Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Der Bahnchef, Herr Mehdorn, hat vorletzten Montag im „Handelsblatt“ dazu bereits Stellung genommen und gesagt: „Wir sind natürlich an einer Expansion im Ausland interessiert“. Mehdorn ist auch bereits auf Einkaufstour. Er hat eine Bahn in Slowenien ins Auge gefasst. Er hat in Breslau bereits einen Eisenbahnbetreiber gekauft und in Spanien einen Güterverkehrsbetreiber übernommen.

Wir sagen: Ja, die Bahn soll expandieren, aber nicht mit dem Geld und nicht auf Risiko des Steuerzahlers.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen im europäischen Wettbewerb eine schlagkräftige private Bahn. Was passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine Staatsbank in Dublin mit amerikanischen Krediten Weltkonzern spielt, das haben wir gerade erst erlebt.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Sozialen Wohnungsbau hat die „Neue Heimat“ in der AltBundesrepublik praktiziert. Das war eine Gewerkschaftsfirma. Das ist auch danebengegangen. So viel zu Gewerkschaften, die Unternehmer spielen, Herr Porsch.

Wir, das muss ich ganz klar sagen, sind für die Privatisierung der Bahn, und das, Frau Dr. Runge, obwohl kein ehemaliger Verkehrsminister der FDP von der Bahn bezahlt wird. Wir kommen selbstständig zu dieser Erkenntnis. Wir haben diese Geldgeber nicht. Wir können uns eine eigene Meinung bilden. Das unterscheidet uns eben von den Linken. Sie lehnen diese Privatisierung grundsätzlich ab und im Antrag der GRÜNEN konnte ich eigentlich zu der Frage: Privatisierung – ja oder nein? gar keine Aussage finden. Da wird alles so im Unklaren gelassen.

(Staatsminister Thomas Jurk: Wie immer!)

Da muss ich Ihnen ausnahmsweise recht geben, Herr Staatsminister, absolut wie immer bei den GRÜNEN.

Was sind die sächsischen Interessen im Rahmen einer solchen Privatisierung? Wir müssen darauf achten, dass der Regionalverkehr gesichert wird. Wir müssen darauf achten, dass wir weiterhin Mitspracherechte bei Investitionsentscheidungen im Netz haben. Wir müssen darauf achten, dass wir keine Belastungen für den Staatshaushalt bekommen, und wir sollten daran interessiert sein, dass die Fahrpreise für Personen, den Transport und die Güter gering sind. Günstige Preise aber verlangen den Wettbewerb.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Nicht immer!)

Doch! Das hat man bei vielen Projekten gesehen, dass bei Wettbewerb die Preise sinken. Darauf will ich nicht im Einzelnen weiter eingehen.

Man muss fragen, ob der Tiefensee-Entwurf genau diesen Anforderungen genügt. Nach unserer Auffassung genügt er ihnen nicht.

(Beifall bei der FDP)

Die Bahn erhält das Netz 15 Jahre zur Bewirtschaftung. Die Länder haben keine Mitsprache, Streckenstilllegungen im ländlichen Raum drohen. Man spricht von 10 000 Streckenkilometern von den derzeit 34 000 Streckenkilometern. Steigende Trassenpreise werden folgen. Man redet von einer Steigerung von 2 %. Das würde die Länderhaushalte bis 2011 mit 1 Milliarde Euro belasten.

Wenn wir uns einmal anschauen, was der Bundesrechnungshof dazu sagt, dann hat er ein vernichtendes Urteil über die Pläne von Herrn Tiefensee ausgesprochen. „Dem Bund fehlt die Erkenntnis, ob rund 210 Millionen Euro Bundesmittel ordnungsgemäß eingesetzt wurden“; so im Rechnungsprüfungsbericht des Bundesrechnungshofes.

Er sagt zu dem Vorhaben von Tiefensee: „Schließlich ist aus der Antwort des Bundesministeriums kein Hinweis ersichtlich, dass die oben genannten Mängel der derzeitigen Praxis bei den anstehenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen und dem Mittelnachweis der infrage stehenden Pauschalzahlungen von 2,5 Milliarden Euro jährlich auf 15 Jahre abgestellt werden könnten.“

Der Rechnungshof sagt, diese jetzt schon bestehenden Mängel können auch in der zukünftigen Vereinbarung nicht abgestellt werden. Das heißt, wir geben jedes Jahr zweieinhalb Milliarden Euro an die Bahn und wissen nicht, ob die ordnungsgemäß ausgegeben werden sollen. Das kann ja wohl nicht zielführend sein.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das sind nicht nur unsere Kritikpunkte, es sind ja auch die Kritikpunkte des Verkehrsausschusses im Bundesrat. Der hat gestern in einer Stellungnahme beschlossen – ich zitiere –: „Gegen den Gesetzentwurf bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.“ Und weiter: „Nach dem Ergebnis des Gutachtens hat der Bundesrat Bedenken, ob die Übertragung der Stimmrechte nicht eine verfassungsrechtlich unzulässige materielle Teilprivatisierung der Ausübung von Staatsgewalt darstelle.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Ja, das ist vom Verkehrsausschuss des Deutschen Bundesrates mit 15 Stimmen bei einer Enthaltung von Rheinland-Pfalz, also auch mit der Stimme des Freistaates Sachsen, am gestrigen Tage so beschlossen worden.

Ich frage mich, wenn wir sehen, dass die Sache verfassungsrechtlich problematisch ist, ob es wirtschaftlich

wenigstens sinnvoll wäre. Dann müssen wir uns einmal ansehen, ob wir aus dem Bereich Strom und Gas nichts gelernt haben. Wir haben die Strom- und Gasprivatisierung.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wir haben im Strom- und Gasbereich – das wurde in diesem Haus schon öfter beklagt – die Netze in den Händen der Energieversorger. Die hohen Netznutzungsentgelte behindern den Wettbewerb und sind die Ursache für hohe Preise.

Wenn Sie sich ein anderes Beispiel anschauen, die Telefonie zum Beispiel: Im Telefonbereich haben wir niedrigere Preise. Warum denn? Weil wir eben neben dem Festnetz inzwischen ein mobiles Netz haben und das feste Netz nicht die Bedeutung wie in anderen Bereichen hat.

Für uns ist deswegen klar: Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen dürfen nicht bei einer privaten Bahn verbleiben, und zwar weder wirtschaftlich noch mit Stimmrechtsvollmacht.

Und dann sieht dieser Entwurf den Rückkauf dieser Infrastruktur möglicherweise in 15 Jahren vor. Das ist natürlich schwierig zu ermessen. Man gibt etwas hin und kauft es dann in 15 Jahren zurück. Ich will einmal versuchen, das an einem einfachen Beispiel zu erläutern.

Stellen Sie sich einmal alle vor: Sie haben einen guten Freund, eine gute Freundin, und er oder sie ist Inhaber einer Eigentumswohnung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Oh!)

Das wäre für Sie ein Gräuel, das ist mir klar.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Jetzt kommt er oder sie auf Sie zu und sagt: Mensch, ich möchte jetzt meine Eigentumswohnung meinem Mieter schenken. Ich möchte aber im Grundbuch stehen bleiben. Dann kann er erst einmal machen, was er will. Nach 15 Jahren, so die Idee Ihres Freundes oder Ihrer Freundin, überlege ich mir dann, ob ich die Wohnung zurückhaben möchte oder nicht. Wenn ich sie zurückhaben möchte, dann zahle ich den Kaufpreis. Aber über den Kaufpreis, den ich an meinen Mieter bezahle, unterhalte ich mich mit ihm in 15 Jahren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Was haben Sie für einen Freund? – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich glaube, Sie würden Ihrem guten Freund ganz offenherzig sagen: Du bist total verrückt geworden.

(Lachen des Staatsministers Thomas Jurk)

Das Problem ist nur, dass genau das in den Gesetzentwurf von Herrn Tiefensee eingeflossen ist. Genau das macht Herr Tiefensee mit unserem Schienennetz, was Sie einem guten Freund sofort ausreden würden

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

und wofür Sie ihn als verrückt bezeichnen würden. Genau das sind die Vorstellungen von Herrn Tiefensee.

(Marko Schiemann, CDU: Kennen wir aus Leipzig!)

Genau, Leipzig, wir kennen ja Herrn Tiefensee aus Leipzig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er hat einen Freund!)

Ich kann Ihnen eines sagen: Er kann zwar gute Reden halten, aber mit Sachkompetenz ist er in Leipzig nicht aufgefallen, offensichtlich in Berlin auch nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Bei Ihnen ist es umgekehrt!)

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort. Herr Lichdi, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Erklären Sie uns das, ich habe nichts verstanden!)

Wieso müssen alle einer Meinung sein? – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist etwas faul, nicht nur im Staate Dänemark, wie der Dichter sagte, sondern auch bei der Deutschen Bahn AG.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wer war das?)