sowie unter Beachtung demografischer und wirtschaftlicher Entwicklungen für unser Land gestaltet werden muss. – Ja, bitte.
Verehrter Herr Bolick, könnte es sein, wenn Sie so vordergründig mit den Schlagworten neoliberaler Ideologie argumentieren, wie: „mehr Wettbewerb“ und „Flexibilisierung“, dass Sie ganz einfach die Erfahrungen, die man mit der Privatisierung der Bahn in Großbritannien gemacht hat, nicht zur Kenntnis nehmen wollen?
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er kann kein Englisch! – Zuruf von der CDU: Das hat mit Englisch nichts zu tun!)
In Großbritannien ist manches privatisiert worden, was aus meiner Sicht auch nicht optimal gelaufen ist – nicht nur die Bahn, sondern auch die Wasserwirtschaft. Auch in Deutschland haben wir die Wasserwirtschaft im Wesentlichen privatisiert, und es läuft da ganz ordentlich. Ich sehe also erhebliche Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland.
Lassen Sie mich einmal über die Punkte berichten, die die Länderminister zu diesem Thema festgemacht haben, und Sie werden merken, dass viele Ihrer Bedenken überhaupt nicht mehr diskutabel sind. Wir haben einhellige Grundforderungen gestellt, und klargestellt wurde, dass
erstens eine Sicherstellung des Netzes in der Fläche in Bestand und Leistungsfähigkeit gewährleistet werden muss und
zweitens die Länderhaushalte, welche ohnehin bereits die zusätzliche Last rückläufiger Regionalisierungsmittel zu tragen haben, nicht weiter belastet werden. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass Sachsen bzw. unser Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Defizite im ÖPNV durch eigene Landesmittel aufgebessert hat.
Zu gewährleisten ist weiterhin, dass die notwendigen verkehrspolitischen Einflussmöglichkeiten erhalten bleiben.
Des Weiteren ist ein nachhaltiger Einfluss des Kapitalmarktes auf Schieneninfrastruktur und Verkehrsangebot ausgeschlossen.
(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wie wollen Sie das mit Privatisierung erreichen?)
Die Länder müssen in die Verhandlungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zur Erreichung eines besseren Zustandes des Schienennetzes einbezogen und weiterhin muss die Bundesnetzagentur in ihren Einflussmöglichkeiten zur Sicherung des Wettbewerbes auf der Schiene nachhaltig gestärkt werden.
Das sind die wesentlichen Punkte. Bei Erfüllung dieser Forderungen wird es möglich sein, eine im Interesse der Flexibilisierung der DB AG geplante teilweise Kapitalprivatisierung bei gleichzeitiger umfassender Sicherung der politischen Einflussnahme auf die Bahninfrastruktur, also Schienennetz, Bahnhöfe und Energieversorgung, zu erreichen und das Verkehrssystem Bahn auch weiter in der Fläche zu erhalten sowie – das ist ein wichtiger Punkt – Wettbewerbern der Deutschen Bahn AG diskriminierungsfrei zur Nutzung anzubieten.
Besonders die abzuschließende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB AG muss gewährleisten, dass die Netzqualität erhalten und in entscheidenden Streckenabschnitten ausgebaut und erneuert wird. Dies gilt insbesondere für die landespolitisch so wichtigen Teile des Nahverkehrs. Hier muss es dem Bund insbesondere möglich werden, Teilkündigungsrechte bei Nichterfüllung auszuüben und Ersatzvornahmen bei Qualitätsmängeln durchzusetzen.
Bezüglich der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie des Netzzustandsberichtes muss den Ländern auch weiterhin über den Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt werden, einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt wahrzunehmen.
Mit der Erfüllung der Forderungen der Länder aus der letzten Verkehrsministerkonferenz in dieser Woche sieht die CDU-Fraktion ihre Grundforderung nach langfristiger Sicherung der politischen Einflussnahme auf die Erhaltung und den Ausbau der Schieneninfrastruktur erfüllt. Wir werden der teilweisen Kapitalprivatisierung in dieser Form unsere Zustimmung geben.
Zu den Anträgen: Dem Antrag der Linksfraktion können wir nicht folgen, da er wieder einmal die Rückkehr zur staatsgetragenen Reichsbahn zum Inhalt hat und Nostalgie – so schön wir unsere sächsischen Nebenstrecken und Schmalspurbahnen auch finden – bei Entscheidungen über die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der DB AG nichts zu suchen hat.
Mit Ihrem Antrag stellen Sie die positive Entwicklung der Deutschen Bahn in den letzten Jahren infrage und wollen jeglichem Wettbewerb auf der Schiene den Garaus machen. Wir werden das nicht zulassen.
Den Antrag der FDP lehnen wir insbesondere vor dem Hintergrund des Verhandlungsergebnisses der Verkehrsministerkonferenz ab. Ich habe das gerade geschildert. Die Umsetzung der Länderforderung ermöglicht eine teilweise Kapitalprivatisierung ohne Verlust der Einflussmöglichkeiten auf die Infrastruktur.
Beim Antrag der Fraktion GRÜNE können wir dem Anliegen nach umfassender Berichterstattung der Staatsregierung sicherlich folgen, lehnen jedoch die Entschließungsvorschläge in Punkt 2 mit Verweis auf die zwischenzeitlichen Aktivitäten der Verkehrsministerkonferenz vollständig ab. Deshalb bitte ich schon jetzt um punktweise Abstimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, dass mein Kollege Herr Bolick das Gleichgewicht wiederhergestellt hat. Frau Runge hat sämtliche Risiken dargestellt, die auf uns zukommen könnten. Ich gebe ihr zum Teil recht. Man muss selbstverständlich über diese Dinge sprechen. Vielleicht ist ihr noch nicht einmal das ganze Spektrum aufgefallen, aber das, was sie dargelegt hat, reicht für ein halbes Leben, vielleicht auch darüber hinaus.
Herr Lichdi hat die Bahn in Grund und Boden geredet. Ich denke, damit tun Sie, Herr Lichdi, der Bahn keinen
Gefallen, und das, was Sie gesagt haben, ist auch nicht ganz gerecht. Aufgrund Ihrer Parteizugehörigkeit vermute ich, dass Sie ab und zu Bahn fahren. Wer ab und zu Bahn fährt, der sieht auch, dass sich auf diesem Gebiet einiges getan hat. Ich denke, die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen.
Danke, Frau Präsidentin. – Frau Dr. Raatz, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich als ein Mensch, der weder über ein Auto noch über einen Führerschein verfügt – und das aus Überzeugung, nicht etwa weil er mir wegen Alkoholkonsums abgenommen worden wäre –, auf die Bahn angewiesen bin, wenn ich die Landeshauptstadt Dresden verlassen will, und zwar immer und stets? Ich fahre also wirklich regelmäßig mit der Bahn. Ich habe die Bahn immer verteidigt, war immer ein großer Bahnfan. Aber mir geht es wie vielen anderen: Wir haben die Schnauze gestrichen voll,
weil wir im Grunde keine Verbesserung sehen und uns die ganze Zeit nur den Herrn Mehdorn im Fernsehen anschauen dürfen, der alles schönredet. Es reicht einfach, und deshalb habe ich hier ein paar klare Worte sagen wollen.
Aber das bestätigt ja vielleicht auch die Tatsache, dass es erforderlich ist, sich auf Bundesebene darüber Gedanken zu machen, hier einen prinzipiellen Wechsel vorzunehmen, um gerade die Dinge, die Sie dargestellt haben, zu verändern.
Um es gleich vorwegzunehmen: Auch wir, die SPDFraktion, sind der Meinung, dass die Teilprivatisierung unter den gegebenen Umständen ohne Alternative ist. Über das Wie, Frau Runge – da bin ich Ihrer Meinung –, müssen wir intensiv diskutieren. Allerdings denke ich, dass wir hier im Landtag zunächst die Länderinteressen ins Auge fassen und konkret benennen sollten, was wir wollen. Das hat Prof. Bolick jetzt zum Teil auch getan. Für alles andere ist der Bundestag, sind die Bundestagsabgeordneten zuständig. Und die Fraktionen, die hier
Anträge gestellt haben, haben ihre Vertreter auch im Bundestag, wo man, denke ich, in einen intensiven Austausch treten kann und die Meinungen dort transportieren sollte.
Auf jeden Fall ist klar, dass das Unternehmen DB AG Verbindlichkeiten von fast 20 Milliarden Euro hat, die abgebaut werden müssen. Weitere Investitionen stehen an, um im Wettbewerb bestehen zu können. Auch Sachsen benötigt Geld, das der Bund nicht hat. Der Abbau der Schulden bei einer gleichzeitigen Investitionsoffensive ist ohne privates Kapital kaum möglich. Der Wettbewerb auf der Schiene – und dabei meine ich wirklich einen echten Wettbewerb – ist zu intensivieren, und vor allen Dingen ist für die Bahnkunden das Angebot im Sinne von Herrn Lichdi zu verbessern. Außerdem sind die Preise vernünftig zu gestalten.
Der Gesetzentwurf für den Börsengang der Bahn liegt seit vergangener Woche vor. Wir befinden uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer Phase der heißen Diskussion. Das ist gut und wegen der hohen Bedeutung, denke ich, auch wichtig.
Wenn man sich die Spannbreite der Diskussion vergegenwärtigen will, braucht man sich nur die Anträge der FDP und der Linksfraktion anzusehen. Die einen wollen eine volle Privatisierung, also sozusagen den Wettbewerb auf ganzer Linie. Die Linke will die Privatisierung verhindern und zieht einen Staatsbetrieb vor, da nur dieser eine flächendeckende Versorgung mit öffentlicher Mobilität sicherstellen könne.
Die Frage ist nun: Wie entscheidet man sich? Bei uns in der SPD spiegelt sich die gesamte Bandbreite der Diskussion wider. Eine endgültige Beschlussfassung wird im Falle unserer Partei erst auf dem kommenden Bundesparteitag Ende Oktober erfolgen. Wir können hier also noch keine feste Meinung vertreten. Aber sicher ist, dass die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Transportinfrastruktur in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen wird. Durch eine Teilprivatisierung der Bahn als international agierendes Transport- und Logistikunternehmen wird die notwendige Kapitalausstattung des Unternehmens wesentlich gestärkt, das Mobilitätsangebot verbessert und erweitert, und die Bahn wird wettbewerbsfähiger für die Anforderungen von morgen.
Die Bahn steht im Wettbewerb vor allem in der europäischen Perspektive und darf hierbei nicht ins Hintertreffen geraten. Ich denke, da sind wir uns einig. Ab dem 1. Januar 2010 wird der europäische Personenverkehr liberalisiert sein. Das heißt, ausländische Bahnen dürfen auf deutschen Strecken Reiseverbindungen anbieten, und die Deutsche Bahn darf auch im Ausland auf eigene Rechnung fahren.