Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Wenngleich wohl die Zielsetzung der Gesetzesvorlage begrüßenswert ist und auch Ansätze vorhanden sind, die durchaus die Zustimmung der NPD-Fraktion finden, was beispielsweise Offenlegungspflichten und das sogenannte

Vieraugenprinzip angeht, so weist der Entwurf handwerklich eklatante Mängel auf. Bedauerlicherweise finden sich diese Mängel ausgerechnet in den rechtsstaatlich sensibelsten Bereichen des Gesetzentwurfes. Dies macht eine Zustimmung für die NPD unmöglich.

Die Lektüre des Protokolls der Sachverständigenanhörung unterstreicht dieses Problem überdeutlich. Dort wird darüber hinaus in erster Linie eine bundesweite Regelung anstelle einer landesweiten Teillösung empfohlen. Wenn es aber in diesem Haus schon zu einer Entscheidung über eine Teillösung auf Landesebene kommt, hätte sich die NPD-Fraktion gewünscht, diesen Gesetzentwurf vergleichend mit einer Vorlage der Staatsregierung behandeln zu können. Wer sich an den Koalitionsvertrag zwischen sächsischer CDU und SPD erinnert, der weiß, dass regierungsseitiges Handeln zur Korruptionsproblematik angekündigt war. Jedoch blieb es bei der üblichen Ankündigungsrhetorik.

Doch zurück zur Problematik des Entwurfs der GRÜNEN. Die Sachverständigen Nellessen und Stübner haben überzeugend dargelegt, dass den §§ 8 und 9 des Gesetzentwurfes in der vorgelegten Fassung nicht zuzustimmen ist. Da es sich hierbei – ich spreche von der Eintragung ins Korruptionsregister und den daraus resultierenden Folgen – um Eingriffe in die Grundrechte handelt, wird die NPD-Fraktion einer Registereintragung, also einem De-facto-Ausschluss von der Auftragsvergabe aufgrund nur eines Anfangsverdachtes, nicht zustimmen. Dies betrifft die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfes vorgesehene Regelung, dass bereits nach Zulassung der Anklage ein als Eintragungsvoraussetzung definierter Verstoß als schon begangen angesehen wird.

Die NPD lehnt dies erstens mit Blick auf die Konsequenzen für die in Mitleidenschaft gezogenen Arbeitnehmer, zweitens mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip der Unschuldsvermutung und drittens mit Blick auf nicht kalkulierbare nachfolgende Schadensersatzansprüche ab.

Auf die Unverhältnismäßigkeit eines dreijährigen Ausschlusses von der Auftragsvergabe im Falle einer Verfahrenseinstellung nach § 153a der Strafprozessordnung möchte ich aus Gründen der Redezeit nicht näher eingehen, aber die diesbezügliche Kritik der Sachverständigen zumindest kurz ins Gedächtnis rufen.

Ich möchte noch auf den ebenfalls von den Sachverständigen angesprochenen Sachverhalt der Exkulpierungsmöglichkeiten eingehen. § 9 des Gesetzentwurfes regelt die Eintragungs- und Löschungsmodalitäten des Korruptionsregisters. Die NPD-Fraktion kritisiert, dass in § 9 Abs. 3 die vorzeitige Löschung auf Antrag als Kannbestimmung seitens der Informationsstelle geregelt ist. Gerade im Zusammenhang mit der Korruptionsbekämpfung, bei der auch an die Behörden gedacht werden muss, halten wir es für unmöglich, wesentliche Entscheidungen der Subjektivität der Verwaltungsbeamten zu unterwerfen. Hier stellt sich auch die Frage, inwieweit mit dieser Regelung dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung getragen werden kann.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die NPD-Fraktion spricht sich eindeutig für ein Antikorruptionsgesetz aus, allerdings nicht auf Landes-, sondern auf Bundesebene. Vor allem wollen wir ein Antikorruptionsgesetz, das rechtsstaatlichen Grundsätzen Rechnung trägt.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Aus den genannten Gründen können wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN nicht zustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wünscht die FDP das Wort? – Das ist nicht der Fall. Gibt es weitere Wortmeldungen in der Diskussion? – Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Es ist – das hat Kollege Zais zum Ausdruck gebracht – für uns überhaupt keine Frage, dass das Gesetzesanliegen vollumfänglich zu begrüßen ist. Und wenn wir keinen Einfluss darauf haben, dass auf Bundesebene in absehbarer Zeit ein solches Gesetz zustande kommt, müssen wir als Landesgesetzgeber handeln. Ob wir nun aus anderen Ländern in puncto Korruption herausragen oder nicht, ist dabei egal. Es ist ein ernst zu nehmendes wirtschaftspolitisches, gesellschaftspolitisches und kriminalpolitisches Problem. Deshalb müssen wir auf diesem Gebiet handeln. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Zweitens. Wir wissen alle, dass die Frage der Teilhabe an öffentlichen Ausschreibungen gerade für Unternehmen in Ostdeutschland, im Freistaat Sachsen teilweise existenziell ist. Wir haben in nicht wenigen Territorien, wie zum Beispiel dem Erzgebirge, Baufirmen, die zu nahezu 80 oder 90 % ihre Existenz nur darauf gründen, dass sie an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können, sehr oft auch Ausschreibungen in den alten Bundesländern oder im Ausland. Wenn es eben nicht die Möglichkeit gibt, teilzuhaben oder Ähnliches mehr, wird das Unternehmen nicht weiter existieren können.

Drittens. Umso mehr muss ich bei dem Anliegen, das ich gewissermaßen mit dem Gesetz verfolge, versuchen, einen Einklang herbeizuführen zwischen dem wirtschafts-, straf- und gesellschaftspolitischen Anliegen der Korruptionsbekämpfung und der Frage des verlässlichen Schutzes der entsprechenden Persönlichkeitsrechte oder Rechte, die meinethalben Verfassungsrang haben oder Unternehmen zukommen können und Ähnliches mehr.

Dort liegt einfach das Problem, weshalb wir, Kollege Dr. Gerstenberg, händeringend darum gebeten hatten – in dem Fall war es Kollege Lichdi im Ausschuss, meines Wissens, oder auch Sie –, doch einfach die zwei, drei Bestimmungen zu streichen, die uns beschweren, die es der SPD und der CDU sehr leicht machen, den Gesetzentwurf abzulehnen,

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

den sie eigentlich ablehnen, weil er nicht von ihnen selbst kommt. In diesem Haus werden regelmäßig Gesetzentwürfe deshalb abgelehnt, weil sie nicht von der Koalition sind. Das ist die allgemeine Übung, die Leibesübung. Das wissen wir doch alle gemeinsam. Der Rest ist nur Ausrede. Aber nichtsdestotrotz haben wir keinen Bock, Ihnen die Ausreden so leicht zu machen.

Das ist die Frage, weshalb ich nicht nur aus taktischen, sondern auch aus prinzipiellen Gründen mein Problem mit dem § 8 habe, wie es verschiedene Kollegen vorher auch schon ausgeführt haben.

Sie haben ja völlig recht, Kollege Dr. Gerstenberg: Wenn ohne vernünftigen Zweifel festgestellt ist – das haben Sie vorhin gesagt –, dass das betreffende Unternehmen, die entsprechenden Verantwortlichen sich in Handlungen verstrickt haben, die im Bereich der Aufzählung, das will ich einfach einmal sagen, des Absatzes 1 drin sind, also von Bestechung über Entgegennahme von Vorteilen, Kreditbetrug, Untreue etc. pp., dann bin ich durchaus der Auffassung, soll es das Register a) aufschreiben, damit man es bei der Vergabe berücksichtigen kann, und es soll b) andere abschrecken, solche Handlungen zu begehen, also präventiv sein. Aber keinen vernünftigen Zweifel mehr hat erst das Gericht.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Richtig!)

Die wesentliche Frage, wo ein Gericht entscheidet, ist, dass ich im Zeitpunkt der Urteilssprechung als Richter, als Beisitzer, als Schöffe keinen vernünftigen Zweifel mehr haben darf, dass die Sache gewissermaßen anders zu bewerten ist als im Sinne der Anklage. Einen Richter, der vorher schon ohne vernünftigen Zweifel in eine Verhandlung gehen würde, muss man wegen Voreingenommenheit ausschließen. Der darf überhaupt nicht an der Verhandlung teilnehmen.

Ergo kann ich doch nicht die Frage „kein vernünftiger Zweifel mehr“ auf die Anklage vorverlegen. Das geht schlechterdings nicht. Im Zeitpunkt der Anklageerhebung erhebt die Staatsanwaltschaft die Anklage, wenn sie einen begründeten Verdacht hat und wenn sie davon ausgeht, dass der Verdacht im Verfahren belegbar sein wird. Aber wir haben einen erheblichen Prozentsatz im Freistaat Sachsen, der bei 20 bis 25 % liegt, bei dem sich eben letzten Endes die Anklage nicht bestätigt und es einen Freispruch gibt.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Bitte?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Dann wird sie gar nicht zugelassen!)

Ja, die Frage ist nur: Wenn das Verfahren, was ja bei uns nicht selten ist, über die Instanzen drei Jahre dauert, dann ist der drei Jahre drin.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Drei Jahre!)

Fragen Sie doch einfach mal die Verteidiger, wie lange im Durchschnitt ein Verfahren dauert, wenn ich in das Rechtsmittel gehe. Unter einem Jahr bin ich bei keinen Wirtschaftsstraftaten mit allem durch, weil gerade unsere Wirtschaftsstrafkammern stark überlastet sind. Das ist ja die nächste Frage: die Besetzung dieser Kammern.

Deshalb ist das Problem eben die Frage des § 8 Abs. 2 Ziffer 1 „Zulassung der Anklage“. Das geht nicht.

Das Nächste ist die Ziffer 3: „nach Erlass“, Entschuldigung, die Ziffer 4: „nach endgültiger Einstellung gemäß § 153a“. Das ist aber nun wirklich inzwischen durchgeurteilt, ausgeurteilt, einfach – wie man sagt – bibelfest. Der § 153a ist keine Schuldfeststellung.

Es ist vom Verfassungsgericht immer wieder betont worden, dass der § 153a eine Sachbehandlung ist, die mit der Zahlung einer Geldauflage zugunsten der Staatskasse oder einer gemeinnützigen Einrichtung endet. Aber es ist keine Schuldfeststellung. Der Betreffende kann jederzeit jeden verklagen, der behauptet: Du hast die Auflage bezahlt, du warst schuldig. Es ist keine Schuldfeststellung, und wenn es keine Schuldfeststellung ist, kann ich damit keine Sanktionen verknüpfen. Das tue ich aber, wenn ich auf den § 153a bezogen dann die Eintragung mache.

Letztens wollen wir Ihnen noch die Ehre geben: Sie gehen ja noch weiter. Das hat noch niemand gesagt. Im § 8 Abs. 3 wollen Sie der Informationsstelle, die das Korruptionsregister einrichtet, sogar ermöglichen – das steht hier drin –, „nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen über die Eintragung, wenn ein Geständnis des Beschuldigten oder andere Tatsachen vorliegen, die keinen Anlass zu Zweifeln am Vorliegen der Tat geben, und die Staatsanwaltschaft“ und die Ermittlungsbehörden die Ermittlungen nicht gefährdet sehen.

Das heißt, im Prinzip entscheidet ein Verwaltungsbeamter gerichtsgleich, ob nun noch ein hinreichender Zweifel am Ermittlungsverdacht besteht oder nicht. Also, ich kann schon unterhalb der Schwelle der Anklageerhebung nach Ihrem Abs. 3 den Betreffenden ins Register eintragen. Dass das nicht geht, dass das nicht hält, dass das zu enormen, ja auch amtshaftungsrechtlichen Sanktionen für den Freistaat Sachsen führen kann und dass dadurch der gute Zweck mehr oder weniger ins Gegenteil verkehrt werden kann, liegt auf der Hand.

Deshalb noch einmal unsere Bitte: Wir haben einen Änderungsantrag gemacht, wir wollen nicht gern die Klügeren sein und andere Fraktionen mit Änderungsanträgen belehren, aber hier ist er, glaube ich, geboten, um dem guten Gesetzesanliegen irgendwie voranzuhelfen und falsche Ausreden zu nehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe doch davon aus, dass uns alle im Hohen Haus das Ziel eint, Korruption in Sachsen zu bekämpfen und Maßnahmen zu ergreifen, korruptivem Verhalten sowohl aufseiten der Unternehmen als auch aufseiten der Verwaltung entgegenzuwirken.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Einigkeit besteht auch darin, dass die Einrichtung eines Registers von den Stellen, die öffentliche Aufträge vergeben, also unsere Steuermittel ausgeben, Informationen erhalten, ob derjenige Bieter, der den Zuschlag bekommen soll, zuverlässig ist, sprich: wegen einschlägiger Delikte strafrechtlich verurteilt worden ist oder nicht, eine gesetzliche Regelung erfordert.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält hierfür einige Ansätze. Er ist jedoch wegen massiver rechtsstaatlicher Bedenken nicht zustimmungsfähig. Die Debatte hat das ja gerade noch einmal hervorgebracht. Zudem schießt der Entwurf über das eigentliche Ziel hinaus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rechtsstaatlichen Probleme des Gesetzentwurfes insbesondere hinsichtlich der Regelungen im § 8 Abs. 2, nach denen eine Tat nach Zulassung der Anklage im Strafverfahren oder nach einer Einstellung gemäß § 153a Strafprozessordnung als begangen gilt und der darin liegende Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, sind bereits angesprochen worden. Ich muss das nicht vertiefen.

Die im Gesetzentwurf aufgeführten Straftaten und Verstöße sind zwar auch in Korruptionsregistergesetzen anderer Bundesländer enthalten, allerdings haben die meisten Tatbestände nichts mit Korruption und nichts mit dem öffentlichen Auftragswesen zu tun. Ein solches Register, wie das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene, stellt eine Verdoppelung des Bundeszentralregisters, aber kein Register über die Unzuverlässigkeit von Bietern in einem Vergabeverfahren dar.

Die Vorgaben im Gesetzentwurf, das Vieraugenprinzip bei Entscheidungen, eine Zuständigkeitstrennung bei Vergabe und Abrechnung von Aufträgen, die Rotation von Mitarbeitern in korruptionsgefährdeten Bereichen sowie Anzeigepflichten für die Beschäftigten, wenn Anhaltspunkte für korruptives Verhalten vorliegen, bestehen längst in Verwaltungsvorschriften und bedürfen keiner gesetzlichen Regelung. Das Gleiche gilt für die Regelung zum Sponsoring.

Interessanterweise enthält der hier vorliegende Gesetzentwurf viele Elemente des Entwurfs für ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Freistaat Sachsen, welches meine Fraktion bereits im Oktober 2002 im Sächsischen Landtag eingebracht hatte. Inzwischen sind aber einige neue Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Unser Gesetzentwurf für ein Sächsisches Zuverlässigkeitsüberprüfungsgesetz, der derzeit mit dem Normenprüfungsausschuss abgestimmt wird, wird wesentlich moderner und praktikabler, vor allem aber rechtssicher sein.

Eine solche Regelung ist längst überfällig. Dies wurde hier – wie ich meine, zu Recht – bereits mehrfach betont. Aber dieser Gesetzentwurf bedarf wegen seiner Reichweite, vor allem aber wegen der Eingriffe in die Grundrechte – schließlich führt eine Eintragung in das Register zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und kann im Extremfall zu existenziellen Problemen des Bieters führen – einer äußerst genauen und gründlichen Prüfung.

Aus Sicht der Staatsregierung ist es vorzuziehen, die grundrechtsrelevanten Probleme sauber zu durchdenken und zu prüfen, statt schnelle, aber rechtlich untragbare Lösungen zu präsentieren. Hier muss Sorgfalt vor Eile gehen, weil es um die Wahrung von Bürgerrechten geht. Aber dafür werden die beim hier vorliegenden Gesetzentwurf bemängelten Grundrechtsverstöße vermieden.