Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist doch das Problem bei dem ganzen Geschäft.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Das ist das Problem, Herr Bandmann. Sie wollen es weiter bei der PKK als geheim parken, aber die Interpretationshoheit hier im Hohen Haus für sich allein beanspruchen. Deshalb, sage ich Ihnen, habe ich überhaupt nicht am Thema vorbeigeredet. Das muss schon gesagt werden dürfen. Wenn ein Untersuchungsausschuss eingesetzt und ein Vorsitzender gewählt wird, dann darf er diese Verletzung der Rechte vor dem Parlament sehr wohl anmahnen. Das halte ich für eine ganz wesentliche Rede zum Thema.

(Heinz Eggert, CDU: Das ist nicht zum Thema, sondern zum Untersuchungsausschuss. Interna gehören nicht hierher!)

Ich darf Ihnen, Herr Eggert, eines versprechen: Nach 17 Jahren in diesem Haus und davon 14 Jahre Alleinherrschaft der CDU sind wir trainiert und konditioniert. Sie können mit Ihrer Macht nach außen vieles bewerkstelligen. Sie können die Interpretation qua willigen, heiligen Journalisten organisieren. Sie können zum Beispiel dafür sorgen – das ist ja unvorstellbar, Herr Bandmann –, dass eine Vernehmung, die die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsstadium gemacht hat und die demzufolge nach § 353d Strafgesetzbuch strafbewehrt ist für denjenigen, der etwas nach außen gibt, Herr Wendt vom „Focus“ bekommt, die Vernehmung der Leiterin des Referats des Verfassungsschutzes

(Zuruf von der CDU)

und die Vernehmung des ehemaligen OK-Leiters in Leipzig. Das bekommt Herr Wendt zugereicht, und darüber monieren Sie überhaupt nicht. Das ist derselbe Herr Wendt, der es wirklich fertig bringt – was einmalig ist –, sich in Foren zu setzen, in denen über den Sachsensumpf gesprochen wird, um dann der Staatsanwaltschaft Aussagen zu machen, welche Person was dazu gesagt hat. Dann wird gegen diese Ermittlungsverfahren eingeleitet. Da bin ich wirklich froh, dass ich nicht zu der Gesellschaft gehöre. Wenn Sie das als Autoritätsbeweis anführen, Herr Bandmann, – –

(Volker Bandmann, CDU: Sie haben die Frage überhaupt nicht beantwortet!)

Sie wollen dem Parlament einen bestellten Bericht unterjubeln und wollen 119 Menschen im Parlament die Möglichkeit nehmen, den Bericht zu lesen. Bei dieser Nummer werden wir ganz gewiss nicht mitmachen. Sie können mit uns vieles machen, aber uns nicht für dumm verkaufen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer seinen Informationsbedarf zum Komplex der Organisierten Kriminalität und des mit ihr durch Beobachtung und Auswertung, durch Rechts- und Kompetenzüberschreitungen verquickten Landesamtes für Verfassungsschutz stillen will, hat es gegenwärtig nicht leicht. Zahlreiche Verlautbarungen der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen CDU und SPD sowie der Leitmedien im Freistaat Sachsen legen den Eindruck nahe, dass es sich bei der sächsischen Korruptionsaffäre um ein reines Schauermärchen handelt, in die Welt gesetzt von finsteren Zeitgenossen, die sich dazu verschworen haben, das Vertrauen in „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ zu erschüttern.

Wer aber noch Zweifel gehabt haben sollte, dass etwas faul ist im staatlichen Überbau der sächsischen Politik, Justiz und des Geheimdienstapparates, der wird spätestens durch das Agieren der Verschleierungsexperten Piwarz und Schneider im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung korruptiver Netzwerke hochgradig misstrauisch. Von bloßer heißer Luft ist da die Rede, seitdem die Staatskanzlei die Redakteure der maßgeblichen sächsischen Zeitungen und die Tonangeber im Mitteldeutschen Rundfunk ins Gebet genommen hat, um dafür zu sorgen, dass der Sachsensumpf medial viel niedriger gehängt wird und nur noch von einer angeblichen oder behaupteten Korruptionsaffäre gesprochen wird.

Wir alle sollen nun also glauben, dass wir es mit 15 600 Seiten bloßer „heißer Luft“ zu tun haben. Der NPD-Fraktion drängt sich die Frage auf, warum die CDU dann im Untersuchungsausschuss jedes Aufklärungsansinnen mit fadenscheinigen Gründen torpediert und die „heiße Luft“ als das bestgehütete Staatsgeheimnis des Freistaates Sachsen behandelt.

Das Bild vom Sachsensumpf sei grundfalsch, erklärte auf seine unnachahmlich nassforsche Art und Weise der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss gegenüber der Presse.

(Christian Piwarz, CDU: Danke, Herr Gansel!)

Die teilweise vernichteten Aktenbestände des Verfassungsschutzes über die Organisierte Kriminalität im Freistaat Sachsen bezeichnete der Abg. Piwarz als „unüberprüfbare Sammlung von Gerüchten“.

Herr Piwarz, wie respektlos sprechen Sie eigentlich über den politischen Inlandsgeheimdienst der BRD? Wie respektlos sprechen Sie über Schild und Schwert der herrschenden politischen Klasse?

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Na, na, na!)

Ja, als solchen fassen wir den Verfassungsschutz auf.

(Zuruf von der CDU: Ihre Sprechweise!)

Die Korruptionsaffäre soll nur noch eine kleine Aktenaffäre sein, verbockt von einem Dunkelmann aus der Polizei und von einer Dunkelfrau aus dem Landesamt für Verfassungsschutz. Diese beiden Dunkelfiguren seien verantwortlich „für eine „unüberprüfbare Sammlung von Gerüchten“.

Ich frage Sie: Sind vielleicht auch die regelmäßigen Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz über die NPD nur „unüberprüfbare Sammlungen von Gerüchten“? Das würde ich sagen.

Welche Aussagekraft haben also die Verlautbarungen der Skandalbehörde im Freistaat Sachsen noch?

Fest steht, dass das Ansehen des sogenannten Verfassungsschutzes – sollte dieses Ansehen im Freistaat überhaupt jemals bestanden haben – längst einen irreparablen Schaden genommen hat. Wir als NPD wollen unsere Schadenfreude über diesen Ansehensverlust dieser Skandalbehörde nicht verhehlen. Wir haben nämlich immer gesagt, dass der Verfassungsschutz die Verfassung dieses Staates genauso wenig schützt wie das Frostschutzmittel den Frost.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Der Verfassungsschutz schützt de facto nicht die Verfassung, sondern die Herrschenden vor dem Volk.

Bleibt man nun aber bei der CDU-Deutung des ganzen Geschehens, dass nämlich der Verfassungsschutz nur wilde Gerüchte über Netzwerke von Politik, Justiz und Ganovenwelt gesammelt und regelrecht aufgepeppt hat, dann hätten die sächsischen Schlapphüte den Herrschenden diesmal wirklich ein böses Ei ins Nest gelegt.

Die Staatsregierung steckt nun in einer regelrechten Zwickmühle, bei der entweder sie selbst oder das Landesamt für Verfassungsschutz jede Glaubwürdigkeit verspielt. Wenn nämlich alles nur „heiße Luft“ ist, was der Verfassungsschutz zusammengetragen hat, dann hätte dieser Nachrichtendienst komplett versagt und müsste aufgelöst werden. Oder aber der Verfassungsschutz hat seriös Beweismaterial zu korruptiven Netzwerken zusammengetragen. Und das würde dann nichts Geringeres bedeuten, als dass die Staatsregierung die Öffentlichkeit systematisch täuscht und diese Regierung deshalb abgewählt werden müsste.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Eine von beiden Seiten verliert auf jeden Fall ihre Glaubwürdigkeit. Momentan spricht einiges dafür, dass dies der Verfassungsschutz sein wird.

Zwei vom Innenministerium eingesetzte Prüfgruppen mit einem zweifelhaften Aufklärungswillen kamen nämlich zu der Einschätzung, dass bei Polizei und Verfassungsschutz fehlerhaft gearbeitet worden sei. Will Innenminister Buttolo damit etwa von seinem denkwürdigen Auftritt im Landtag ablenken, als er am 5. Juni erklärte – jeder kann es im Sitzungsprotokoll nachlesen –, Sachsen befände sich im Würgegriff der Mafia, die im Zuge der anlaufenden Korruptionsaufklärung „zurückschlagen“ werde?

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Hat er doch alles zurückgenommen!)

Das ist nicht zurückgenommen worden.

Heute will der Innenminister von seinen damaligen Worten nichts mehr wissen und fühlt sich von seinem Hausgeheimdienst – und das ist der Verfassungsschutz – getäuscht und hintergangen.

Ja, Herr Minister, wir als NPD möchten nur feststellen: Wer sich auf einen schmutzigen Geheimdienstapparat stützt, darf sich nicht wundern, wenn er selbst schmutzige Hände bekommt und diese auch nicht so schnell wieder reingewaschen bekommt.

Weil dem Innenminister seine eigene Geheimdienstgruppe mittlerweile unheimlich geworden zu sein scheint, haben die Koalitionsfraktionen heute einen Antrag zur Untersuchung der Arbeitsabläufe des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz eingebracht. Bekanntermaßen fordert die NPD die Auflösung des Verfassungsschutzes, weil er ein verfassungswidriges Kampfinstrument gegen eine unliebsame politische Opposition in diesem Land ist. Aber ich kann hier bekanntgeben, dass die NPD-Fraktion sehr wohl dem vorliegenden Antrag zustimmt. Wir stimmen dem vorliegenden Antrag sogar mit freudiger Erwartung zu, liefert er doch womöglich noch viel mehr Stoff zur Delegitimierung dieser Skandalbehörde.

Meine Damen und Herren, denken Sie an eines: Man kann das ganze Volk eine Zeit lang in die Irre führen. Man kann einen Teil des Volkes für immer in die Irre führen. Aber man kann nicht das ganze Volk für immer in die Irre führen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos – Karl Nolle, SPD: Wer ein Volk in die Irre führt …!)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Martens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat: Der Antrag der

Koalition zur „Untersuchung und Evaluierung der Arbeitsabläufe innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen“ hat einen überrascht, als er in die Fächer verteilt worden ist. Denn es stellt sich sofort die Frage: Wozu wird denn das jetzt gemacht?

Beim ersten Hinsehen wird der Zweck bereits mehr als deutlich. Herr Bandmann hat ihn auch noch einmal erläutert. Der Bericht wird verteilt. Die Staatsregierung erzählt, was sie an Konsequenzen gemacht hat. Dann ist alles gut und die böse Opposition geht wieder nach Hause, weil ihre Kartenhäuser einfach als Hirngespinste enttarnt und zusammengefallen sind. – So einfach wird es nicht sein.

Am 4. Oktober haben die Herren Bayer und Irrgang ihren Abschlussbericht zur Untersuchung und Evaluierung der Arbeitsabläufe im LfV vorgestellt. Das Ergebnis der Überprüfung ist in der Tat dramatisch: Vorschriften wurden systematisch umgangen, wenn nicht sogar direkt gegen sie verstoßen wurde, und elementare Grundsätze der Arbeit eines Inlandsgeheimdienstes wurden missachtet. Die Führung von Polizeibeamten als Informanten des Verfassungsschutzes kam nach und nach hoch.

Aber die Frage ist: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dazu haben sich die Herren Bayer und Irrgang in ihrem Bericht nur unvollständig geäußert. Es kommt das Ergebnis heraus: Für die Facharbeit hat ein Vorgesetzter, der zuständig war, sozusagen ein Eigenleben entwickelt. Das war es dann schon. Und die bisherige Reaktion des Innenministeriums ist einer solchen Analyse auch angemessen: Die Versetzung von vier Mitarbeitern soll die Sache dann bereinigen.

Nein, das wird es nicht tun, Herr Staatsminister. Wo sind wirkliche Konsequenzen? Wo sind Veränderungen, die ernsthaft verhindern, dass so etwas tatsächlich noch einmal in Sachsen möglich ist, wenn man denn diesem Bericht und seiner Analyse Glauben schenken möchte?

Es kann anscheinend alles so bleiben. Die Eingliederung des Landesamtes in das Innenministerium wie in den meisten anderen Bundesländern scheint nicht notwendig zu sein. Auch eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes brauchen wir nicht. Das war es im Wesentlichen – mit Ausnahme eines Punktes: Die Fachaufsicht im Ministerium hat versagt, und zwar vollständig.

Wenn man sich den Bericht anschaut: Die Erhebungsbasis ist außerordentlich dünn, sie ist auch nicht kontrollierbar. Aber eines ist herausgekommen: Auf der Pressekonferenz bei der Vorstellung des Abschlussberichtes wurde eingeräumt, dass man sich mit nur einem Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich der OK unterhalten hat. Aber der war in diese Fälle überhaupt nicht verwickelt, meine Damen und Herren.