Ich glaube, ich habe zum ersten Mal 1995 hier im Landtag die Frage gestellt: Müssten wir uns nicht an bestimmten Berufsgruppen orientieren, mit denen die Tätigkeit eines Abgeordneten womöglich vergleichbar ist? Wir haben damals verschiedene Möglichkeiten genannt. Wenn ich mich recht erinnere, waren das zum einen Bürgermeister; das Beispiel wurde heute genannt. Wir haben überlegt, ob eventuell Schulleiter an Gymnasien aufgrund ihrer Zahl und der Stellung ein möglicher Bezugspunkt wären, und die dritte Möglichkeit waren in der Tat Richter am Landgericht – wegen ihrer Weisungsungebundenheit und ihrer Unabhängigkeit sowie ihrer Anzahl auf Landesebene, die mit der Anzahl der Abgeordneten vergleichbar ist.
Was aber überhaupt nicht stimmt, lieber Martin Dulig, ist die Behauptung, die Frage der gesetzlichen Rentenversicherung wäre von uns nachgeschoben worden.
Seit 1991 fordert die damalige PDS-Fraktion, heute Linksfraktion, dass die Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Diese Forderung haben wir seit Jahren erhoben, und wenn Sie hier etwas anderes behaupten, Herr Dulig, dann ist das nicht die Wahrheit.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, auf den leider weder Herr Schiemann in seinem zweiten Beitrag noch Herr Dulig eingegangen ist. Frau Lay hat darauf aufmerksam gemacht, dass wir alle für Offenlegung sind, für Offenlegung von Nebentätigkeiten. In der letzten Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses wurde ein Passus gestrichen, der die Offenlegung der Auftraggeber, der Geldgeber beinhaltete; und ich frage mich: Was ist eine Offenlegung wert, wenn man die Geldgeber nicht nennt? Nur dann kann ich nämlich feststellen, ob ein Abgeordneter eventuell bestochen wird, nicht unabhängig ist oder Lobbyismus betreibt. Wir haben Sie aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, und Sie haben es nicht für nötig gehalten. Ich habe hier den Auszug aus der Beschlussfassung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses. Hier gibt es eine Lücke; das Wort „Auftraggeber“, also der Geldgeber, ist gestrichen worden. Die Offenlegung hat aber nur dann Sinn, wenn der Abgeordnete klar sagen muss, von wem er den entsprechenden Betrag erhalten hat. Ich stelle fest, dass weder die CDU noch die SPD dazu hier Stellung bezogen hat. Das wäre ein Punkt, über den Sie sprechen sollten, und nicht uns als Linksfraktion Dinge unterstellen, die sachlich unzutreffend sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf zur Diätenerhöhung wurde vorhin bereits gesagt, warum er aus der Sicht der FDP zur Unzeit kommt, warum wir dieser Diätenerhöhung nicht zustimmen können und dass wir diesen Regelungen, die für Transparenz bei Nebentätigkeiten sorgen sollen, ebenfalls nicht zustimmen können. Dazu bin ich vom Kollegen Schiemann persönlich angesprochen worden. Lassen Sie mich dazu auf einiges hinweisen.
Mit den Regelungen über die Offenlegung von Nebentätigkeiten soll Transparenz geschaffen werden, und das dient ja nicht der Befriedigung irgendeiner Neugier einer möglichst breiten Anzahl von Kollegen oder der Öffentlichkeit. Nein, dahinter steckt etwas anderes. Dadurch soll Abhängigkeit vorgebeugt werden. Es sollen mögliche
Abhängigkeitsverhältnisse offengelegt werden, und dies dient der Sicherung der Freiheit der Mandatsausübung, sodass der Abgeordnete, unbeeinflusst von Abhängigkeiten, einzig und allein, wie die Verfassung vorschreibt, seinem Gewissen unterworfen, seinem Auftrag nachgehen kann. – Das unterschreibe ich in jeglicher Hinsicht. Mit diesem Gesetz wird das aber nicht gelingen.
Lassen Sie mich eines sagen: Das verwundert bei seiner Geschichte auch nicht. Am 30.05. ist der Gesetzentwurf vorgelegt worden. Am 10.09. fand die Anhörung statt. Dann passierte erst mal gar nichts bis zum 18.10., einem Donnerstag, an dem abends eine Neufassung des Gesetzentwurfs von der Koalition verteilt wurde.
Ein Änderungsantrag, in dem wesentliche Punkte wie die Transparenzregelungen, wie die Regelungen zum Versorgungswerk vollständig abgeändert worden sind. Am Montag, dem 22.10., wurde dieses trotz eines Antrags der Opposition, noch Zeit für die Beratung zu haben, von der Koalition einfach durchgepeitscht. Herr Bräunig, ich verstehe es beim besten Willen nicht, wie Sie dann in Ihrer Rede davon sprechen können, dass das, was in Berlin in der Diätensache laufen soll, ein Schweinsgalopp sei. Ich weiß da wirklich nicht mehr, welche Geschwindigkeitsbemessungen Sie für dieses Verfahren hier ansetzen wollen.
Zwei Jahre, richtig. Dann unterhalten wir uns etwas. Ein Gesetzentwurf kommt im Mai. Dann wird dieser vom 19. auf den 22.10. über das Wochenende mal schnell in wesentlichen Punkten abgeändert und dann bekommt man noch die dümmliche Ansage, ein zehnseitiges versicherungsmathematisches Gutachten hätte man ja über das Wochenende schnell mal durchschauen können. Es hat sich herausgestellt, dass dieses Gutachten auch noch falsch war.
Es geht bei dieser Regelung um die Sicherung der Freiheit der Mandatsausübung. Das wird uns jedenfalls gesagt und das ist auch in Ordnung. Es darf keine Abhängigkeitsverhältnisse geben, die die Mandatsausübung in ihrer Freiheit behindern. Aber was lassen sich die Koalitionäre denn hier einfallen, um das zu erreichen? Was wird denn hier offengelegt? Werden denn hier Vermögensverhältnisse und Einkünfte offengelegt? – Nein. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bleiben völlig außen vor. Kapitaleinkünfte, die oftmals einen erheblichen Umfang annehmen können, bleiben völlig unberücksichtigt.
Das steht überhaupt nicht mehr im Entwurf, ist gar nicht vorgesehen. Als ob von solchen Einkünften keine Abhängigkeiten herrühren könnten.
Herr Schiemann, wie soll denn das überhaupt funktionieren? Sie haben bestimmte Tätigkeiten und Einnahmen und von denen vermuten Sie dann, dass sie Abhängigkeiten schaffen. Sie haben vorhin selbst gesagt: Allein der Umstand, dass jemand aus einer Tätigkeit Einkünfte bezieht, ist schon geeignet, den Verdacht zu begründen, dass er abhängig ist. – Wie kommen Sie zu einer solchen Einstellung? Wer eine solche Einstellung offenbart, misstraut jedem, der neben seiner Abgeordnetentätigkeit tatsächlich noch einem Beruf – und sei es ein redlicher Beruf – nachgeht. Dieses Verständnis ist ein Verständnis, das sich nur entwickeln lässt, wenn man ausschließlich politisch tätig ist und gar nicht mehr vorhat, später vielleicht einmal im wirklichen Leben auf dem Arbeitsmarkt wieder sein Auskommen zu suchen und zu verdienen.
Es wird die Offenlegung von Tätigkeiten und der daraus erzielten Einkünfte verlangt und das trifft im besonderen Maß die Freiberufler. Es trifft auch Handwerker, es trifft jene, die in Personengesellschaften tätig sind und keine Kapital- oder Vermögenseinkünfte erzielen und die selbst einen Beitrag für ihren Unterhalt bestreiten oder nur arbeiten, um sich ihren Berufswiedereinstieg offenzuhalten.
„Anzuzeigen und zu veröffentlichen“, heißt es im Gesetzentwurf, „sind auch Einkünfte aus einzelnen Beratungs- und Vertretungstätigkeiten.“ Sie sind nicht nur anzugeben, sondern auch zu veröffentlichen. Das heißt, Sie müssen angeben, welche Beratungs- und welche Vertretungstätigkeiten Sie haben. Als ob das geeignet ist, Abhängigkeiten aufzudecken.
Das ist es nämlich nicht. – Herr Kollege Bartl, ich gebe Ihnen recht: Das ist nicht geeignet, Abhängigkeiten aufzudecken. – Denn was ist mit dem Anwalt, der Ordnungswidrigkeitsmandate annimmt, auf gut Deutsch, Menschen verteidigt, die falsch geparkt haben oder zu schnell gefahren sind? Entwickeln sich daraus Abhängigkeiten? Ist die Offenlegung solcher Mandate überhaupt geeignet, irgendwelchen Abhängigkeiten vorzubeugen?
Es werden aber nicht nur bestimmte Tätigkeiten in der Offenlegung verlangt, sondern sämtliche Tätigkeiten eines Anwalts.
Dann gibt es auch noch die schöne Frage – Frau Lay, das haben Sie offensichtlich überhaupt nicht verstanden –: Was ist mit jenen, die in ihrem Beruf nicht nur eine Verschwiegenheitsberechtigung haben, sondern die das Gesetz zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet, zum Beispiel Rechtsanwälten?
Herr Porsch, das ist juristisch ein kleiner Unterschied. Katholische Priester werden nicht von Gesetzen zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet, sondern sie können Verschwiegenheitsrechte für sich in Anspruch nehmen. Das ist etwas gänzlich anderes.
Dass sie nach dem Codex Juris Canonicus von 1981 kirchenrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, ist etwas anderes. –
Lassen Sie mich aber fortführen. Es geht darum: Diese Berufsverschwiegenheit von Anwälten ist nach § 203 Strafgesetzbuch strafbewehrt. Der Anwalt kann sich nicht aussuchen, ob er Berufsverschwiegenheit hat oder nicht, er unterliegt ihr und wenn er sie verletzt, macht er sich strafbar. Das ist ein Bundesgesetz und das kann dieses Haus nicht weiter beeinflussen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Inhalte eines Mandats, sondern es gilt bereits allein für den Umstand einer Mandatierung, meine Damen und Herren.
Das sollte nach dem Gesetzentwurf offengelegt werden – ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Verpflichtungen, denen Freiberufler unterliegen. Die Begründung im Änderungsantrag, ursprünglich unter Abs. 2, macht das sogar noch deutlich. Es heißt dort – ich zitiere –: „Es wird klargestellt, dass es beispielsweise auf die Einkünfte und damit auf die Tätigkeit in jedem einzelnen Mandatsverhältnis ankommt.“
Das ist hinsichtlich der Berufsfreiheit der betroffenen Freiberufler grob verfassungswidrig, meine Damen und Herren. Aber das ficht sie nicht weiter an. Die Einkünfte selbst – so Herr Schiemann – deuten darauf hin, dass jemand abhängig ist. Das ist falsch, ich habe es bereits dargestellt. Über die Höhe dieser Einkünfte werden dann durch die Regelungen erhebliche Fehlvorstellungen befördert. Es wird nämlich nicht das Einkommen des Einzelnen offengelegt, sondern seine Bruttoeinkünfte. Egal wie hoch der Aufwand ist, egal welche Kosten er hat, egal was hinterher an Netto für den Freiberufler bleibt, er muss es als Bruttobetrag angeben. Zu welchen Einlassungen das bisweilen Anlass geben mag, möchte ich hier nur erahnen. Ich kann es mir ungefähr vorstellen, meine Damen und Herren. Dies führt wiederum zu einem Rechtfertigungszwang bei den Betroffenen, dem andere nicht unterliegen. Das betrifft ausdrücklich nur Freiberufler. Denn andere, wie Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, betrifft es nicht.
Mir hat bisher noch niemand von den Antragstellern erklären können, warum diese Ungleichbehandlung verschiedener Berufstätiger geeignet sein soll, die Freiheit der Mandatsausübung aller Mitglieder dieses Hauses in
irgendeiner Weise zu sichern. Das bleibt Ihr Rätsel und – ich weiß es nicht – wir werden vielleicht Aufklärung in Leipzig bekommen. Ansonsten, befürchte ich, werden Sie dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen.
Dieser Gesetzentwurf ist nicht nur nicht besser geworden, sondern er ist im Laufe der Beratung auch zunehmend schlechter geworden. Der Gesetzentwurf regelte in § 4b Abs. 2 Ziffer 1, dass die Verhaltensregeln auch Angaben zu ausgeübten Berufen und vergüteten Tätigkeiten enthalten müssen. Das war es dann auch schon.
Der Änderungsantrag legte nach und da hieß es nun: „Anzuzeigen und zu veröffentlichen sind auch Einkünfte und Vertragspartner aus einzelnen Tätigkeiten“. – Das wurde teilweise gestrichen.
In der Beschlussempfehlung, die uns in der Drucksache 4/10116 vorliegt, heißt es in § 4a Abs. 6 Satz 2: „Anzuzeigen und zu veröffentlichen sind auch Einkünfte aus einzelnen … Vertreter-, Gutachter- und Vortragstätigkeiten.“ – In § 4a Abs. 6 Satz 8 heißt es dann: „Die Auskunftspflicht umfasst nicht die Mitteilung von Tatsachen über Dritte, für die das Mitglied des Landtags gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend machen kann.“ – Also, das ist der Rechtsanwalt.
Satz 9 anfolgend bestimmt dann: „Statt der Angabe zum Vertragspartner ist eine Branchenbezeichnung anzugeben.“ – Sie nicken so zufrieden. Das ist aber zu kurz gedacht. Was heißt das im Einzelfall? – Derjenige, der keine Berufsverschwiegenheitspflicht hat, muss zu seinem Vertragspartner nichts angeben, er muss seinen Namen nicht offenlegen. Derjenige aber, der eine gesetzliche berufliche Verschwiegenheitspflicht hat, ist verpflichtet, von seinem Vertragspartner Angaben zu machen, nämlich zur Branche des Vertragspartners. Das heißt, derjenige, der eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht hat, wird durch diesen Gesetzentwurf mehr zu offenbaren verpflichtet als derjenige, der keine Verpflichtung hat, denn er muss den Vertragspartner nicht nennen.