Ein Sachverständiger glaubte gar, uns symbolische Gesetzgebung vorwerfen zu müssen, und hat das auf die sogenannte Mittelpunktregelung bezogen. Das ist ein durchaus schwerer Vorwurf. Er trifft dann aber auch die Verfassung, die nach unserer Rechtsauffassung und, wenn ich das Papier der Koalition richtig verstanden habe, auch
nach Auffassung der Koalitionsfraktionen offensichtlich vom Vollzeitjob des Abgeordneten ausgeht. Ich finde es sehr bemerkenswert und auch richtig in der Sache, dass der Koalitionsentwurf, Kollege Schiemann, die Mittelpunktregelung ausdrücklich aufnimmt.
Wir schlagen des Weiteren Offenlegungspflichten bei Befangenheit vor. Das ist eine Geschichte, die es bisher im bundesdeutschen Parlamentsrecht nicht gibt, aber sehr wohl auf kommunalrechtlicher Ebene. Wir wollen, dass Abgeordnete im Ausschuss und im Plenum, wenn sie ein besonderes wirtschaftliches Interesse an einem Beschlussgegenstand haben, dies offenlegen. Wir wollen sie nicht von der Abstimmung ausschließen, aber jeder Bürger soll sich ein Bild davon machen können, welche wirtschaftlichen Interessen möglicherweise hinter der Entscheidung eines Abgeordneten stehen. In der Anhörung wurde moniert, dass der Begriff des „besonderen wirtschaftlichen Interesses“ zu unbestimmt sei. Ich kann nur wiederum darauf verweisen, dass es sich um einen kommunalrechtlich geprägten Begriff handelt, der seit Jahrzehnten dort keinerlei Probleme in Auslegung und Rechtsprechung bereitet.
Wir sehen in unserem § 2 Abs. 3 das Verbot leistungslosen Einkommens vor. Der Grundsatz ist, dass die Annahme von Leistungen nach dem Abgeordnetengesetz nur nach diesem Gesetz zulässig ist, es ist aber unzulässig, wenn dafür die Vertretung von Interessen im Landtag erwartet wird und wenn die Zuwendungen offensichtlich nicht dem Wert der vom Landtagsmitglied tatsächlich erbrachten Leistungen entsprechen. Auch die Koalition nimmt diese Geschichte auf, allerdings macht sie es aus unserer Sicht deutlich schlechter, sie verlangt nämlich nur, dass keine angemessene Gegenleistung vorliegt. Damit steigt sie in die Einzelfallbetrachtung ein, wann eine Leistung einer Gegenleistung entsprechen würde. Da halten wir unsere Regelung, die nur offensichtliche Fälle ausschließt, für wesentlich praktikabler, und sie verhindert, dass wir im Einzelfall in das müßige Geschäft einsteigen müssen, ob die konkrete Gegenleistung geeignet war oder nicht.
Nun zum entscheidenden Punkt. Die Koalition möchte im Gegensatz zu unserem Gesetzentwurf zwar Nebentätigkeiten veröffentlichen, aber nicht die Einkünfte aus diesen Nebentätigkeiten. Damit kann sich der Bürger kein Bild von den bestehenden möglichen Interessensverflechtungen machen. Wir kritisieren dies. Wir glauben, dass die Koalition den Leuten Sand in die Augen streut, weil sie am entscheidenden Punkt passt.
Meine Damen und Herren, in der Debatte um diese gesetzliche Regelungsmaterie steht immer wieder die Frage des Schutzes berufsrechtlicher Verschwiegenheitspflichten im Mittelpunkt. Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen und konnte selbst im Gespräch mit dem Kollegen Bartl im Rechtsausschuss diesen Irrtum nicht ausräumen. Er geht offensichtlich davon aus, dass wir hier eine vollständige Veröffentlichung von beispielsweise anwaltlichen Einkünften verlangen würden. Das tun wir
mitnichten. Wir haben auch gesehen, dass die Regelung, die jetzt beim Bundesverfassungsgericht zur Prüfung liegt, nicht über alle verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben ist. Allerdings verweise ich noch einmal darauf, dass unsere Regelung ausdrücklich eine andere ist, die diese Bedenken aufnimmt.
Herr Kollege Schiemann, ich finde es sehr gut, dass Sie die Frage der Sanktionen aufgenommen haben. Ich möchte Sie aber noch auf einen aus meiner Sicht wichtigen Punkt hinweisen, bei dem ich nicht weiß, ob Sie das genug bedacht haben. Sie wollen die Ausführung der Sanktionen dem Präsidenten überantworten. Unser Gesetzentwurf sieht ausdrücklich die Entscheidung des Präsidiums vor, die der Präsident im Auftrag des Präsidiums ausführt. Wenn Sie den Präsidenten für die Entscheidung und Ausführung allein verantwortlich machen, setzen Sie ihn immer dem Verdacht aus, dass er parteipolitisch motiviert handelt oder nicht handelt. Wir halten das für keine gute Regelung. Damit leidet das Ansehen des Parlaments und auch die unabhängige Stellung des Präsidenten. Wir halten es deswegen für geeigneter, dass das gesamte Präsidium mit einfacher Mehrheit über diese Fragen entscheidet. Dann könnten wir einen größeren Konsens darüber herausbilden, was sich als Abgeordneter schickt und was nicht. Vielleicht könnten die Koalitionsfraktionen in dieser Frage noch einmal nacharbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, auf meinen Vorredner einzugehen, zumal die Koalitionsfraktionen noch nicht einmal die Chance hatten, ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in 1. Lesung einzubringen. Mein Vorredner hatte sich schon die große Arbeit gemacht, diesen Entwurf, der noch nicht einmal hier eingebracht ist, zu diskutieren.
Ich möchte aber, sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, darauf hinweisen, dass der Sächsische Landtag auf seiner 24. Sitzung am 14. Juli 2005 auf Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion die Einsetzung einer Sachverständigenkommission beschlossen und diese zur Arbeit aufgefordert hat.
Vielen Dank, Herr Kollege Schiemann. – Weil Sie die Frage angesprochen haben, dass ich Ihren Gesetzentwurf, der noch gar nicht eingebracht ist, schon besprochen habe: Würden Sie mir zustimmen, dass es eine nicht glückliche Lösung in der Geschäftsordnung des Landtags ist, dass bei den
1. Lesungen in der Regel keine Aussprache stattfindet, dass ich mich dadurch gezwungen gesehen habe, jetzt schon darauf einzugehen, zumal Sie in zwei oder drei Stunden heute diesen Gesetzentwurf vorstellen?
Ich kann natürlich nicht ergründen, was Sie dazu bewogen hat, das zu tun. Vielleicht wird sich Ihre Frage damit beantworten, wenn Sie mir jetzt zuhören. Ich werde noch einmal auf die Sachverständigenkommission zurückkommen.
Die Sachverständigenkommission ist beauftragt worden, den Mitgliedern des Sächsischen Landtags, aber auch dem sächsischen Volk eine umfassende Reform der Abgeordnetenentschädigung und auch aller damit verbundenen Fragen vorzulegen. Die Führung der Geschäfte der Kommission wurde dem Direktor des Sächsischen Landtags übertragen. Die erste Sitzung hat wohl am 29. September 2005 stattgefunden.
Ich weise darauf hin, dass sich dieses Hohe Haus darauf verständigt hat, zunächst die Ergebnisse der Expertenkommission abzuwarten und dann weitere Reformschritte einzugeben.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Gesetzentwurf aber ohne Diskussion dieser Expertenvorschläge eingebracht und so sind wir jetzt in einem durchaus nicht üblichen Verfahren. Dennoch stelle ich fest, dass wir grundsätzlich der Auffassung sind, dass mit einer gesetzlichen Regelung zu Nebentätigkeiten die Unabhängigkeit der Mandatsausübung gesichert werden soll. Durch mehr Transparenz soll das Ansehen des Sächsischen Landtags in der Öffentlichkeit deutlich gestärkt werden. Die Koalitionsfraktionen stimmen daher mit der Zielsetzung des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überein. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen ebenfalls eine gesetzliche Regelung vorgesehen, von Herrn Lichdi teilweise kritisiert, teilweise begrüßt.
Aber die Diskussion zu unserem Gesetzentwurf soll ja erst beginnen. Dieser liegt als Teil unseres Gesetzentwurfs zur großen Reform des Abgeordnetenrechts 2007 vor. Wir wollen eine Gesamtnovellierung des Abgeordnetenrechts statt Initiativen in einzelnen Bereichen. Wir wollen die bisher in den Verhaltensregeln geltenden Vorschriften zu Nebentätigkeiten deutlich verschärfen. Wir haben uns dabei, wie der Gesetzentwurf der Einbringerfraktion, an den Regelungen des Deutschen Bundestages vom August des Jahres 2005 orientiert. Es wird klargestellt, dass
erstens: die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitgliedes des Sächsischen Landtags steht.
Zweitens: Es dürfen keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder Vermögensvorteile für die Ausübung des Mandats angenommen werden. Ausdrücklich verboten ist die Annahme von Geld oder von anderen geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb
gewährt werden, weil dafür die Vertretung oder Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Landtag erwartet wird.
Ausdrücklich verboten ist ferner die Annahme von Geld oder von anderen geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne Gegenleistung des Mitgliedes des Landtags gewährt wird. Wir haben das auch in der Anhörung mehrfach gehört. Verwiesen sei dabei auf die Entwicklung, wie es sie in einigen anderen, überwiegend westlichen Ländern gegeben hat, wo Abgeordnete in Großkonzernen beschäftigt waren und dort Geld erhalten haben, ohne dafür Leistungen zu erbringen.
Wir wollen, dass unzulässige Zuwendungen oder Vermögensvorteile oder ihre Gegenwerte dem Staatshaushalt zugeführt werden.
Tätigkeiten, die neben dem Mandat auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessen und Verknüpfungen hinweisen können, sind nach Maßgabe der Verhaltensregeln anzuzeigen und entsprechend zu veröffentlichen. Dies betrifft ausgeübte Berufe, vergütete oder ehrenamtliche Tätigkeiten und Funktionen auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene. Im Falle, dass anzeigepflichtige Tätigkeiten nicht angezeigt werden, kann das Präsidium ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung – ich wiederhole: in Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung – festsetzen. Damit werden erstmals klare Sanktionsregelungen eingeführt.
Der Hinweis auf die Mitgliedschaft im Landtag darf nicht benutzt werden, um sich in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten Vorteile zu verschaffen. Anders als auf Bundesebene wollen wir auch dieser Regelung gesetzliche Geltung verschaffen.
Ebenfalls gesetzlich verankern wollen wir, dass der Abgeordnete in Zweifelsfragen verpflichtet ist, sich durch Rückfragen beim Präsidenten über die Auslegung der Verhaltensregeln zu vergewissern. Damit gibt es bei Fehlverhalten keine Entschuldigung oder Ausreden des Abgeordneten, dass er die Regelungen nicht verstanden hätte.
Der wesentlichste Unterschied zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist, dass wir die Veröffentlichung der Höhe der Einkünfte nicht vorsehen. Dazu ist derzeit ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Ich verweise noch einmal auf die Sachverständigen in der Anhörung zum Gesetzentwurf. Sie haben am 26. Februar 2007 ebenfalls darauf hingewiesen, diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Die Koalitionsfraktionen wollen dem Präsidenten des Sächsischen Landtags das Prozedere ersparen, dass dieser den Gesetzesvollzug aussetzen muss, wobei ich die Entscheidung des Herrn Bundestagspräsidenten Lammert für richtig halte, das Urteil entsprechend abzuwarten. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der einreichenden Fraktion heute ab und verweisen auf den durch uns erarbeiteten Gesetzentwurf, der heute noch in 1. Lesung eingebracht wird.
Herr Kollege Schiemann, ich bin schon sehr erstaunt. Ist Ihnen etwa entgangen, dass Herr Bundestagspräsident Lammert – ich glaube, vor zwei Wochen – mitgeteilt hat, dass er eben nicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten möchte und erwartet, dass die Meldungen jetzt an ihn eingehen? Er beabsichtigt, diese auch zu veröffentlichen. Das wurde in der Presse so gemeldet. Also, er hat seine Entscheidung korrigiert, aus meiner Sicht zu Recht.
Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir werden heute in 1. Lesung unseren Gesetzentwurf einbringen. Herr Kollege Lichdi, dann haben wir die Gelegenheit, diesen zu beraten, so wie es bei allen Gesetzentwürfen möglich ist. Dann haben wir durchaus die Möglichkeit, uns während dieser Beratungsphase nochmals entsprechend mit diesem Thema zu befassen. Entscheidend ist – das war immer unsere Überzeugung; ich glaube, Sie haben da auch noch nicht einmal widersprochen –, dass es sinnvoll wäre. Wir sind davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht so im März oder April entscheiden wollte. Das war Diskussionsgegenstand. Ich gehe davon aus, dass wir in der Beratungsphase die Gelegenheit haben werden, uns vielleicht aktuell mit der Entscheidung zu befassen. Ansonsten begrüße ich das, was der Bundestagspräsident gesagt hat. Wir werden dann im Beratungsverfahren entsprechend reagieren.
An dieser Stelle widerspreche ich aber dennoch auch der Gesetzesbegründung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dass nicht zu erwarten war, dass die vom Sächsischen Landtag eingesetzte Expertenkommission Vorschläge zu Nebentätigkeiten bzw. zur Wahrung der Unabhängigkeit des Mandats macht. Wir sind immer davon ausgegangen, dass mit dem Einsetzungsbeschluss eine umfassende Behandlung der Rechtsverhältnisse der Abgeordneten, insbesondere einschließlich der Frage der Nebentätigkeiten, erfolgen wird. Wir haben damals auch in der Diskussion deutlich darauf hingewiesen. Letztlich hat die Kommission Vorschläge dazu unterbreitet, die unter anderem auf die Regelungen des Bundes verweisen. Sie hat aber davor gewarnt, eine Regelung über die Höhe der Einkünfte aufzunehmen, bevor die Verfassungslage nicht eindeutig geklärt ist.
Aus Respekt vor der Arbeit der Kommission hätte ich von der einreichenden Fraktion erwartet, dass man den Bericht vor der Einbringung des Gesetzentwurfs abwartet und der Kommission die Gelegenheit gibt, dass das in den Gesetzentwurf einfließen kann. Das ist leider nicht geschehen.
Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage mehr beantworten. – Diese Kritik ist auch in der Anhörung zum Gesetz
entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deutlich gemacht worden. Ich bedanke mich – das möchte ich an dieser Stelle hervorheben – für die gute und fundierte Arbeit der Expertenkommission. Sie hat in einer sehr akribischen, umfangreichen Arbeit alle Themen, die zur Reform diskutiert werden sollten, besprochen und uns ein Expertengutachten vorgelegt, das über die Grenzen des Freistaates Sachsen hinaus Bedeutung erlangt hat und auch in anderen deutschen Ländern diskutiert wird.
Wir halten im Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN die Regelung über die Befangenheit ebenfalls für zu weit gegriffen. Es gibt bereits eine Regelung zur Befangenheit: „Ein Mitglied des Landtages muss eine Interessenverknüpfung offenlegen, wenn er in einem Ausschuss an der Beratung oder Abstimmung über einen Gegenstand mitberät, an welchem er selbst oder ein anderer, für den er gegen Entgelt tätig ist“ – ich wiederhole: für den er gegen Entgelt tätig ist; man kann das in diesem Haus nicht oft genug sagen –, „ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat.“ Dies ist ausreichend.
Die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse und des Parlamentes darf nicht gefährdet werden. Außerdem erscheint uns ein Vergleich mit dem Status von Gemeinderatsmitgliedern an dieser Stelle kritisch. Im Gemeinderat handelt es sich um eine ganz andere Regelungsmaterie. Zum Beispiel ist ein Beschluss über Bebauungspläne in der möglichen und konkreten Betroffenheit anders angesiedelt als die Entscheidung über die Erarbeitung von Gesetzen.
Wir bleiben bei der Auffassung, dass Ausschussprotokolle nicht öffentlich sein sollten. In Ausnahmefällen kann bereits jetzt die Öffentlichkeit in der Ausschusssitzung zugelassen werden. Nach unserer Auffassung bedarf es auch weiterhin bei jeglicher Öffentlichkeit des Ausschusses der Abwägung im Einzelfall.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, darauf zu verweisen, dass die Koalitionsfraktionen das Ergebnis der Expertenkommission langzeitig bewertet und versucht haben, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, den ich Ihnen in 1. Lesung heute noch vorstellen möchte.