Protokoll der Sitzung vom 28.09.2007

Ein solches Fairness-Siegel ist ein wichtiger Kompass für Jugendliche oder auch ältere Arbeitnehmer. Der Freistaat Sachsen möchte, wenn wir ihn heute dazu auffordern, damit ein Signal setzen für eigene nachgeordnete Bereiche – ich habe keinen Zweifel, dass es dort schon läuft –, aber auch für die freie Wirtschaft.

Auch die freie Wirtschaft hat sich zu einer Aktion zusammengeschlossen. Über 800 große Betriebe haben sich zusammengefunden, um diesem Gütesiegel „Faires Praktikum“ zu entsprechen. Die Europäische Union hat einen entsprechenden Vorstoß gemacht und wird dieses Thema in den nächsten Monaten einer stärkeren parlamentarischen Diskussion unterziehen. Der Vorstoß ist eindeutig.

Wir sitzen alle im selben Boot. Wir wollen alle das Gleiche.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Da können Sie ja zustimmen!)

94 % der Praktikanten im Freistaat, in den Ministerien und nachgeordneten Bereichen, sind maximal drei Monate engagiert gewesen. Nur 5,7 % der Praktikanten waren länger als drei Monate tätig. Das hat die Antwort auf Frau Lays Anfrage ergeben. Dass sie länger als drei Monate tätig waren, heißt ja noch nicht, dass das schlecht ist, sondern kann mit Studien- und Berufsordnungen zusammenhängen, die das möglicherweise vorsehen. Da unterstelle ich nicht gleich – schon gar nicht als regierungstragende Partei –, dass das alles unfair ist. Ich finde das unzüchtig und schamlos, wenn man gleich so auf die Staatsregierung einhaut.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wir sind immer unzüchtig und schamlos! – Zuruf von der Linksfraktion: Oh!)

Es ist gut, dass Sie „Oh!“ sagen und sich dazu bekennen, dass es Ihnen nicht gefällt, was aus Ihren Reihen vorgetragen worden ist.

(Caren Lay, Linksfraktion: Ich habe mich dazu bekannt!)

Ich möchte dem Vorwurf entgegentreten, dass man mit der Aneinanderreihung von Praktika Geld sparen kann. Als Arbeitgeber und Ausbilder kann ich deutlich sagen, dass jeder Praktikant Kosten verursacht. Wir müssen und wollen ihm etwas beibringen. Das bedeutet Ausbildungskosten, Transaktionskosten, Kosten für die interne Verwaltung, mögliche Schäden für Schlecht- oder Falschleistung. Das ist etwas, was wir in der Wirtschaft, aber nicht Sie in der Linksfraktion, gern tragen und das wir auch fair im Umgang mit den Praktikanten tun wollen.

Ich gebe aber zu, dass es Branchen gibt, die Praktikanten als billigen Arbeitsersatz missbrauchen. Auch manche Umschulungseinrichtung lebt ganz gut von dieser Klientel, die nach kurzen Arbeitsbeschaffungs- und Schulungsmaßnahmen von der Arbeitsagentur wieder in diesen Bereich zurücküberwiesen wird.

Unsere Zielsetzung muss sein, dass wir als wissensbasierte Gesellschaft junge und alte Menschen befähigen und ihnen günstige Voraussetzungen schaffen, damit sie ihre Fähigkeiten entwickeln und eine Erwerbsarbeit im ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Damit erfahren sie die Wertschätzung in der Gesellschaft und können sich besser und aktiver an ihr beteiligen. Dann kommt man auch nicht auf extremistische Gedanken.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Oh!)

Wir müssen verhindern, dass am Arbeitsmarkt vorbei gelernt und geschult wird. Wir müssen vor allen Dingen Inhalte, Struktur und Qualität in der Arbeitsnachfrage verbessern und eine Kongruenz, eine Deckungsgleichheit schaffen zwischen dem Bedarf an Arbeitskräften und den persönlichen Wünschen, die der eine oder andere meist am Beginn seiner Ausbildung oder seines Studiums hat. Nur so erreichen wir eine Befriedigung des schon jetzt erkennbaren Fachkräftebedarfs. Nur so erreichen wir Ausbildungseffizienz. Dafür brauchen wir auch Praktika.

Wir schließen uns dem Ansatz der GRÜNEN-Fraktion im ersten Teil an. Ich bitte allerdings um getrennte Abstimmung der beiden Teile, da wir dem zweiten nicht folgen können. Wir empfinden seine Zielsetzung als eine Überbürokratisierung, eine Engführung, die den Spielraum, den die Staatsregierung sonst auch im Haushaltsvollzug hat, zu sehr beschränkt.

Wir gehen davon aus, dass zum Beispiel § 138 Berufsbildungsgesetz, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2003 oder auch die Praktikantenrichtlinie der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder ausreichende Grundlage für Bürokratie bieten. Dem wollen wir nicht noch etwas hinzufügen. Wir sollten uns wie ehrbare Kaufleute benehmen. Um Missbrauch zu verhindern, schlagen wir

vor, dem Antrag der GRÜNEN im ersten Teil zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Abg. Brangs spricht für SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Auch wenn der Wunsch besteht, die Rede zu Protokoll zu geben, möchte ich das nicht tun.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Tagesordnungspunkt können wir einmal beweisen, dass es durchaus Themen gibt, die partei- und fraktionsübergreifend im Kern dieselbe Botschaft haben. Das ist eine erfreuliche Mitteilung für den Freitagnachmittag, denn für die SPDFraktion ist es in der Tat ein wichtiges Anliegen. Soeben haben wir von Herrn Patt gehört, dass die Koalition vorschlägt, den Antrag der GRÜNEN im ersten Teil anzunehmen.

Als ich heute Morgen hierher fuhr, gab es eine Radiomeldung, über die ich mich gefreut habe: Der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat in einem Interview gesagt, es wäre an der Zeit, aus der Generation Praktikum endlich die Generation Berufseinstieg zu machen. Ich denke, das ist eine gute und richtige Botschaft.

Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ist viel über den Analyseteil gesagt worden. Es ist auch viel darüber gesagt worden, dass wir ein faires Praktikum brauchen. Weiterhin ist gesagt worden, ein Praktikum soll im Wesentlichen dazu beitragen, dass man berufliche Erkenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen sammeln kann, dass dabei die jeweilige Arbeitsleistung des Praktikanten im Vordergrund steht und nicht davon überlagert werden darf, ihn als Arbeitskraft einzusetzen.

Insofern ist es nicht überraschend, dass viele der Auffassung sind, Praktika angemessen zu vergüten, und die Dauer eines Praktikums sollte drei Monate nicht übersteigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen recht guten Ansatz aus zwei Ministerien, die wir als Sozialdemokraten auch zu verantworten haben. In diesen zwei Ministerien ist vor geraumer Zeit genau dieses Verfahren unter die Lupe genommen worden. Das erfreut mich. Man hat genau untersucht, wie der Umgang mit Praktikanten in diesen Ministerien und den nachgeordneten Bereichen ist. Mit den Beschlüssen heute – dazu werden wir ja kommen – werden wir noch einmal als Sächsischer Landtag klarmachen, dass dringender Änderungsbedarf geboten ist und wir handeln sollten.

Die Zahlen sind ziemlich beeindruckend: 2003 waren es im Bereich der sächsischen Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen circa 4 000 Schüler und Studenten, 2004 hat sich die Zahl um 200 erhöht, 2005 waren es 1 000 mehr – nämlich 5 200 Praktikanten – und 2006

waren es dann wieder circa 5 000. Ich denke, das sind Zahlen, die aufhorchen lassen sollten. Genau für diejenigen, die eine Zeit als Praktikant beschäftigt sind und in keinem regulären Beschäftigungsverhältnis stehen, sollten wir vernünftige Regelungen finden. Wir müssen feststellen, dass ein Teil dieser Praktikanten auch länger als drei Monate beschäftigt wird.

Es ist also ganz klar, dass es Nachholbedarf gibt. Ich denke, dass der Freistaat und die staatlichen Einrichtungen hierbei Vorbildfunktion haben. Diese sollten sie auch ausfüllen. Wir befinden uns da in guter Gesellschaft, weil auf europäischer Ebene das Thema Praktika thematisiert worden ist. Am 5. September gab es eine Mitteilung der EU-Kommission, die sich genau damit auseinandergesetzt hat. Die Kommission hält nach wie vor daran fest, dass Praktika ein wichtiges Instrument sind, um jungen Menschen Gelegenheit zu geben, Berufserfahrung zu sammeln. Allerdings muss das eng mit dem Ausbildungs- und Studienplan verknüpft sein.

Es freut mich, dass man in Broschüren der EU das Zitat finden kann: „Praktikum kann ein Türöffner zu Beschäftigung sein, aber die Tatsache, dass sich junge Menschen von einem Praktikum zum nächsten hangeln ohne Aussicht auf reguläre Arbeit und die dann nicht bezahlt wird, ist skandalös.“ Ich denke, das trifft genau den Punkt.

Als SPD-Fraktion wären wir in der Tat erfreut darüber, wenn wir auch in Sachsen – das überrascht sicherlich niemanden hier im Sächsischen Landtag – zu einer tariflichen Regelung kämen, sodass wir die Entlohnung, die Tätigkeit und den Zeitraum der erbrachten Leistungen tarifvertraglich regeln könnten. Insofern stimmen wir dem Grundanliegen der Fraktionen zu, sind aber der Auffassung, dass Punkt 1 des Antrages von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zunächst die Zielrichtung vorgibt. Deshalb gibt es den Wunsch nach punktweiser Abstimmung und einer Zustimmung zum Teil 1.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die NPDFraktion, bitte.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Wir haben keine Redezeit mehr!)

Sie haben keine Redezeit mehr. Jetzt hätte ich Ihnen beinahe etwas zugestanden, was Ihnen gar nicht zusteht.

Die FDP-Fraktion, bitte. Bei Ihnen ist die Zeit auch ein wenig knapp. Zwei Minuten haben Sie noch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt gute und schlechte Praktika, sicher auch nützliche und nutzlose. Demnächst soll es also faire und unfaire Praktika geben.

Ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass Praktika grundsätzlich sinnvoll sind, weil junge Leute sich dabei ausprobieren können, Erfahrungen in Tätigkeiten und

Berufsfeldern sammeln, in denen sie später vielleicht tätig sein werden. Unternehmen und Verwaltungen können junge Leute kennenlernen, die vielleicht einmal dort arbeiten werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber fair sollten sie auch sein!)

Doch das Schreckensszenario, das hier teilweise an die Wand gemalt wird – nämlich dass die Praktikanten jetzt die modernen Tagelöhner sind

(Zurufe von der SPD)

und dass man durch ihre Beschäftigung reguläre Fachkräfte entlassen kann –, geht doch ziemlich an der Realität vorbei.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Brangs, Sie scheinen sich ja gut bei uns auszukennen. Wenn Sie in der SPD Praktikanten nicht ordentlich behandeln, dann ist das Ihr Problem. Aber wir behandeln unsere Praktikanten ganz ordentlich.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es wird vergessen, dass ein Praktikum für denjenigen, der den Praktikumsplatz anbietet, auch Aufwand bedeutet. Denn wer einen Praktikanten ordentlich betreut, stellt einen Arbeitsplatz und Personal zur Verfügung, sodass ein Praktikant auch etwas lernt, in das Betriebsgeschehen einbezogen wird und die Chance erhält, tatsächlich etwas aus diesem Praktikum mitzunehmen.

Damit bin ich bei Herrn Gerstenberg. Natürlich geht es nicht darum, einen Praktikanten zum Kaffeekochen und Kopieren einzusetzen. Das wäre für mich in der Tat ein unfaires Praktikum. Aber allein am Geld festzumachen, ob etwas fair oder unfair ist, geht meiner Meinung nach ziemlich an der Praxis vorbei.

In beiden Anträgen kann ich im Übrigen sehr wenig zur Qualität des Praktikums finden. Sie machen alles am Geld fest. Der Nutzen eines Praktikums, meine Damen und Herren, besteht doch nicht nur im Geld. Er besteht doch in der Erfahrung, die man dabei sammelt. Er besteht darin, dass man interessante Kontakte knüpft und dass man vielleicht eine Brücke in einen späteren Job bekommt.

Wenn ich mir anschaue, was so gefordert wird, zumindest bei der Linksfraktion: 800 Euro netto, bei welcher Stundenzahl bleibt erst einmal offen, 800 Euro für Hochschulabsolventen! Ich glaube, meine Damen und Herren, Sie haben manchmal das Gefühl für die Löhne in diesem Land verloren. Gerade wenn Sie sich immer für die kleinen Leute einsetzen wollen, muss ich Sie fragen: Wissen Sie eigentlich, was eine Friseuse oder eine Verkäuferin, die in Vollzeit arbeitet, in diesem Land verdient?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)