Protokoll der Sitzung vom 08.06.2007

c) der sich radikal verändernde Altersaufbau der Gesellschaft.

Innerhalb dieses Rahmenplanes leistet der EU-Strukturfonds einen wichtigen Beitrag für Sachsen, eigene strategische Ziele zu erreichen: Innovation und Ausbau der Wissensgesellschaft sowie Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Hierzu gehört die gezielte Investition in Forschung und technologische Entwicklung und in unternehmerische Initiativen. Dazu zählt die Erhöhung der Attraktivität der Regionen für Investitionen und Einwohner durch nachhaltige Regionalentwicklung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Dann machen Sie es doch!)

Das sind insbesondere die Verkehrsinfrastruktur und die Steigerung der Synergien zwischen Umweltschutz und Wachstum. Da ist der Arbeitsmarkt auf neue Herausforderungen auszurichten für mehr und bessere Arbeitsplätze; insbesondere sind mehr Menschen an das Erwerbsleben heranzuführen. Natürlich zählt dazu, Regionen chancen- und ausgleichsorientiert weiterzuentwickeln.

Gestatten Sie mir im ersten Teil meiner Ausführungen insbesondere einen Rückblick auf das vergangene OP, bevor ich im zweiten Teil auf das zukünftige oder jetzt neu beschlossene komme.

Was hat in den letzten Monaten, ja eigentlich in den letzten beiden Jahren häufig für Aufregung und Schlagzeilen gesorgt? Mit Beginn der Koalition vielleicht der Umstand, dass es gelungen war, 150 Millionen Euro ESFMittel durch nachhaltige Verhandlungen mit der EUKommission in EFRE umzuschlüsseln? Das kann man zweifelsohne sogar als nicht unbedingt finanzpolitischer Sprecher als Erfolg feiern – 150 Millionen Euro europäischen Geldes, die kein anderes Land als Sachsen erhält bzw. erhalten hat! Damit wurde auch eine Fehlsteuerung gewisser Vorgänger so korrigiert, dass zumindest kein zusätzliches Geld nach Brüssel zurückfließen musste.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wer war denn das?)

Weiterhin hat uns alle häufig gestört, dass 2005 und 2006 je knapp 43 Millionen Euro verfallen sind, das heißt, in Sachsen nicht eingesetzt werden konnten. Doch hat in der Diskussion derjenige die Prügel eingesteckt, der sie verdient hat? Jeder hier im Raum weiß oder sollte wissen, dass die durch die Förderrichtlinien untersetzten Programme Einzelmaßnahmen fördern, die auf Passgenauigkeit zum OP von der EU überprüft werden.

Nun sind die Wege auch im Zeitalter der digitalen Datenübermittlung oft länger als erwartet. Das heißt, dass 2005 über die Rückgabe der Mittel entschieden wurde, die 2003 nicht abgeflossen sind, 2006 diejenigen, die durch mangelnden Einsatz seit 2004 mehr oder weniger herumlagen. Was lehrt uns das? Im vorhergehenden OP waren seinerzeit die Mittel durch die Amtsvorgänger nicht OPkonform oder bei ESF schlechterdings teils gar nicht eingesetzt worden, sodass der jetzige stellvertretende Ministerpräsident nach Brüssel zurücküberweisen musste. Er hat also öffentlich die Quittung für eine Mahlzeit bekommen, die er weder bestellt noch gegessen hat. Er saß allerdings, als der Kellner kam, 2004 am Regierungstisch.

Auf die Ausrichtung des neuen OP möchte ich gern im zweiten Teil meiner Rede eingehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Hilker, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Bolick, Herr Pecher, ich frage mich, was an dieser Debatte aktuell ist. Der Titel lautet: „Neue Strukturfondsförderperiode 2007 bis 2013 – neue Chancen für Innovation, Beschäftigung und Bildung“. Es kommt mir so vor, als wollten Sie mit uns darüber debattieren, wie diese Strukturfondsperiode ausgestaltet werden soll. Wir alle wissen, dass Sie da weit zu spät kommen. Wir können auch feststellen, dass Sie sich bisher jeder Debatte der Ausgestaltung dieser Periode verweigert haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Meine Fraktion, aber auch andere Fraktionen haben sowohl im Wirtschaftsausschuss als auch im Parlament immer wieder eine Debatte über Prioritäten angemahnt. Wir haben Vorschläge vorgelegt. Doch Sie haben das getan, was Sie tun wollten, ohne das ganze Parlament einzubeziehen. Ja, was haben Sie getan? Sie haben im Wesentlichen die Mittel in Beton konzentriert statt in Bildung, wie es breit übergreifend immer wieder in diesem Hause gefordert wurde.

Unsere Vorschläge lagen auf dem Tisch. Ich möchte an unseren Doppelhaushalt erinnern. Ich möchte daran

erinnern, dass wir ein Förderprofil vorgelegt haben und schon seit 2000 eine Innovationsstiftung fordern, dass mehr Mittel in die Innovation im Freistaat Sachsen fließen sollen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Jetzt steht alles fest, jetzt ist alles genehmigt, jetzt wollen Sie einen Erfolg feiern, der gar nicht Ihr Erfolg ist, meine Damen und Herren. Stimmt es denn, wie Wirtschaftsminister Jurk gestern in der Regierungserklärung sagte, ich zitiere: „Die Koalition hat hier den Schwerpunkt verlagert von Investition in die klassische Infrastruktur hin zu mehr Förderung von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation.“? Nein, es stimmt nicht. Es war nämlich die Europäische Kommission, die Sie unter Druck gesetzt hat. Ich möchte hier zitieren: „Die Europäische Kommission fordert zur Verbesserung der Genehmigungsfähigkeit des sächsischen Programms eine Erhöhung des Anteils der Lissabon-konformen Ausgaben auf mindestens 50 %.“ Beim ersten Entwurf waren es 55 %. Die Europäische Kommission fordert, dass die Mittel für die Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation erhöht werden. Das, was Sie heute hier darstellen, was Ihr Erfolg sein soll, ist gar nicht Ihr Erfolg. Sie mussten auf Druck anderer nacharbeiten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wie haben Sie nachgearbeitet? Sie haben das gemacht, was wir schon seit Jahren fordern. Sie haben den Straßenbau gekürzt, immerhin 100 Millionen Euro, und Sie haben mehr Geld ausgegeben für die Hochschulen, mehr Geld für den Technologietransfer, mehr Geld für F/EVerbundprojekte sowie für umweltfreundliche Verkehrsträger. Jetzt wird als Erfolg erklärt, was wir schon lange verlangt haben. Wir sind Ihnen dankbar. Nur durch die EU ist es dazu gekommen, dass mehr Geld für Bildung ausgegeben wird und weniger für Beton. Die Folge ist: 190 Millionen Euro mussten umgeschichtet werden, nachdem der Haushalt gerade einmal vier Monate verabschiedet war. Diese Umschichtung erfolgte an dem vorbei, der der Gesetzgeber ist, und zwar wir, das Parlament.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Gerade wir wollten die Prioritäten setzen, wir wollten mit Ihnen darüber debattieren, wie diese Gelder ausgegeben werden. Wir stellen fest, dass bis zum heutigen Tage dem gesamten Landtag keine entsprechende Information darüber vorliegt, dass umgeschichtet werden musste und wie umgeschichtet wurde. So frage ich Sie, Herr Prof. Bolick, Herr Pecher, was an dieser Debatte aktuell ist. Aktuell ist, dass die Koalition, dass die Staatsregierung wieder einmal nacharbeiten mussten. Das zeigt uns, dass die Koalition öfter auf die Opposition hören sollte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Aktuell ist, dass hinterher Korrekturen als Erfolg erklärt werden. Das alles ist zwar nicht neu, aber immer wieder aktuell.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute will die Koalition über die neue EU-Strukturförderperiode plaudern, schönfärberisch, selbstbeweihräuchernd und vor allem folgenlos.

Von der Opposition gab es seit dem Frühjahr 2006 immer wieder Vorstöße, um etwas Transparenz in den Prozess der Erstellung der Operationellen Programme zu bringen. Vor allem wurde immer wieder Diskussionsbedarf über die strategische Ausrichtung des Einsatzes der EFRE- und ESF-Mittel angemahnt. Doch eine wirkliche Beteiligung des Landtages wurde von den Mehrheitsfraktionen der Koalition stets verhindert, obgleich hier massive Haushaltsaspekte berührt waren und sind.

Genau die gleichen Koalitionsfraktionen, die sich über ein Jahr lang über die neue EU-Strukturfondsförderperiode regelrecht ausgeschwiegen haben, verspüren nun hier und heute das Bedürfnis nach einer lockeren Plauderei, jetzt, wo alle Entscheidungen im Alleingang der Staatsregierung bereits getroffen worden sind.

Wir alle wissen, dass die EU-Strukturfördermittel wie auch die Mittel aus dem Solidarpakt II weniger werden und es für Sachsen darauf ankommt, eine selbsttragende und vor allem Beschäftigung schaffende Wirtschaftsentwicklung ins Werk zu setzen.

Ist diese Mittelverwendung der Staatsregierung aus den EU-Strukturfonds nun dazu geeignet, dies zu bewerkstelligen? Nach Auffassung der NPD-Fraktion nicht.

Knapp 4 Milliarden Euro an Strukturfondsfördermitteln stehen bis 2013 zur Verfügung. Von den über 3 Milliarden Euro aus dem EFRE soll ein Löwenanteil von mehr als 1,2 Milliarden Euro auf die sogenannte Prioritätsachse I „Stärkung von Innovation, Wissenschaft, Forschung und Bildung“ entfallen. Dies ist grundsätzlich sinnvoll, doch droht das Land Sachsen als Ganzes davon wenig zu haben, weil wieder einmal nur die sogenannten Leuchttürme mit ihren gewissen Wachstums- und Technologiepotenzialen Empfänger des Geldes sein werden. Der Anteil der EFRE-Mittel im Bereich der Prioritätsachse I wurde auf 40 % aufgestockt. Für die NPD-Fraktion ist es aber fraglich, ob ein derartiger Mitteleinsatz für eine an globaler Kapitalverwertung orientierte Forschungspolitik die bitter nötigen Beschäftigungsimpulse auslösen wird. Eine breite Belebung des Arbeitsmarktes ist durch eine bloße Leuchtturmpolitik nicht zu erwarten. Die NPDFraktion sieht ein Grundproblem der sächsischen Wirtschaftsstruktur in der nach wie vor dünnen Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Weil in der neuen Förderperiode weniger Geld zu verteilen ist als in der vorhergehenden, und zwar rund

10 % weniger, hätten wir uns gewünscht, dass die EFREAnteile in den Prioritätsachsen I und II, das heißt auch bei der Infrastruktur, etwas zurückgenommen werden, damit mehr Mittel für die einzelbetriebliche Förderung und Zinsverbilligungen im Rahmen des GuW-Darlehensprogramms zur Verfügung stehen.

Auch in Sachsen hätte man die Energieeffizienz zu einem Förderkriterium für die kleinen und mittelständischen Unternehmen machen können. Das Wirtschaftsministerium selbst hat wiederholt eingeräumt, dass die Förderung der kleinen und mittelständischen Unternehmen einen besonders hohen Beschäftigungseffekt aufweist und zur Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen sowie der Stärkung der Binnennachfrage beiträgt.

Welche Beschäftigungschancen sollen jetzt aber darin liegen, dass der Mittelansatz hier deutlich zurückgefahren wird?

Über den ESF ist in diesem Haus nicht weniger gestritten worden. Immerhin geht es dabei um ein Finanzvolumen von 872 Millionen Euro. Beim ESF wird am deutlichsten, dass die Staatsregierung Politik nicht mehr gestaltet, sondern nur noch nach Anpassungsstrategien für fremdbestimmte Entwicklungen sucht. Die strategische Ausrichtung des ESF zielt beispielsweise nur auf die Verwaltung des demografischen Niederganges ab, anstatt die katastrophale Bevölkerungsentwicklung umzukehren. Überdies soll mit Hilfe der ESF-Mittel lediglich die Anpassung der Unternehmen und ihrer Beschäftigten an die Bedingungen einer sich durchglobalisierenden Arbeitswelt vorangetrieben werden, anstatt andere, an regionalen Wertschöpfungsketten orientierte Wettbewerbsstrategien zu fördern.

Hierfür ist ja auch bezeichnend, dass Herr Pecher ganz ungeniert auf die Lissabon-Strategie der Europäischen Union zu sprechen gekommen ist. Mit dieser Lissabon-Strategie wurde eine europäische Agenda 2010 beschlossen, die Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt bis 2010 machen soll, nach Auffassung der Neoliberalisten natürlich durch rabiate staatliche Einsparungen und Sozialraubmaßnahmen. Insofern ist es schon von erfrischender Deutlichkeit, dass Herr Pecher diese Lissabon-Strategie hier als Vorbild anpreist. Schließlich ist auch die Agenda 2010 von Gerhard Schröder durch den Lissabon-Prozess auf sehr ungute Art und Weise beeinflusst worden.

Welche konkreten Maßnahmen zum Beschäftigungswachstum sollen nun ergriffen werden? Staatsminister Jurk ließ bislang nur verlauten, dass es sich beim ESFOP um ein „strategisches Programm“ handelt, – –

Bitte zum Schluss kommen.

– ja –, das keinerlei Beschreibungen konkreter Einzelmaßnahmen oder gar Bestimmungen zum Fördergegenstand beinhaltet. Konkrete Ansätze der Opposition wurden von den Koalitionsfraktionen konsequent abgelehnt.

Zu erinnern ist noch daran – und das bleibt ein ewiger Malus dieses Wirtschaftsministeriums und seines Leiters –, dass in den letzten zwei Jahren mehr als 80 Millionen Euro an ESF-Mitteln verfallen sind, – –

Bitte zum Schluss kommen!

– weil die Ministerialbürokratie anscheinend nicht in der Lage war, diese fristgerecht abzufordern.

Schlusssatz!

Diese Debatte bringt den Menschen im Lande gar nichts!

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind nicht sehr zufrieden mit der entsprechenden Ausgestaltung der neuen Operationellen Programme im Freistaat, weil wir uns als FDP-Fraktion eine deutliche Schwerpunktsetzung im Bereich EFRE gewünscht hätten. Wir haben das in den Debatten hier im Hause schon mehrmals ausgeführt. Die Aufteilung 78 % zu 22 % ist für uns völlig unzureichend. Eine wesentlich stärkere Schwerpunktsetzung im Bereich des EFRE wäre sachdienlich gewesen.