Der dritte Punkt – ich hatte es bereits erwähnt – ist die monetäre Bewertung, was es eigentlich kostet.
Ich kann mich an Ihre Debatten erinnern, als wir in diesem Haus wirtschafts- und finanzpolitisch diskutiert und hervorragende Zahlen im Bruttoinlandsprodukt vorgelegt haben. Sie wurden nicht müde, darüber zu lamentieren, dass das einfach nur Zahlen wären und diese nicht ausreichen würden, die vorherrschende Lage in Sachsen zu beschreiben. Sie müssten sich schon einmal darauf einigen, was Sie eigentlich wollen.
Prognosen gab es schon viele, vom Ende der Geschichte bis zum Ende des Wachstums Club of Rome. Ich möchte nicht im Einzelnen bewerten, was die Prognosen gebracht haben. Ich glaube, ein wenig mehr wissenschaftliche Bescheidenheit stünde uns allen gut zu Gesicht.
Die Aufgabe von Prognosen ist es nicht, hämisch darauf zu warten, dass sie eintreten, um mit dem Finger auf andere zu zeigen, nein, die Aufgabe von Prognosen ist es, Handlungen auszulösen. Und wir erkennen, dass wir in eine andere Richtung steuern müssen. Genau das passiert.
Weder Hysterie noch Weltuntergangsstimmung helfen weiter. Das lenkt davon ab, worum es eigentlich geht, nämlich um eine ergebnisorientierte Debatte und um konzertierte Aktionen. Ich lade Sie ausdrücklich dazu ein. Halten wir uns doch einfach an die Fakten.
Sachsen war das erste deutsche Bundesland überhaupt, das in den Jahren 1998/1999 die Entwicklung eines Regionalen Klimamodells in Auftrag gegeben hat. Das war bereits zu einer Zeit, als sich die GRÜNEN noch nicht im Sächsischen Landtag befunden haben. Inzwischen nutzen viele Bundesländer und sogar das Bundesumweltamt dieses Regionale Klimamodell.
Somit beruht die von Ihnen immer wieder gern zitierte Studie des Bundesumweltamtes auf Zahlen, die die Sächsische Staatsregierung hat ermitteln lassen. Da Sie, Frau Hermenau, sich auf diese Studie beziehen, ist das immerhin eine indirekte Anerkennung sächsischer Klimapolitik, für die ich mich herzlich bedanke.
Ich habe nichts gegen Wind, auch nichts gegen grünen Wind, sofern nutzbare Energie dabei herauskommt. Doch davon ist bei den GRÜNEN zurzeit nichts zu spüren. Die Staatsregierung ist diesbezüglich wesentlich produktiver.
Erstens. Zum einen entwickeln wir ausgehend von Klimaprojekten Anpassungsstrategien, um auf die Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren. Dazu werden entsprechende Forschungsvorhaben mit internationaler Beteiligung initiiert.
Zweitens. Zum anderen setzen wir bereits seit mehreren Jahren im Rahmen des sächsischen Klimaschutzprogramms Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz um. Das erfolgt jetzt gemeinsam mit Akteuren aus der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik und der Verwaltung. Das müsste Ihnen eigentlich bekannt sein.
Ihnen müsste auch bekannt sein, dass wir mit der Gründung der Sächsischen Energieagentur unsere Aktivitäten weiter intensiviert und effizienter gestaltet haben. Kollege
Gerlach hat bereits darauf hingewiesen. Wir brauchen daher kein neues Gremium. Interessant an dieser Forderung nach einem Klimabeirat ist einzig und allein die Tatsache, dass die GRÜNEN damit einen Antrag der Linksfraktion aufgreifen.
Drittens. Wir haben eigene Ideen. Um vor allen Dingen junge Menschen für den Klimaschutz zu sensibilisieren, haben das Kultus- und das Umweltministerium schon im vergangenen Jahr das Projekt „Klimaschutz an Sachsens Schulen“ initiiert. Dazu gibt es interessante Materialien für Schüler und Lehrer, die sich einer großen Nachfrage auch anderer Bundesländer erfreuen, sowie einen Klimapavillon, der überaus anschaulich Fakten rund um die Klimaveränderung und den Klimaschutz vermittelt. Dieser Klimapavillon ist das gesamte Jahr ausgebucht. Insofern kann von Untätigkeit auf pädagogischem Gebiet keine Rede sein.
Meine Damen und Herren! Der Klimawandel ist ein weltweites Problem. Es handelt sich dabei um öffentliches Gut. Die kleinräumige Betrachtungsweise der GRÜNEN passt so gar nicht dazu. Folgt man Ihren Argumenten, könnte man meinen, dass der Klimawandel in Sachsen verursacht wird
Leider ist eine wirksame Klimapolitik nicht so einfach, wie Sie es suggerieren. Rohstoff- und Energiemärkte können nicht allein für Sachsen, für Deutschland oder für die EU betrachtet werden. Was wir an fossilen Rohstoffen einsparen, nehmen andere Länder, die nicht dem KyotoProtokoll beigetreten sind. Dem Klima hilft daher kein Aktionismus und keine Inflation einzelner isolierter Vorschläge, sondern nur ein weltweites Gesamtkonzept. Dabei müssen unbestritten die Industrieländer als Hauptverursacher des Klimawandels ihre Vorbildrolle stärken,
ihre Solidarität mit den Entwicklungsländern verstärken und diese wesentlich mehr als bisher bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen. Sachsen wird weiterhin seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir haben seit dem Jahre 1990 bereits überproportional zum deutschen Klimaschutzziel beigetragen. Insofern besteht kein Anlass, dass wir uns verstecken müssen.
Der von Ihnen immer wieder gern genutzte Vergleich der Pro-Kopf-Emission für CO2 zwischen den Bundesländern ist wohl kaum geeignet, daraus Aussagen über das Engagement und die Wirksamkeit der Maßnahmen der Staatsregierung abzuleiten. Wenn Sie die pro-Kopf-bezogenen niedrigen CO2-Emissionen anderer Bundesländer, zum Beispiel Bayerns oder Hessens, als Vorbild darstellen, dann muss ich doch Ihre bisherige Position zur Nutzung der Kernenergie ernsthaft bezweifeln.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN! Sie wissen sehr genau, was es heißt, den CO2-Ausstoß auf 2 Tonnen pro Person und Jahr
in jedem Bundesland zu begrenzen. Sollten solche Ziele – was von keinem Politiker ernsthaft angedacht ist – auf einzelne Bundesländer heruntergebrochen werden, ist die Konsequenz klar: In Thüringen gibt es keinen Strom mehr, sie müssen dort das Licht ausschalten, und in Sachsen könnten wir noch auf Jahrhunderte hinaus unsere Braunkohle nutzen, und zwar deshalb, weil wir zwei Drittel des von Ihnen verteufelten Braunkohlenstroms exportieren. Daher sollten wir aufhören, kleinkarierte Debatten über CO2-Emissionen zu führen. Es ist allemal besser, Energie aus einem modernen und umweltfreundlichen Kraftwerk an das Netz zu bringen, als Strom aus veralteten Kraftwerken zu importieren.
Wenn Sie unsere modernen Braunkohlenkraftwerke mit Wirkungsgraden von über 40 % in Sachsen kritisieren, sie aber als Exportschlager für Entwicklungsländer ansehen, dann muss schon die Frage erlaubt sein: Wie in sich stimmig sind eigentlich die Vorschläge der GRÜNEN für den Klimaschutz? Oder geht es Ihnen mehr um Aktionismus in der zurzeit leider häufig aufgeregt geführten Klimadebatte?
Ich bin fest davon überzeugt, Klimaschutz kann nur erfolgreich sein, wenn Ökonomie und Ökologie zusammenwirken. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Entwicklung erneuerbarer Energien in Sachsen. Das ist eine echte Erfolgsgeschichte. Inzwischen spielt der Freistaat bei der Produktion von Solarzellen zur Stromerzeugung in der Gruppe der Bundesliga. Die Zahl der direkt und indirekt Beschäftigten wächst in diesem Sektor ständig und mit ihr erfreulicherweise auch der Umsatz.
Ähnlich ist die Entwicklung bei der Windenergie. Ohne Generatoren aus dem Dresdner Sachsenwerk würden die weltweit größten Windanlagen nicht funktionieren. Auch im größten deutschen Pumpspeicherwerk im thüringischen Goldisthal und im Speicherwerk Niederwartha drehen sich Dresdner Generatoren.
Die wirtschaftlichen Chancen des Klimawandels werden also bereits genutzt. Der Markt funktioniert. Nicht grüne Scheuklappenpolitik, sondern unsere ökologische Strategie ist der richtige Weg. Wir werden uns unsere Erfolge nicht kleinreden lassen und schon gar nicht von Ihnen. Den eingeschlagenen Weg werden wir konsequent fortsetzen. Dabei werden wir weder in unseren Anstrengungen nachlassen noch uns die Klimaposition von den GRÜNEN überstülpen lassen. Wenn aus grünen Luftblasen irgendwann einmal nutzbarer Wind wird, dann können Sie diesen gern in unsere Klimastrategie einspeisen.
Gibt es noch Wünsche, sich an der Debatte zur Großen Anfrage zu beteiligen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der Ihnen in Drucksache 4/10223 vorliegt. Frau Hermenau möchte diesen sicherlich noch einbringen? – Bitte schön, Frau Hermenau.
Als mein Parlamentarischer Geschäftsführer mir vor ein paar Tagen mitteilte, dass Sie, Herr Wöller, darum gebeten haben, diesen Tagesordnungspunkt auf Freitag zu verschieben, damit wir darüber eine Debatte führen können, hatte ich mir davon mehr versprochen. Ich habe eine Herausforderung erwartet.
Was ich bekommen habe, war, dass die uns von Ihnen in der letzten Woche vorgeworfenen Sprechblasen von Ihnen selbst produziert worden sind, und dazu kann ich nur sagen: Armer Herr Gerlach, Sie haben noch einen weiten, weiten Weg in der Koalition vor sich. Sie haben die Reden selbst gehört und wissen, wovon ich spreche.
Der Umweltminister, dem ich übrigens seine 100 Tage Schonfrist gegönnt hätte – an mir lag es nicht –, erfüllt unsere Erwartungen, die ich heute aufgezeigt habe, in keiner Weise, jedenfalls nicht mit dieser Rede. Schwierigkeiten der Zurechenbarkeit und alle möglichen Sachen kann man diskutieren. Natürlich ist es nicht einfach, aber eines sage ich Ihnen: Ihre Antworten stehen schwarz auf weiß in der Anfrage. Jeder kann sie nachlesen, und diese Antworten waren außerordentlich schwach.
Es geht auch nicht unbedingt darum, dass wir sagen, wir können nicht allein für Sachsen etwas tun. Wenn Sie davon sprechen, dass zwei Drittel des Braunkohlenstromes exportiert werden, diese Verstromung aber auch hier in Sachsen, in der Lausitz, zur Umweltverschmutzung beiträgt und wir diesen Strom nicht einmal selbst brauchen, diese Exporte aber vielleicht Gewinne bringen – es fragt sich nur, für wen; denn es ist Vattenfall, das exportiert –, dann muss ich sagen: Sie exportieren heute die Zukunft der Lausitz. Dazu habe ich als Sächsin natürlich Diskussionsbedarf; das können Sie schon erwarten.
Wenn Sie die Frage aufwerfen, inwieweit man quantifizieren könne und inwieweit der Klimawandel etwas mit Verursachung durch den Menschen zu tun hat: Selbstverständlich sind mir die natürlichen Schwankungen des Klimas über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg bekannt. Ich kenne sogar die Sonnenfleckentheorie, darüber brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten. Darum geht es auch nicht. Es geht um die Beschleunigung des natürlichen Klimawandels bzw. der natürlichen Klimaschwankungen, die es gibt, und es geht um die drastische Überspitzung einzelner Steigerungen in dieser Klimakurve, und darüber sprechen wir. Wir sprechen über das Fieber, das aufgetreten ist, und nicht über die norma
len Temperaturschwankungen. Daher finde ich es schon einigermaßen kühn, sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob das alles nicht in der Debatte und in unserem Entschließungsantrag zu finden wäre.
Natürlich wollen wir hier ein paar Dinge allgemeingültig feststellen. Sie können ja weiterhin behaupten, dass es nicht so sei; aber ich gebe Ihnen Brief und Siegel, die nächste Generation wird fragen: Warum haben die das denn damals nicht schon gewusst? Die Auswertungen der langjährigen Temperatur- und Niederschlagsdaten lassen keinen anderen Schluss zu, als dass der Klimawandel bereits eingesetzt hat, und zwar in dieser Übersteigerung, von der ich spreche, und dass auch hier in Sachsen mit einer zunehmenden Gefahr von Wetterereignissen zu rechnen ist: mit Starkniederschlägen, Dürreperioden, Orkanen, Tornados und Hitzewellen. Wie klingt das in Ihren Ohren? Vielleicht ein wenig abenteuerlich? Der Freistaat Sachsen gehört beim Klimawandel zu den verwundbarsten Regionen in Deutschland. Das müsste eigentlich jeden Sachsen zu einem ganz aktiven Klimaschützer machen, das ist doch logisch.
Aber gerade das Gegenteil ist – zumindest vonseiten der Staatsregierung – offensichtlich der Fall. Wenn ich eine volkswirtschaftliche Gesamtschadensbilanz haben möchte und vermute, dass diese im zweistelligen Milliardenbereich – weil nicht immer alles so einfach von hier aus quantifizierbar ist, wie Sie selbst in Ihrer Antwort zugeben – oder zumindest im einstelligen Milliardenbereich liegt, dann sind das Größenordnungen, über die wir hier diskutieren müssen. Das geht uns alle an. Die Begrenzung des Klimawandels ist ein Gebot der globalen Gerechtigkeit – das wurde heute bereits erwähnt – und der Gerechtigkeit zwischen der heutigen und den nachfolgenden Generationen. Auch das ist wichtig und daher meiner Meinung nach ethisch geboten, und der Freistaat Sachsen kann sich durchaus zu seiner Verantwortung bekennen. Er hat in der Vergangenheit übermäßig Atmosphäre verschmutzt – mehr als der Durchschnitt in Deutschland –, und es ist offensichtlich, dass der Klimawandel im Freistaat Sachsen erhebliche wirtschaftliche und fiskalische Risiken auslösen kann.
Deshalb ist auch für uns die drastische Reduktion der CO2-Emission ein ökonomisches Gebot der Stunde. Der finanzielle Aufwand zur Reduktion der CO2-Emission auf ein klimaverträgliches Niveau macht sich durch die Vermeidung von Kosten, die infolge eines ungebremsten Klimawandels wahrscheinlicher auftreten können, die Einspareffekte und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit doch mehr als bezahlt. Nur: Es müsste eben diese Generation jetzt, hier und heute etwas sparsamer leben und auf die Bremse treten, sich ein wenig anders bewegen, anders leben und anders essen, damit die nachfolgenden Generationen auch noch Spaß in Sachsen haben dürfen. Der Begrenzung des Klimawandels im Sinne einer Risikovorsorge gebührt nach unserer Wahrnehmung die Priorität – auch vor der Anpassung.
Die Lausitz befindet sich – dies sagen die Antworten der Staatsregierung auf unsere Große Anfrage – im Übergang zum Steppenklima. Gegenwärtig ist nicht sicher, ob die ehemaligen Tagebaue, wie geplant, alle als Seen geflutet werden können, auch wenn heute Vattenfall anderes tickern lässt. Deshalb denke ich, dass man darüber auch ehrlich – und darauf freue ich mich überhaupt nicht – mit den Menschen in der Lausitz sprechen muss. Ich habe mein Regionalkreisbüro in der Lausitz, mich muss man nicht kundig machen. Das ist alles kein Problem; ich bereise Ostsachsen sehr viel. Aber die Einhaltung dieser 2-Grad-Grenze ist doch nicht symbolisch. Die Naturwissenschaftler erklären: Wenn man in diesem Jahrhundert mehr Erwärmung als diese 2 Grad zulässt, dann bewegt man eine ganze Menge von Kippschaltern, die automatisch wie Dominosteine einer nach dem anderen umfallen, und dann geht es richtig hoch. Zum Beispiel kann es dann passieren, dass in der Tundra alles schmilzt. Dort gibt es Permafrostboden, in dem Methan gebunden ist. Dieses Methan geht hinaus in die Atmosphäre und ist ein sehr viel schlimmerer Treibhausfaktor als das CO2. Wir riskieren also eine Verschärfung der Entwicklung, wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht ernst nehmen.
Ich merke, dass dies hier noch nicht allgemeiner Stand der Debatte ist, und hoffe, dass jüngere Menschen in diesem Land mit ihren Erkenntnissen schon weiter sind. Wir sind der Auffassung, dass Sie in Ihrer Verantwortung – von mir aus für die Schöpfung oder für alles, was lebt; wie immer Sie das halten wollen, vielleicht auch für die lebenswerte Zukunft der nachfolgenden Generation – verpflichtet sind, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen und der Staatsregierung ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen.