Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Die Linksfraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Die Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es gab dazu interessante Anhörungen, bei denen einige Widersprüche aufgetreten sind. In der folgenden Ausschusssitzung wurden von der Linksfraktion drei Änderungsanträge

eingebracht, die leider abgelehnt wurden. Diese möchte ich hier nicht wiederholen.

(Kerstin Nicolaus, CDU: Gott sei Dank!)

Aber ich möchte eines nicht versäumen: ein Dankeschön zu sagen an die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher, die eine sehr verantwortungsvolle und sensible Arbeit leisten.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Kerstin Nicolaus, CDU)

Die Erfahrungen dieser engagierten Menschen sollten genutzt werden und eine wiederholte Bestellung auch in Zukunft möglich sein. Deshalb finde ich den Antrag der GRÜNEN – einer jährlichen Berichterstattung der Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher in den psychosozialen Arbeitsgemeinschaften vor Ort und eine daraus resultierende eventuelle Wiederbestellung – sehr sympathisch.

Auch den heute vorgelegten zwei Änderungsanträgen können wir durchaus unsere Zustimmung geben. Wir werden uns dem Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht verweigern.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion, bitte. – Wird nicht gewünscht. Dann die NPD, Herr Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesen Gesetzentwurf mittragen. Wir hatten uns ursprünglich auf „ohne Aussprache“ verständigt. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der noch vollen Tagesordnung werden wir auf den Redebeitrag verzichten.

Die FDP? – Für die Fraktion der GRÜNEN Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Gesetzentwurf fand auf unseren Antrag hin im Februar eine Anhörung statt. Ein Ergebnis dieser Anhörung war der Änderungsantrag der Koalition, über den Frau Nicolaus schon gesprochen hat. Er liegt heute in der Beschlussempfehlung vor.

Damit hat die Koalition unsere grundsätzlichen Bedenken berücksichtigt, dass personenbezogene Daten nur auf der Grundlage eines Gesetzes erhoben werden können. Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt nur noch, wann das Gesetz vorliegt. Wir sind optimistisch, dass sich ein Verfahren finden lässt, sodass keine Regelungslücken entstehen. In diesem Punkt können wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Aber das ist nur die eine Seite der Datenerfassung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die andere Seite ist, dass Sachsen offensichtlich ein Vorreiter ist, was die Datenerfassung und Dokumentation von psychiatrischen Leistungen im ambulanten Bereich betrifft, BADO-K genannt.

(Staatsministerin Helma Orosz: Richtig!)

Um es bildlich zu sagen: Wo andere Bundesländer per Muskelkraft noch Fahrrad fahren, fährt Sachsen schon im Phaeton. Ich überlasse es Ihrer Phantasie, ob das in jedem Fall gerechtfertigt ist. Wir haben ein omnipotentes EDVProgramm, die technische Ausrüstung vor Ort ist vorhanden, eine Firma hat einen Wartungsvertrag. So weit, so gut – aber was ist mit den zusätzlichen Kosten für die Träger? Sachkosten und Arbeitszeit, Wartungsaufwand für die Technik, Anwenderschulungen – darüber wird seit Monaten gestritten. Wenn diese Kosten nicht refinanziert werden, fehlt diese Zeit bei den psychisch kranken Menschen.

Die Frage ist auch, in welche Richtung mit der Datenerfassung gesteuert werden soll. Hoffentlich nicht in die Richtung: Wer schreibt, der bleibt! Das werden wir weiter beobachten müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben allerdings noch weitere Kritikpunkte, zu denen ich später die Änderungsanträge einbringen werde. Die Anhörung hat jedenfalls gezeigt, dass es heute nicht mehr darum geht, Strukturen der psychiatrischen Versorgung in Sachsen aufzubauen. Es geht vielmehr um eine Verbesserung der Qualität. Aus diesem Grund müssen Psychiatrieerfahrene systematisch und an möglichst vielen Stellen ins System einbezogen werden und mitwirken können. Das muss auch im Gesetz verankert werden – dazu die Änderungsanträge.

Danke.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Ich gehe davon aus, dass die Fraktionen nicht mehr sprechen wollen. – Dann bitte ich jetzt Frau Staatsministerin Orosz, das Wort zu nehmen.

Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz über die Hilfen und Unterbringung bei psychischen Krankheiten ist Rechtsgrundlage für die psychiatrische Versorgung und die Sicherung der Rechte der psychisch kranken Menschen im Freistaat Sachsen. Seit dem Inkrafttreten im Jahre 1994 – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – hat sich dieses Gesetz in der Praxis bewährt und bildete die Grundlage für die umfassende Reform der Psychiatrie, die sowohl im stationären als auch im ambulanten und komplementären Sektor bereits vollzogen ist.

Dies wurde in der Anhörung zum vorliegenden Entwurf mehrfach und von verschiedener Seite bestätigt. Mit dem

zweiten Änderungsgesetz ist deshalb auch keine Änderung der grundsätzlichen Position der Psychiatriepolitik des Freistaates Sachsen verbunden, sondern es wird den geänderten Bedürfnissen und Anforderungen der Praxis in einigen Bereichen der psychiatrischen Versorgung Rechnung getragen. Auch dieses Änderungsgesetz folgt dem Anspruch, die Situation psychisch kranker und behinderter Menschen weiter zu verbessern.

In den zurückliegenden Jahren hat sich die Tätigkeit der Besuchskommissionen nach § 3 SächsPsychKG als eine wirksame Kontrollinstanz zur Einhaltung der Betroffenenrechte und auch zur Sicherung der Qualität der Betreuung und Behandlung erwiesen. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass bei der überwiegenden Mehrzahl der Besuche in den Einrichtungen eine bemerkenswerte fachliche Qualität attestiert werden kann und Fälle rechtswidriger Handlungen eher die seltene Ausnahme sind. Den Besuchskommissionen sind die stationären Einrichtungen durch kontinuierliche Kontakte eingehend bekannt. Dadurch können sie deren fachlichen Entwicklungsstand längerfristig einschätzen.

Es ist durchaus sinnvoll, die Besuchsintervalle für die stationären Einrichtungen auszudehnen. Der dadurch entstandene Freiraum kann genutzt werden, um öfter als bisher ambulante, vor allem aber auch nichtpsychiatrische Einrichtungen zu besuchen, in denen psychisch kranke Menschen betreut werden. Bereits heute nimmt der Anteil Demenzkranker und anderer psychisch Erkrankter in den mehr als 600 Altenpflegeheimen Sachsens stetig zu. Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, kommt der Besuch dieser Heime sowohl den betroffenen Bewohnern als auch der fachlichen Kompetenz des Pflegepersonals und dem Klima in der Einrichtung zugute. Dies ist aber nur bei größerer Flexibilität der Tätigkeit der Besuchskommissionen zu leisten. Auch eine einmalige Unterrichtung des Landtages innerhalb einer Legislaturperiode ist vor dem Hintergrund der Verwaltungsvereinfachung und der Praxis der Berichterstattung gegenüber dem Landtag zweckmäßig.

Der zusammenfassende Bericht der Besuchskommissionen soll grundlegende Merkmale, Entwicklungstendenzen und Problemfälle der psychiatrischen Versorgung aufzeigen. Nachdem der 1990 eingeleitete Um- und Aufbau der Psychiatrie im Wesentlichen vollzogen wurde, ist das psychiatrische Versorgungssystem nicht mehr so dynamisch, sodass eine kürzere Berichtsfrist sinnvoll wäre. Sollten die Besuchskommissionen signifikante Mängel bzw. seltene Fälle von Rechtsverstößen feststellen, reagiert das Sozialministerium ohnehin direkt.

Darüber hinaus hat der Landtag natürlich jederzeit die Möglichkeit, sein Kontrollrecht über Anfragen an die Staatsregierung, über das Einbringen von Anträgen bzw. die Beantragung einer einschlägigen Debatte und Ähnliches auszuüben.

Noch ein paar kurze Anmerkungen zu einigen Kritikpunkten der Opposition. Die Beteiligung der Psychiatriebetroffenen und Angehörigen in der Besuchskommission oder

im Landesbeirat Psychiatrie ist bereits jetzt gängige Praxis. Deshalb ist eine weiter gehende gesetzliche Regelung überflüssig. Der Landesbeirat Psychiatrie ist ein unabhängiges Sachverständigengremium, in dessen Zusammensetzung sich im Gegensatz zu den Behauptungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr wohl das gesamte Spektrum der stationären, ambulanten und komplementären psychiatrischen Versorgung widerspiegelt.

Darüber hinaus sind die Belange von Menschen mit Behinderung aufgrund einer psychischen Erkrankung im Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen gemäß Sächsischem Integrationsgesetz zusätzlich vertreten.

Meine Damen und Herren! Eines der Hauptanliegen der Novellierung des SächsPsychKG ist die Schaffung hinreichend bestimmter gesetzlicher Grundlagen für eine qualifizierte Psychiatrieberichterstattung im Freistaat Sachsen. Die jetzt vorgeschlagene Regelung, neben der Novellierung des PsychKG ein eigenständiges Gesetz zu schaffen, das die Koalitionsfraktionen dankenswerterweise vorlegen werden, ist eine Lösung, die nicht nur aus Datenschutzgründen zu präferieren ist. Dieses Psychiatrieberichterstattungsgesetz wird die Rechtsgrundlage dafür bieten, dass die anvisierten Ziele – Qualitätssicherung und bedarfsgerechte Steuerung der psychiatrischen Versorgung – auf regionaler und Landesebene auf der Grundlage einer soliden Datenbasis umsetzbar sind.

Ich bitte Sie, mit der Verabschiedung zunächst des Zweiten Änderungsgesetzes zum SächsPsychKG dazu beizutragen, dass die Versorgung und die Rechte der psychisch Kranken in Sachsen weiter verbessert und gestärkt werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten. Ich schlage vor, dass wir wieder artikelweise vorgehen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend in der Drucksache 4/9185.

Ich lasse über die Überschrift abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen wurde der Überschrift mit großer Mehrheit zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 1, Nrn. 1 bis 3. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier gleiches Stimmverhalten. Den Nrn. 1 bis 3 wurde mehrheitlich zugestimmt.

Zu Nr. 4 liegt mir der Änderungsantrag der GRÜNEN, Drucksache 4/9294, vor. Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Änderungsanträge haben das Ziel, die Erfahrungen Psychiatrieerfahrener aufzugreifen und ihre Mitwirkung rechtlich zu verankern. Das betrifft zum einen die Besuchskommissionen. Diese Besuchskommissionen gehen in psychiatrische Einrichtungen. Demnächst kommen – Frau Ministerin hat es ausgeführt – die Altenpflegeheime hinzu; denn der Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Heime mit gerontopsychiatrischen Krankheiten hat stark zugenommen.

Die Besuchskommissionen prüfen, inwieweit die Rechte von Patientinnen und Patienten gewahrt werden, und sie stehen genau für diese Transparenz, die wir uns wünschen. Die Mitglieder der Besuchskommission können Ansprechpartner für die Betroffenen, die Angehörigen und die Mitarbeiter sein.

Wir wollen mit diesen Änderungsanträgen die Arbeit der Besuchskommission stärken, indem wir eine jährliche Berichtspflicht an den Landtag fordern. Das ist der erste Punkt des Antrages. Ich denke, das ist notwendig, um in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema zu wecken; denn das Negieren von psychiatrischen Erkrankungen in der Öffentlichkeit trägt ganz wesentlich zur Stigmatisierung dieser Menschen bei. Deshalb werde ich auch morgen Abend den Tätigkeitsbericht der Besuchskommission nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, und das war es.

Zum zweiten Punkt unseres Änderungsantrages, auf den ich hier gleich mit eingehen möchte: Wir fordern, dass Psychiatrieerfahrene und deren Angehörige in der Besuchskommission vertreten sein müssen. In der Änderung steht „oder“. Wir wollen, dass dort „und“ steht; denn die Formulierung „oder“ würde zulassen, dass es Besuchskommissionen in Sachsen geben kann, in denen keine psychiatrieerfahrene Person Mitglied ist. Das wollen wir verhindern.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Abg. Pellmann, Sie wollen sich sicher äußern?

Ja, Frau Präsidentin! – Zu den Änderungsanträgen nur so viel als Bemerkung: Im Wesentlichen stimmen wir ihnen zu. Einem Antrag können wir nicht zustimmen, bei dem werden wir uns enthalten. Ich werde Ihnen auch sagen, warum. Natürlich reicht es nicht aus, wenn wir in der Legislaturperiode nur einen Bericht erhalten. Aber ich denke, jedes Jahr ein Bericht – obwohl ich für Statistik sehr zu haben bin – würde doch zu viel sein. Das ist nicht nötig. Insofern werden wir uns bei diesem Änderungsantrag der Stimme enthalten.