Wir sind uns einig darüber, dass es schwarze Schafe gibt, die Praktikanten missbrauchen. Aber wir sind uns sicher auch darin einig, dass das eher die Ausnahme als die Regel ist.
Sofort, ich möchte nur meinen Satz zu Ende bringen. – Deswegen gleich eine neue Bürokratie, eine neue Regelungswut zu schaffen ist überflüssig.
Verehrter Herr Kollege Herbst, können Sie sich erinnern, dass es die Linksfraktion war, die schon mehrfach in diesem Hohen Hause beantragt hat, dass sich Sachsen für die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne einsetzt?
Zweitens: Können Sie uns bitte noch einmal das Abstimmungsverhalten der FDP zu diesen Anträgen mitteilen?
Das bereitet mir überhaupt keine Probleme. Wir sind nicht der Meinung, dass Arbeitsplätze in Sachsen durch die Einführung eines Mindestlohnes vernichtet werden sollen.
Das können Sie im Protokoll nachlesen. Lassen Sie mich ergänzen: Ich glaube nicht, dass wir den Praktikanten helfen, indem wir einen flächendeckenden Einheitspraktikantentarifvertrag schließen. Ich glaube nicht, dass den Praktikanten damit geholfen wäre. Das Ergebnis wäre nämlich ganz anders: Es würden nicht mehr und fairere Praktika angeboten, sondern es würden weniger Praktika angeboten. Das hilft keinem weiter, meine Damen und Herren.
Gibt es noch Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte die Staatsregierung. Herr Minister Tillich, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung hat im Zusammenhang mit den Anträgen von Linksfraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den letzten Monaten immer
wieder betont, dass die Durchführung von fairen Praktika in den Ministerien und den anderen Landesbehörden Grundsatz ist.
Die GRÜNEN ersuchen die Staatsregierung, für die Durchsetzung von Standards für faire Praktika im Rahmen von Selbstverpflichtungen und rechtlichen Regelungen initiativ zu werden; die Linksfraktion spricht sich dafür aus, bei der Gestaltung von Praktika die Anforderungen des von der DGB-Jugend erarbeiteten Leitfadens für ein faires Praktikum zugrunde zu legen.
Die geforderten Standards und Regelungen sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend Inhalt der Arbeit mit Praktikanten. Herr Brangs hat darauf hingewiesen: 2005/2006 kamen in den Staatsministerien und anderen Landesbehörden jährlich um die 5 000 Praktikanten zum Einsatz. Diese bewerben sich in der Mehrzahl eigeninitiativ. Der Einsatz der Praktikanten erfolgt überwiegend, Herr Gerstenberg, im Rahmen der jeweils geltenden Ausbildungs-, Prüfungs- und Studienordnungen und dauert in der Regel nicht mehr als drei Monate. – Frau Lay hatte gesagt, dass die Regeln des DGB auch drei Monate vorsehen.
Praktikumsverträge und Praktikumszeugnisse sind nicht generell vorgeschrieben, werden aber in der Regel erstellt, um den Praktikanten Nachweismöglichkeiten zu geben.
Die Mehrzahl der Praktika erfolgt als Bestandteil einer Schul- bzw. Hochschulausbildung. Die Behörden sind dabei bestrebt, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten möglichst vielen Bewerbern ein Praktikum zu ermöglichen, um zu einer erfolgreichen Ausbildung der jungen Menschen beizutragen.
In den Ministerien und nachgeordneten Behörden erfolgt der Einsatz der Praktikanten – so wie Sie, Herr Gerstenberg, es vorgetragen haben – parallel zum laufenden Dienstbetrieb. Praktikanten ersetzen also keine regulären Beschäftigten. Dies ist und war nie vorgesehen. Damit kommen wir der Anforderung nach, dass ein Praktikum vor allem dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen dient.
Praktikantenvergütungen werden gewährt, soweit tarifrechtliche Regelungen bestehen. Existieren diese nicht, so gelten für den Freistaat die Praktikantenrichtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Der Freistaat Sachsen ist als Mitglied dieser Tarifgemeinschaft deutscher Länder an die Praktikantenrichtlinien gebunden, die gewisse einheitliche Standards auf Länderebene setzen. Nach diesen Richtlinien kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergütung gezahlt werden. Von dieser Möglichkeit wird in einigen Landesbehörden auch Gebrauch gemacht, wenn ein besonderes Interesse an der Beschäftigung des Praktikanten besteht und Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stehen. Bei einer solchen Kannbestimmung sollte es nach unserer Auffassung bleiben. Die bestehenden tariflichen und außertariflichen Regelungen hält die Staatsregierung insgesamt für angemessen.
Der von der Linksfraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgestellten Forderung nach einer monatlichen Aufwandsentschädigung von 250 bzw. 300 Euro für jeden Praktikanten können wir aus folgenden Gründen nicht folgen:
Erstens: Im Haushalt wären jährlich 2 bis 4 Millionen Euro zusätzlich dafür erforderlich. Vor dem Hintergrund des Stellenabbaus und der damit verbundenen Einschnitte in den Personalhaushalten wäre dies kaum vertretbar.
Zweitens: Durch eine Pflichtvergütung würde sich die Zahl der Praktikumsplätze erheblich verringern. Das wiederum würde die ohnehin engen Möglichkeiten eines Berufszugangs der jungen Menschen weiter einschränken. Ob das im Interesse der Praktikanten läge, möchte ich bezweifeln.
Drittens ist der Freistaat, wie bereits gesagt, an die Praktikantenrichtlinie der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder gebunden.
Die Staatsregierung ist aber gern bereit, so wie Sie, Herr Gerstenberg, für die Bereitstellung von ausreichenden Praktikumsplätzen im Bereich des privaten und öffentlichen Sektors weiter zu werben.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er hat gerade zugegeben, dass man bezahltes Personal gegen unbezahltes Personal austauscht!)
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es relativ kurz machen. Herr Staatsminister Tillich, ich stimme Ihnen zu, dass die Praktika in der Staatsregierung und den nachgeordneten Behörden in der Regel sicher nach ordentlichen Kriterien verlaufen. Uns geht es aber auch um die Fälle, die nicht in der Regel sind, das heißt um die Ausnahmefälle. Es gibt durchaus noch Möglichkeiten, dort zu handeln – sowohl was Verträge als auch was Betreuung und Praktikalaufzeiten betrifft.
Die Frage der Aufwandsentschädigung ist natürlich eine zentrale Frage. Herr Herbst hat völlig unrecht, wenn er sagt, dass wir mit unserem Antrag alles am Geld festmachen. Ich reiche der FDP-Fraktion gern einmal die Selbstverpflichtung und die Richtlinien unserer Fraktion für Praktika herüber – da ist Geld nur ein Punkt unter vielen; da geht es um die Rechte der Praktikanten, um Betreuungsrechte, um Verträge oder um Zeugnisse, die am Ende des Praktikums auszustellen sind.
Das sind Dinge, mit denen man sich einmal beschäftigen und zu solchen Erkenntnissen kommen muss. Wir würden gern die Lücken in den Ministerien und in der Staatsverwaltung auffüllen, die dort noch vorliegen.
Was mich empört hat, ist genau dieser Fall: dass keine Bereitschaft besteht, wenn keine tarifvertraglichen Verhältnisse vorliegen, in einer Selbstverpflichtung Aufwandsentschädigung zu zahlen. Natürlich kostet das zusätzliche finanzielle Mittel, aber das ist der Punkt, den wir überwinden müssen; denn gerade junge Leute in der Ausbildungsphase sind extrem darauf angewiesen, auch dort finanzielle Unterstützung zu erhalten. Da ist einfach ein Umdenken notwendig.
Ich möchte an dieser Stelle schließen. Ich freue mich sehr, dass von den Koalitionsfraktionen zumindest eine Zustimmung zum ersten Teil unseres Antrages signalisiert wird. Da stehen die „harten Bedingungen“ der Praktika nicht drin, aber der Begriff „faire Praktika“ ist eigentlich in der deutschland- und mittlerweile auch europaweiten Diskussion so weit ausgefüllt, dass gerade dieser Teil des Antrages sehr hilfreich für die Staatsregierung ist, in ihren Bereichen die noch existierenden Lücken zu schließen und insgesamt zu fairen Verhältnissen zu kommen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Patt, ich könnte jetzt natürlich auf Ihren Redebeitrag eingehen und mit Ihnen streiten und auf die Anwürfe gegen die Linke entgegnen.
Ich muss aber sagen, ein Dankeschön hätte auch gereicht. Freuen Sie sich doch, dass ich es war, die mit ihrer Kleinen Anfrage diese Debatte überhaupt erst angestoßen hat; und wie Sie sehen, war es nicht ganz ohne Erfolg. Denn wie es ausschaut, werden wir heute mit den Stimmen von Koalition, GRÜNEN und auch der Linken zumindest einige Regelungen beschließen, die ein Schritt in die richtige Richtung sind. Ich hätte mir mehr gewünscht, aber immerhin.
Die Anträge von GRÜNEN und Linksfraktion sind im Detail unterschiedlich, sie atmen aber den gleichen Geist. Wir werden deswegen nicht nur unserem Antrag, sondern auch dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Und ich werbe dafür, dem Antrag der GRÜNEN im zweiten Teil zuzustimmen – auch Sie, Herr Brangs – und auch unserem Antrag; denn der zweite Teil des GRÜNEN-Antrages und unser Antrag sind im Kern identisch.
Wir wollen – darauf beharren wir – eine angemessene Vergütung von Praktikantinnen und Praktikanten errei
chen. Das muss keinen Abbau von Praktikumsplätzen bedeuten. Die Vergütungen sind im Rahmen dessen, was der Landtag der Verwaltung zur Mittelbewirtschaftung bewilligt hat, möglich. Das sieht unser Antrag vor und deswegen stellen wir ihn zur Abstimmung. Ich werbe hiermit um Zustimmung zu unserem Antrag und damit für eine angemessene Vergütung von Praktikantinnen und Praktikanten.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll der Antrag der GRÜNEN in Punkt I und Punkt II geteilt werden.
Somit rufe ich den Antrag in Drucksache 4/8182, Antrag der Fraktion GRÜNE, auf und lasse abstimmen über Punkt I. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Es gab Einstimmigkeit, sehr erfreulich.
Ich rufe Punkt II desselben Antrages auf. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keiner Stimmenthaltung und einer Anzahl von Stimmen dafür ist Punkt II dennoch abgelehnt worden.