Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

(Starker Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der CDU-dominierte Freistaat Sachsen hat schon viele Skandale erlebt; aber derjenige, der uns heute wieder einmal beschäftigt, sprengt doch alles bisher Bekannte und überhaupt für möglich Gehaltene. Beinahe täglich erfährt eine erschütterte Öffentlichkeit Neues über eklatantes Versagen wichtigster sächsischer Behörden und Ministerien. Nicht nur die Skandalbehörde Verfassungsschutz hat schon im April dieses Jahres im großen Stil Aktenmaterial vernichtet; auch die Justizbehörden unter Minister Mackenroth können eine Reihe wichtiger Dokumente zur Affäre einfach nicht mehr auffinden.

Im Freistaat Sachsen scheint ein regelrechtes Reißwolfmonster umzugehen, das sich auf wundersame Weise Zugang zu den Geheimschränken sächsischer Behörden verschafft und dort einen Aktenordner mit belastendem

Material nach dem anderen verschlingt. Die spannende Frage ist: Wem nutzt der Heißhunger dieses Reißwolfmonsters: Der herrschenden Politmafia und ihren Netzwerken – wem denn sonst?!

Bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz sind nicht nur Kopien, sondern auch Originale verschwunden, sodass sich selbst der notorisch schweigsame Ermittlungsführer Henning Drecoll mit dem Eingeständnis zu Wort meldete, dass sich die vernichteten Dokumente mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr rekonstruieren lassen. Diese Salamitaktik der Staatsregierung, ihr eigenes Versagen bei der Sichtung der aufklärungsnotwendigen Dokumente nur scheibchenweise zuzugeben, verschärft die Glaubwürdigkeitskrise einer politischen Ordnung, die die notwendigen Schritte zur Aufklärung eines umfangreichen Mafianetzwerkes auch nach mehreren Wochen nicht hinbekommt. Regiert hier mehr der Unwille oder die Unfähigkeit zur Aufklärung? Und was wäre schlimmer – das eine oder das andere?

Aber nicht nur die Staatsregierung hat bisher versagt. Auch die anderen angeblich so aufklärungsinteressierten Fraktionen in diesem Hause tragen ihre Mitschuld daran, dass wir heute – fast zwei Monate nach den ersten Meldungen über den Mafiasumpf – bei der Aufklärung derselben fast immer noch am Anfang stehen. Das müsste nicht so sein, denn vor dreieinhalb Wochen hat die NPDFraktion bereits den Untersuchungsausschuss beantragt, der heute nun hoffentlich beschlossen wird. PDS, GRÜNE und FDP stellten in der letzten Plenarwoche aber wieder einmal das altbekannte antifaschistische Abgrenzungsritual über die landespolitische Verantwortung und lehnten den NPD-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kaltschnäuzig ab – wovon die sächsischen Tendenzmedien natürlich nicht berichteten.

Mit ihrer bisherigen Verweigerungshaltung haben PDS, GRÜNE und FDP den schwarzen Schafen in Politik und Justiz, Polizei und Verwaltung weitere dreieinhalb Wochen geschenkt, um belastendes Material im Reißwolf verschwinden zu lassen.

Eine ziemlich schäbige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der dunkelrote Rechtspolitiker Klaus Bartl, der noch vor der letzten Plenarsitzung in der Presse ausdrücklich davor warnte, dass täglich belastendes Material verschwinden könne. Die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis hat aber weder er noch seine Fraktion vor dreieinhalb Wochen gezogen.

Dennoch wollen Sie, Herr Bartl, als ehemaliger Stasizuträger nun ernsthaft Vorsitzender des Untersuchungsausschusses werden, den Sie vor dreieinhalb Wochen noch abgelehnt haben, nur weil der diesbezügliche Antrag von der NPD kam. Herr Bartl, Sie und Ihren Stasikumpan Külow werden wir Nationaldemokraten aber ganz bestimmt nicht in den Ausschuss wählen, mischen nach Medienberichten im kriminellen Netzwerk doch auch ehemalige Stasiseilschaften mit. Meine Fraktion und ich sind gespannt, was wir in den Akten noch über kriminelle Nachwendekarrieren früherer Stasileute erfahren werden.

Mit jedem weiteren Nachrichtentag schlittert Sachsen tiefer in eine veritable Staatskrise, die die Systemskepsis und Politikerverachtung im Lande zweifellos befeuert. Denn nichts Geringeres steht im Raum als der Verdacht, dass Politiker, Richter, Staatsanwälte und Polizisten jahrelang Recht gebeugt, Ermittlungen behindert und mafiose Netzwerke aufgebaut haben. Von Erpressung, Immobilienschiebereien, ungeklärten Mordfällen, Kinderprostitution und vielem mehr ist die Rede. Sizilien lässt grüßen, und das mitten in Sachsen.

Ministerpräsident Milbradt, der durch seine zahlreichen Auslandsreisen nicht so recht den Kopf für innenpolitische „Kleinigkeiten“, wie eine Korruptions- und Mafiaaffäre freizuhaben scheint, gibt als Krisenmanager ein jämmerliches Bild ab. Die ministerielle Personaldecke der sächsischen CDU muss schon sehr dünn sein, wenn der sächsische Ministerpräsident trotz ihrer Pannenserie an seinen beiden Schießbudenfiguren Buttolo und Mackenroth unvermindert festhält.

Lassen Sie mich versichern, – –

Ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf, Herr Gansel.

– Ich bleibe bei den „Schießbudenfiguren“.

Dann erteile ich Ihnen noch einen Ordnungsruf und weise Sie darauf hin, dass Sie den Saal verlassen müssen, wenn Sie das noch einmal wiederholen.

Lassen Sie mich – –

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Demonstrativer Beifall des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Jetzt ist Schluss, Herr Gansel!

Ich habe das – –

Sie haben meine Entscheidung mit Beifall quittiert. Das betrachte ich als Missachtung des Präsidenten. Bitte verlassen Sie jetzt den Raum!

Das ist eine Frechheit!

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Widerspruch des Abg. Holger Apfel, NPD)

Ich habe Ihnen das Wort entzogen. Bitte verlassen Sie den Raum! – Mir wurde gesagt, im Raum können Sie bleiben, aber das Wort wird Ihnen entzogen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine Pseudodemokratie hier!)

Ja, Sie haben sich hier im Saal ordentlich zu benehmen und keine Beleidigungen auszusprechen. Auf den Hinweis des Präsidenten, das zu unterlassen, haben Sie das noch einmal verstärkt. Das ist eine Kultur, die wir nicht haben wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Beratung fort. Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hähle, Herr Weiss, ich weiß nicht genau, ob es die Rede zum Untersuchungsausschuss-Einsetzungsauftrag war oder zur Verhinderung der Kandidaturen aus der Linksfraktion; insofern ist das etwas ambivalent von der Richtung her gewesen.

Wollen wir doch einmal Folgendes sagen. Zuallererst und bevor wir über irgendetwas reden, was Bedenken rüber und nüber zu der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit angeht, hilft ein Blick in die Verfassung. Dort haben wir einen Artikel 54 Untersuchungsausschüsse, der sagt: „Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.“ Jetzt kommt der nächste Satz: „Der Gegenstand der Untersuchung ist im Beschluss festzulegen. Der in einem Minderheitenantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand darf gegen den Willen der Antragsteller nicht verändert werden.“

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist in Sachsen Verfassungslage. Noch einmal für jeden zum Mitschreiben. Die Fraktionsspitze der CDU ist nicht hier, die Fraktionsspitze der SPD ebenso wenig. Das brauchen sie nicht zu hören, sie müssen auch keinen Blick in die Verfassung riskieren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Herr Hähle kommt!)

Artikel 54 Abs. 1 Satz 3: „Der in einem Minderheitsantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand darf gegen den Willen der Antragsteller nicht verändert werden.“

(Widerspruch bei der SPD)

Was Sie hier erzählt haben – – Meine Damen und Herren, da meine ich Herrn Prof. Weiss, der, ob Chemiker oder nicht Chemiker, dennoch nur ein Mitglied des Parlaments ist, so wie alle anderen auch, und nicht der liebe Gott, der alles genau kennt und weiß und der alle Berufe zensieren darf, auch wenn er Weiss heißt. Fakt ist, dass zunächst dieser Satz die Verfassung ziert. Fakt ist, dass dieser Satz das Untersuchungsausschussrecht und Minderheiten im Parlament davor schützen soll, dass Mehrheiten einen Einsetzungsauftrag in dem Sinne interpretieren oder extensiv auslegen, wie Sie es tun, um zu verhindern, dass der Ausschuss mit der Breite eingesetzt wird. Es ist

letzten Endes ganz eindeutig der Wille des Verfassungsgebers gewesen, dass dieser Schutz gilt.

Nun sage ich definitiv: Erklären Sie den Zuhörern im Saal und den Zuhörern außerhalb des Saales, wie der Werdegang des Antrages war.

Dieser Dringliche Antrag ist am vergangenen Donnerstag durch die Parlamentarischen Geschäftsführer der drei Fraktionen, die ihn einbringen, in das Präsidium gegeben worden.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ist nicht wahr!)

Er ist dort vorgestellt worden und es wurde der Beleg erbracht, dass das erforderliche Quorum der 31 Unterschriften vorliegt, also mithin ein Viertel der Mitglieder, damit er überhaupt die notwendige Behandlungsdichte hat.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ist wahr!)

Daraufhin ist die Präsidiumssitzung unterbrochen worden, 50 Minuten unterbrochen worden.

(Widerspruch bei der CDU)

Der Juristische Dienst geht raus und kommt nach 45 Minuten zurück.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ist nicht wahr!)

Dann waren es 37, Herr Hähle, das ist mir so was von schnuppe. Jedenfalls kommt der Juristische Dienst zurück und hat keine Beanstandung hinsichtlich der Rechtsförmigkeit dieses Antrages. Dann bekommt er eine Drucksachennummer. Wenn der Antrag nicht rechtsförmig ist, dann hätte er keine Drucksachennummer bekommen dürfen.

(Widerspruch bei der CDU und der SPD)

Herr Dulig, nächster Punkt. In diesem Landtag gab es mehrere Untersuchungsausschüsse in allen Legislaturen. Es ist immer und zu jeder Zeit Usus gewesen, dass dann, wenn Fraktionen, die den Untersuchungsausschussantrag nicht formuliert haben, Vorbehalte hatten bzw. wenn der Juristische Dienst Vorbehalte hatte, auf dem Weg bis zur Behandlung im Plenum kommuniziert wurde. Es wurde einfach gesagt, bei dem und dem Punkt und der und der Formulierung hätten wir Bedenken. Können wir das nicht noch im Vorfeld klären? Wir haben seit Freitag ununterbrochen gegenüber der Koalition gebeten und gebettelt, uns zu sagen, in welchem Punkt man verfassungsrechtliche Bedenken hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Keine Antwort!)

Kein Ton! Wir haben per Presseerklärung, per Telefonat und sonst was darum gebeten, uns doch zu sagen, was die Bedenken sind. Wir haben die juristischen Mitarbeiter auf dem kurzen Weg zu den juristischen Mitarbeitern der Koalition geschickt. Die haben gefragt, wo es Bedenken gibt. Darüber kann man doch reden und wir machen ein Austauschblatt. Kein Ton! Heute treten Sie hierher und