und wenn Baden-Württemberg tatsächlich einen solch enormen Preis für die Sachsen LB aufruft, das dann nichts anderes bedeutet, als dass Sachsen ein ganz großes Stück weit um die Früchte von 17 Jahren Aufbauarbeit gebracht wird. Es bedeutet auch nichts anderes, als dass die politischen Gestaltungsspielräume, gerade für diejenigen, die in Sachsen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch etwas bewegen wollen, erheblich beschnitten werden.
Vor diesen Folgen stehen wir. Wenn wir mit BadenWürttemberg keine Einigung erzielen, dann werden wir in Sachsen auf finanzpolitisch grausame Zeiten zugehen. Das zu verhindern, meine Damen und Herren, ist viel wichtiger, als über die Zukunft oder Vergangenheit des Ministerpräsidenten zu sprechen.
Für uns als FDP ist deshalb eines klar – das bei aller Kritik, die wir beim Thema Sachsen LB immer wieder laut und deutlich, für alle vernehmbar, geäußert haben –: Wir müssen und möchten großes Vertrauen in das Verhandlungsgeschick unseres Finanzministers legen.
Ich hoffe, dass Sie, Herr Tillich, die richtige Verhandlungsstrategie haben. Mir bleibt nichts anderes übrig, als Ihnen zu glauben.
Dass Ihre Verhandlungsposition katastrophal ist und dass Sie nicht allzu viel in der Tasche haben, wissen wir. Wie es dazu gekommen ist, werden wir vielleicht schon nächste Woche – ich habe gehört, es soll eventuell eine Sondersitzung hier im Landtag geben – besprechen können. Aber, meine Damen und Herren, wir können nur hoffen – damit appelliere ich auch ein Stück weit an Baden-Württemberg –, dass Baden-Württemberg fair mit Sachsen umgeht und dass Baden-Württemberg nicht den einen oder anderen finanzpolitischen Erfolg, den wir auf einer ganz anderen Spielwiese in den letzten Jahren erzielt – zum Beispiel die geringe Pro-Kopf-Verschuldung in Sachsen – und den vor allem die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geschultert haben, in die Verhandlungen einpreist.
Die Frage nach der Verantwortung für dieses gesamte Desaster – ich hatte es schon gesagt – wird sich stellen. Sie wird sich wahrscheinlich schon sehr bald stellen. Wir halten es für falsch, bevor die Verhandlungen abgeschlossen sind – Herr Dr. Hähle hatte es vorhin angesprochen –, bereits jetzt darüber zu sprechen.
Heute geht es einzig und allein darum zu retten, was noch zu retten ist. Dafür, meine Damen und Herren, sollten wir alle – unabhängig von der Position einzelner Fraktionen – dem Finanzminister ein möglichst klares und eindeutiges Verhandlungsmandat mitgeben, damit er in Stuttgart mit einer klaren Botschaft aus Sachsen auftreten kann.
Bitte missbrauchen Sie ihn nicht – im Interesse unseres Landes und im Interesse der politischen Hygiene in diesem Haus!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Staatsminister Tillich, Ihre Rede war in der Tat kurz. Es ist sicherlich die letzte, aber wichtigste Verantwortung für den Ministerpräsidenten Milbradt, jetzt die Suppe auszulöffeln, die er uns allen
eingebrockt hat. Insofern kann auch ich ihm nur wünschen, dass die Verhandlungen einigermaßen glimpflich ablaufen; denn die Politik und der Finanzmarkt haben sich ganz offensichtlich nicht an die Finanztheorie des Prof. Milbradt gehalten,
sondern irrational reagiert, wie sie manchmal auch sind. Für die Sachsen endet dieser Ausflug in die Praxis außerordentlich teuer.
Egal wie hoch die Bürgschaft ausfällt, so oder so kommt es dazu, dass keine Bürgschaften mehr in Sachsen für die Wirtschaft in nächster Zeit möglich sind. Das hat Auswirkungen auf das Wachstum in Sachsen. So oder so kommt es dazu, dass wir ein strukturelles Risiko, ein strukturelles Defizit, in den Haushalt bekommen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, aus meiner Erfahrung in der rot-grünen Regierungszeit unter Finanzminister Eichel, dem das Geld mittendrin auch ausging, kann ich Ihnen sagen: Dann macht Ihnen das Regieren keinen Spaß mehr; das können Sie vergessen!
Vor diesem Hintergrund und dieser eigenen Erfahrung kann ich Ihnen nur sagen: Bei den Zahlen, die zurzeit kursieren – diese 4 Milliarden Euro – glaube ich nicht, dass Sie hier in diesem Landtag eine Mehrheit dafür finden werden – und ich schaue ausdrücklich in die Reihen der Koalitionäre!
Eine Bürgschaft – lassen Sie uns die mit 4 % verzinsen – würde bedeuten, dass wir sowieso 170 Millionen Euro jedes Jahr bezahlen müssten. Sie würde bedeuten, dass wir auch ohne Zinseszins 43 Jahre lang jedes Jahr 100 Millionen Euro oder 22 Jahre lang jedes Jahr 200 Millionen Euro, immer drauf auf die 170 Millionen Euro Zinsen,
oder elf Jahre lang jedes Jahr 400 Millionen Euro zahlen. Sie können sich das ausrechnen, denn Sie wissen ja, wie Kredite funktionieren. Und das vor dem Hintergrund, dass die Steuermehreinnahmen, die wir dieses Jahr hatten, etwas Besonderes waren und nicht unbedingt damit gerechnet werden kann, dass man jedes Jahr solch einen Geldsegen bekommt! Und das vor dem Hintergrund, dass die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich zurückgehen, weil wir weniger werden, und vor dem Hintergrund, dass die Zahlungen des Solidarpaktes II weniger werden, weil das so vertraglich vereinbart ist. Das ist eine schwere Hypothek für Sachsen.
Wie funktioniert so eine Bankpleite, was ja auch passieren kann? Es ist ein Schock, wenn eine Bank pleite geht – hier in Deutschland, wo man Sicherheit gewöhnt ist, sowieso. Aber die Landesbank Sachsen ist ja auch mit anderen Banken geschäftlich verbandelt. Also kriegen diese die Schockwelle auch ins eigene Haus. Dann kann passieren, dass weitere Banken fallen, vornehmlich vielleicht Landesbanken, und wir haben einen Dominoeffekt in Deutschland und vielleicht auch in Europa. Dann
Jetzt erinnern Sie sich einmal an die Bankenkrise Asien/Russland in den Neunzigerjahren. Aus dieser Bankenkrise ist eine veritable Wirtschaftskrise geworden. Oder versuchen Sie einmal, in der Weimarer Republik nachzuschlagen, als der Reichsbankpräsident Schacht den Europäern zeigen wollte, dass er keine Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg mehr zahlen kann. Er ließ die Danartbank pleite gehen, und wir hatten dann die tiefste Wirtschaftskrise in Friedenszeiten. Danach kamen die Dreißigerjahre, die dann für Europa verheerend waren.
Die West LB hatte laut Rating-Agenturen kein richtiges Geschäftsmodell, sie ist schwach, sie hat ein schwaches eigenständiges Finanz- und Risikoprofil. Die Bayern LB – haben Sie letztens einmal etwas von den Bayern gehört? Ganz still. Ist Ihnen bewusst, dass der Bayer an sich normalerweise nicht still ist?
Ich sage einmal, wenn ich im Kinderzimmer nichts mehr höre, gehe ich schleunigst nachsehen, was los ist. Vor diesem Hintergrund ist das ein brüllendes Schweigen der Löwen.
Wir haben beobachtet, dass die Schweizer Bank UBS jetzt fast eine Schmach erfahren hat, als der Stadtstaat Singapur, einer der größten Konkurrenten für den Finanzplatz der Schweiz, mit 9 % da eingestiegen ist oder die Citigroup in den USA jetzt neben dem saudischen Prinzen Walid bin Talal auch noch als neuen größten Einzelaktionär Abu Dhabi im Boot hat. Da verschiebt sich auch das Machtgefüge in den Finanz- und Wirtschaftsmärkten. Man kann auch sagen, das ist Globalisierung einmal anders.
Aber noch einmal zurück zu dem kleinen, kleinen Bänkchen, das dann diesen Dominoeffekt ausgelöst haben könnte. Sie haben, Herr Ministerpräsident, genauso wenig wie Ihr Finanzminister keine Mehrheit für einen Nachtragshaushalt hier in diesem Landtag. Davon bin ich persönlich überzeugt. Das sehe ich so. Sie können das ja testen, aber ich glaube, dass das so sein wird. Wenn das so ist, dann ist der maximale Bürgschaftsspielraum, über den Sie überhaupt verhandeln können, eigentlich das, was das Haushaltsgesetz Ihnen erlaubt. Das Haushaltsgesetz erlaubt Ihnen maximal 1,7 Milliarden Euro, um das auch einmal in Zahlen zu fassen, dass Sie einmal etwas gehört haben. Das wäre das, was noch enthalten wäre. Ansonsten müsste man die Sachsen LB dann vielleicht notschlachten.
Sachsen Funding ist ganz offensichtlich ein Totalverlust. Sachsen Funding ist eine von diesen sechs Zweckgesellschaften, die in diesem Superzweckgesellschaftskonglomerat zusammengefasst werden soll. Diese haben 98 % ihres Geschäftes mit Hypotheken in Amerika. Das können Sie abschreiben. Wir behalten dann noch die weitere Haftung für Ormond Quay.
Aber noch einmal ganz im Ernst. Wenn die Verhandlungen scheitern, geht es den Sachsen deswegen nicht unbedingt besser, als wenn die Verhandlung zustande kommt. Wir sind hier zwischen Skylla und Charybdis unterwegs. Das ist klar.
Die Frage ist jetzt eigentlich für Sachsen nur noch, ob es ein etwas billigeres oder ein etwas teureres Paket wird, auf dem wir sitzen bleiben, auch um das einmal zu klären. Deswegen habe ich jetzt auch gar keine Rücktrittsforderung mehr an Sie, Herr Milbradt. Ich erwarte, dass Sie auslöffeln, was Sie uns hier eingebrockt haben, und gehen. Mehr kann ich nicht mehr sagen.
Wenn man sich auf der anderen Seite einmal ansieht, was jetzt als Konstruktion versucht wird zu verhandeln, dieser sogenannte Super-SIV, dieses Finanzvehikel sozusagen, dann merkt man, dass natürlich jetzt auch ein SchwarzesPeter-Spiel durch die Landesbanken in Deutschland geht. Ich habe ein paar Beispiele genannt. Finden Sie Partner, die mithelfen, das Risiko abzuschirmen, trennen Sie den Verkauf der Sachsenbank von den Risikogeschäften mit Zweckgesellschaften! Aber das wissen Sie wahrscheinlich alles selbst. Das strukturelle Defizit für den Haushalt können Sie nicht so hoch ausufern lassen, wie es den Baden-Württembergern vorschwebt. Das ist meine feste Überzeugung.
Vor diesem Hintergrund kann ich mir vorstellen, dass die Verhandlungen außerordentlich schwierig sind. Ich erwarte, dass es noch einmal vor Weihnachten eine Sondersitzung im Landtag gibt, wo wir das besprechen. Ich fordere alle Fraktionen auf, sich dem anzuschließen. Das muss sein. Ich kann auch verstehen, warum Herr Sanio von der Bankenaufsicht in Deutschland jetzt selbst davon spricht, dass man dann eben die Sachsen LB zumachen müsste. Ich empfinde das als eine Art erhobenen Zeigefinger und Drohung an alle Landesbanken in Deutschland, dass Bewegung in dieses Geschäft und auch ein Vertragsabschluss zustande kommen sollen. Wir werden sehen, ob das funktioniert, weil wir inzwischen in Deutschland bei den Landesbanken in der Phase sind, dass jeder sehen muss, dass er seinen eigenen Hintern an die Wand kriegt.
Meine Damen und Herren! Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann liegt jetzt ein Entschließungsantrag der Linksfraktion vor. Ich bitte um Einbringung.
Dr. Hahn, André, Linksfraktion: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen den vorliegenden Entschließungsantrag hier auf den Tisch gelegt, weil wir der Auffassung sind, dass das Parlament die Möglichkeit, die heute gegeben ist, nutzen sollte, zu erklären, zu bekunden und zu beschließen, dass über das Verhandlungsergebnis letztlich nur der Landtag als
Ganzes eine Entscheidung treffen kann. Ich habe das vorhin schon ausführlich begründet. Man darf es am Ende nicht einer Mehrheit im Haushalts- und Finanzausschuss überlassen, womöglich einen Milliardenbetrag zu beschließen.
Wenn ich mich recht erinnere, dann war es die CDU, die immer wieder behauptet hat, wir als Linke könnten nicht mit Geld umgehen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir beräumen in Berlin gerade den Scherbenhaufen, den die große Koalition dort hinterlassen hat. Der Bankencrash jetzt hier in Sachsen hat gezeigt, dass es ganz offenkundig die Schwarzen sind, die nicht mit Geld umgehen können.