Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Auf staatlicher Ebene existieren derzeit mit Ausnahme des Modellprojektes in Chemnitz auch keine weiteren Bauvorhaben, welche sich als ÖPP-Projekte eignen würden. Hier muss berücksichtigt werden, dass der SIB schon heute selbst den Lebenszyklusansatz berücksichtigt. Bau und Betrieb eines Gebäudes sind schon heute in großen Teilen im SIB vereint. Reinigungs- und Facilitymanagementleistungen sind bereits zu einem wesentlichen Teil auf Private übertragen.

Das Pilotprojekt ist auch noch lange nicht abgeschlossen; es wurde gerade mit dem Bau begonnen.

Deshalb kann noch nicht hinreichend beurteilt werden, ob sich diese Verfahrensweise am Schluss auch tatsächlich als wirtschaftlich herausstellt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehen wir allerdings von einem wirtschaftlichen Erfolg dieses Projektes aus.

Als Mittel zur Förderung des sächsischen Mittelstandes und des sächsischen Handwerks sind ÖPP-Projekte nicht geeignet. Sie haben ein Volumen, welches die wirtschaft

liche Leistungsfähigkeit mittelständischer Bauunternehmen oft überfordert.

ÖPP-Projekte sind keineswegs das Allheilmittel. Eine solide Haushaltspolitik, welche es hinreichend ermöglicht, Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen, ist mit Sicherheit der bessere Weg. Das hat der Freistaat Sachsen in den vergangenen Jahren bewiesen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Erhaltung und Förderung der niederschlesischen Identität im Rahmen der geplanten Kreisgebietsreform

Drucksache 4/8808, Antrag der Fraktion der NPD

Die einreichende Fraktion der NPD beginnt; danach die gewohnte Reihenfolge, und es haben zwei fraktionsunabhängige Abgeordnete ihren Redebedarf angemeldet. Herr Dr. Müller für die einreichende Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Streit um die sächsische Verwaltungsreform hat mittlerweile sogar das bayerische Regierungsviertel in München erreicht. In einem schon im Februar dieses Jahres verfassten Schreiben an seinen Dresdner Amtskollegen Albrecht Buttolo forderte Bayerns Innenminister Günter Beckstein mehr Sensibilität für die Belange der von der Reform Betroffenen. Beckstein sorgt sich dabei vor allem um den heutigen Niederschlesischen Oberlausitzkreis. Weil es den bald nicht mehr geben soll, könnte sein Name ersatzlos gestrichen werden. Deshalb schrieb Beckstein in seinem Brief an Buttolo: „Ich darf Sie bitten, die jahrhundertealte schlesische Kultur und die damit verbundenen Emotionen der schlesischstämmigen Bevölkerung bei der weiteren Entscheidung zu berücksichtigen.“

Aus naheliegenden Gründen ist Herr Beckstein für uns Nationaldemokraten nicht gerade eine Sympathiefigur, aber in der Frage der geplanten Eliminierung des Niederschlesischen Oberlausitzkreises im Zuge der kommenden Kreisgebietsreform hat er zweifellos recht; denn schon die Lektüre unserer Landesverfassung zeigt, dass der niederschlesische Landesteil unseres Freistaates mehr als nur eine reine Verwaltungseinheit ist. Schon in der Präambel der sächsischen Landesverfassung heißt es, dass „anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes das Volk im Freistaat Sachsen dank der friedlichen Revolution des Oktober 1989 sich diese Verfassung gegeben hat“. Auch in Artikel 2 Abs. 4 wird diese Sonderstellung nochmals hervorgehoben. Hier heißt es, dass „im schlesischen Teil des Landes die Farben und das Wappen Niederschlesiens“ neben den Landesfarben gleichberechtigt geführt werden können.

Die besondere Stellung Niederschlesiens hat gute Gründe, denn dieser Landesteil unseres Freistaates hat seine ganz eigene, unverwechselbare historische, kulturelle und konfessionelle Identität. Dieser im Osten unseres Freistaates an der Neiße gelegene Landstrich gelangte infolge der 1815 auf dem Wiener Kongress beschlossenen Teilung der historischen Oberlausitz an die preußische Provinz Schlesien. Für den gesamten zu Schlesien kommenden Teil bürgerte sich dann die Bezeichnung Preußische oder auch Schlesische Oberlausitz ein. Nach 1945, als die sowjetische Besatzungsmacht den Ländernamen Schlesien von den Landkarten tilgte, wurde der größte Teil der Schlesischen Oberlausitz dem Land Sachsen zugeschlagen und Polen annektierte infolge des Potsdamer Abkommens den Hauptteil der preußischen Provinz Schlesien. Dass der Name Schlesien 1945 gänzlich getilgt wurde, obwohl sich westlich der Neiße noch nennenswerte Teile der Provinz befanden, folgte offenkundig nicht vorrangig administrativen Gründen,

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

nicht etwa weil der westlich der Neiße gelegene Rest der Provinz Schlesien zu klein für ein eigenes Land gewesen wäre, sondern man dürfte vielmehr der Absicht gefolgt sein, die Erinnerungen an die seit Jahrhunderten deutsche Provinz Schlesien zu tilgen. Der Umgang der neuen SEDHerrscher mit den zahlreichen Vertriebenen und den oftmals hochdramatischen Erinnerungen bleibt bis heute ein wenig erforschter Schandfleck der DDR-Geschichte. Überhaupt setzten die SED-Oberen alles daran, die althergebrachten länder- und regionenbezogenen Identitäten und Raumorientierungen möglichst aus dem Bewusstsein des Volkes zu tilgen.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Deshalb wurden 1952 die Länder der DDR aufgelöst, an deren Stelle die Einteilung in Bezirke trat. Dieser administrative Kraftakt, der innerhalb weniger Wochen umgesetzt wurde, ordnete sich dem Ziel unter, einen straffen

Zentralismus durchzusetzen. Deshalb wurden gewachsene historische Grenzen gezielt ignoriert und mit den Bezirken administrative Einheiten geschaffen, die kaum dazu taugten, Kristallisationskerne für Identifikationsprozesse werden zu können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Das war natürlich gewollt, denn diese Identität war für die SED etwas Bedrohliches, weil sie ein Bremsfaktor bei den eigenen Träumen zur Schaffung eines neuen sozialistischen Menschen war.

Herr Dr. Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nicht von Herrn Prof. Dr. Porsch, der soll sich mal lieber mit seinen Zwischenrufen mäßigen. Dann könnte er sich vielleicht noch einen ordentlichen Abgang als Fraktionschef gewähren. Ansonsten ist das halt relativ arm.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich will Sie vor historischen Irrtümern bewahren. Es ist dilettantisch, was Sie hier sagen!)

Im Ergebnis dieser administrativen Neugliederung wurde die verbliebene Schlesische Oberlausitz nochmals geteilt.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das habe ich Ihnen doch gesagt, Herr Prof. Porsch. Hören Sie richtig zu. Ich habe es Ihnen doch vorhin schon gesagt.

Im Ergebnis dieser administrativen Neugliederung wurde die verbliebene Schlesische Oberlausitz nochmals geteilt. Der im Wesentlichen aus den Altkreisen Hoyerswerda und Weißwasser bestehende Nordteil wurde dem neu entstandenen Bezirk Cottbus zugeordnet; der Südteil, zu dem das Gebiet der Altkreise Görlitz und Niesky zählte, zum Bezirk Dresden.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Auch diese administrative Einteilung folgte dem Ziel, gewachsene Identitäten möglichst auseinanderzureißen. Dass dieses Ziel zum Glück nie erreicht wurde, zeigte der Umbruch von 1989/90. Dass das Thema Schlesien und somit eine schlesische Identität auch im Verlauf von viereinhalb Jahrzehnten nicht in Vergessenheit geraten war, zeigte sich in aller Deutlichkeit 1989/90. Nach dem Zusammenbruch der DDR-Staatsgewalt tauchten gewissermaßen über Nacht im Gebiet um Görlitz und Niesky allerorten schlesische Symbole auf.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

So waren schlesische Fahnen zu sehen, zierten viele Autos entsprechende Aufkleber und benannten sich

Gaststätten beispielsweise wieder in „Schlesischer Hof“ um.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Kein Wunder, denn schließlich hatten sich besonders viele aus Schlesien stammende Vertriebene in Görlitz und Umgebung niedergelassen. So wird davon ausgegangen, dass nach Kriegsende circa 40 % der Görlitzer Einwohner aus Ostdeutschland stammten. Vor allem in der ersten Hälfte des Jahres 1990, als um den Zuschnitt bzw. die Neukonstituierung der Länder auf dem Gebiet der DDR gestritten wurde, verstärkten sich die Hoffnungen, dass es zu einer Wiederbelebung des Ländernamens Schlesien entweder als eigenständige Einheit oder zumindest in Kombination mit anderen, beispielsweise als SachsenSchlesien, kommen würde.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Als Minimalvariante hofften einige Verfechter auf die Einführung eines schlesischen Regierungsbezirks innerhalb des Freistaates Sachsen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: In Polen ist der Name Schlesien lebendig!)

Die geschilderten Hoffnungen erfüllten sich allerdings nicht, wohl im Vorgriff auf die spätere Landespolitik, die kein Interesse daran hatte und hat, Kristallisationskerne der niederschlesischen Identität zu fördern. Nach der Wendeeuphorie von 1989/90, in der manchen Akteuren vieles von dem, was sich in der DDR-Zeit herausgebildet hatte, als umkehrbar schien, folgte Ernüchterung. Substanzielle Forderungen, die über das erreichte Symbolische hinausgingen, waren nicht durchsetzbar. Den schlesischen Aktivisten gelang es aber, wenigstens einige kleinere Erfolge zu erzielen. Dazu gehört, dass im Zuge der sächsischen Kreisgebietsreform 1994 der Name Niederschlesischer Oberlausitzkreis für die aus den vormaligen Kreisen Niesky, Görlitz-Land und Weißwasser neu entstandene administrative Einheit kreiert wurde.

Ich habe einen kleinen historischen Exkurs unternommen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er war aber falsch!)

um deutlich zu machen, dass der Sächsische Landtag als verfassungsgebende Landesversammlung den zweimaligen Bezug auf den niederschlesischen Landesteil unseres Freistaates nicht aus Zufall, Willkür oder Jux und Tollerei in die am 26. Mai 1992 verabschiedete Landesverfassung geschrieben hat, sondern weil man damit dem ganz besonderen historischen und kulturellen Werdegang des niederschlesischen Landesteiles gerecht werden wollte, der in der DDR immer peinlichst tabuisiert worden war.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Zurufe von der NPD)

Dieser Verfassungsbezug darf natürlich für die zu erwartende Kreisgebietsreform nicht folgenlos bleiben. Die

Landkreisbezeichnung Niederschlesischer Oberlausitzkreis ist der letzte wirklich prägnante Hinweis auf die niederschlesische Identität des Landstrichs westlich der Oder.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wir Nationaldemokraten sind gegen die Kreisgebietsreform, aber im Falle des Niederschlesischen Oberlausitzkreises stehen sogar in der Landesverfassung Argumente, warum diese Gebietskörperschaft erhalten bleiben sollte. Deshalb müssen wir uns über dieses Thema heute noch einmal unterhalten.

Herr Prof. Porsch, ich habe Ihnen ja gesagt, es handelt sich um die preußische Provinz Schlesien oder die geteilte Oberlausitz. Hätten Sie zugehört, hätten Sie es begriffen, aber wahrscheinlich wollen Sie es auch nicht begreifen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Durch Zwangsakt zu Preußen gekommen!)

Für die Koalition spricht Herr Abg. Schowtka.