Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Tagesordnungspunkt 6

2. Lesung des Entwurfs Sächsisches Gesetz zur Verhinderung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung und zur Errichtung eines Korruptionsregisters (Sächsisches Antikorruptionsgesetz)

Drucksache 4/8210, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 4/10191, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im

Frühjahr 2007 war das Erschrecken groß: schwarze Kassen beim Bau der A 72. Der Schaden für den Freistaat liegt immer noch im Dunkeln, die Rede ist bisher von 27 Millionen Euro. Beim Bau der A 72 haben STRABAG und Subunternehmer in betrügerischer Weise kooperiert. Ermittelt wird nach Presseberichten gegen 65 bis 70 Personen, beschuldigt sind auch Mitarbeiter staatlicher und kommunaler Behörden. Es gibt zwischenzeitlich

Anklagen und erste Verurteilungen. Es geht um Betrug, Insolvenzverschleppung und Nichtabführung von Arbeitnehmerversicherungsbeiträgen.

Die Aufklärung gestaltet sich schwierig. Die Staatsanwaltschaft leistet hierbei sicher sehr gute Arbeit; aber es ist klar: Ein Firmengeflecht mit einer Vielzahl von Subunternehmen und Sub-Subunternehmen und einer Häufung von Firmenpleiten lässt sich sehr schwer auflösen. Korruption hat wenige Nutznießer, geht aber zulasten aller. Wenige bereichern sich an öffentlichen Investitionsgeldern. Wenn es kein konkretes Opfer gibt, fehlt der Justiz der klassische Zeuge, um die Tat aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft ist auf Hinweise aus dem „Geflecht“ angewiesen. Es ist von einem enormen Dunkelfeld auszugehen; die Nichtregierungsorganisation Transparency spricht von einer Dunkelziffer von circa 95 %.

Meine Fraktion sieht dabei die Notwendigkeit, gesetzgeberisch zu reagieren. Wir haben bereits im März einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zwei Zielrichtungen verfolgt: Zum einen werden verwaltungsorganisatorische Maßnahmen, zum anderen wird ein Korruptionsregister auf Landesebene eingeführt. Die Diskussionen in den Ausschüssen beschränkten sich auf den letzteren Punkt – zu Unrecht. Das Vertrauen auf wirksame verwaltungsinterne Mechanismen ist durch aktuelle Skandale massiv erschüttert. Wir halten es daher sehr wohl für angemessen, wichtige Prinzipien der Korruptionsvorbeugung gesetzlich festzuschreiben. Beispielhaft genannt seien die Zuständigkeitstrennung, das Vieraugenprinzip und die Rotation.

Die Verwaltungsvorschrift „Korruptionsvorbeugung“ der Staatsregierung ist völlig ungenügend.

Erstens. Vorschriften zu Verwaltungsabläufen sind lediglich als Sollvorschriften ausgestaltet, so das Vieraugenprinzip. Personalauswahl und Rotation richten sich nach den „Anforderungen des Arbeitsplatzes“ und der „Qualifikation des vorhandenen Personals“.

Meine Damen und Herren! Korruptionsprävention ist aber kein Luxus, den man sich in Zeiten des Personalabbaues nicht leisten kann. Die interne Analyse der Stadtverwaltung Chemnitz, ausgelöst durch die Ermittlungen zu Betrug und Bestechung beim Bau der A 72, hat offenbart, dass mangelhafte Verwaltungsabläufe zum Beispiel zu deutlich erhöhten Kosten für den Bau des sogenannten Überfliegers an der Neefestraße geführt haben. Konstatiert werden unzureichende Kontrolle der Arbeit, unkonkrete Arbeitsanweisungen sowie mangelhafte Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Die Aktenführung war mangelhaft, über Dienstanweisungen und anderes zur Korruptionsvorbeugung wurde nicht belehrt. Diese Zustände sind, wie wir alle wissen, keine Einzelfälle. Weiteres Manko der Verwaltungsvorschrift „Korruptionsvorbeugung“: Die Anwendung dieser Vorschriften wird den der Aufsicht des Freistaates unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen nur empfohlen.

Nun zum zweiten Teil unseres Gesetzentwurfes im Korruptionsregister. Herr Staatsminister Jurk wollte im

Frühjahr ein solches Projekt auf den Weg bringen. Bisher liegt immer noch kein Gesetzentwurf vor, nicht einmal ein konkreter Zeitplan. Die rechtspolitische Bedeutung eines Korruptionsregisters liegt zum einen in der Schutzwirkung der Verwaltung vor Korruption durch den Ausschluss unzuverlässiger Unternehmen. Damit werden die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gesichert und die öffentlichen Haushalte – und damit auch die Steuer zahlenden Bürgerinnen und Bürger – vor Vermögensschäden geschützt. Zum anderen ergibt sich eine Wirkung auf das eingetragene Unternehmen, da sich dieses bemühen wird, Zuverlässigkeit zu beweisen, um wieder Aufträge zu bekommen. Damit wird ein Anreiz geschaffen, im Unternehmen strukturelle Reformen durchzuführen, die Korruption verhindern.

Es ist auch gewollt, dass der Eintrag zur Verringerung von Erwerbschancen führen wird. Das Register soll abschreckend wirken. Unternehmen sollen es sich genau überlegen, ob sie Straftaten begehen und damit einen Eintrag riskieren. Die Eingriffsqualität in das Grundrecht laut Artikel 12 bestreiten wir nicht; aber das Grundrecht gilt nicht schrankenlos. Gerade auch der Schutz der Wettbewerber vor Korruption rechtfertigt diesen Eingriff.

Kritisiert wurde im Ausschuss unser Vorschlag einer Verdachtseintragung mit Zulassung der Anklage. Festzuhalten bleibt, dass es einer rechtskräftigen Verurteilung oder einer anderweitigen bestandskräftigen Entscheidung für einen Ausschluss von Vergaben nicht bedarf. Die Rechtsprechung lässt es genügen, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes bestehen. Die Frage ist natürlich, inwieweit dieser Verdacht zu qualifizieren ist. Die Denunziation eines Mitbewerbers reicht nicht aus. Nach unserem Gesetzentwurf ist die Entscheidung durch ein unabhängiges Gericht maßgeblich. Eine solche Regelung ist bereits in Kraft: in Nordrhein-Westfalen mit § 15 Abs. 2 Ziffer 1 Korruptionsbekämpfungsgesetz.

Meine Damen und Herren! Diese Fragen sind im Ausschuss bereits ausführlich diskutiert worden. Ich möchte das aus Zeitgründen abkürzen, aber ich will Ihnen noch einmal ans Herz legen: Wir haben mit diesem Gesetzentwurf die Chance, sowohl die Wettbewerber vor sich selbst zu schützen als auch – wirksamer als bisher – Schaden vom öffentlichen Haushalt abzuwenden.

Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Rasch.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Korruption ist in Sachsen derzeit ein populäres Thema, mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen. Besonders in den Reihen der Opposition, das muss man sagen, wurde das Schreckgespenst des

korrupten Beamten durch alle Amtsstuben und alle Verwaltungsebenen getrieben und ein Sumpf aus Korruption und Anrüchigem im Freistaat ausgebreitet. Was davon tatsächlich geblieben ist, lesen wir derzeit in den Zeitungen.

(Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch und Klaus Bartl, Linksfraktion)

Am Ende wird, mein lieber Herr Porsch, die Linksfraktion froh sein müssen, wenn diese Schmutzwelle nicht auf sie zurückrollt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Oh, oh, oh!)

Zweifelsohne – darin gebe ich Herrn Gerstenberg im Grundsatz recht – ist die öffentliche Verwaltung in hohem Maße das Ziel von unlauteren Angeboten und Korruptionsversuchen, sind doch öffentliche Aufträge aufgrund ihres Umfanges, der bestehenden Sicherheiten des Auftraggebers und dessen Zahlungsfähigkeit für viele Unternehmen interessant. So ist es nicht verwunderlich, wenn 75 % aller Korruptionsversuche die öffentliche Verwaltung betreffen und zwei Drittel aller festgestellten Fälle in Verbindung mit öffentlichen Aufträgen, insbesondere Bauaufträgen, stehen. – So weit die Sachverhalte.

An dieser Stelle lege ich jedoch erst einmal Wert darauf festzustellen, dass die Staatsregierung wesentliche Regelungen und praktische Vorkehrungen getroffen hat. Herr Dr. Gerstenberg hat zumindest anerkannt, dass diese Regelungen vorhanden sind. Bisher ist ja häufig so diskutiert worden, als gäbe es das überhaupt nicht. Wie man diese nun bewertet, ist eine andere Frage. Ich denke, dass diese Verwaltungsvorschrift vom Mai 2002 – mir ist sie besonders in Erinnerung, weil ich als einen der ersten Akte im Staatsministerium des Innern diese Verwaltungsvorschrift erlassen habe – im Zusammenhang mit dem Verhaltenskodex zu sehen ist, der untersetzt, was daraus an praktischen Folgerungen für die Verwaltung zu gestalten ist. Wenn man dann noch sieht, dass auch Erfahrungen der Bundesländer und des Bundes mit in das Verwaltungshandeln einfließen, wenn es um Korruptionsprävention geht, dann muss man erst einmal feststellen, dass Wesentliches getan wird.

Trotzdem bleibt es bei dem Sachverhalt der grundsätzlichen Gefährdungssituation. Aber allein das Wissen, dass dieses Risiko von Korruption im Verwaltungsalltag nicht ausgeschlossen werden kann, gibt uns noch lange nicht das Recht, die öffentliche Hand unter Generalverdacht zu stellen und Auftragnehmer öffentlicher Aufträge ohne richterliche Feststellung von Korruption vorzuverurteilen und sie von den öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht genau dies vor. Bereits die Zulassung einer Anklage, deren Gehalt und Schlüssigkeit keinesfalls umfassend geprüft ist, führt nach dem Gesetzentwurf dazu, dass der Angeklagte für die Dauer eines Strafverfahrens von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen wird. Damit werden ihm aber eindeutig grundgesetzliche Rechte beschnitten; denn ohne Schuldnach

weis und gerichtliche Feststellung der Verfehlung einen Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe zu praktizieren bedeutet aus unserer Sicht eine Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung. Darüber hinaus kommt diese Maßnahme de facto einem teilweisen Berufsverbot gleich und steht im Gegensatz zu Artikel 12 Grundgesetz.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, beinhaltet der Gesetzentwurf auch unverhältnismäßige Regelungen, die aus meiner Sicht so nicht zu akzeptieren sind. So soll ein Auftragnehmer für drei Jahre von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, wenn gegen ihn ein Verfahren nach § 153a der Strafprozessordnung wegen geringer Schuld eingestellt wurde. Die Strafprozessordnung sieht hierfür verschiedene Formen der Wiedergutmachung vor und beendet damit das Verfahren. Der Betroffene erhält also Gelegenheit, sich selbst durch sein Verhalten zu rehabilitieren; und Sie wollen ihn dafür erst einmal für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausschließen und somit unter Umständen seine Existenz gefährden. Dies kann wohl kaum das rechte Maß sein, meine Damen und Herren.

Rechtsunsicherheit provoziert der Gesetzentwurf darüber hinaus auch in der Frage, wer denn nun von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden soll. So könnte nach den Regelungen des Gesetzentwurfs ein gesamtes deutschland- oder europaweit tätiges Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, nur weil eine unselbstständige oder eine selbstständige Niederlassung von einem Korruptionsfall betroffen ist. Verhältnismäßig ist das – nach meinem Dafürhalten jedenfalls – nicht.

Für nicht verhältnismäßig halte ich auch den grundsätzlichen Ausschluss für einen Zeitraum von drei Jahren ohne irgendeine Differenzierung nach der Schwere des Verstoßes.

Nicht besonders schlüssig ist die Definition korruptionsgefährdeter Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Welche Bereiche sind also davon betroffen und welche nicht? Wo zieht man die Grenze?

Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter dieser Bereiche noch aller fünf Jahre ausgetauscht werden. Welchen Personal- und Qualifizierungsaufwand das unter Umständen nach sich zieht, wird völlig außer Acht gelassen. Ich will es deutlich machen: Personalrotation ist durchaus ein geeignetes Instrument zur Korruptionsvorbeugung, nur kann sie, meine Damen und Herren, nicht schematisch gesetzlich normiert werden.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen bleibt nur festzustellen, dass wir den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht für geeignet halten, Korruption in Sachsen zu bekämpfen und ein Korruptionsregister einzuführen. Die Staatsregierung arbeitet nach unseren Informationen ohnehin an einem eigenen Gesetzentwurf, der – so hoffe ich – die geäußerten Bedenken ausreichend berücksichtigt und die rechtliche Basis für

unser gemeinsames Ziel, die Korruptionsverhinderung in der öffentlichen Verwaltung, fortentwickelt.

Ich möchte die Staatsregierung bitten, den Entwurf zeitnah in den Sächsischen Landtag einzubringen.

(Beifall bei der CDU – Antje Hermenau, GRÜNE: Das versprechen Sie ein halbes Jahr!)

Die Linksfraktion, bitte. Herr Abg. Zais.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle waren oder sind sich in diesem Hohen Haus einig: Wir müssen etwas gegen Korruption im Freistaat Sachsen tun.

(Heinz Lehmann, CDU: In Chemnitz!)

Der Sumpf ist groß, wie Herr Gerstenberg richtig erklärte. – Herr Lehmann, ja, auch in Chemnitz, so hat er berichtet. – Ich glaube, keiner widerspricht. Sachsen steht seit Monaten in der Kritik und die Vorfälle häufen sich eher, als dass sie abnehmen.

Zum dritten Mal sprechen wir heute im Hohen Haus über die Errichtung eines landesweiten Korruptionsregisters oder über ein, wie die Grünen-Fraktion es nennen will, sächsisches Antikorruptionsgesetz. Im Mai 2007 haben wir mittels Anträgen der Fraktionen Konsens darüber erreicht, dass sich die Staatsregierung über ein eigenes Gesetz – es soll Zuverlässigkeitsgesetz heißen, so hörten wir im Wirtschaftsausschuss, besser: Gesetz für ein Landeskorruptionsregister – verstärkt dafür einsetzen will, dass auch ein bundesweites Korruptionsregister geschaffen wird.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ausrede!)

Ich würde jetzt sagen: Richtig! Ja, ich sehe das auch so. – Das war im Mai 2007. Seitdem ist vonseiten der Koalition nicht wirklich etwas geschehen, sieht man von der Unterrichtung des Wirtschaftsministers ab, dass ein Brief an Frau Zypries und Herrn Glos geschrieben wurde. Das wurde uns am 11. Juli 2007 öffentlich mitgeteilt. Seit dieser Nachricht ist Stille.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ein halbes Jahr!)

Das ist leidenschaftsloser Kampf gegen Korruption in Sachsen. Das nenne ich einfach peinlich, ja, das ist beschämend.

(Beifall bei der Linksfraktion – Antje Hermenau, GRÜNE: Der Kampf ist Kampfvortäuschung!)

Korruption führt zu Arbeitslosigkeit und zu Lücken im Staatshaushalt durch Steuerausfälle und trifft damit Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen.