Protokoll der Sitzung vom 06.06.2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, darauf zu verweisen, dass die Koalitionsfraktionen das Ergebnis der Expertenkommission langzeitig bewertet und versucht haben, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, den ich Ihnen in 1. Lesung heute noch vorstellen möchte.

Ich würde Sie darum bitten, dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute keine Zustimmung zu geben, weil wir der Auffassung sind, dass die umfangreiche Regelungsmaterie des Gesetzentwurfes, den wir vorlegen, von dem zur Diskussion stehenden Gesetzentwurf nur als Teilmaterie behandelt worden ist. Das ist der Grund, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die Linksfraktion.PDS Herr Abg. Hahn, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Lichdi. Sie haben in geradezu unverschämter Art und Weise, wie ich finde, in Ihrem

Beitrag persönliche Angriffe gegen meinen Fraktionskollegen Klaus Bartl gestartet. Herr Bartl kann derzeit nicht im Saal sein, weil er sich mit dem Offen- und späteren Trockenlegen des sächsischen Sumpfes zu beschäftigen hat. Deshalb müssen Sie jetzt mit mir vorliebnehmen.

(Widerspruch bei der CDU)

Herr Kollege Lichdi, bei allem Verständnis für Polemik und zugespitzte Positionen will ich eines sagen: Herrn Bartl zu unterstellen, er hätte bei seiner Stellungnahme zu Ihrem Gesetzentwurf persönliche Interessen verfolgt, ist einfach absurd und unverschämt. Ich weise das namens meiner Fraktion mit aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Bartl hat mich ausdrücklich befugt – falls Sie das interessieren sollte, Herr Lichdi –, Ihnen monatlich – sofern Sie es wünschen – seine betriebswirtschaftliche Abrechnung vorzulegen. Sie können diese gern einsehen, Herr Bartl ist sehr offen und transparent. Wenn Sie dann noch irgendwelche Bemerkungen in diese Richtung haben sollten, dann fragen Sie nach, aber bitte nicht mit Nebelkerzen werfen und Berufskollegen öffentlich in Misskredit bringen. Das ist kein guter Stil.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, hält ein Blatt hoch.)

Ich möchte Sie, Herr Lichdi, an die Kritik von Herrn Bartl erinnern. Vielleicht ist Ihnen diese entgangen. Die Kritik von Herrn Bartl richtete sich in dieser Erklärung gegen die zum Beispiel in Sozietäten betroffenen Dritten. Dabei geht es um Dritte, die keine Abgeordnete sind. Hier ist die Offenlegung dieser Unterlagen selbstverständlich mit den Rechten dieser Dritten verbunden. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das war die Kritik von Herrn Bartl. Von daher sollten Sie solche Äußerungen künftig unterlassen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, hält ein Blatt hoch.)

Ich möchte nun etwas zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen. Wir haben bereits in den Beratungen im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zum Ausdruck gebracht, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit diesem Gesetzentwurf ein berechtigtes und grundsätzlich zu unterstützendes Anliegen verfolgt. Es liegt zudem aufgrund der in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fälle von Zahlungen von Wirtschaftsunternehmen an Bundestags- und Landtagsabgeordnete ohne jede Gegenleistung sicherlich auch im Trend der Zeit.

Der Inhalt des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Lichdi, lehnt sich im Wesentlichen an die Änderungen des Abgeordnetengesetzes des Bundes an, die durch Gesetz vom 22. August 2005 mit Wirkung für die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beschlossen worden sind.

Wie allgemein bekannt – das weiß auch Herr Lichdi –, wird um diese Regelung gegenwärtig vor dem Bundesver

fassungsgericht gestritten. Wir sehen es daher als äußerst ungünstig an, für die Abgeordneten des Sächsischen Landtages eine ähnliche Regelung zu treffen, noch bevor das Bundesverfassungsgericht in dem anhängigen Verfahren entschieden hat.

Ich sehe das Dilemma genauso wie Kollege Schiemann: Solange das Gericht die Entscheidung nicht getroffen hat, sollten wir keine endgültigen Beschlüsse fassen. Das Gericht hat sich bisher mit einer Entscheidung schwergetan. Dennoch soll sie wohl noch vor der Sommerpause getroffen werden. Aus diesem Grunde sind wir der Auffassung, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass wir diese Entscheidung abwarten sollten, bevor wir über das Gesetz befinden, denn es handelt sich um eine sehr komplizierte Rechtsmaterie.

Ich will Ihnen deutlich sagen: In Ihrem Gesetzentwurf finden sich einige Punkte, die nicht unumstritten sind und das schützenswerte Gut des freien Mandats betreffen. Das hat auch die Anhörung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss deutlich gezeigt. Das betrifft beispielsweise – ich habe es bereits angedeutet – die Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs bei betroffenen Rechten Dritter. Es geht auch um ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit den Befangenheitsregelungen sowie um die Verhängung von Ordnungsgeldern.

In diesen genannten Punkten sehen wir Klärungsbedarf. Hier offenbart – es tut mir leid, Herr Lichdi – der Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch handwerkliche Mängel, die bei Ihnen nicht unbedingt erwartet werden, aber wir sehen sie.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Von daher, meine Damen und Herren, kann die Linksfraktion.PDS diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir unterstützen das Anliegen, aber der Gesetzentwurf kommt zu früh. Er ist unausgereift, und demzufolge bleibt nur, uns der Stimme zu enthalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Bräunig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht nur der Abg. Klaus Bartl, den es derzeit danach drängt, an der Aufklärung im Korruptionsskandal zu arbeiten, aber der Respekt vor diesem Hohen Haus gebietet es, dass einige von uns noch hierbleiben und sich diesem Tagesordnungspunkt widmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ich bin auch hier, und der Ministerpräsident wollte Ihre Minister entlassen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, meine Vorredner Herr Schiemann und Herr Dr. Hahn haben die wesentlichsten Argumente im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf bereits vorgetragen; deshalb erspare ich mir, dies hier noch einmal zu tun. Den Argumenten, die vorgetragen wurden, kann ich mich, kann sich meine Fraktion im Wesentlichen anschließen.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, die Ihnen vorliegt, lenken. Es war die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN allein, die die Annahme dieses Gesetzentwurfes empfohlen hat. Alle anderen haben dies abgelehnt. Es gab eine Jastimme und 10 Gegenstimmen bei 5 Enthaltungen. Ich denke, dies ist ein sehr deutliches Signal, das der Ausschuss an den Landtag gegeben hat.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Die Mehrheit hat immer recht, ja?)

Dieser Umstand ist aber nicht allein das Entscheidende, Herr Lichdi. Nicht immer ist das Argument der Mehrheit auch das der absoluten und uneingeschränkten Weisheit; das wissen wir auch alle.

Allerdings haben sich alle anderen demokratischen Fraktionen sicher vom Ergebnis der Expertenanhörung überzeugen lassen, und die Experten haben mehrheitlich empfohlen, von der Gesetzgebungskompetenz in diesem speziellen Punkt im Moment keinen Gebrauch zu machen, um eben erst das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten. Natürlich berührt der Gesetzentwurf im Kern die Ausgestaltung des Abgeordnetenmandates und die Frage, ob eine möglichst der Bevölkerung des Freistaates Sachsen entsprechende oder eine die Bevölkerung des Freistaates Sachsen abbildende Zusammensetzung des Landtages möglich ist. Um diese möglich zu machen, ist es notwendig, dass Abgeordnete in ihrem eigentlichen Beruf auch während einer oder mehrerer Legislaturperioden nebenbei weiter tätig sein können.

Einig sind wir uns, denke ich, alle in einem Punkt: Was wir in diesem Landtag nicht wollen, ist rein eigenwirtschaftlich motiviertes Stimmverhalten von Abgeordneten; Herr Schiemann hat dies angesprochen. Aber ob und wie wir in einer gesetzlichen Regelung gleichermaßen Transparenz wie auch den notwendigen Schutz der Individualrechte von Abgeordneten und natürlich auch betroffenen Dritten herstellen können, darüber wird derzeit noch in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht sehr konkret und sehr diffizil gerungen.

Lassen Sie uns also diesen Schritt gehen, aber auf einer verfassungsrechtlich gesicherten – oder zumindest sicheren – Grundlage, auf der wir dies dann hier diskutieren können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Petzold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da die NPD-Fraktion die in diesen Gesetzentwurf eingebrachten Verhaltensregeln und die entsprechenden Verfahren zur Sicherstellung ihrer Einhaltung grundsätzlich befürwortet, werden wir zustimmen.

Selbstverständlich ist die NPD-Fraktion der Auffassung, dass sich gut bezahlte Volksvertreter hauptsächlich ihrem Mandat und nicht einem zusätzlichen Gelderwerb widmen sollten. Das ist für uns genauso verständlich wie die Pflicht von Abgeordneten, nicht heimlich in eigener Sache zu entscheiden, sondern stets eventuelle geschäftsbedingte Befangenheiten oder Interessenkollisionen anzuzeigen.

Weil der Antrag, vordergründig gesehen, ein Selbstläufer zu sein scheint, gibt er die Gelegenheit, unsere Zustimmung mit einigen kritischen Bemerkungen zu verbinden. Sind es wirklich die Interessenkonflikte der im Gesetzentwurf beschriebenen Art, die die freie Mandatsausübung von Abgeordneten in erster Linie gefährden? Sind die meisten Abgeordneten dieses Hauses gegen erweiterte Offenlegungspflichten und gegen eine Präzisierung der Rechte und Pflichten von Abgeordneten? – Vor dem Hintergrund der bekannten Fälle von Vorteilsnahme von Abgeordneten hoffe ich es nicht.

In der Begründung des Entwurfes werden einige solcher Fälle auf Bundesebene genannt. Im Zusammenhang mit der Aufklärung der aktuellen sächsischen Korruptionsaffäre könnte durchaus auch hier in Sachsen einiges auf uns zukommen. Ein Gesetz zur Verhütung derartiger Fälle wäre sicher ein wichtiges Zeichen für eine entschlossene Korruptionsbekämpfung durch den Landtag nach dem Motto: „Wir fangen bei uns selbst an.“ Ich bin mir sicher, dass auch etliche Abgeordnete der Regierungsfraktionen dies so sehen und dem Entwurf insoweit zustimmen könnten. Trotzdem wird er durchfallen. Jeder weiß die Antwort: weil er von der Opposition kommt. Die Abgeordneten sind in der Praxis dem Fraktionszwang unterworfen. Dies gilt insbesondere für die Abgeordneten der Regierungsparteien, die stets mit dem Standardargument diszipliniert werden, jedes abweichende Abstimmungsverhalten würde die Regierungsfähigkeit gefährden.

Abstimmungsrituale, bei denen das Ergebnis von vornherein feststeht, sind Possenspiele, die dem Prinzip der Gewaltenteilung und damit dem Kern des Artikels 20 Grundgesetz widersprechen. Deshalb möchte ich hier in aller Deutlichkeit feststellen: Wenn es eine Abhängigkeit gibt, die die freie Mandatsausübung wirklich massiv gefährdet, ja zunichte macht, so ist es die wirtschaftliche Abhängigkeit des Abgeordneten von seinem Mandat. Es ist die damit einhergehende Angst, bei einem Fehlverhalten nicht wieder aufgestellt zu werden. Das, meine Damen und Herren, sollten wir uns stets vor Augen halten, wenn wir über die durchaus vorhandenen Abhängigkeiten anderer Art nachdenken.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Dr. Martens, FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um eines gleich vorab klarzustellen: Das Thema „Freiheit der Mandatsausübung“ ist auch für die FDP ein wichtiges Thema. Was man allerdings unter dem Begriff Freiheit versteht, darüber gehen unsere Auffassungen wohl auseinander. Unsere Zweifel an dem, was im Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt wurde, sind auch in der Anhörung am 26. Februar 2007 bestätigt worden. Eines ist klar: Ein arbeitsloses Einkommen, das Abgeordneten gewährt wird, weil sie Abgeordnete sind, um von ihnen ein bestimmtes Verhalten oder auch nur ein bestimmtes Hinhören zu erwarten, ist unzulässig.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Bei euch haben ja alle eine Nebentätigkeit. Das ist schwierig!)

Ein solches Einkommen, das allein geeignet ist, die Unabhängigkeit des Abgeordneten zu beeinflussen, ist unstatthaft. Das muss durchgesetzt werden.

Aber welches sind die Knackpunkte an diesem Gesetzentwurf aus unserer Sicht? Nach Artikel 39 Abs. 3 der Verfassung „vertreten die Abgeordneten das ganze Volk. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.“

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Aber an Gesetze!)