Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Prof. Weiss, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte gleich am Anfang feststellen, und zwar aus gutem Grund, entgegen allen Verlautbarungen und Verdächti

gungen der Opposition und insbesondere der PDS: Herr Dr. Hahn, Sie haben davon gesprochen, dass wir verwässern und verhindern wollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das sieht so aus!)

Entgegen also diesen Verdächtigungen stelle ich fest: Die SPD-Fraktion ist eindeutig für eine zügige und vollständige Aufklärung all der ominösen Vorgänge, die seit Wochen das Land beunruhigen und beschäftigen. Wir halten es in dieser Situation durchaus für angemessen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema Untersuchungsausschuss und Aufklärung könnte jedoch, wenn es nach dem Willen der PDS ginge, sehr schnell an den alten Slogan erinnern: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das hat Herr Hähle so gesagt!)

Der heute zu behandelnde Sachverhalt wird nämlich unter der Überschrift behandelt: Wer – aus welchen rechtlichen oder sachlichen Gründen auch immer – Bedenken gegen diesen Einsetzungsantrag in der vorliegenden Fassung hat, ist gegen Aufklärung. Ich weise das auf das Entschiedenste zurück, Herr Dr. Hahn.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

So einfach ist die Welt nämlich nicht, insbesondere nicht die parlamentarische. Wer wirklich das wirksamste und umfassendste Recht der parlamentarischen Kontrolle anwenden will, und zwar möglicherweise mit Erfolg, der muss schon einige Regeln beachten.

So ist erstens für eine verfassungsmäßige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein hinreichend klar bestimmter Einsetzungsbeschluss zwingend erforderlich, und dieser muss so präzise definiert sein, dass für den Inhalt der Untersuchung keinerlei Ermessensspielraum besteht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das liegt alles vor!)

Und zweitens – das ist eine Konsequenz aus dem Prinzip der Gewaltenteilung – kann ein Untersuchungsausschuss – Herr Kollege Hähle wies eben darauf hin – nur bereits abgeschlossene Sachverhalte untersuchen. Ein sogenannter ständiger Untersuchungsausschuss ist daher verfassungsrechtlich unzulässig.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie zum Teil in dieser komplexen juristischen Materie regelrecht zu Hause sind, weil Sie Jura studiert haben, Sie wissen doch ganz genau, dass dies keine Erfindung von mir oder unseren juristischen Mitarbeitern ist, sondern dass dies höchstrichterlich so

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Daran haben wir uns gehalten!)

im Bayerischen Verfassungsgerichtshof und später im Jahr 2004 sogar durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde.

Warum betone ich das? Eben weil der Untersuchungsausschuss das schärfste Schwert, ich sage lieber, als Pazifist, das schärfste oder wirksamste Instrument der Opposition ist. Ich würde sogar weiter gehen und sagen, ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur das schärfste Schwert der Opposition, sondern das wirksamste Mittel des Parlamentes zur Kontrolle der Exekutive überhaupt. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Martens.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ein solcher Untersuchungsausschuss ist – das sollten Sie eigentlich wissen – unter entsprechender Anwendung der Strafprozessordnung zum Zweck der Untersuchung mit umfangreichen Zwangsmitteln ausgestattet. Neben der Beschlagnahme von Unterlagen und der Möglichkeit, Zeugen unter Eid zu vernehmen, sind sogar strafrechtliche Sanktionen denkbar, und zwar gegenüber denjenigen, die meinen, es vor einem Untersuchungsausschuss mit der Wahrheit nicht so genau nehmen zu müssen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wer verhindert das denn immer?!)

Wenn aber einem solchen Ausschuss ein verfassungs- oder rechtswidriger Einsetzungsbeschluss zugrunde liegt, so ist nicht nur die Einsetzung unwirksam, sondern auch alle darauf fußenden Entscheidungen des Ausschusses.

(Zurufe von der CDU: So ist es! – Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Und, Herr Hahn, das habe ich mir auch nicht selbst ausgedacht – das hat der hessische Staatsgerichtshof bereits entschieden.

Das heißt, jeder Beweisbeschluss bliebe ohne Konsequenzen, wenn es nach Ihrem Dickschädel ginge. Jeder halbwegs intelligente Rechtsanwalt würde nämlich in einem solchen Fall einem geladenen Zeugen raten, entweder gar nicht zu erscheinen oder aber nicht auszusagen. Das muss doch zumindest jedem hier im Hause, der eine Anwaltszulassung besitzt, einleuchten.

Meine Frage an die einreichenden Fraktionen PDS – DIE LINKE –, FDP und die GRÜNEN lautet daher: Wollen Sie wirklich einen solchen Flop? Wollen Sie wirklich, dass ein Zeuge wahlweise die Aussage mit den Hinweisen verweigert, dass – erstens – bereits im Titel und allen danach genannten Untersuchungsgegenständen der Einsetzungsbeschluss die unzulässige Wertung vorwegnimmt, dass es kriminelle Netzwerke gibt, obwohl dies gerade durch die Staatsanwaltschaft geprüft wird? Oder er sagt – zweitens –, die Gegenstände der Untersuchungspunkte 1, 7 und 8 beträfen nicht abgeschlossene Vorgänge und stellten damit eine unzulässige verfahrensbegleitende

oder vorbeugende Kontrolle dar. Wahlweise könnte er auch – drittens – vorbringen, Gegenstand Nummer 3 betreffe auch die durch Artikel 97 Grundgesetz geschützte richterliche Unabhängigkeit und ziele darauf ab, die Spruchpraxis von Kollegialgerichten zu untersuchen bzw. zu überprüfen. Schließlich kann er auch – viertens – den gesamten Untersuchungsauftrag nicht hinnehmen, weil er nicht hinreichend bestimmt ist, da er sich bezüglich der Konkretisierung der behaupteten kriminellen Netzwerke lediglich pauschal auf die öffentliche Berichterstattung und sonstige zugängliche Erkenntnisquellen stütze.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Auf was denn sonst? – Weitere Zurufe von der Linksfraktion)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sind die Juristen und Sie haben zu formulieren, aber ordentlich!

(Starker Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Zurufe von der Linksfraktion)

Wenn ich als Chemiker so gearbeitet hätte, dann würde ich längst an der Decke kleben, Herr Bartl.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wofür Sie sich hergeben, das ist unglaublich!)

Sie verstehen vieles nicht, unglaublich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher: Diesen Flop kann keiner von uns wollen – jedenfalls keiner, der wirklich aufklären und wissen will; der zum Beispiel wissen will, ob es in Sachsen wirklich kriminelle Netzwerke gab oder gibt und wer dafür verantwortlich ist oder war; wer wissen will, ob es strukturelle Fehler bei der Arbeit des sächsischen Verfassungsschutzes gibt oder gab; vielleicht auch, wer wissen will, ob und warum bei der Diskussion der viel zitierten Leipziger Verhältnisse bestimmte Immobiliensachverhalte ganz außen vor gelassen werden; oder wer wirklich wissen will, ob es Fehler der Staatsregierung oder Mängel beim Umgang mit den Daten des Verfassungsschutzes gab oder gibt.

Meine Damen und Herren! Wer meiner Fraktion vorwerfen will, wir wollten verzögern und vertuschen, liegt nicht nur falsch – er handelt wider besseres Wissen, also unredlich. – Da beziehe ich mich ganz besonders auf Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Nicht umsonst hat meine Fraktion beim Wahlvorschlag für unsere Ausschussmitglieder schon die notwendigen und fachlich kompetenten Personalentscheidungen bei der Auswahl getroffen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Der Oberjurist!)

Damit diese arbeiten können, ist es notwendig, dass bis spätestens Freitag ein Antrag vorliegt, dem die Verfas

sungswidrigkeit nicht bereits auf die Stirn geschrieben steht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Fraktion appelliert an die drei Antragsteller, dass sie den in ihren Fraktionen ja wohl vorhandenen juristischen Sachverstand auch in Anspruch nehmen, sodass ein Ausschuss ab Freitag arbeiten kann. Das hat mit unserer Beteiligung in vergangenen Legislaturperioden schließlich auch funktioniert.

Wer aber – vielleicht sogar absichtlich; also masochistisch – mit dem Kopf durch die Wände der Verfassung will, dem wiederhole ich gern – frei nach meinem Kollegen Martin Dulig –: Wer das schärfste Schwert der Opposition so unprofessionell schleift, darf sich nicht wundern, wenn er sich damit ins eigene Fleisch schneidet.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Abschließend – ich mache es rondoartig, damit Sie es auch begreifen – möchte ich noch einmal wiederholen: Wir werden einem verfassungskonform eingesetzten Untersuchungsausschuss

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber die Entscheidung treffen Sie nicht!)

keinerlei Hürden in den Weg legen. Wir wollen Aufklärung – sowohl im Interesse der demokratischen Gesellschaft als auch im Interesse derer, die im Moment auf der Grundlage von Gerüchten durch die Presse gejagt werden. Aber auch für diese Menschen gilt – wie für jeden Menschen – die Unschuldsvermutung, geschützt durch die Haager Konvention.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)