten – sowohl die Kindertagesstätte als auch die Kindertagespflegeperson – vom Erfahrungsaustausch und den Möglichkeiten der Zusammenarbeit profitieren können, sodass damit eine gewisse Flexibilität angeboten werden kann.

Die Fortbildung – das war schon eine Kernaussage der Kollegin Nicolaus – ist ganz wichtig. Wir haben zwar die Tatsache, dass viele Tagespflegepersonen Erzieherinnen sind, die diese Möglichkeit nutzen, aber darüber hinaus noch andere Qualifikationen haben – deswegen ist es so wichtig, dass die Fort- und Weiterbildung stattfindet –;

aber genau das haben wir durch die Gleichstellung gesetzlich festgeschrieben.

Die Empfehlungen des Landesjugendamtes wurden überarbeitet und am 30.11.2006 vom Landesjugendhilfeausschuss beschlossen. Ich halte diese Empfehlungen für sehr gut. Natürlich stellt sich immer die Frage, wie diese Empfehlungen vor Ort umgesetzt werden. Ich will ein Beispiel nennen, das ich sehr interessant finde: Die Empfehlung geht davon aus, dass an Kindertagespflegepersonen, die die Betreuung in anderen kindgerechten Räumen anbieten, die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die, die Betreuung in ihren eigenen Räumlichkeiten anbieten, und das ist auch richtig so. Tatsächlich aber stellt zum Beispiel die Stadt Dresden an die anderen kindgerechten Räumlichkeiten Anforderungen wie an eine institutionelle Betreuung.

Das ist für die Kindertagespflegeperson kaum nachvollziehbar. So sollen Außenflächen nachgewiesen werden und auch die Anforderungen an den Sanitärbereich gehen über das hinaus, was von den Kindertagespflegepersonen in den Räumen der Tagesmütter oder der Eltern verlangt wird. Gerade für die Stadt Dresden, in der es Wartelisten für die Betreuung der unter Dreijährigen gibt, ist das keine richtige Strategie.

Wir sind uns sicher alle darüber einig, dass eine Betreuung und frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten gut geleistet werden kann und deren Besuch Vorrang haben sollte. Aber auch dort bedarf es einer größeren Flexibilisierung nach den Bedürfnislagen der Eltern, also zum Beispiel der Öffnungszeiten.

Wir haben auch Kinder, für die wiederum die Betreuung bei Tagespflegepersonen interessanter und wichtiger ist, zum Beispiel wenn keine Krippentauglichkeit gegeben ist.

Die Tagespflege darf aber nicht die Alternative zu fehlenden Investitionen der Kommunen sein und auch nicht als Billigangebot bevorzugt werden.

Die Stadt Radebeul ist in diesem Bereich vorbildlich. Hier existiert eine sogenannte Beratungsstelle, die neben der Vermittlung auch die Beratung der Tagesmütter und -väter übernimmt. Inzwischen existiert dies auch in anderen Landkreisen.

Um künftig die Qualität im Bereich der Kindertagespflege zu sichern, ist die Investition in eine solche Beratungsstruktur, in diese Infrastruktur notwendig. Eine Koordinierungsstelle auf Landesebene könnte hier die notwendige Zusammenarbeit der hoffentlich weiter wachsenden Beratungsstellen auf Landkreis- bzw. kommunaler Ebene koordinieren oder organisieren und damit Einfluss auf die notwendige Fort- und Weiterbildung nehmen. Soweit ich weiß, sind schon Voraussetzungen geschaffen worden, dass sich das Land gerade dort einbringt, um eine solche Koordinierungsstelle zu schaffen.

Es tut sich also viel im Bereich der Kindertagespflege. Unsere Aufgabe wird es auch in Zukunft sein, ein wachsames Auge darauf zu haben, dass sich Angebot und

Qualität so entwickeln, wie wir es als Gesetzgeber gewollt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Die Linksfraktion.PDS erhält das Wort; Herr Neubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In gewisser Weise bin ich der Koalition dankbar, dass sie mit dem vorliegenden Antrag unsere Aufmerksamkeit heute wieder auf das Thema Kinderbetreuung in Sachsen lenkt. Das kann gar nicht oft genug passieren. Nicht einverstanden waren wir allerdings damit, dass nur über einen Teilbereich, nämlich über die Tagespflege, gesprochen werden soll; und zwar nicht deshalb, weil es dazu nichts zu sagen gäbe, sondern deshalb, weil man die Tagespflege nicht von der Gesamtsituation der Kinderbetreuung und damit von der Situation der Kindertagesstätten ablösen kann.

(Alexander Krauß, CDU: Das macht auch niemand!)

Aus diesem Grund war es uns wichtig, diesem Tagesordnungspunkt noch einen Antrag hinzuzufügen, Herr Krauß, welcher auf die aktuellen bundespolitischen Debatten Bezug nimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren, in der Stellungnahme der Staatsregierung wird darauf verwiesen, dass die Zahl der Tagespflegeplätze zwischen 2002 und 2006 im Freistaat auf das 18-Fache gestiegen ist: von 127 auf 2 292. Diese Zahl wäre für sich genommen noch nicht weiter interessant. Man könnte sogar auf die Idee kommen, dass der Wunsch nach Tagespflegeplätzen zugenommen hatte. Man könnte meinen, es gäbe eine zunehmende Zahl von Eltern, die sich im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts nach § 4 Sächsisches Kindertagesstättengesetz lieber für eine Tagespflegestelle als für eine Kindertageseinrichtung entscheiden.

Freilich kommt man der Realität näher, wenn man sich die Zahl etwas differenzierter anschaut: Zwei Drittel der Tagespflegeplätze entfallen allein auf die beiden Großstädte Dresden und Leipzig, obwohl das Interesse an Tagespflege naturgemäß eher im ländlichen Raum, also in kleinen Gemeinden ohne eigene Einrichtung, bestehen müsste. Des Rätsels Lösung: Der Großteil der Tagespflegeplätze ist nicht Ausdruck eines erfüllten Wunsch- und Wahlrechtes der Eltern bei der Betreuung der Kinder, sondern Ausdruck der Improvisation und Mangelverwaltung.

Tatsache ist: Es fehlen in den großen Städten vor allem Krippenplätze, und zwar in weitaus größerem Maße als bisher angenommen. Der enorme Anstieg der Tagespflegeplätze resultiert also aus dem Versuch, kurzfristig Angebote gemäß dem Bedarf zu schaffen, dürfte aber andererseits auch von Sparüberlegungen geleitet sein: Für

die Kommune kommt ein Tagespflegeplatz circa 4 000 Euro pro Jahr günstiger als ein Krippenplatz.

(Kerstin Nicolaus, CDU: Das habe ich doch schon gesagt!)

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben in der Vergangenheit den Eindruck erweckt, als sei Sachsen der bundesweite Spitzenreiter, was die Kindertagesbetreuung und insbesondere die Krippenbetreuung anbelangt.

(Christine Clauß, CDU: Das sind wir auch!)

Wir müssen uns vorwerfen lassen, entgegen dem guten Ratschlag des Volksmundes Ihrer Statistik geglaubt zu haben. Ihrer Darstellung der Betreuungsquote im Krippenbereich haben Sie nicht die Null- bis Dreijährigen, sondern lediglich die Ein- bis Dreijährigen zugrunde gelegt.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Das kann man natürlich machen, da der Bedarf an Krippenplätzen naturgemäß im ersten Lebensjahr am geringsten ist. Allerdings, Frau Orosz, muss man es auch dazusagen. Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Sie haben das nie getan. Sie haben immer von der Betreuung der unter Dreijährigen gesprochen –