Sehr geehrter Herr Präsident! In diesem Teil haben wir Änderungsanträge, die ich zum Teil relativ komplex begründen will. Vor allem im Bereich der Ziffer 16 und folgende haben wir uns dem Bereich Gesundheitsuntersuchungen, Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsbetreuung usw. zugewandt.
Wir sind der Auffassung, dass aus den Erfahrungen der hier im Hause als Anstaltsbeiräte tätigen Abgeordneten bekannt ist, dass die gesamte Frage der Regelung der Gesundheitsvorsorge, der gesundheitlichen Betreuung, der fachmedizinischen Betreuung usw. im Anstaltsalltag
Wir meinen, dass unter dem Aspekt des Wesentlichkeitsgrundsatzes – unter dem Aspekt des Wesentlichen –, was diese Frage betrifft, eine Regelung ins Gesetz gehört und dies nicht irgendwelchen Ermessensregelungen bzw. Ermessensausübungen in der Anstalt mit allen Ambivalenzen, die in der Unterschiedlichkeit der Vollziehung dieser Vorsorge liegen, überlassen sein soll. Deshalb unsere hier vorliegenden detaillierten Vorschläge in der Ziffer 15 zu § 32 Abs. 1 Satz 1 betreffs individueller erforderlicher Maßnahmen zu Gesundheitsschutz, Gesundheitsvorsorge, Hygiene, § 32a, den wir zur Gesundheitsuntersuchung und Gesundheitsvorsorge eingefügt haben wollen, und § 34, in dem es um die Ausstattung mit bestimmten erweiterten gesundheitlichen Pflegemitteln und Ähnliches geht.
Was uns wichtig ist und worüber ich einen Satz mehr sagen möchte, ist § 34a. Der § 34a begehrt, dass wir in das Jugendstrafvollzugsgesetz eine Regelung für Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschutz aufnehmen, wenn es um Gefangene geht, die im Jugendlichen- oder Heranwachsendenalter oder in relativ jungem Alter im Vollzug einsitzen und in die Situation von Schwangerschaft, Wochenurlaub und Ähnlichem mehr geraten. Dazu sieht der Gesetzentwurf der Staatsregierung keine Regelung vor.
Allen Ernstes ist mir auf die entsprechende Debatte zu unserem Änderungsantrag diesbezüglich im Verfassungs- und Rechtsausschuss vom Justizminister gesagt worden, dass aus Deregulierungsgründen darauf verzichtet wird. Wir verzichten aus „Deregulierungsgründen“ – der „Paragrafenpranger“ oder was damit gemeint sein soll – darauf, zu der Frage, dass junge Frauen, die im Vollzug von Schwangerschaft bzw. Mutterschaft tangiert werden, Vorkehrungen zu treffen. Das sagt uns die Christlich Demokratische Union! Damit habe ich gravierende Probleme.
Ich habe im Ausschuss definitiv gesagt, dass es Praxisbedarf gibt. Ich habe es nach eigenem Erleben dargestellt. Das Beispiel habe ich schriftlich dem Abteilungsleiter Herrn Preusker im Justizministerium übersandt. Ich habe selbst erlebt, dass eine junge Frau, die in entsprechender Haftsituation ins Krankenhaus gebracht wird, nach der Entbindung im Doppel mit Fuß- und Handfessel im Wochenbett angeschlossen wird – völlig unvorstellbar!
Die Konsequenz war, dass sich Ärzte, medizinisches Personal und Patienten bei Zeitungen beschwert haben, auf Anwälte zukamen und gefragt haben, ob sie nicht die Vertretung übernehmen können, weil eine Wöchnerin nach der Entbindung im Krankenbett doppelt gefesselt und angeschlossen wird. Ich sagte das im Ausschuss – –
Ich bitte noch einmal – auch unter dem Aspekt des Wesentlichkeitsgrundsatzes –, sich das wirklich zu überlegen: Wenn wir in Ihrem Entwurf regeln, dass bei 0,5 Dioptrien ein Anspruch auf Sehhilfe besteht, ist das okay. Aber dass eine Wöchnerin bestimmte, der Menschenwürde unterliegende Bedingungen für die Entbindung haben muss, dafür sieht die Staatsregierung oder die Koalition keinen Regelungsbedarf. Das ist für uns so skandalös, dass wir einfach darum bitten, einmal von allen Ritualen abzusehen. Meinethalben mit anderem Regelungsgehalt – das ist uns wurst –, aber man kann undenkbar die Frage, dass es Fälle von Leistungen gibt, die bei Schwangerschaft und Mutterschaft benötigt werden, ignorieren.
Wir möchten gern noch einmal auf das zuletzt Gesagte eingehen, weil uns das natürlich sehr am Herzen liegt. Es ist so, dass sich die Rechtslage durch das Jugendstrafvollzugsgesetz nicht ändert. Es ist in den §§ 76 und 77 eindeutig geregelt, wie mit Gefangenen während oder nach der Schwangerschaft umzugehen ist.
Es gibt einen ganz klaren medizinischen Anspruch. Es gibt ebenso klare Regelungen zur Entbindung. Wir wollen natürlich auch nicht, dass es irgendwelche Ankettungen während der Entbindung gibt. Wir möchten, dass die Würde der Frau gewahrt wird. Der Minister hat uns zugesagt, einen Vermerk dazu in der Verordnung vorzusehen, dass so etwas nicht passiert.
Herr Bartl, möchten Sie eine Frage stellen? – Nein. Das war jetzt die Begründung auf Ihren Änderungsantrag hin. Jetzt Herr Bartl, bitte.
Ich möchte darauf erwidern. Ich habe mich darauf berufen, dass wir eine Regelung im Gesetz haben wollen unter dem ausdrücklichen Grund
satz, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, alle Regelungen, die wesentlich sind, im Gesetz vorzunehmen. Wesentlichkeitsgrundsatz – das ist eine Voraussetzung für die Verfassungskonformität eines Gesetzentwurfes. Ich sage es noch einmal: Wer bei 0,5 Dioptrien eine Sehhilfe bekommen muss, das wird im Gesetz geregelt, aber welche Ansprüche die Frau hat, welche Schutzvorkehrungen und welche Betreuung durch Hebammen etc. pp. erfolgen, wo Entbindungen stattfinden und wo nicht usw., das soll einer Verordnung vorbehalten bleiben. Das ist doch ein derart eklatanter Systembruch, dass letztendlich erkennbar wird, dass das nicht zusammengeht.
Das ist eine solch sensible Frage. Ich meine einfach, dass ein Parlament die Bereitschaft aufbringen muss, wenn es in dem Fall nicht von der Staatsregierung gesehen worden ist, darüber objektiv zu debattieren und es nicht mit der Begründung abzutun, es per Verordnung zu regeln.
Herr Bartl, Sie machen es sich jetzt ein bisschen einfach. Sie wissen, wir haben das ausführlich diskutiert, und es hat jeder – ganz egal, ob er schwanger oder krank ist oder etwas anderes hat –, nach dem Gesetz einen Anspruch auf medizinische Versorgung.
Weil uns genau dieses Thema so wichtig war und weil wir es auch kontrollierbar gestalten wollen, haben wir im Ausschuss den Minister gebeten – Sie waren dabei –, das Problem in der Verordnung noch einmal separat zu regeln. Ich verlasse mich auf den Minister, wenn er sagt, dass er dies umsetzt. Es liegt an uns, einfach nachzulesen, ob es auch durchgeführt worden ist.
Danke. – Gibt es weiteren Aussprachebedarf zu diesem Änderungsantrag der Linksfraktion? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag Nrn. 11 bis 18 der Linksfraktion. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Jastimmen und Enthaltungen ist dieser dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen, da kein weiterer Änderungsantrag vorliegt, zum Teil 3 in Form der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Enthaltungen und Gegenstimmen ist dieser doch mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Teil 4 Bildung und Arbeit, § 37. Keine Änderungsanträge. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dem ist mit großer Mehrheit zugestimmt.
Wir kommen zum Teil 5 Freizeit und Sport, §§ 38 bis 42. Keine Änderungsanträge. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Wie soeben: mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Teil 6 Religionsausübung, §§ 43 bis 45. Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN. Frau Herrmann, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen im § 43, in dem unter Teil 6 auch Religionsausübung steht, einen Satz voranstellen: „Die Gefangenen haben das Recht auf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger.“ Somit würde der Teil 6 dann mit unserem Änderungsantrag „Religionsausübung und Seelsorge“ heißen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für Glaubensfreiheit und, wie Sie wissen, für eine strikte Trennung von Staat und Kirche. Wir lehnen es ab, den Menschen ein religiös abgeleitetes Lebensmodell überzustülpen. Das ist trotzdem kein Widerspruch zu unserer Forderung, dass auch Gefangene, die bisher keinerlei religiöse Bindung hatten, das Recht auf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger haben, und zwar aus folgenden Gründen: Wir können nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, sich in Gestalt des Seelsorgers jemandem anzuvertrauen, der zur Verschwiegenheit angehalten ist. Dort können sich junge Gefangene auch einmal Luft machen, ohne dass ihnen dies auf die Füße fällt. Das ist der eine Grund.
Andererseits wissen wir, dass die Gefangenschaft für viele Jugendliche der Endpunkt eines quasi aus dem Ruder gelaufenen Lebens ist. In dieser Situation kann es helfen, die positive und stabilisierende Wirkung der Religion zu erfahren. Deshalb wünschen wir uns, dass, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, alle Gefangenen das Recht auf Gespräche mit Seelsorgern haben.
Ich denke, wir haben das im § 43 eindeutig geregelt. Ich finde sogar, dass unsere Regelung noch etwas weitgehender ist, indem wir hier geschrieben haben: „Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft“. Also hat jeder sogar einen Anspruch, nach seiner Religion einen Seelsorger zu bekommen. Das halte ich für günstiger, als wenn man jemanden – es gibt ja verschiedene Glaubensrichtungen – einer anderen Religion zuordnet.
Frau Dombois, Sie haben unseren Änderungsantrag nicht verstanden. Ihr Text bleibt ja bestehen. Wir stellen ihm einen Satz voran. Wenn Sie sagen, jeder hat Anspruch auf einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft, dann heißt das, wer keiner Religionsgemeinschaft angehört, hat keinen Anspruch auf einen Seelsorger. Genau das wollen wir ändern. Wir wollen jedermann – unabhängig davon, ob er einer Religionsge
Auch das ist ganz klar geregelt. Wer keiner Religionsgemeinschaft oder einer Konfession angehört, hat genauso einen Anspruch auf einen Seelsorger.
Wir haben unsere Position auch im Verfassungs- und Rechtsausschuss dahin gehend geäußert, dass wir meinen, dass das, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezweckt, in dem jetzigen Gesetzestext der Staatsregierung aufbewahrt ist und aus dem Satz 2 „… auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten“, wie es jetzt im Entwurf der Staatsregierung steht, auch klar signalisiert wird, dass es nicht nur das Recht gibt, einen Seelsorger der eigenen Religionsgemeinschaft für die Seelsorge zu haben, sondern das Personal, die Bediensteten der JVA, haben sogar die Pflicht, gewissermaßen Unterstützung zu geben, dass man sich bei kleineren Religionsgemeinschaften oder Ähnlichem dann mit Hilfe der JVA an einen Seelsorger wenden kann. Ich glaube, damit ist aus unserer Sicht das Ziel und das humanitäre Anliegen entsprechend berücksichtigt.