Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

Kein Ton! Wir haben per Presseerklärung, per Telefonat und sonst was darum gebeten, uns doch zu sagen, was die Bedenken sind. Wir haben die juristischen Mitarbeiter auf dem kurzen Weg zu den juristischen Mitarbeitern der Koalition geschickt. Die haben gefragt, wo es Bedenken gibt. Darüber kann man doch reden und wir machen ein Austauschblatt. Kein Ton! Heute treten Sie hierher und

erklären, dass es von hinten bis vorn auf die Stirn geschrieben ein verfassungswidriger Einsetzungsauftrag ist.

Dann geht es los mit abgeschlossenen Vorgängen, gegliedert in I bis V, Ziffern 1 bis 32. Nun sagen Sie mir bei V bis VII – was weiß ich für ein Kram –, wo liegt es? Wo ist der Punkt, wo ein abgeschlossener Vorgang im Konkreten erfragt werden soll, wie wir auch nicht mit dem Beweisthema verhindern können, dass etwas Rechtswidriges geschieht.

Die nächste Frage ist das Bestimmtheitsgebot. Ich habe mir viele Untersuchungsausschussanträge, die wir hatten, angesehen. Der nimmt es mit jedem vorherigen in der Bestimmtheit auf.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Aber mit Sicherheit.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Leider!)

Er ist wahrlich bestimmt. – Das „leider“ nehme ich als Bestätigung, Herr Ministerpräsident. Noch bestimmter kann man es nicht formulieren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die nächste Frage ist, dass keine Wertung vorweggenommen werden soll. Ich bitte Sie sehr: Im Untersuchungsausschussrecht muss ich doch sagen, meine Behauptung ist, und das soll mit den und den Mitteln bewiesen werden. Jeder Jurist geht in ein Verfahren mit einer Behauptung hinein, die er dann mit seinen Beweismitteln untersetzt. Unsere Behauptung lautet: Wir wollen einen Untersuchungsausschuss, der die Verantwortung der Staatsregierung für schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung krimineller und korruptiver Netzwerke unter Beteiligung von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Richtern, Staatsanwälten und sonstigen Bediensteten der sächsischen Justiz, Polizei, von Landes- und kommunalen Behörden sowie für das Versagen rechtsstaatlicher Informations-, Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen untersucht. Das ist die Behauptung. Der Untersuchungsausschuss muss den Beweis erbringen, ob die Behauptung berechtigt ist, so wie in jedem anderen Untersuchungsausschuss auch, wo zum Beispiel behauptet wurde, dass das Paunsdorf-Center entgegen den Rechtlichkeiten errichtet wurde, was ja stimmt. Das ist ja völlig klar.

Sie können doch den Einbringern nicht vorschreiben, wie sie das Thema des Einsetzungsauftrages wählen. Nun fangen Sie an, Wortauslegungen zu fordern. Das Wort „korruptiv“, Herr Hähle, verwendet zum Beispiel Ihr eigener Parteifreund Dr. Fritz Behrens in der 2. Lesung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes in der Plenarsitzung des Nordrhein-Westfälischen Landtags am 15.12.2004.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war Fritz Behrens in diesem Fall. Das ist ein anderer Fritz. Wenn Sie bei Google nachlesen, steht bei „korruptiv“: „In Folge kommt es zur Ausbildung eines Interes

senkartells über die Ebenen A und B mit den bereits vorgestellten kooperierenden Zielsetzungen des korruptilen Individual- oder Kollektivprofils, das das entsprechende Zielindividuum einer korruptiv-kriminellen Umklammerung mit simultanem finanziellem Erdrosselungseffekt zuführt.“ Das hätten wir auch schreiben können.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir sagen lieber „korruptiv“. Ich hätte es ja auch mit dem langen Satz beschreiben können. Wir haben uns geeinigt, wir machen es mit dem knapperen zusammenfassenden Wort korruptiv. Ein Blick in Google oder andere Datenträger reicht. Da weiß man, was korruptiv ist. Genau um diesen simultanen finanziellen Erdrosselungseffekt geht es. Das sind genau diese Netzwerke, die wir aufdecken wollen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Herr Hähle, erlauben Sie mir einen ganz knappen Nebensatz zur Kür mit den Leipziger Ermittlern und den Namen, die Sie hier genannt haben. Wenn denn so wäre, dass das, was das Landesamt in diesen 15 600 Seiten aufgeschrieben hat, von dem einen kommt, so wie Sie es im Zirkelschluss wollten, dann müsste aber der gute Meister tatsächlich irgendwo die Konstellation von 53 x Klonen haben, denn er weiß, was im Vogtland, was in Westsachsen, in Chemnitz und dergleichen mehr ist. Sie können in jeder Zeitung lesen, was den Gesamtbestand dessen ausmacht, was man in Leipzig wissen und ermitteln konnte, es sind 5 %. Wie erklären Sie die anderen 95 %?

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das wollen Sie gar nicht wissen!)

Das wollen wir erfahren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Hähle, wissen Sie, was seit gestern läuft? Seit gestern läuft die Wiederholung des Schommer-Prinzips: Jagt diejenigen, die aufklären wollen! Macht den Staatsanwalt dingfest, der vor die Tür geht! Jawohl, das haben Sie sich in China, Herr Ministerpräsident, überlegt. Dann wurde Fraktur geredet und jetzt schicken wir einmal neue alte Besen, die kehren alles wieder um und halten dann überhaupt nichts mehr mit irgendeinem Grundrecht auf Datenschutz, auf Vertraulichkeitsschutz für Mitarbeiter oder Ähnlichem. Wir opfern jetzt einmal unsere eigenen Leute im Landesamt und machen es umgekehrt. Wir machen sie alle zu Tätern. Die waren es, die haben versagt. Die haben unter Verletzung des Trennungsgebots zusammengearbeitet.

Nein, das waren Sie, meine Damen und Herren, die hier mit Mehrheit seinerzeit in das Verfassungsschutzgesetz § 1 Satz 2 geschrieben haben: Sie sind auch zuständig für den Schutz vor Organisierter Kriminalität. In dem Moment, als das im Gesetz stand, war doch völlig klar, dass sich Verfassungsschützer Akten von der Polizei holen, mit Polizisten, Richtern und Staatsanwälten reden, denn die

Akten, die sie beigezogen haben, werden sie doch nicht geklaut haben.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Insofern definitiv: Wir lassen uns – da geht es nicht nur um diesen Antrag, hier geht es um das Prinzip: Gilt in Sachsen die verfassungsrechtlich bedeutende Waffe des Untersuchungsausschusses als Recht für die Minderheit generell oder nur, wenn es die CDU und die SPD wollen? – nicht Ihre Lesart für Einsetzungsaufträge aufdrängen. Wir lassen uns nicht mit irgendwelchen pauschalen Hinweisen erpressen: Dem steht die Verfassungswidrigkeit auf der Stirn geschrieben. Sie haben uns kein Papier vorgelegt, in dem klipp und klar steht, was Sie geändert haben wollen oder Ähnliches mehr. Wir werden an diesem Antrag festhalten und bitten, darüber abzustimmen. Dann werden wir sehen, ob wir uns vor dem Verfassungsgericht auseinandersetzen müssen. Das müssen wir hinnehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das Wort hat der Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir hier gerade von Herrn Bartl erlebt haben, ist ja wirklich surreal.

Herr Bartl, wie Sie hier rechtliche Dinge ohne Kenntnis der einschlägigen Literatur vortragen, ist schon bemerkenswert. Offensichtlich gibt es bei Ihnen nur das, was Sie selbst als Recht wollen. Das war früher so. Das gilt aber heute nicht mehr.

Natürlich hat die Opposition das Recht, Untersuchungsausschüsse einzurichten,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Zu unserem Thema!)

selbstverständlich, aber verfassungsrechtlich einwandfrei.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Sie werden Ihre Quittung in Leipzig bekommen. Es ist doch im Grunde genommen grotesk, mit einem verfassungswidrigen Antrag auf einen dadurch verfassungswidrigen Untersuchungsausschuss den Freistaat retten zu wollen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Woher wissen Sie das?)

dessen Institutionen Sie seit Wochen ständig mit Schmutz bewerfen. Das ist doch die Situation!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, auch für den Rest nicht.

Was Sie tun, ist, dass Sie mit Behauptungen ständig den Freistaat madig machen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie behaupten doch gerade!)

Man braucht doch nur Ihre Presseerklärung anzusehen, Herr Bartl und Herr Porsch, dann weiß man genau, wie der Hase hier läuft.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Es werden Behauptungen aufgestellt, es werden Halbwahrheiten dargestellt, es werden Lügen und Verdrehungen zu einem Gebräu zusammengemischt und es wird gesagt, das ist die sächsische Korruptionsaffäre. Das ist Ihre Methode.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Antrag auf einen Untersuchungsausschuss mit einem Thema, das offensichtlich eine Vorverurteilung der Regierung enthält, ist unzulässig. Um es Ihnen, Herr Bartl, noch einmal zu sagen: Sie sind in dem Untersuchungsausschuss, selbst wenn Sie der Vorsitzende werden, nicht der Staatsanwalt,

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Richtig!)

sondern Gericht. Deswegen ist klar, dass die Fragestellung, die Sie hier als rechtmäßig dargestellt haben, unzulässig ist.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Aber das ist die Anklage!)

Nein, das ist nicht die Anklage. Das Ergebnis hat das Gericht zu formulieren.