Um diese Herausforderung anzunehmen, braucht die Deutsche Bahn frisches Kapital. So konnte man es kürzlich in einer Pressemitteilung des Bundesverkehrsministe
riums lesen. Der Bund will daher die Hälfte des Konzerns an der Börse verkaufen und die Einnahmen daraus in das internationale Geschäft investieren.
Die Infrastruktur bleibt allerdings beim Bund. Ich denke, das ist gut so, gerade auch aufgrund der Erfahrungen in Großbritannien, die hier schon genannt wurden. Zudem bleibt der Bund auch nach der Kapitalprivatisierung Mehrheitseigner mit mindestens 51 % Anteil an der DB AG.
Die Ziele der Bahnreform, also auch die Wahrnehmung der Infrastrukturverantwortung des Bundes nach Artikel 87e des Grundgesetzes, die in dieser Debatte schon häufig eine Rolle spielte, sind bei den anstehenden Entscheidungen zur zukünftigen Reform der Bahn besonders zu berücksichtigen und stellen vor allem für den Bundesverkehrsminister im Gesetzgebungsverfahren eine große Herausforderung dar.
Vielen Dank. – Wollen Sie tatsächlich die Meinung vertreten, dass das sogenannte integrierte Modell, bei dem nur noch das Eigentum beim Bund bleibt, mit dem er aber nach der Rechtskonstruktion de facto nichts anfangen kann, tatsächlich geeignet ist, den Wettbewerbern einen Wettbewerb zu ermöglichen? Wollen Sie diese Meinung auch vor dem Hintergrund des Gutachtens der Verkehrsministerkonferenz vertreten, das genau dies bestreitet? Sie können doch nicht einfach die Widersprüche so verkleistern!
Also, Herr Lichdi, es ist so, wie Sie gesagt haben: Es gibt den Beschluss der SonderVerkehrsministerkonferenz vom 25. September. Dieser Beschluss wurde dem Bundesverkehrsminister zugeleitet. So stelle ich mir das jedenfalls in unserem demokratischen System vor.
Es liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor und dieser Gesetzentwurf wird diskutiert. Da gebe ich Ihnen recht. Vermietung über 15 Jahre bzw. die Übertragung der Verantwortlichkeit für das deutsche Schienennetz an die DB AG halte ich persönlich auch nicht für zielführend. Da müssen wir sehen, was wir noch erreichen können. Es ist jetzt unsere Aufgabe, hier etwas zu tun.
Ich denke aber – weil ich es vorhin auch angemahnt habe –, dass wir hier im Landtag unserer Aufgabe gerecht werden müssen, zu schauen, dass unsere Länderinteressen gewahrt werden. Die wichtigste Forderung Sachsens für die Teilprivatisierung ist aus meiner Sicht die Wahrung unserer Landesinteressen, wie ein wirkliches Mitsprache- und Kontrollrecht. Wir sollten
uns auf landespolitische Schwerpunkte konzentrieren. Alles andere gehört, wie ich schon sagte, in den Bundestag.
Gerade bei den Länderinteressen scheint es noch erheblichen Nachbesserungsbedarf zu geben. Einiges wurde schon angesprochen. Man kann auch in dem Beschluss der Sonder-Verkehrsministerkonferenz nachlesen. Gefordert wird unter anderem die Sicherstellung von Bestand und Leistungsfähigkeit des Netzes in der Fläche, sehr wichtig gerade für uns in Sachsen.
Die Länder fordern zum Beispiel das Festlegen von Mindestinstandhaltungsquoten im Nahverkehrsbereich sowie eine streckengenaue Qualitätsangabe im Netzzustandsbericht. Das ist ein Fakt, bei dem ich selbst auch nicht ganz mitkomme. Wenn man den Netzzustandsbericht einfordert und gern einmal Einsicht haben möchte – ich weiß nicht, wem von Ihnen es schon gelungen ist, mir persönlich ist es nicht gelungen –, bekommt man sogar die Aussage: Es gibt eigentlich gar keinen direkten Netzzustandsbericht, der auf alle Bundesländer heruntergebrochen wurde. – Ich meine, das ist auf jeden Fall eine Grundlage, die hierher gehört, und es ist wichtig, dass dieser Netzzustandsbericht für Sachsen vorgelegt wird und passfähig ist.
Außerdem geht es um die Vermeidung einer stärkeren Belastung der Länderhaushalte. Genau da, denke ich, liegen auch die Ängste der vielen Verkehrsminister, die sich in ihrem Papier dazu geäußert haben. Hinter diesen Forderungen, die wir hier schon gehört haben und die ich jetzt noch einmal genannt habe, steht auch meine Fraktion. Eben diese Forderungen sind im Zuge der anstehenden Überarbeitung des Gesetzentwurfes zu berücksichtigen. Prinzipiell gilt also – einiges hat Herr Prof. Bolick schon genannt –:
Erstens. Die Zuständigkeit der Länder für den Regionalverkehr muss erhalten bleiben. Der Bund stellt den Ländern für die Bereitstellung des Regionalverkehrs Mittel in Höhe von rund 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Inwieweit dies ausreichend ist, muss von den Ländern selbst beurteilt werden. Die Länder bleiben für die Ausgestaltung und das Angebot des regionalen schienengebundenen Personenverkehrs verantwortlich.
Zweitens. Die Gefahr von unkontrollierbaren Streckenstilllegungen ist zu vermeiden. Der Bund und seine zuständigen Aufsichtsbehörden können dann nur in Absprache mit den Ländern agieren. Das müssen wir sicherstellen.
Drittens. Durch die Stärkung der Bundesnetzagentur erhält diese mit der Überwachung der Preisgestaltung mehr Rechte. Ich erwarte dann aber auch, dass die Preisreduzierungen, die durch den Wettbewerb kommen sollen – warum soll man sonst auch Wettbewerb machen, Qualität und Preis stehen da im Hintergrund –, den Ländern zugute kommen, sodass wir dann in Sachsen zum Beispiel andere ÖPNV-Angebote unterbreiten können.
Bei Entscheidungen, die die Bahnreform betreffen, ist also besonnen zwischen der öffentlichen Aufgabe einer flächendeckenden Verkehrsversorgung und den Risiken und Chancen einer Teilprivatisierung abzuwägen.
Die SPD-Fraktion unterstützt den Berichtsteil im Antrag der GRÜNEN – wie das mein Kollege Herr Bolick gerade dargestellt hat –, damit wir zu einem späteren Zeitpunkt den Interessen sowohl des Freistaates als auch der Kommunen und der Bahnreisenden sowie der Bahnangestellten gerecht werden können. Darauf möchte ich insbesondere hinweisen. Immerhin haben wir 14 000 Beschäftigte, die bei der Bahn arbeiten, allein in Sachsen. Das ist auch eine Klientel, für die wir eine Verantwortung tragen. Da finde ich es nicht sehr zielführend, wenn man die Bahn in Grund und Boden redet.
Daher wäre eine punktweise Abstimmung über den Antrag sinnvoll. – Die Anträge der FDP und von den Linken lehnen wir ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die NPD hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Privatisierung oder auch nur die Teilprivatisierung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen wie der Bahn für grundsätzlich verfehlt und im eigentlichen Sinne des Wortes für eine falsche Weichenstellung hält. Wir vertreten diese Auffassung ebenso entschieden, wie wir die Privatisierungs- und Liberalisierungsbestrebungen auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kritisch verfolgen, weil wir – anders als die Mehrheit hier im Landtag – den Ausverkauf öffentlicher Infrastruktureinrichtungen an private Investoren grundsätzlich für falsch erachten.
Es ist traurig, wohin wir in diesem Land bereits gekommen sind. Müssen wir inzwischen wirklich darüber diskutieren, dass Einrichtungen des öffentlichen Lebens, der öffentlichen Dienstleistungsstrukturen des Landes und der öffentlichen Daseinsvorsorge nichts in privaten Händen zu suchen haben, dass eine Eisenbahn genauso wie die Post, die Energieversorgung, die Abwasserwirtschaft und eine Reihe anderer Branchen ganz einfach nicht dazu da sind, dass mit ihnen an der Börse Profite erwirtschaftet werden, dass eine Eisenbahn in erster Linie zur Beförderung von Menschen und Gütern da ist, wofür Generationen von Steuerzahlern übrigens ihre sauer erarbeiteten Steuern gezahlt haben?
Es sagt viel darüber aus, wo die Politik der etablierten Kräfte dieses Landes inzwischen steht, wenn wir uns über
solche Binsenweisheiten die Köpfe heißreden müssen. Und es sind wirklich Binsenweisheiten, über die wir uns hier unterhalten; denn es gibt nun wirklich inzwischen hinreichend schlechte Erfahrungen mit der Privatisierung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen, gerade auch, was das englische Beispiel angeht, wo die Privatisierung der Eisenbahn nach einer Serie verheerender Unglücksfälle und unter unendlichen Querelen inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde.
Circa 65 % der Deutschen, meine Damen und Herren, sehen das im Übrigen genauso und diese zwei Drittel liegen mit ihren Vorbehalten genau richtig. Die Eisenbahn, meine Damen und Herren, ist keine Spielwiese für internationale Börsenjunkies. Die Eisenbahn ist Gemeineigentum und das soll sie nach unserer Auffassung auch bleiben.
Kurz und gut, die NPD-Fraktion wird dem Antrag der PDS zustimmen, da dieser nicht nur die Verhinderung des angestrebten Börsengangs der Bahn einfordert, sondern auch die Weiterentwicklung des Bahnwesens zu einem modernen, flächenmäßig auch wieder expandierenden öffentlichen Dienstleistungsanbieter anstrebt. Das wäre zu begrüßen.
Enthalten werden wir uns bei dem Antrag der GRÜNEN, da dieser zwar auch die jetzt vorgesehene Teilprivatisierung ablehnt, Eisenbahnverkehr und Eisenbahninfrastruktur aber voneinander trennen will. Das, meine Damen und Herren, ist nach unserer Auffassung Mumpitz. In England wurden ja auch entsprechend schlimme Erfahrungen gesammelt. Dabei sollte allein schon der gesunde Menschenverstand einem sagen, dass wir nicht auf der einen Seite die Eisenbahn verkaufen und privatisieren können, während das Schienennetz beim Staat verbleibt oder auch umgekehrt.
Ablehnen werden wir selbstverständlich den Antrag der FDP-Fraktion. Denn das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich Privatisierungsideologie, wie sie im Buche steht. Da macht die NPD nicht mit.
Wenn Sie immer wieder mit dem rückwärtsgewandten Argument kommen, dass die PDS und Linkspartei Anhängerin von Verstaatlichung sei, dann müssen Sie schon einmal genauer hinhören. Im Energiesektor bin ich nämlich eine vehemente Verfechterin dafür, das Netz von der Energieerzeugung zu trennen. Gott sei Dank sieht das die Europäische Kommission mittlerweile ebenso.
Zweitens. Natürlich ist es unter Marktbedingungen möglich, dass sich auch ein staatliches Unternehmen am Wettbewerb beteiligt. – Das staatliche Unternehmen Vattenfall zeigt auf dem europäischen Energiemarkt, dass sich selbstverständlich auch ein staatliches Unternehmen am Marktgeschehen beteiligen kann. – Es schließt nicht automatisch ein, dass wir damit ein Zurück in eine staatliche Beamtenbahn wollen.
Drittens. Worauf ich noch Wert lege: Es ist richtig, Herr Lichdi, die Kritik sehe ich genauso. Ich fahre jeden Tag mit dem Zug, weil ich selber nicht Auto fahren kann. Ich weiß also, wo die Schwachstellen und die Langsamfahrstellen in Sachsen sind. Diese kann ich nämlich genau ausmachen.
Allerdings ist es in der Tat so, dass nicht alles schlechtzureden ist. Denn die Regionalisierung des Personennahverkehrs war tatsächlich bis heute eine kleine Erfolgsstory. Jetzt kommt es darauf an, diese Erfolgsstory auch für die Zukunft zu sichern.
Natürlich haben die ostdeutschen Länder ein besonderes Problem. Wenn sozusagen ein Betrieb, ein Unternehmen wie die Bahn nur auf Gewinnerwirtschaftung ausgerichtet ist, haben besonders die ostdeutschen Länder ein Problem, weil mit dem Bevölkerungsrückgang in den sogenannten Entleerungsregionen
ein furchtbares fachliches Wort – immer weniger Bahnkunden gewonnen werden können und deshalb Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bei der Bahn zu der Frage eine Rolle spielen, ob sie dann in den ländlichen Regionen überhaupt noch eine Strecke bedienen wird oder nicht bzw. wie das Angebot aussehen wird.