Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE, und bei der Linksfraktion)

Diesen Faden möchte ich an dieser Stelle wieder aufnehmen. Als die Zuständigkeit für die Kosten der Unterkunft von ALG II festgelegt wurde, betrachtete man die Kommunen als die bürgernahe und damit richtige Verantwortungsebene.

Hartz IV hatte zum Ziel, die Eigenverantwortung der Langzeitarbeitslosen zu stärken, indem Fördern mit Fordern verbunden wird. Das sollte auch für den Umgang mit den Kosten der Unterkunft gelten. Klar war, dass niemand unverschuldet wohnungslos werden sollte, nur weil er die Miete nicht bezahlen kann. Zwangsumzüge lagen und liegen weder im kommunalen Interesse noch im Interesse der Betroffenen. Es sollte also eine Kombination von Fordern und Fördern sein. Die Idee war, die von der Kommune übernommenen Kosten zu deckeln und den Mieter gleichzeitig bei der Suche nach Alternativen zum Umzug zu unterstützen, sei es durch Kostensenkung oder durch Hinzuverdienst.

Wie sieht die Realität aus? Wo sind die Freiräume, die wir den Kommunen verschaffen wollten, indem wir beim Bund für eine Entlastung eingetreten sind? Wo ist bei der kommunalen Durchsetzung dieses Gesetzes der Gedanke an den Stadtumbau geblieben? Wie wird mit Quartiermanagement unter dem Gesichtspunkt sozialer Netzwerke umgegangen? Gilt das alles auch für Hartz-IVEmpfängerInnen oder nicht? Wie wird von den Kommunen mit den jungen Schwangeren unter 25 Jahren umgegangen?

Wir müssen feststellen, dass viele Kommunen die Empfänger von ALG II nach wie vor verwalten. Sie stellen den Faktor Kosten in den Vordergrund, statt nachhaltige Konzepte zu suchen. Diese Situation haben die Vorredner

schon geschildert. Die Kommunen argumentieren, trotz zurückgehender Bedarfsgemeinschaften steigen die Kosten der Unterkunft, weil die Heizkosten steigen. Die Heizkosten werden gesondert ausgewiesen, zumindest bei den optierenden Kommunen, betragen aber durchschnittlich 20 % der Kosten der Unterkunft. Wir haben in den letzten Jahren einen durchschnittlichen Anstieg der Brennstoffkosten von 10 % gehabt und das Ende der Fahnenstange ist nicht abzusehen. Mieter als Hartz-IVEmpfänger bekommen die Heizkosten, vereinfacht gesagt, in voller Höhe erstattet. Es gibt allerdings eine Angemessenheitsgrenze.

Fazit: Die Kommunen werden auch in Zukunft mit steigenden Heizkosten zu rechnen haben. Was bedeutet das? Welche Wege können die Kommunen angesichts dieser Tatsache gehen? Ein Weg ist die Forderung der Übernahme der höheren KdU durch den Bund. Deshalb heute die Debatte. Der zweite Weg, den die Kommunen durchaus gehen, ist eine Abwälzung dieser Posten auf die Betroffenen. Den dritten Weg könnte man als den kreativen bezeichnen. Heizkosten der Hartz-IV-Empfänger müssen übernommen werden, zum Beispiel in Leipzig bis zu einer Angemessenheitsgrenze von derzeit 0,95 Euro pro Quadratmeter, und das ungeachtet der realen energetischen Qualität einer Wohnung.

In zahlreichen Gerichtsurteilen wurde mittlerweile entschieden, dass die Kommunen auch über diese Angemessenheitsgrenze hinaus für Nachzahlungen von Leistungsempfängern aufkommen müssen. Trotzdem bürden viele Kommunen die steigenden Kosten an Heizung und Warmwasser, insbesondere die Nachzahlung am Jahresende, allein den Mietern mit ihrem knappen Regelsatz auf, und das, obwohl das Sächsische Landessozialgericht schon mehrmals gegenteilig entschieden hat. Die Kommunen müssen die tatsächlichen Kosten für Heizung und Warmwasser zahlen. Was machen die Kommunen? Einige von ihnen warten die Entscheidung des Bundessozialgerichtes ab und sparen erst einmal auf Kosten der Hartz-IVEmpfänger. Gleichzeitig stellen sie für den Fall der Fälle Geld zurück. Es ist ziemlich sicher, wie das Bundessozialgericht urteilen wird. Wie also nutzen die Kommunen ihren Freiraum? Sie werden fragen, wo der Freiraum bei Kommunen sein soll? Ich frage Sie aber, wo der Freiraum bei den Hartz-IV-Empfängern ist. Sie wissen doch, wie knapp die Regelsätze kalkuliert sind. Darin ist ein Berechnungsansatz von rund 21 Euro für Haushaltsenergie enthalten. Die Heizkosten wären ein zusätzlicher Posten.

Gibt es andere Wege, Hartz-IV-Bezieher positiv einzubeziehen? Das Ziel müsste doch sein, sie zur Übernahme – –

Bitte kommen Sie zum Schluss.

von Verantwortung, und zwar durch Befähigung, zu gewinnen, denn das soll das Ziel von Hartz IV sein: Fordern und Fördern.

Zu diesem kreativen Weg werde ich an zweiter Stelle noch etwas sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Linksfraktion erhält noch einmal das Wort. Herr Dr. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wir befassen uns heute in schöner Regelmäßigkeit – schlimmer Regelmäßigkeit, müsste man eigentlich sagen – fast jährlich zum Ende des Jahres mit dieser Thematik. Wir hätten die Frage stellen können, warum wir uns heute noch einmal damit beschäftigen müssen. Das liegt daran, dass inzwischen die Messen gelesen sind. Es hat uns nicht nur gewurmt, sondern empört – und da wiederhole ich bewusst das, was Herr Hahn gesagt hat –, dass im November, als wir es thematisieren wollten, um der Staatsregierung einen Handlungsauftrag mitzugeben, gesagt wurde, das sei erst im Dezember dran und im Bundesrat werde frühestens im November die 1. Lesung sein. – So viel zu diesem Thema.

Wir haben die Sache deshalb heute erneut auf die Tagesordnung einer Aktuellen Debatte rücken müssen, weil wir nicht ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen können. Das, meine Damen und Herren, möchte ich an vier Positionen deutlich machen.

Erstens. Wir müssen endlich dafür sorgen – und das ist ein Blick nach vorn –, dass die wirklichen Aufwendungen der Kommunen veranschlagt und vom Bund bezuschusst werden. Da sind wir uns mit den Spitzenverbänden der Kommunen in Deutschland einig. Man fragt sich doch, warum die Bundesregierung das ignoriert. Offenbar, weil sie die Interessen der Kommunen für nicht wesentlich hält. Es ist viel zu den Preissteigerungen gesagt worden. Sie haben dazu beigetragen, dass die Kosten angestiegen sind. Eigentlich ist die Absenkung der Bedarfsgemeinschaften lediglich eine Mogelpackung. Wir wissen doch, dass durch die Eingliederung der unter 25-Jährigen in die Bedarfsgemeinschaft, wenn sie noch im Elternhaus wohnten, faktisch nur die Statistik geschönt wurde.

Zweitens. Der Finanzminister hat versucht, mir das ausführlich zu beantworten, aber ich sage trotzdem, ich kann nicht einsehen und erwarte den Widerstand der Staatsregierung, wenn ausgerechnet die beiden reichen Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine Sonderregelung haben und höhere Anteile bekommen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Richtig!)

Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Ich will gar nicht an die Debatte von heute Morgen in Bezug auf BadenWürttemberg anknüpfen, obwohl einem da die Galle hochkommen könnte.

Drittens. Herr Rößler hat ausführlich dazu gesprochen, auch Frau Weihnert. Es ist eine Halbwahrheit, die Sie hier seit Jahr und Tag verbreiten. Der Freistaat spart nach wie vor beim Wohngeld ein. Unsere Forderung bestand immer darin, dass die volle Einsparsumme weitergereicht werden muss. Das geschieht nicht. Da kann man sich nicht hinstellen und so tun, als ob man große Segnungen an die

Kommunen verteilen würde, weil das im Haushalt eingestellt wird. Es wären erst dann Segnungen, wenn man endlich die Gesamtsumme einstellen würde.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Viertens. Auch das will ich deutlich als Hausaufgabe nennen: Wir müssen endlich die Staatsregierung auffordern und in unseren jeweiligen Fraktionen im Bundestag Druck machen – bei meiner muss ich das nicht machen, da passiert das –, dass endlich der Bund von seinen Möglichkeiten Gebrauch macht, Mindeststandards für die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft festzulegen. Dies soll nicht am unteren Ende geschehen, sondern angemessen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Im Klartext bedeutet das, dass es nicht diese Festlegungen nach Kassenlage innerhalb der Kommunen entsprechend der katastrophalen Haushaltslage gäbe, wenn wir solche Mindeststandards hätten. Das muss sich ändern.

Diese vier Punkte sind bitter nötig endlich angepackt zu werden. Vielleicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, sind Sie beim nächsten Mal etwas vorsichtiger: Wenn wir – wie im November – einen Dringlichen Antrag stellen, dann stimmen Sie ihm zu, denn wir überlegen uns vorher, was wir beantragen. Bei Ihnen hat man manchmal den Eindruck, dass Sie sich Ihre Ablehnung nicht überlegen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wünscht die CDUFraktion noch einmal das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die SPD-Fraktion. – NPD? – FDP? – GRÜNE? – Frau Herrmann, Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steigende Heizkosten werden die Kommunen auch in Zukunft nicht aus der Zange lassen.

Die Kommunen können Forderungen an den Bund aufmachen, können die Kosten auf die Empfänger abwälzen oder sie können selbst nach kreativen Möglichkeiten suchen, mit diesen steigenden Heizkosten umzugehen. Diese machen nämlich den großen Anteil der KdU aus. Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Erstens: die Energieberatung durch die Kommunen für Menschen mit geringem Einkommen, unter anderem auch für Hartz-IV-Empfänger. Ein Beispiel dafür ist der Cariteam Energiesparservice in Frankfurt am Main. Die Betroffenen können die Erfahrung machen, dass sie ohne Einbuße an Wohnqualität Energie sparen können, und zwar in beiden Bereichen, also sowohl bei Heizenergie als auch Haushaltenergie. Der Nutzen ist klar sowohl für die betroffenen Menschen als auch für die Kommunen: Es führt einerseits zu einer Senkung der Haushaltenergie, was der Hartz IV-Empfänger sofort im Portemonnaie

spürt, und andererseits profitieren die Kommunen von nicht mehr weiter steigenden Heizkosten.

Eine zweite Möglichkeit wäre eine Investition in Wärmedämmung durch die Kommunen. Die Obergrenze für die von der ARGE dem Mieter erstattbare Grundmiete, in Leipzig derzeit 3,85 Euro pro Quadratmeter, ist festgeschrieben. Das bedeutet in erster Näherung, dass nur teilsanierte Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger infrage kommen. Bei anderen Wohnungen wäre nämlich die Miete zu hoch. Damit ist wieder klar, dass genau bei Hartz-IV-Empfängern die Heizkosten entsprechend hoch sind, weil die Wohnungen eben nicht saniert sind.

Wenn es also gelingt, Heiz- und Energiekosten auch durch Sanierung zu sparen, so hätten sowohl die Kommunen als auch die betroffenen Familien etwas davon. Im Übrigen wäre an der Stelle auch dem Klima geholfen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage die Staatsministerin: Möchten Sie das Wort ergreifen? – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, vor allen Dingen, meine Damen und Herren der Antragstellerin und auch der Opposition! Wir stellen uns Ihrer Kritik. Wir erwarten aber, dass Sie uns zuhören, bevor Sie urteilen.

Worum geht es? Der Bundesrat hat beschlossen, den Vermittlungsausschuss zum Dritten Gesetz zur Änderung des zweiten Sozialgesetzbuches nicht anzurufen. Es ist richtig, dass die Anpassungsformel des Bundes nicht die tatsächliche Entwicklung der Belastungen widerspiegelt. Die Regelung, die Höhe der Bundesbeteiligung an die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften zu koppeln, ist falsch. Sie entspricht nicht der Realität und verschlechtert die ohnehin schwierige Situation der Kommunen noch weiter. Trotzdem haben wir uns dagegen entschieden, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das war ein notwendiger Kompromiss, der – das liegt nun einmal in der Natur der Sache – nie ganz zufriedenstellen kann. Er war notwendig, um noch größeres Übel von uns abzuwenden.

Warum war das so? Wir mussten die Anpassung der Bundesbeteiligung lang und zäh verhandeln. Das Gesetz zur Änderung des SGB II, das in der nächsten Woche veröffentlicht wird, stellt auch uns nicht in allen Punkten zufrieden. Gerade den angesprochenen Indikator akzeptieren auch wir nur mit Bauchschmerzen. Wir mussten aber abwägen, ob wir das Kompromisspaket, das Ende des letzten Jahres zusammengeschnürt wurde und das die Verlängerung der Hartz-IV-SoBEZs bis 2010 mit umfasste, noch einmal aufschnüren. Wir haben uns dagegen entschieden, da wir keine geschlossene Länderfront für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses erreichen konnten. Meine Damen und Herren der Opposition, Sie müssen ganz einfach akzeptieren, dass solche Situationen

auch mit Intervention durch Sachsen nichts ändern, wenn wir keine Mehrheiten für diese Vorgehensweise haben.

Wir haben uns auch dagegen entschieden, da uns das Risiko zu groß war, dass in die weiteren Verhandlungen die beschlossene Verlängerung der Hartz-IV-SoBEZs einbezogen wird. Wir haben uns dagegen entschieden, weil ohne Einigung bis Jahresende der Bund 2008 das Erstattungsverfahren mangels Rechtsgrundlage für die Auszahlung einer Bundesbeteiligung einstellen müsste, da es zu keiner gesetzlichen Festsetzung eines Bundesanteils für 2008 gekommen wäre.

Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang eine erhöhte Bundesbeteiligung zwischen 15 und 20 % beim derzeit im Bundestag befindlichen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB XII im Bundesratsplenum am 30.11.2007 durch den Parlamentarischen Staatssekretär Brandner erklärt. Die Verhandlungen werden noch im Januar 2008 beginnen.

Meine Damen und Herren! In der Tat, Kompromisse tun weh. Aber manchmal muss man auch Schmerzen ertragen, um Schlimmeres zu verhindern. In einem politischen System, in dem auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen über gemeinsame Dinge verhandeln, kann es manchmal nur Kompromisse geben. Wer damit nicht leben kann, ist ein Idealist. Wer die Kraft besitzt, diese Kompromisse einzugehen, ist ein Realist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Gibt es Erwiderungswünsche aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Abg. Dr. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Verehrte Frau Staatsministerin! Ich habe mich spätestens nach meiner Konfirmation irgendwann dann möglicherweise vom Idealismus zum Materialismus entwickelt. Das ist der Lauf der eigenen Biografie.

Kompromisse muss man in der Tat – da haben Sie völlig recht – eingehen. Da haben wir keine unterschiedliche Meinung. Ich will aber zu drei Problemen ganz kurze Anmerkungen machen.

Wenn wir – Herr Rößler hat das angemerkt – von Mitschuld in unserer Themenstellung heute reden, dann gebe ich gern zu, dass wir die Koalitionsfraktionen expressis verbis im Thema hätten nennen müssen. Die eigentliche Mitschuld ist, dass wir nicht vieles im November schon diskutieren konnten – auch das, was Frau Staatsministerin gerade an Schwierigkeit eingewandt hat, die durchaus besteht, das sehe ich auch so –; das hat die Koalition verhindert, das kreiden wir ihr an. Das werden Sie auch nicht wegdiskutieren können.