Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zweitens ist völlig offen, was davon tatsächlich für die Gewährträger übrig bleibt. Im Grundlagenvertrag, auch dazu haben Sie nichts gesagt, Herr Milbradt, ist nämlich geregelt, dass die von Baden-Württemberg eingesetzten 250 Millionen Euro gegengerechnet werden. Danach blieben 78 Millionen Euro.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das stimmt doch nicht! – Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Nein!)

Herr Ministerpräsident, Sie können das ja alles beantworten. Wir haben keinerlei Unterlagen. Wir haben nicht ein einziges Blatt Papier von Ihnen. Wir haben einen mündlichen Bericht. Auch das ist eine Zumutung gegenüber dem Parlament.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD – Heinz Eggert, CDU: Dafür können Sie viel erzählen, wenn Sie nichts wissen! – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren! Bitte!

Herr Ministerpräsident, wenn es sich um einen Barpreis handelt, wie Sie gesagt haben, dann wird es ja wohl keine Anteile an der Landesbank Baden-Württemberg mehr für den Freistaat Sachsen geben, von denen bisher die Rede war. Auch dazu haben Sie nichts gesagt. Das bedeutet, dass der Freistaat Sachsen dann auch in den Folgejahren keinerlei Ausschüttung über diesen Weg erhalten wird. Auch das sind Gelder, die dem Freistaat Sachsen fehlen werden.

(Peter Wilhelm Patt, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage beantworten.

Herr Milbradt hat eben davon gesprochen, der Vertrag mit Baden-Württemberg war unsere einzige Chance. Aber wer hat denn Schuld daran, dass es nur noch diese eine Chance gibt und gegeben hat? Das waren Sie, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sie haben jetzt einen Brand gelöscht, den Sie selbst gelegt haben. Herr Milbradt, Sie sind vielleicht manches; ein Retter sind Sie mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der NPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können heute vielleicht ein ganz klein wenig durchatmen. Erst müssen die entsprechenden Beschlüsse durch das Parlament getroffen werden; auch darauf möchten wir noch einmal ausdrücklich hinweisen. Wie viel Luft, wie viel politischen Spielraum wir in den kommenden Jahren tatsächlich haben, muss die Zukunft zeigen. Fakt ist: Die Sächsische Staatsregierung, insbesondere die CDU, hat einen politischen und finanziellen Scherbenhaufen hinterlassen. Deshalb bleiben wir dabei: Baldige Neuwahlen wären die beste Lösung für unser Land.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Ich erteile nun der Fraktion der CDU das Wort; bitte, Herr Dr. Rößler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen ist uns das Verhandlungsergebnis unserer Verhandlungsdelegation zur Kenntnis gekommen. Wir haben jetzt vom Ministerpräsidenten gehört, wie die Konditionen sind. Wir wissen, die Sachsen wissen, was auf sie zukommt. Es ist gewissermaßen Klarheit geschaffen worden:

(Zuruf von der NPD: Eben nicht!)

Es wird eine schwere Last zu schultern sein. Ich denke, wir sind uns alle darüber im Klaren, dass das Verhandlungsergebnis relativ alternativlos ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Warum denn?)

Worüber wir uns nun Gedanken machen müssen, ist, wie wir diese Last schultern. Es wird Möglichkeiten zur Bewertung dessen geben, was uns heute vorgetragen worden ist. Wir haben bereits Sondersitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses beantragt. Es ist eine Sondersitzung des Landtages beantragt. Ich bin ganz sicher, dass innerhalb der Fraktionen eine sehr intensive Diskussion zu den Verhandlungsergebnissen stattfinden wird. Danach müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir diese schwierige Situation für Sachsen meistern und diese Last schultern. Das muss und das wird uns gelingen. Aber machen wir uns keine Illusionen: Das wird in unserem Haushalt noch viele, viele Jahre einen entsprechenden

Stellenwert einnehmen müssen. Wir sollten uns dieser Situation bewusst sein; aber ich bin überzeugt, dass wir sie meistern – bei den Voraussetzungen, die wir im Freistaat Sachsen durch solide Finanzpolitik vorher gehabt haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Immer ein Scherzwort auf den Lippen, der Herr Rößler!)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Staatsminister Jurk, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Sächsische Landtag hat weiß Gott bessere Stunden erlebt. Wir haben ein Verhandlungsergebnis erfahren, bei dem ich den Respekt allen zolle, die an diesen schweren Verhandlungen unter starkem Druck teilgenommen haben.

Als die SPD hier im Jahre 2004 in Regierungsverantwortung getreten ist, haben wir manche Zustände vorgefunden, aber wir haben auch Verantwortung übernommen; und Verantwortung heißt auch heute, dass wir uns das Ergebnis genau anschauen und dass alle Abgeordneten sehr genau prüfen, um sachgerecht zu entscheiden. Aber als jemand, der in der DDR groß geworden ist, habe ich wenig damit zu tun, dass man sagt, es gebe keine vernünftige Alternative. Man muss darüber reden. Hätte es Alternativen gegeben, Alternativen, die in der Schließung der Bank gelegen hätten? Diese Frage muss sich jeder stellen – Schließung einer Landesbank, erstmalig in Deutschland; mit für mich schier nicht ausmalbaren Konsequenzen für diejenigen, die diese Bank tragen: ob Freistaat, ob Kommunen bei uns im Land; Konsequenzen auch für die Arbeitsplätze in Leipzig, für die Menschen, die dort, wenn sie nicht auf der Führungsetage gearbeitet haben, fleißig gearbeitet haben und eben nicht für Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden dürfen, die andere zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Aber es ist auch die Zeit da, dass man sich gründlich prüft. Ich habe die Debatte damals nach dem Notverkauf verfolgt – der Abg. Weckesser, seines Zeichens Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses und Mitglied des Verwaltungsrates, nickt gerade. Herr Weckesser hat angeboten, sich dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich tue dies auch. Jeder sollte zu dem, was er zu verantworten hat, auch Stellung beziehen. Jeder sollte dazu stehen, was er in den vergangenen Jahren getan hat und inwieweit er in die Geschäfte der Bank involviert war. Das heißt, dass man prüft, wie die Organe funktioniert haben – Vorstände, Anteilseignerversammlung, Verwaltungsräte –, aber auch schaut, dass der Verwaltungsrat kein Vorstand ist, und darüber nachdenkt und intensiv prüft: Wie sind die politischen Verantwortlichkeiten festzumachen?

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Dazu brauchen wir aber die Akten!)

Bitte, Herr Tischendorf, Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Dazu brauchen wir aber die Akten, damit wir es überprüfen können!)

Ich habe Sie nicht verstanden, aber ich möchte gern fortfahren.

Generell wird die öffentliche Hand prüfen müssen, ob sie sich auf solche Geschäfte jemals wieder einlässt. Nachher sind alle klüger; und auch IKB, Bayerische Landesbank, West LB, HSH Nord oder die Sächsische Landesbank haben diese Geschäfte gemacht – auch die großen Privaten. Unter dem Strich stellen wir fest: Sachsen hätte sich das nicht leisten können. Dies ist die bittere und harte Lehre.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten das Ergebnis gründlich prüfen. Die SPD steht dazu, eine Lösung zu finden. Wir haben hierzu einen Vorschlag bekommen. Wir stehen zu dieser Koalition; aber, meine Damen und Herren, wir sprechen auch über politische Verantwortlichkeiten.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was heute Morgen vonseiten der Staatsregierung als Jubelmeldung über den Ticker gelaufen ist, ist in Wahrheit nichts anderes als eine Hiobsbotschaft. Nach dem bekannten Motto „Operation gelungen, Patient tot“ kann die Staatsregierung heute verkünden: Die Landesbank ist gerettet, der Freistaat aber bankrott! Nichts anderes bedeutet die geplante Vergabe einer Bürgschaft für Ausfallrisiken der Landesbank in Höhe von 2,75 Milliarden Euro, also beinahe 20 % des Landeshaushaltes.

Mit dem heutigen Tage, der von Ihnen wahrscheinlich noch als bankenpolitischer Durchbruch gefeiert wird, geht Sachsen einer bitteren Zukunft entgegen. Ich habe gestern mit Blick auf den Freistaat und mit Blick auf die gesamte deutsche Bankenlandschaft von einem Bundesplan zur Rettung der Landesbank gesprochen. Ich habe aber auch versucht, deutlich zu machen, dass selbst das Ausschöpfen einer Risikoabsicherung durch die Staatsregierung in Höhe der im Haushaltsgesetz vorgesehenen 1,7 Milliarden Euro meines Erachtens für Sachsen nicht verkraftbar ist bzw. einen Stillstand, eine Stilllegung der Wirtschaftsförderpolitik darstellen würde. Jetzt ist von 2,75 Milliarden Euro die Rede, und vermutlich wollen Sie dies noch als großartigen Erfolg verkaufen.

Ich möchte an dieser Stelle jeden davor warnen, sich in der Haftungsfrage Sand in die Augen streuen zu lassen, wie dies heute der Ministerpräsident wieder einmal getan hat. Schon der von der Staatsregierung abgesegnete Verkaufsvertrag der Sachsen LB vom 26. August 2007, der damals noch von ihr als der finanzpolitischen Weisheit letzter Schluss dargestellt wurde, beließ die Risiken beim Freistaat, worauf nicht zuletzt meine Fraktion nachdrücklich hingewiesen hat.

Nun, da auch die Landesbank Baden-Württemberg gezwungen ist, gigantische Verluste aus dem Geschäft mit amerikanischen Schrottimmobilien zu realisieren – was ebenfalls vorhersehbar war, da sich alle großen deutschen Banken wie die Lemminge in dieses Hochrisikogeschäft gestürzt haben –, hofft man vonseiten der Landesbank Baden-Württemberg natürlich auf eine Präzisierung der Haftungsfrage, da man schon das eigene Haus wackeln sieht.

Es ist aber keineswegs so, wie es uns die Staatsregierung weiszumachen versucht, dass die Haftungsfrage in den letzten Tagen den Umschlag in eine ganz neue Qualität erfahren hätte, die vorher überhaupt nicht absehbar gewesen wäre. Wer anderes behauptet, will den Bürgern Sand in die Augen streuen. Daran ändert auch die in der Nacht beschlossene Landesbürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro gar nichts.

In einer Agenturmeldung von heute ist schon verräterisch von weiteren Bürgschaften die Rede, die noch folgen könnten. Die noch heute Nacht ausbaldowerte Bürgschaftslösung entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Nichtlösung, die für den Freistaat Sachsen katastrophal ist, da sie die Risiken allein bei ihm belässt, ohne beispielsweise den Käufer, die Landesbank Baden-Württemberg, in angemessener Weise an den Risiken zu beteiligen.

Was, meine Damen und Herren, passiert bitte schön, wenn das sich auf 43 Milliarden Euro belaufende Gesamtausfallrisiko zu 20 % abgeschrieben werden muss, wie es von einigen Bankenwissenschaftlern bereits prognostiziert wird? In diesem Fall hätte der Freistaat plötzlich Verpflichtungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro am Hals – mehr als die Hälfte des Volumens des Landeshaushaltes – und könnte Bankrott anmelden.

Es ist bezeichnend, dass der Ministerpräsident in seiner heutigen Erklärung auf dieses Albtraumszenario, das gleichwohl eine beunruhigend hohe Eintrittswahrscheinlichkeit besitzt, gar nicht erst eingeht.

Eine weitere Augenwischerei ist die heute stolz präsentierte Zusage des Sparkassenverbandes und der Landesbanken, die nötige Liquidität bereitzustellen, um die sich in Irland in den Beständen befindlichen Wertpapiere bis zur Endfälligkeit zu halten. Eine solche Nachricht kann nur für einen Zweckoptimisten wie den Ministerpräsidenten eine gute Nachricht sein, denn der Immobilienmarkt befindet sich in einem historischen Zusammenbruch und wird sich auch in ein oder zwei Jahren nicht erholt haben. Auch bei ihrer Endfälligkeit werden die Papiere vermutlich keinen Pfifferling wert sein und damit genauso

wertlos wie seinerzeit das Rücktrittsversprechen des Ministerpräsidenten.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis die nächste Katastrophe eingetreten ist, und dann wird es wieder hektische Treffen in der Staatskanzlei geben und zu Landtagssondersitzungen kommen. Aber auch dann werden wir keine Klarheit haben.