Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Karl Nolle, SPD: Das walte Hugo! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Tillich, dass Ihre Regierungserklärung eine absolute Frechheit war, wissen Sie sicherlich selbst am besten. Im Vergleich zu den dürren Worten, die Sie heute hier zu der dramatischen Situation der Bank und des Landes verloren haben, nimmt sich jeder kleine Artikel der „Sächsischen Zeitung“ zur Landesbank geradezu wie eine finanzwissenschaftliche Vorlesung aus.

Die Frechheit der heute hier als Fachministererklärung bezeichneten Informationsverweigerung wird nur noch übertroffen von dem, was sich im Vorfeld der Erklärung abspielte. Nun ist die NPD-Fraktion einiges gewöhnt, was den Umgang der sogenannten Demokraten mit ihr angeht, aber gestern und heute überboten sich Staatsregierung und Präsidium einmal mehr in Ungeheuerlichkeiten unter Verletzung verfassungsrechtlich festgeschriebener Rechte. So beginnt dann im Übrigen auch die Regierungserklärung von Minister Tillich gleich mit einer faustdicken Lüge. Nein, Herr Tillich, entgegen Ihrer Behauptung wurden gestern Abend eben nicht alle Oppositionsfraktionen über den aktuellen Stand informiert. Sie hätten wenigstens so ehrlich sein müssen, wie so oft, darauf hinzuweisen, dass Sie einmal mehr nur die Vertreter der angeblich so demokratischen Fraktionen eingeladen haben, nicht jedoch die NPD.

Ministerpräsident Milbradt und Sie verletzten damit neuerlich die Verfassung, als Sie die NPD wieder einmal als einzige Landtagsfraktion vom Informationsfluss über die Zukunft der Landesbank ausschlossen und so das gemäß Artikel 40 Abs. 1 der Landesverfassung bestehende Recht auf Ausübung der Opposition und die gemäß Artikel 40 Abs. 2 gewährleistete Chancengleichheit und das verfassungsrechtliche Willkürverbot auf das Gröbste missachtet haben. Nicht dass uns das nach den letzten drei Jahren noch sonderlich wundern würde, aber das reißt Ihnen, meine Damen und Herren der Union, wieder einmal Ihre pseudodemokratische Maske vom Gesicht.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Gleichzeitig hielt es das Präsidium auch nicht für notwendig, uns über die Änderung der Tagesordnung zu informieren. Nachdem Herr Sagurna noch am letzten Donnerstag im Präsidium betonte, dass für eine Regierungserklärung kein Anlass bestünde, erfuhr die NPD von dieser erst gestern Abend aus der Presse und überhaupt durch einen Zufall von der damit verbundenen Aussprache der Fraktionen.

Insofern ist es allerdings auch ein Possenspiel, wenn beispielsweise die Linksfraktion und die GRÜNEN heute so tun, als seien sie, die sie bereits gestern Abend informiert wurden, nun ganz plötzlich überrascht worden, dass Herr Tillich heute eine Fachregierungserklärung abgeben würde.

Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Tillich, wenn Sie jetzt die banale Erkenntnis, dass Sachsen die enormen Risiken, die im Raum stehen, nicht allein schul

tern kann, besonders betonen, so ändert das nichts daran, dass auch der heute von Ihnen hier ins Spiel gebrachte Sicherungsfonds die Risiken beim Freistaat Sachsen belässt.

Als mein Kollege Dr. Müller vor knapp vier Monaten in der Sondersitzung zum Notverkauf der Sächsischen Landesbank redete, prognostizierte er schon, dass der Rest des gesamten Jahres eine Zitterpartie werden würde, eine Zitterpartie, in der jeder Morgen dem bangen Blick in den Finanzteil der Zeitung gelten würde, da das Damoklesschwert weiterer astronomischer Ausfallrisiken über der SLB und damit auch über dem mit einer Ausstiegsklausel versehenen Vertrag mit der Baden-Württembergischen Landesbank schweben würde. Johannes Müller widersprach der Beschwichtigungsstrategie des Ministerpräsidenten, der damals verkündete, dass mit dem in panischer Hast vollzogenen Notverkauf der Landesbank die Probleme beseitigt seien. Dies ist, wie damals schon vorherzusehen war, nicht der Fall.

Es konnte auch gar nicht sein, denn spätestens ab 2003 lief im Auftrag und auf Risiko der Sachsen LB – und damit auf Risiko der Steuerzahler – ein gefährliches, ein hoch spekulatives, nicht abgesichertes, gleichzeitig volkswirtschaftlich aber auch absolut nutzloses, ja schädliches Kapitalmarktschwindelgeschäft ab.

Betrieben wurde es außerbilanziell in ausländischen Zweckgesellschaften mit wohlklingenden Fantasienamen, mit maßgeblichem Einfluss der Sachsen LB, aber mit Strohmännern als Inhabern.

Es spricht Bände, dass der am 15. September zurückgetretene Sachsen-LB-Vorstand Herbert Klueß auf Antrag des Haushalts- und Finanzausschusses diese offiziellen Eigentümer nicht einmal benennen konnte oder wollte. Mit solch obskuren Tochtergesellschaften machte die SLB nach einem Bericht der KPMG-Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft zum Beispiel im Jahre 2005 einen Gewinn von 41 Millionen gegenüber 17 Millionen bilanziellem Konzerngewinn.

Der Bankvorstand hatte also auf Drängen der Staatsregierung die SLB in eine von den Interessen der sächsischen Wirtschaft weitgehend abgekoppelte internationale Kapitalmarktbank umgewandelt. Deswegen trägt auch in erster Linie die Regierung die Verantwortung für die heutige Lage der Bank!

Es ist an Verlogenheit und Heuchelei kaum zu überbieten, wenn Ministerpräsident Milbradt die finanzpolitische Götterdämmerung, die in Sachsen bevorsteht, als einen unvorhersehbaren Flügelschlag der Weltfinanzmärkte darstellt, wie er es beispielsweise in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ getan hat. Schließlich war es doch vor allem der Ministerpräsident, der als damaliger Finanzminister in einer Verwaltungsratssitzung im November 2001 den verhängnisvollen Strategiewechsel der Bank durchgesetzt hat: weg von den klassischen Aufgaben als Mittelstands- und Universalbank mit regionaler Ausrichtung hin zum internationalen Kapitalmarktgeschäft.

In einer von dem damaligen Verbündeten Milbradts, dem schon im Jahre 2005 wegen unlauterer Machenschaften geschassten Bankvorstand Weiss, unterzeichneten Vorlage für die Verwaltungsratssitzung hieß es erstens: „Die Sachsen LB wird sich aus wesentlichen Segmenten des Kreditgeschäftes zurückziehen. Betroffen sind das Firmenkundengeschäft mit nicht gerateten Adressen und das Immobiliengeschäft.“ und zweitens: „Die Sachsen LB wird sich in den Kapitalmarktbereichen neu aufstellen, um eine Verstetigung der Erträge zu erreichen.“

Meine Damen und Herren! Diese vom Ministerpräsidenten herbeigeführte und von seinem Nachfolger bedingungslos unterstützte Entscheidung ist die Ursache für die heutige Katastrophe der Sachsen LB, eine Entscheidung, die gegen die Interessen unserer Volkswirtschaft und das Wesen des volkswirtschaftlichen Kapitalkreislaufes gerichtet ist und auch gegen den Gründungsauftrag und die Satzung der Landesbank verstößt.

Die vom Ministerpräsidenten als Verwaltungsratsvorsitzenden herbeigeführte Kapitalmarktfinanzierung erfolgte dann auch nicht in Form traditionellen Kapitalmarktengagements, sondern über die Beteiligung an einem Schneeballsystem auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt, das über kurz oder lang wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen musste.

Man nahm kurzfristig niedrig verzinsliche Darlehen auf den internationalen Kapitalmärkten auf und finanzierte so den Ankauf langfristig höher verzinslicher amerikanischer Wertpapiere. Die Zinsdifferenz brachte den Gewinn. Doch diese Geschäfte, meine Damen und Herren, konnten nur unter zwei Voraussetzungen funktionieren: Erstens mussten die kurzfristigen Darlehen, die über die Herausgabe und den Verkauf sogenannter Commercial Papers aufgenommen wurden, in bestimmten Zeitabständen – zum Beispiel drei Monate bis ein Jahr – zurückgezahlt und durch neue kurzfristige Darlehen ersetzt werden. Zweitens mussten die langfristigen Wertpapiere als Eigenkapital ihren Marktwert beibehalten und der von ihrer Verzinsung fließende Geldstrom durfte nicht durch Ausfälle und Verluste bei den zugrunde liegenden Werten geschmälert werden.

Beide Voraussetzungen erwiesen sich schon im August 2007 als nicht mehr haltbar. Auf das Platzen der amerikanischen Subprime-Blase folgte der Zusammenbruch der Finanzmärkte, vor allem das Interbankengeschäft, über das sich die Banken gegenseitig Geld leihen. Die Folge ist, dass vorläufig keine Commercial Papers abgesetzt werden können. Die Sächsische Landesbank sitzt damit auf den sich zusehends entwertenden Wertpapieren, und zwar in einer ausfallgefährdeten Höhe, wie sie eben die apokalyptische Summe mit 43 Milliarden Euro erreicht haben.

Gleichzeitig muss sie nach und nach in gleicher Höhe die Rückzahlung kurzfristiger Darlehen irgendwie finanzieren, weil ja die Revolvierung nicht mehr klappt. Eine ausweglose Situation, die sich jetzt zu einem alle zermalmenden Sog steigert, in dem am Ende nicht nur die

Landesbank, sondern der Freistaat zu versinken droht. Das finanzpolitische Schicksal Sachsens, das lässt sich jetzt schon sagen, wurde für eine finanzpolitische Fata Morgana aus dem Fantasiebereich des internationalen Börsenroulettes verspielt.

Anstatt auf dem internationalen Kapitalmarkt Geld für amerikanische Häuslebauer zu organisieren, die wegen ihrer schlechten Bonität besser in einer preiswerten Mietwohnung als in einem Eigenheim wohnen sollten, wäre die Landesbank besser beraten gewesen, sich um die Pflege des sächsischen Kapitalkreislaufes und die Kapitalversorgung sächsischer Unternehmen zu kümmern.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Dabei, meine Damen und Herren, haben die spekulierten Zinsgewinne für die Volkswirtschaft ja nicht einmal einen realwirtschaftlich positiven Effekt gehabt. Sie heizen nur die Inflation weiter an. Im Grunde gibt es für ein solches System nur ein einzig adäquates Attribut, nämlich dass es „idiotisch“ ist. Die Tragik ist dabei nur, dass für diese Idiotie der Freistaat und seine an diesem Desaster unschuldigen Bürger eventuell über Generationen bluten müssen.

Es ist nur allzu gut nachzuvollziehen, dass das Land Baden-Württemberg nicht auch noch seine Zukunft verspielen und in diesem Sumpf versinken will. Der Stuttgarter Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN nannte es zum Beispiel eine abwegige Vorstellung, dass BadenWürttemberg Risiken anderer Länder oder Landesbanken übernimmt. Wenn man sich die Gesamthöhe des Ausfallrisikos vor Augen führt, das die SLB inzwischen vor sich herschiebt, so ist klar, dass diese Summe ausreicht, um die finanziellen Grundlagen gleich von zwei Ländern zu vernichten.

In solch einer Situation, meine Damen und Herren, kann es nur eine Lösung geben: Es muss ein Bundesplan erarbeitet werden, in dem festgelegt wird, wie mit den Ausfallrisiken der Landesbank umgegangen wird. Denn eines ist klar: Bei den im Raume stehenden Summen ist ein Land von der Größe und der finanziellen Stärke Sachsens restlos überfordert.

Wenn sich Sachsen auf die Stuttgarter Forderung einlässt, eine Bürgschaft in Höhe von einem Viertel des eigenen Landeshaushaltes einzugehen, dann, meine Damen und Herren, wird das der Strick sein, an dem ein ganzes Land aufgehängt wird. Jede Hand eines Abgeordneten, die sich bei einer eventuellen Abstimmung hier im Landtag dazu erheben würde, um so den Weg für den endgültigen Bankrott des Freistaates und die Gefährdung von 17 Jahren Aufbauhilfe freizumachen, müsste auf der Stelle verfaulen.

Meine Damen und Herren! Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie in Berlin. Dort stand nach Fehlspekulationen mit geschlossenen Immobilienfonds, der Vergabe von Krediten gegen Parteispenden und einer geradezu mafiösen Verfilzung zwischen Politik und Bank das Kreditinsti

tut kurz vor der Insolvenz. Aber selbst im Vergleich zur drohenden Insolvenz war die Rettung, die sogenannte, vor allem für den Steuerzahler ein Desaster.

Im Juli 2001 beschloss die rot-grüne Übergangsregierung eine Kapitalzuführung von 2 Milliarden Euro. 2002 verabschiedete das Abgeordnetenhaus unter dem rot-roten Senat das sogenannte Risikoabschirmungsgesetz, mit dem Berlin für die nächsten 30 Jahre die Risiken aus dem Immobiliengeschäft der Bank übernehmen muss. Hochrechnungen ergeben eine Risikosumme von 21,6 Milliarden Euro. Die Gewinne aus dem Immobilienfonds werden weiter an die Fondszeichner verteilt. Mit den zu erwartenden Verlusten wird die Berliner Bevölkerung belastet.

Berlins haushalterische Situation ist seit dem Bankskandal schlicht und einfach so aussichtslos, dass selbst das arme Brandenburg kein Interesse mehr an einer Fusion hat.

Der Wirtschaftsjournalist Rose schrieb in einem Buch über den Fall der Berliner Landesbank – Zitat –: „Die Berliner Bankgesellschaft war kein Sonderfall. Sie ist nur vielen anderen Banken fünf Jahre voraus. Die Namen der Manager sind austauschbar, die Kontrollinstanzen dieselben.“ Rose sagte das damals wohl noch nicht konkret an die Sächsische Landesbank gewandt, aber es drängen sich inzwischen Parallelen auf nicht nur wegen der in Berlin wie in Sachsen festgestellten Verfilzung zwischen Bank und Politik, sondern auch wegen der Art und Weise, wie die Politik das Problem zu lösen versucht, nämlich auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger des Landes.

Meine Damen und Herren, wir haben bislang noch nicht die Spitze des Eisberges gesehen, aber die Konsequenzen sind fürchterlich: die Schließung von sozialen und kulturellen Einrichtungen, der Verfall von Schulen, der Abbau von Arbeitsplätzen und ein Anstieg der Gebühren. Die oligarchischen Personalstrukturen, die für dieses Debakel verantwortlich sind, werden kein kulturelles Erbe hinterlassen, sondern einzig und allein Schulden.

Die NPD wird sich in diese oligarchischen Strukturen nicht durch Beschimpfungen, Drohungen oder offenen Rechtsbruch hineinpressen lassen. Wir schließen uns deshalb natürlich den Forderungen der PDS an, dass hier in diesem Landtag über die weiteren Verhandlungen entschieden werden soll. Aber Sie werden uns sicherlich nicht dazu bringen, für eine Bürgschaft zu stimmen, die der Anfang vom Ende der Zukunftsfähigkeit Sachsens ist.

Bitte zum Schluss kommen!

Herr Ministerpräsident Milbradt! Sie stehen vor dem Scherbenhaufen Ihrer desolaten Politik. Leisten Sie einen kleinen Beitrag zur politischen Hygiene in diesem Lande! Treten Sie zurück – jetzt und sofort!

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es dürfte jedem in diesem Raum völlig klar sein, dass das Kapitel Sachsen LB das voraussichtlich schwärzeste Kapitel in der noch jungen Geschichte unseres Freistaates Sachsen nach der Wende sein wird. Ich denke auch, dass jedem von uns klar ist, dass der Preis, den der Freistaat Sachsen und die Bürgerinnen und Bürger Sachsens für dieses Kapitel Sachsen LB zahlen müssen, sehr hoch – unappetitlich hoch – sein wird.

Aber heute ist noch nicht die Stunde der Abrechnung gekommen. Heute stellt sich noch nicht die Frage nach der politischen Verantwortung dafür, sondern heute ist – lassen Sie mich das so salopp sagen – die Stunde der Patrioten in diesem Land;

(Beifall bei der FDP)

denn es geht heute eben nicht um den Ministerpräsidenten – um das, was er getan oder nicht getan hat –, sondern es geht heute schlicht und einfach nur um eine einzige Sache: nämlich darum, den Schaden, den unser Land nehmen wird und den die sächsischen Steuerzahler zu tragen haben, so niedrig wie möglich zu halten. Um nichts anderes geht es in dieser Debatte.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich denke, jedem in diesem Haus sollte klar sein, dass, wenn die Zahlen, die in den Medien stehen, stimmen sollten

(Karl Nolle, SPD: Die stimmen!)