Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich frage die Fraktionen, ob es darauf noch Erwiderungsbedarf gibt. – Das kann ich nicht erkennen. Dann gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktion der GRÜNEN. Bringt Frau Herrmann diesen ein? – Ja. Bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Hohen Haus sind wir uns durch die Bank einig gewesen, dass im Erwachsenen- sowie im Jugendstrafvollzug Verbesserungen notwendig sind. Unser Entschließungsantrag greift die Probleme noch einmal auf, die auch die Große Anfrage der Koalition deutlich gemacht hat.

Insbesondere schließe ich mich der Meinung von Herrn Schowtka an, was die Bedeutung von Resozialisierung und den Anspruch an sie angeht. Weil dieser Anspruch besteht, haben wir im zweiten Teil unseres Entschließungsantrages Forderungen an die Staatsregierung aufgeschrieben, die dieser Resozialisierung dienen sollen. Ich bitte Sie deshalb – die Kritik bzw. die Wahrnehmung der Probleme war eindeutig –, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass unser Entschließungsantrag das letzte Mal mit dem Hinweis auf Ihre noch ausstehende Große Anfrage abgelehnt worden ist.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu gibt es sicherlich Stellungnahmen aus den Fraktionen. – Für die CDUFraktion, bitte, Frau Dombois.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass wir – das konnte man heute aus den Debatten der Fraktionen auch erkennen – mit unseren Meinungen sehr eng beieinander sind, auch mit den Problemstellungen. Aber wir sind in der Koalition der Meinung, dass das Thema viel komplexer ist, als es der Entschließungsantrag hergibt, und dass man jetzt nicht einzelne Teile aus diesem Komplex herausziehen sollte. Vielmehr wollen wir gern mit allen Fraktionen im Ausschuss weiter an dem Thema Strafvollzug arbeiten. Wir werden also den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Wer möchte sich noch an der Debatte beteiligen? – Ich kann im Moment niemanden erkennen. Das heißt, wir könnten zur Abstimmung kommen.

Ich stelle den Entschließungsantrag der Fraktion der GRÜNEN zur Abstimmung. Er trägt die Drucksachennummer 4/8967. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Danke schön. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei einigen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, beenden wir den Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach im Medizinstudium

Drucksache 4/5951, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hospizarbeit und Palliativversorgung im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/6008, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Sterbebegleitung und palliativmedizinische Versorgung in Sachsen

Drucksache 4/8045, Antrag der Linksfraktion.PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren, wenn wir uns etwas beruhigt haben, würde ich gern die Debattenrunde für die Fraktionen freigeben. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion als einer der einreichenden Fraktionen. Frau Abg. Nicolaus, bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen drei Anträge zu einem sehr wichtigen, aber nicht gerade populären Thema vor, der Hospizarbeit und der palliativmedizinischen Versorgung im Freistaat Sachsen. Ich sage deswegen „nicht populär“, weil der Gegenstand der Hospizarbeit wie auch der palliativmedizinischen Versorgung ein Thema berührt, welches bei jedem von uns Ängste, Trauer und eine Vielzahl von weiteren Gefühlen auslöst.

Das Thema Tod – und darin inbegriffen das Sterben – ist, wie von mir eben ausgeführt, nicht gerade populär. Es ist sicherlich dann populär, wenn es um Sensationen geht, wenn es um Schlagzeilen geht, auf der ersten Seite der „Bild“-Zeitung oder den jeweiligen anderen Printmedien. Hinzu kommt, dass das Thema Tod in der heutigen Gesellschaft immer mehr als ein Tabuthema dargestellt wird. Eine Studie aus Thüringen, welche sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, hat beispielsweise festgestellt, dass mehr als die Hälfte der Befragten keinerlei Erfahrungswerte im Umgang mit dem Sterben haben. Des Weiteren ist knapp die Hälfte der Menschen der Meinung, dass Kinder vor einem solchen Thema geschützt werden sollten. Dieses Ergebnis halte ich für sehr bedauerlich;

denn Sterben ist ein Stück vom Leben. Das müssen wir aus meiner Sicht zur Kenntnis nehmen und uns immer wieder ins Bewusstsein rücken. Dazu dienen auch unsere gemeinsamen Anträge.

Früher, meine sehr verehrten Damen und Herren, war es gang und gäbe, dass die Menschen zu Hause verstorben sind, zu Hause oder in ihren Räumlichkeiten aufgebahrt wurden und somit der Umgang mit dem Tod, wenn auch nicht normal, aber vertrauter war. Auch die Kinder waren bei den jeweiligen Sterbenden mit am Krankenbett oder bei Hausaufbahrungen zugegen. Es war kein Tabuthema.

Es freut mich, dass wir uns jetzt in diesem Hohen Hause mit den drei Anträgen diesem Thema widmen und zugleich ein Stück zur – –

(Torsten Herbst, FDP: Enttabuisierung!)

Danke, Herr Herbst! Wenn ich Sie nicht hätte!

Enttabuisierung beitragen.

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle auf die Anträge einzugehen. Zwei davon möchte ich in dem ersten Teil meiner Rede vorstellen. Anfangen werde ich mit der Hospizarbeit und der palliativmedizinischen Versorgung im Freistaat Sachsen. Im zweiten Teil möchte ich auf die Palliativmedizin als Lehrfach im Medizinstudium zu sprechen kommen.

Die moderne Hospizarbeit ist Mitte der Siebzigerjahre entstanden und hat sich in einer Art Bewegung entwickelt, die deutschland- und weltweit zu verzeichnen ist.

Hospizarbeit bedeutet, einen menschenwürdigen Umgang mit dem Sterbenden zu gewährleisten und ihm eine Hülle im häuslichen Umfeld zu bieten, damit er zu Hause in einer menschenwürdigen Umgebung sterben kann.

Hospizarbeit ist Sterbebegleitung durch befähigte ehrenamtliche Hospizhelferinnen und -helfer. Sie stehen gemeinsam mit Medizinern, Pflegekräften, Sozialarbeitern und Theologen dem sterbenden Menschen, aber auch den Angehörigen zur Seite. Man darf nicht vergessen, dass das häusliche Umfeld hier in vielerlei Hinsicht eingebettet ist. Das betrifft die Kinder, aber auch die Onkel, die Tanten und die Bekannten, die diesen Prozess begleiten.

Die Palliativmedizin entwickelte sich als medizinische Richtung im Zuge der Hospizbewegung. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen. Er wurde abgeleitet von pallium, dem Mantel. Das bedeutet, dass in der Palliativmedizin dem Kranken ein Mantel gegeben wird, der eine schützende Hülle um den Kranken legt.

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ist die Palliativmedizin die aktive gesundheitliche Behandlung von Patienten mit einer fortschreitenden, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu einer Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr mit einer kurativen Behandlung angesprochen werden kann und der Beherrschung von Schmerzen und der Krankheitsbeschwerden mit ihren psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität beigemessen wird. Nicht die Verlängerung der örtlichen Überlebenszeit um jeden Preis, sondern die Lebensqualität, also die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten, stehen im Vordergrund der Behandlung. Daneben werden aber auch die Angehörigen über die Sterbephase hinaus begleitet.

In Sachsen ist seit der Wende eine vielfältige Hospizlandschaft entstanden. Die Hospizarbeit ist heute sowohl in den großen Städten als auch in den meisten Regionen von Sachsen etabliert. So gibt es derzeit in Sachsen neben den 34 ambulant arbeitenden Hospizdiensten – dabei möchte ich mein besonderes Augenmerk auf die Kinderhospizdienste lenken, die in Leipzig und Dresden entstanden sind – noch weitere vier stationäre Hospize mit 36 Plätzen. Die Basis der Hospizarbeit stellen dabei die ambulanten Hospizdienste dar. Sie richten sich an die Schwerkranken und ihre Angehörigen und bieten ihre Hilfe kostenfrei an. Ihr Angebot besteht im Idealfall in einer intensiven psychologischen Begleitung der betroffenen Familien einschließlich einer 24-StundenRufbereitschaft unter sorgfältiger Beachtung des körperlichen Befindens und Einbeziehung fachkundiger Hilfe für die palliativmedizinische Betreuung.

Durch die ambulanten Dienste wird seelsorgerische und psychologische Begleitung angeboten. Die pflegenden Angehörigen werden entlastet. Außerdem leisten diese

Dienste eine nicht zu unterschätzende Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich. Ich hatte eingangs ausgeführt, dass die Öffentlichkeit diese Problematik eigentlich nicht zur Kenntnis nehmen möchte, obwohl sie zum täglichen Leben gehört.

Die stationären Hospizeinrichtungen ergänzen mit ihren Leistungen die bestehenden ambulanten ehrenamtlichen Hospizangebote und verstehen sich als ein Teil einer vernetzten Versorgungsstruktur. Sie bestehen meist aus kleinen Betteneinheiten, die ohne Anbindung an eine größere Institution arbeiten und von einer speziell in Palliative Care ausgebildeten Pflegekraft geleitet werden. In enger Kooperation mit den freiwilligen Helferinnen und Helfern und einem fachkundigen Hausarzt pflegen und behandeln sie Menschen, denen nur noch Tage oder Wochen verbleiben und die unter schwerwiegenden körperlichen, sozialen, seelischen und spirituellen Beschwerden leiden, die sich weder zu Hause noch in einem Pflegeheim lindern lassen.

Diese Probleme treten zunehmend auf. Durch die hohe Spezifizierung in den medizintechnischen Bereichen ist eine lebensverlängernde Maßnahme in jedem Fall möglich, aber derjenige, der die Diagnose gestellt bekommt und natürlich darunter leidet, und seine Angehörigen können oft nur schwer damit umgehen.

Zu den stationären Hospizeinrichtungen gehören auch die Palliativstationen, welche zum Beispiel in Görlitz oder Dresden etabliert sind. Dies sind Hospizstationen, die fest in eine Klinik eingebunden sind und nach demselben Organisationsmodell wie jede andere Station in dem Krankenhaus geführt werden. Auf den Stationen sind neben den Pflegekräften festangestellte Ärzte tätig.

Mit der Palliativmedizin kommen lebensbedrohlich erkrankte Menschen meist zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Sterben in Berührung. Auch wenn noch Behandlungsmaßnahmen zur Heilung oder wenigstens zur Lebensverlängerung geplant sind und auch erwartet werden, ist es natürlich in erster Linie das Ziel, die körperlichen Beschwerden zu lindern.

Eine Besonderheit, auf die ich noch eingehen möchte, sind die Kinderhospize. Ich hatte bereits erwähnt, dass es zwei ambulante Kinderhospizdienste gibt, die meine höchste Anerkennung finden; denn das ist sicher keine ganz einfache Arbeit.

Das Anliegen der Kinderhospizarbeit ist es, Familien mit unheilbar erkrankten Kindern und Jugendlichen ihre Unterstützung angedeihen zu lassen. Das beginnt mit der Diagnoseerstellung und geht über den Tod des Kindes hinaus. Ziel ist, den Familien zu ermöglichen, dass die Kinder solange wie möglich im familiären Umfeld verbleiben. Das ist aus meiner Sicht die beste Möglichkeit, sowohl mit der Erkrankung als auch mit dem Tod des Kindes fertig zu werden und diese Situation zu verarbeiten.

Ich weiß, dass es Initiativen gibt, deutschlandweit die Anzahl der stationären Kinderhospize zu erhöhen. Aber

man sollte überlegen, ob es für die Würde des Kindes und der Familie nicht besser ist, dass die Kinder das Recht haben, zu Hause im familiären Umfeld zu sterben.

(Beifall der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU)

Es ist natürlich zuvorderst unsere Aufgabe, hierbei unterstützend zu wirken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für besonders wichtig, dass wir in diesem Bereich besonders verschärft unseren Blick auf die Dinge richten können und dies tun müssen. Bei all diesen Varianten der palliativmedizinischen Versorgung hier im Freistaat Sachsen ist es mir ein Herzensbedürfnis, in diesem Hohen Hause all denjenigen zu danken, die sich der ehrenamtlichen Hospizarbeit widmen: all den Helferinnen und Helfern im ehrenamtlichen Bereich, die sich dieser Aufgabe zur Verfügung stellen.