Protokoll der Sitzung vom 31.08.2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich am Schluss noch einige abschließende Bemerkungen zur Frage der politischen Verantwortung für das aktuelle Desaster machen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Was ist eigentlich mit Herrn Weckesser?)

Gestern sind bekanntlich zwei Vorstände der Sachsen LB abberufen worden und der Vorstandsvorsitzende hat seinen Rücktritt angekündigt. Das ist richtig, und das war überfällig; aber es erinnert doch fatal an die Situation vor zweieinhalb Jahren, als es um Millionenverluste im Zusammenhang mit fragwürdigen Leasinggeschäften, aber auch um die bekannten Vorwürfe von Vettern- und Mätressenwirtschaft ging. Auch damals wurden die Bankvorstände geopfert – natürlich mit Übergangs- und Abfindungsregelungen in Millionenhöhe weitgehend ruhig gestellt.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Schweigegeld!)

Mit dem gestrigen „Vorstandskegeln“ mussten in weniger als drei Jahren in Sachsen sage und schreibe acht Bankmanager der Landesbank ihren Hut nehmen. Die politisch

Verantwortlichen für das Desaster verweigerten bzw. verweigern bis heute jegliche Konsequenzen.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht zu erwarten, dass die CDU auf die Linksfraktion hört; deshalb möchte ich mich ausnahmsweise einmal auf den früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf berufen, der inzwischen schon vor dem Landesbank-Untersuchungsausschuss aussagen musste. In seiner Zeugenvernehmung am 22. Januar dieses Jahres führte er aus – Zitat –: “Nach meinem Verständnis besteht politische Verantwortung auch dann, wenn man den Sachverhalt nicht kannte, er aber in der Administration, die man führt, bekannt war und trotzdem keine Verhaltensweisen ausgelöst hat. Politische Verantwortung”, so Kurt Biedenkopf weiter, “trägt man nicht nur in dem Sinne, dass man selbst die Ursachen für einen Gegenstand gelegt hat. Es ist allgemein üblich und in jedem Parlament bekannt, dass man einen Minister”, und ich füge hinzu: auch einen Ministerpräsidenten, ”in die politische Verantwortung nimmt, wenn in seinem Namen etwas schiefgelaufen ist; auch dann, wenn er persönlich keine Ahnung hat, zum Beispiel, weil er nicht unterrichtet worden ist.”

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Genau!)

Nimmt man diese Biedenkopf-Definition zum Maßstab, dürften allerdings zwei Drittel aller jetzigen Kabinettsmitglieder nicht mehr im Amt sein.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Es ist heute nicht die Stunde, alles aufzulisten. Es geht uns auch nicht darum, dass jetzt jemand politische Verantwortung für etwas übernehmen soll, das er nicht verursacht hat. Es geht gerade darum, dass sich jene, die nachweisbar auch ganz persönlich Schuld auf sich geladen haben, endlich dazu bekennen und die aus unserer Sicht unvermeidlichen Konsequenzen ziehen. Diese Aufforderung richte ich insbesondere an den Ministerpräsidenten.

Was Horst Metz angeht, so liegt seine unmittelbare Verantwortung – er hat selbst dazu gesprochen – offen auf der Hand. Er war in den vergangenen Jahren der zuständige Minister und saß in einer Vielzahl von Gremien, die unmittelbar mit dem Bankenskandal zu tun haben. Sie sind Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sachsen LB, Vorsitzender des Kreditausschusses, Vorsitzender des Präsidialausschusses und Vorsitzender der Anteilseignerversammlung. Dort hätten Sie nicht nur handeln können, sondern auch handeln müssen. Oder waren Ihnen durch Ihren Chef Ihre Hände gebunden? Sei es, wie es sei, eines ist klar: Der Finanzminister hat am engsten mit den Vorständen der Landesbank zusammengearbeitet. Nachdem diese zu Recht gegangen sind bzw. „gegangen wurden“, kann aus unserer Sicht – ich bitte um Verständnis, das sagen zu müssen – der Finanzminister nicht einen Tag länger im Amt bleiben. Sie sollten nicht bis Ende September warten.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der NPD)

Schon allein die Mitverantwortung für die Personalauswahl an der Spitze der Landesbank wäre ein Rücktrittsgrund. Es ist bekannt, dass sich auch hier der Ministerpräsident immer wieder persönlich eingeschaltet hat. Ich höre ihn noch reden – hier von diesem Pult aus – von den exzellenten Bankern, als es um Fuchs und Weiss ging, die er bis zuletzt gehalten hat – wohl auch, weil sie zu viel wussten und ihm gefährlich werden konnten. Ich höre noch die Lobeshymnen auf den Nachfolger Süß, der die Bank angeblich aus der Krise geholt und dauerhaft fit für die Zukunft gemacht hätte.

Heute beklagt sich der gleiche Georg Milbradt über völlig untaugliches Krisenmanagement und spricht vom Versagen des Bankvorstandes. Bei ihm sind immer die anderen schuld. Der Ministerpräsident blendet zudem immer aus, dass er es war, der diese Leute geholt und ins Amt befördert hat.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Ministerpräsident, Sie sind seit 1990 fast ununterbrochen in Regierungsverantwortung, über lange Jahre als Finanzminister, heute als Chef der Regierung. Eigentlich wissen Sie es selbst: Sie stehen heute vor den Trümmern Ihrer Aufbauarbeit. Das bescheinigte Ihnen Ihr Amtsvorgänger bereits vor mehr als zwei Jahren, als er in seinem denkwürdigen Brief unter anderem schrieb – ich zitiere –: „Der Ruf der Landesbank könnte schlechter nicht sein. Dafür, Georg, trägst Du die politische Verantwortung. Ich erwarte von Dir, dass Du zu dieser Verantwortung auch stehst.“ Soweit Kurt Biedenkopf.

Inzwischen, Herr Milbradt, haben Sie noch mehr Schuld auf sich geladen. Ein Ruf als begnadeter Politiker ging Ihnen nie voraus. Aber bis vor Kurzem galten Sie deutschlandweit noch als anerkannter Finanzfachmann. Nun ist allerdings auch dieser Nimbus irreparabel zerstört.

Die Öffentlichkeit fühlt sich durch Sie getäuscht. Am 18. August – nach Zusage der gigantischen Kreditlinie von 17,3 Milliarden Euro – ließen Sie Ihren Finanzminister verkünden – Zitat –: „Die Liquidität der Sachsen LB ist dauerhaft und nachhaltig sichergestellt.“

Fünf Tage später, am Donnerstag, dem 23. August, erklären Sie, Herr Milbradt, in einem Interview in der „Freien Presse“ – Zitat –: „Das schnelle und professionelle Handeln der öffentlich-rechtlichen Banken hat eine wirkliche Schieflage verhindert.“

Einen Tag später recherchieren verschiedene Journalisten, dass neue Finanzlöcher bei der Landesbank entstanden seien, die zu deren Verkauf nötigten. Das stand am Sonnabend in der Zeitung. Gut 24 Stunden später war die selbstständige Sächsische Landesbank Geschichte.

Herr Ministerpräsident, wer soll Ihnen noch etwas glauben?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Ministerpräsident, eines Ihrer Vorzeigeprojekte – bei näherer Betrachtung vielleicht das einzige – war ein solider Landeshaushalt. Sie wollten gut vorbereitet sein

auf die Zeit nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II. Sie haben dem Freistaat und seinen Bürgern 17 Jahre lang einen Sparkurs aufgezwungen. Am Ende haben Sie das Gesparte verzockt.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD – Dr. Fritz Hähle, CDU: Ach!)

Ich weiß, dass die Verträge so gestaltet sind, dass Sie hoffen, bis über die nächste Landtagswahl zu kommen, und dass erst danach die tatsächlichen Schäden sichtbar werden. Aber wir werden drängen, dass aufgeklärt wird und dass die Zahlen auf den Tisch kommen.

Wenn der tatsächliche Schaden in zwei oder drei Jahren vollständig sichtbar sein wird, dann werden wir womöglich fast so viele Schulden haben wie unsere Nachbarländer. Doch die, Herr Ministerpräsident, haben damit erfolgreich investiert. Sie dagegen haben zugelassen, dass Milliardenbeträge an den Aktienmärkten verspekuliert wurden.

Der Gipfel der Unverschämtheit, Herr Milbradt, ist es, dass Sie jetzt allen Ernstes versuchen, sich als Retter aufzuspielen. Ihr Verfassungsauftrag war es, Schaden vom Land abzuwenden. Sie aber haben Schaden angerichtet, und zwar vermutlich in Milliardenhöhe.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der NPD)

Sie können sich nicht damit herausreden, dass bei sofortiger Pleite der Landesbank der Schaden womöglich noch größer gewesen wäre. Schon wer so etwas überhaupt als Argument anführt, beweist seine Ungeeignetheit. Wer so unverantwortlich mit Steuergeldern umgeht, der darf dieses Land nicht länger regieren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! In der Seefahrt gilt das Gebot: Der Kapitän verlässt als Letzter das sinkende Schiff. – Das Schiff ist gesunken. Die Offiziere – sprich: Vorstände – sind gegangen. Jetzt ist der Kapitän an der Reihe.

(Zuruf von der CDU: Das hätten Sie gern!)

Herr Ministerpräsident, tun Sie dem Land einen letzten Dienst! Entlassen Sie den Finanzminister noch heute und treten Sie anschließend selbst zurück! Machen Sie den Weg frei für einen Neuanfang in Sachsen!

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Ich erteile der CDUFraktion das Wort. Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich der wirklich schwierigen Materie widme, möchte ich meinem, unserem Kollegen Horst Metz meinen Respekt für seinen Schritt aussprechen. Ich begrüße es auch ausdrücklich, dass er deutlich gemacht hat, dass er in dem Moment, da das Schiff in schwerer See ist, nicht – wie Sie

es wollen, Herr Hahn – von Bord geht, sondern sich weiter darum bemüht.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ich denke, es ist gerettet, im Hafen?!)

Ich komme noch darauf. Wir bemühen uns jetzt immer sehr um die Seefahrt, Herr Hahn. Wir sind eben noch nicht ganz im Hafen.

Das Handeln von Horst Metz spricht für einen verantwortungsbewussten Politiker.

Sie haben unseren Ministerpräsidenten angegriffen, Herr Hahn. Man kann Georg Milbradt viel nachsagen, aber dass er Angst hätte, gar vor der Linkspartei oder vor Ihnen, Herr Hahn, bestimmt nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nein, Sie können ganz sicher sein, dass er das Wort noch ergreift.

In der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause haben wir in diesem Hohen Hause um die Umwandlung der Sachsen LB in eine Aktiengesellschaft gestritten. Die einen meinten – insbesondere auf dieser Seite des Parlaments –, dass die Bank besser in ihrer bisherigen Rechtsform verbleiben solle, um einen stärkeren Einfluss und die direktere Kontrolle der sächsischen Landespolitik beizubehalten. Die anderen wollten wegen des Wegfalls von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast die Bank in eine Aktiengesellschaft umwandeln, da ihr – ich zitiere – „der Wind des globalen Wettebewerbs scharf um die Nase“ pfiffe.

Aber alle waren zu diesem Zeitpunkt stolz auf unsere einzige ostdeutsche Landesbank, die nach unschönen Skandalen wieder beachtliche Gewinne abwarf und in ruhigerem Fahrwasser schien.

Die kleinste Landesbank hat auch Großartiges bei der Ansiedlung der sogenannten Leuchttürme geleistet, und sie fing – daran müssen wir uns auch alle erinnern, und mancher muss sich in diesem Haus an die eigene Nase greifen – marode industrielle Kerne auf – wir erinnern uns noch –, um Arbeitsplätze zu sichern. Dabei musste sie politisch gewollte Verluste auf diesem strukturschwachen Heimatmarkt einstecken. Die waren natürlich anderswo auszugleichen. Dies und der Druck der Anteilseigner, den wir ja auch aus jedem Verwaltungsrat unserer Sparkassen kennen, mag zu Anfang des Jahrzehnts dazu geführt haben, dass sich die Bank zu immer größerem Engagement auf internationalen Kapitalmärkten bewegt sah. Dass über 90 % der Gewinne aus Dublin kamen, haben wir alle gewusst, und wir haben auch gewusst, dass wir einen strategischen Partner brauchten.

Damals – so schnell geht das – wollten wir noch auf Augenhöhe um eine Holdinglösung verhandeln. Die „Süddeutsche Zeitung“ vermutete am Dienstag gar, dass die Politiker in Sachsen Anlehnung suchten und die Sachsenbank verkaufsfertig machten. Richtig ist sicher,

dass wir uns unserer Kleinheit bewusst waren und einen starken Partner suchten.

Aber in der Politik ist das wie im Leben: Es hilft nicht, vergangenen Zeiten nachzutrauern. Die Immobilienkrise in Amerika hat den Wind des globalen Wettbewerbs in einen Orkan der internationalen Finanzmärkte verwandelt. Unser kleines Schiffchen Landesbank kreuzte auch nicht, wie wir ja in den Reden im Juli hier noch gedacht haben, auf der wild bewegten See der öffentlichen Bankenlandschaft. Der kleine Kahn Landesbank, überladen mit Assed Backed Securities, ist in diesen Orkan geraten und leck geschlagen. Niemand nimmt uns unsere Ladung ab, obwohl auf den dicken Bündeln der Wertpapiere die drei großen A – Tripple A, wie es im Bankerdeutsch heißt – kleben.