Frau Präsidentin! Angesichts der noch sehr umfänglichen Tagesordnung bitte ich namens der Koalition darum, den Tagesordnungspunkt 4 „Sachsen-Franken-Magistrale“ für heute von der Tagesordnung
Missbilligung des Agierens des Staatsministers des Innern und des Staatsministers der Justiz bei der Aufklärung krimineller und korruptiver Netzwerke in Sachsen
weil auf einmal eine solch erregte Diskussion stattfindet? – Die Fraktionen können hierzu wie folgt Stellung neh
men: Linksfraktion, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Frau Abg. Lay, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muss die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses, der die politischen Hintergründe der Affäre aufzudecken hat, nicht abwarten, um das offensichtlich zutage getretene schlechte Krisenmanagement der Staatsregierung zu missbilligen.
Seit Beginn der Akten- und Korruptionsaffäre gibt die Staatsregierung ein geradezu klägliches Bild beim Krisenmanagement ab – allen voran Herr Buttolo.
Er trägt die Hauptverantwortung, angefangen bei der Weiterbeobachtung der Organisierten Kriminalität nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes, über das monatelange Herumeiern bei der Weitergabe der Akten oder das Vorführen der PKK. In aller Regel erfahren wir aus der Presse mehr als aus den streng geheim gehaltenen Sitzungen: die chaotischen Zustände beim Verfassungsschutz, die Aktenvernichtung, von der wir nach und nach erfahren, die in den allermeisten Fällen nicht erfolgte Abgabe an die Staatsanwaltschaft und schließlich die Panikmache von Herrn Buttolo, der den Eindruck selbst erweckt hat, die Mafia stünde in Sachsen kurz vor der Machtübernahme. Nur so viel zur Frage, meine Damen und Herren von der Koalition, wer hier übertreibt.
Da hilft es auch nichts, wenn Kollege Mackenroth in Unkenntnis der Aktenlage das krasse Gegenteil verkündet und der sächsischen Justiz mit der Aussage „Sachsen ist kein Sumpf“ einen Persilschein ausstellt. Meine Damen und Herren! Minister Buttolo hat bei der Aufklärung der Affäre keinen Fettnapf ausgelassen. Die Staatsregierung ist es und nicht die Opposition, die Sachsen in der Öffentlichkeit blamiert.
Lassen Sie mich bei dieser Serie von Pleiten, Pech und Pannen auf einige Punkte im Besonderen eingehen. Ich fange an beim Thema Aktenübergabe. Sie, Herr Buttolo, brüsten sich damit, dass Sie es waren, der die Akten des Verfassungsschutzes vor der Vernichtung geschützt hat. Auch der Ministerpräsident verteidigte in seiner gestrigen Rede den Innenminister genau mit diesem Argument. Meine Damen und Herren! Das ist doch lächerlich! Nicht der Minister hat es zu verantworten,
nicht ihm ist zu verdanken, dass er die Akten übermittelt hat, sondern er musste sich von der PKK und vor den Medien dazu tragen lassen. Das ist die Wahrheit!
Ich weiß auch nicht, aufgrund welcher Heldenerzählung Herr Milbradt zu der Einschätzung kommt, dass es Herr Buttolo war, der sich offensiv in die Bresche geschmissen hat und offensiv agierte. Wir wissen doch, dass das nicht stimmt. Erst soll es ein Gentlemen’s Agreement mit dem Datenschützer gegeben haben, die Akten an das Staatsarchiv zu geben. Dann soll es eine Intervention durch das SMI gegeben haben, Anweisungen an das Landesamt, keine Übergabe der Akten zu veranlassen. Doch wenige Wochen vor Bekanntwerden der Vorwürfe in den Medien haben wir als PKK ein ganz offizielles und nicht geheimes Dokument bekommen, in dem auch
Ich muss Ihnen sagen, ich als PKK-Mitglied habe auch das Selbstbewusstsein zu behaupten, dass diese Akten ohne uns längst im Staatsarchiv lägen und dort für Jahrzehnte unter Verschluss liegen würden. So ist es. Zur Heldengeschichte von Herrn Buttolo taugt diese Erzählung ja wohl kaum.
Jetzt sind die Akten vor dem Staatsarchiv bewahrt – da müssen wir erstens erfahren, dass im laufenden Prüfverfahren durch den Datenschützer und die PKK Akten weiter vernichtet wurden. Im „Spiegel“ vom letzten Wochenende kann man mit Erstaunen lesen, dass es eben nicht nur Kopien von Kopien von Gerichtsakten waren, sondern dass auch reguläre Akten des Verfassungsschutzes betroffen sind, nämlich zur russischen OK. Schließlich sind nicht alle Akten, die übergeben wurden, auch bei der Staatsanwaltschaft angekommen. Es sollte uns doch zu denken geben, wenn sich Herr Avenarius beschwert, dass er bislang kaum verwertbares Material – nur geschwärztes Material – bekommen hat. Ich kann das gut verstehen. Worauf sollen denn die Ermittlungen aufbauen, wenn ein Großteil der Akten geschwärzt ist? Auch dafür, Herr Buttolo, tragen Sie die Verantwortung!
Stichwort Quellenschutz. Auf der einen Seite wird mit dem Verweis auf den Quellenschutz ein Großteil der Akten geschwärzt. Mit dem Hinweis auf Quellenschutz ist eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft in der übergroßen Mehrheit der Fälle verhindert worden. Aber an anderer Stelle spielt der Quellenschutz offenbar keine Rolle. Da hat Herr Boos – kaum neuer Chef des Verfassungsschutzes – nichts Eiligeres zu tun, als eine der Quellen in der Kabinettspressekonferenz zu enttarnen. Herr Hähle nennt am nächsten Tag in der Plenardebatte einen Klarnamen. Deswegen kann ich nur zu dem Ergebnis kommen: Sie machen Jagd auf die Aufklärer und nicht auf die Verbrecher!
Das, meine Damen und Herren, ist ein skandalöser Vorgang. Ich erwarte auch, dass sich die PKK nach ihrer heutigen Sitzung zu diesen Vorgängen erklärt und dieses Vorgehen aufs Schärfste verurteilt.
Sie benutzen doch das Argument des Quellenschutzes genau so, wie es Ihnen gerade passt. Wenn man die Ermittlungen behindern will, wird der Quellenschutz großgeschrieben, wenn man aber den Eindruck erwecken will, die ganze Sache sei nur Schall und Rauch, dann werden die Quellen öffentlich denunziert. Das ist unseriös, meine Damen und Herren.
Selbst wenn eine der Quellen Polizist war, ist doch damit noch lange nicht gesagt, dass die Aussagen nicht stimmen. Das muss ja selbst Herr Boos auf Nachfrage zugeben. Dann wird suggeriert, dass alle Aussagen in einem der Fallkomplexe und alle Aussagen zu Leipzig genau auf
dieser Quelle basieren würden. Dieser Eindruck ist hier erweckt worden. Aber ich sehe ihn durch nichts belegt. Nichts untermauert die Aussage, die Affäre würde durch diese Quelle zusammenfallen „wie ein Kartenhaus“, wie in der Presse zu lesen war. Das ist reines Wunschdenken der Koalition.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass Sie aus Interna der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht zitieren dürfen?
Das habe ich nicht getan. Ich habe mich auf Pressemeldungen berufen, auf die Aussagen Ihres Fraktionschefs, Herrn Hähle, gestern in der öffentlichen Plenardebatte. Wenn Herr Hähle meint, er müsste hier angebliche, von ihm vermutete Klarnamen nennen, ist das sein Problem, ist es vielleicht ein Vergehen von ihm, aber nicht von mir.
Ich weiß zwar nicht, worauf Sie genau abzielen. Aber Herr Boos ist auch in der Zeitung damit zitiert, bei der Pressekonferenz des Kabinetts, dass er keine Aussagen über den Wahrheitsgehalt, die Glaubwürdigkeit und den Inhalt der Akten treffen kann. Das ist in der Presse zitiert. Ich muss einmal sagen, dass ich als PKK-Mitglied – entschuldigen Sie den Ausdruck – mir auch etwas verarscht vorkomme, wenn ich auf der einen Seite eine E-Mail bekomme: Frau Lay, fahren Sie doch an den Stadtrand zum Landesamt für Verfassungsschutz und sehen Sie hier im Geheimschutzsaal in den streng geheimen Prüfbericht des Landesamtes ein, und Herr Boos zur gleichen Zeit auf der Pressekonferenz des Kabinetts aus eben jenem als vertraulich eingestuften Bericht öffentlich zitiert.
Ich muss feststellen, dass Sie, Herr Buttolo, diesen öffentlichen Verrat von Quellen und damit von Dienstgeheimnissen ja auch ganz offensichtlich geduldet haben. Wenn wir Ihren Rücktritt nicht schon mehrfach gefordert hätten, dann wäre es spätestens heute so weit.