Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

– ein halbes Jahr miteinander gesprochen hat.

Ich stelle Folgendes fest: Im Mai wurde der Staatsvertrag in den Sächsischen Landtag eingebracht. Im Juni gab es die 1. Lesung.

Im November oder Anfang Dezember gab es dann die entsprechende Anhörung. Es mussten Sondersitzungen aller Ausschüsse stattfinden, um diesen Staatsvertrag noch termingerecht zu verabschieden.

Im Juni gab es die erste Beratung.

Ja, die Erstberatung. Dann war langes Schweigen im Walde von Ihrer Seite aus.

Das hat nur gezeigt, dass Sie unfähig sind, diesen Gegenstand, der doch von allen Seiten sehr kontrovers debattiert wird, im normalen und geregelten Verfahren hier zu verabschieden.

Fachlich sind Sie am Ende, weil Sie natürlich nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28.03.2006 umsetzen. Dort wurde klar gesagt, dass ein staatliches Monopol, Herr Schiemann, nur dann gelten darf, wenn es darum geht, Spiel- und Wettsucht zu vermeiden, um weitere Schäden abzuwehren.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

De facto geht es doch – ja, Sie haben es gesagt – den Ländern und dem Bund nur darum, sich die Einnahmen,

die sie bisher aus der Spiel- und Wettsucht der Bevölkerung ziehen konnten, zu sichern. Für den Freistaat Sachsen hat das in den letzten Jahren im Schnitt 120 Millionen Euro ausgemacht, für den Bund und die Länder insgesamt über 4 Milliarden Euro. Dies ist doch der Grund, warum Sie in diesem Bereich ein Monopol wollen: weil Sie faktisch auf diese Monopoleinnahmen nicht verzichten wollen.

Wie sieht es denn real aus? Wie wird denn im Freistaat Sachsen in Zukunft die Spielsucht abgewehrt? Es gibt einen klaren Schlüssel. Der heißt, in Zukunft soll es auf 3 200 Einwohner – hören Sie zu, Herr Schiemann – eine Annahmestelle geben. Bisher gibt es im Freistaat Sachsen 1 356 Annahmestellen. Wenn man eine Bevölkerungszahl von 4,2 Millionen zugrunde legt, wird es im Jahre 2008 noch 1 313 Annahmestellen geben. Das heißt, 40 Annahmestellen würden abgebaut. Das sind drei Promille. Nun sagen Sie mir, das ist ein Schritt, um der Spielsucht zu entgegnen. Da sage ich Ihnen: Nein, das ist nicht der Fall.

Wenn Sie konsequent wären, dann müsste man natürlich eine Regelung anstreben, die die Bereiche, in denen die Spielsucht wesentlich größer ist, auch staatlich reguliert oder gar verbietet. Ich erinnere hier an die in den Anhörungen genannten Beispiele zu Pferdewetten. Ich erinnere an die Frage der Geldspiele an Automaten. Genau darauf gehen Sie nicht ein. Genau in diesen Bereichen gibt es keine Regelung. Wenn Sie also die Spielsucht abwehren wollten – und Spielsucht bezieht sich nicht nur auf das Lottospiel –, dann müssten auch diese Bereiche geregelt werden.

Der Wissenschaftliche Dienst des Landtages von Schleswig-Holstein hat festgestellt, dass es in diesem Beispiel eben keine kohärente Lösung gibt und dass der Bund in Zukunft in diesem Bereich keine Änderung vornehmen will.

Auch der von Ihnen geschilderte Fachbeirat für Glücksspiel ist doch wohl nicht mehr als ein Alibigremium. Ich erinnere an die vielen Fachbeiräte in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen. Es wird immer wieder gesagt, man will Schaden von der Bevölkerung abwenden. Aber de facto sind diese Gremien meist zahnlose Tiger.

Schauen wir nur mal eine Woche zurück. Erinnern Sie sich? Es gab eine Debatte um einen Jackpot von 41 Millionen Euro.

(Alexander Krauß, CDU: 43 Millionen Euro!)

43 Millionen Euro; Sie haben anscheinend mitgespielt.

Die Zeitungen schrieben darüber, die Lottogesellschaften machten Werbung. Wäre es nicht das Einfachste gewesen, die Gewinne zum Beispiel auf eine Höhe von einer Million Euro zu begrenzen? Wenn Sie also der Spiel- und Gewinnsucht entgegnen wollen, müssen Sie andere Regelungen treffen.

Auch rechtlich ist festzustellen, dass der vorliegende Staatsvertrag nicht wasserdicht ist. Zum ersten Mal ist es so, dass uns ein Staatsvertrag vorgelegt wird – hören Sie zu, meine Damen und Herren –, für den es ausreicht, dass 13 Länder ihre Unterschrift geben, dass 13 Parlamente diesen ratifizieren. Dies ist einmalig; wahrscheinlich deshalb, weil drei Länder ausscheren könnten.

Das Inkrafttreten kann gegen oder ohne Zustimmung mehrerer Vertragsparteien geschehen. Das ist, glaube ich, so in der Bundesrepublik einmalig, und es widerspricht dem Prinzip der Eigenstaatlichkeit und dem Grundsatz der Bundesstaatlichkeit.

Ich zitiere jetzt aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes von Schleswig-Holstein. Dort heißt es: „Danach stehen die Länder als Bieter des Bundes einzeln und gleichberechtigt nebeneinander. Es gilt der Grundsatz der Einstimmigkeit, bei dem kein Land durch die anderen Länder überstimmt werden kann.“ Aber genau das ist in diesem Falle möglich. Das Vetoprinzip der Einstimmigkeit wird ausgehebelt.

Sicherlich, das kann man machen, aber darauf haben sich die Länder vorher zu einigen. Ansonsten umgehen sie mit diesem Quorum Beschlüsse. Ansonsten schaffen sie ein neues Quorum.

Ich zitiere wieder aus dem entsprechenden Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes von Schleswig-Holstein: „Eine von allen Ländern gebilligte Vertragsregelung, die ein Abweichen vom Einstimmigkeitsgrundsatz erlauben würde, ist vorliegend, aber nicht zustande gekommen.“ Das heißt, sie ist in einem vorhergehenden Staatsvertrag nicht zustande gekommen. Auch aus diesem Grund ist dieser Staatsvertrag abzulehnen.

Der Wissenschaftliche Dienst von Schleswig-Holstein kommt zu dem Schluss: „Insgesamt ist als Ergebnis der vorliegenden Prüfung festzustellen, dass gegen zentrale Teile des Glücksspielstaatsvertrages rechtliche Bedenken bestehen, aus denen sich ein beträchtliches Risiko für den gesamten Bestand des Glücksspielstaatsvertrages ergeben kann.“ Deutlicher und eindeutiger kann man es wohl nicht sagen.

Aber wir sind hier in Sachsen und wir entscheiden für Sachsen. Unsere Aufgabe nach Verfassung ist es, Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden. Es gibt oder es gab im Freistaat Sachsen einen Anbieter für entsprechende Wetten mit b.win. Dieser Anbieter hat schon gesagt, dass er klagen wird. Aktuell ist es so, dass das Oberverwaltungsgericht Bautzen heute festgestellt hat, dass b.win zu Recht geklagt hat. Ich zitiere: „Wettbüros mit DDRGenehmigungen dürfen Sportwetten vermitteln und dies auch im Internet und über die neuen Medien.“

Herr Schiemann, dieses Urteil widerspricht klar Ihren Aussagen. So kann es sein, dass auf den Freistaat Sachsen Schadenersatzzahlungen zukommen. Manche Leute sprechen von 500 Millionen Euro, andere von noch mehr. Aus diesem Grund ist dieser Staatsvertrag aus unserer Sicht abzulehnen.

Das von Ihnen vorgelegte Modell zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist nicht schlüssig. Es bezieht sich nicht auf alle Bereiche des Spielens und des Wettens. Das Scheitern vor dem Gericht ist für uns offenbar. Schäden für den Freistaat Sachsen sind unserer Meinung nach die Folge. Deshalb ist dieser Staatsvertrag abzulehnen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Bräunig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommen wir noch einmal auf den Ausgangspunkt zurück. Ausgangspunkt für die Neuordnung des Glücksspielwesens ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006, in dem die verfassungsrechtlichen Vorgaben genannt werden, unter denen staatliche Monopole im Glücksspielbereich mit der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz vereinbar sind.

Der Staat darf nach Auffassung der Richter in Karlsruhe ein Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit erhöhtem Gefährdungspotenzial nicht mit einem möglichen finanziellen Interesse an den Wetteinnahmen begründen, sondern er muss das Glücksspiel konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht ausrichten. Anders lasse sich, so die Richter, ein Festhalten am bisherigen Monopol nicht rechtfertigen.

Somit geht es beim Glücksspielmonopol also um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, für die der Staat einzutreten hat und für die er im Übrigen auch einzutreten hat, wenn er den Glücksspielmarkt liberalisiert. Nun gibt es die sogenannte Glücksspiellobby, die auch Vertreter in diesem Hohen Hause hat. Erklärtes Ziel dieser Lobby ist es, das staatliche Glücksspielmonopol zu Fall zu bringen. Der Hintergrund ist ganz klar, dass private Wettanbieter massive finanzielle Interessen haben. Herr Schiemann wies darauf hin, es gibt ein prognostiziertes Einnahmenvolumen von 15 Milliarden Euro – wir sind ja in dieser Woche gewohnt, über Milliardenbeträge zu sprechen – pro Jahr allein in Deutschland aus privaten Wettveranstaltungen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Festhalten am bisherigen Monopol der beste Weg ist, um den Gefahren der Spielsucht zu begegnen. Der Jugend- sowie der Spielerschutz verlangen es, meine Damen und Herren, dass Glücksspielangebote kanalisiert und begrenzt werden, und gerade das ist eben mit einer teilweisen oder auch vollständigen Liberalisierung nicht zu erreichen.

Wenn wir den Gedanken „Mehr Wettbewerb im Glücksspielbereich“ weiterspinnen, so sorgt dies für zunehmende Werbung und damit wiederum für immer höhere Spielanreize, und am Ende bleiben die Gewinne bei einer industrialisierten Glücksspielwirtschaft und sind damit quasi privatisiert. Die Gewinne werden privatisiert, während jedoch die sozialen Folgen der Wettsucht, nämlich Armut

und Hilfsbedürftigkeit, sozialisiert werden, meine Damen und Herren. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Sorge geteilt, auch wenn das in dem Urteil eher zwischen den Zeilen zu lesen ist – aber dies dann deutlich.

Die SPD-Fraktion ist der festen Überzeugung, meine Damen und Herren, dass bei einer Freigabe des Glücksspielmarktes die neuen Anbieter weder zur Bekämpfung der Glücksspielsucht noch zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben wie Sport, Kultur, Umwelt und Wohlfahrt beitragen werden und dem Glücksspielwesen damit seine Sozialpflichtigkeit abhanden kommt. Wir werden es dann allein mit Anbietern zu tun haben, deren Gewinnstreben den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Zielsetzungen gänzlich entgegensteht. Ich glaube auch nicht, dass es bei einer Liberalisierung nennenswert mehr Arbeitsplätze geben wird. Heute schon haben viele der Glücksspielbetreiber ihren Sitz im europäischen Ausland, in Steueroasen, und sie benötigen kaum heimisches Personal. Also gibt es auch kein Argument für Arbeitsplätze.

Nun muss man, nun kann und darf man selbstkritisch einräumen, dass die bisherige Praxis des Glücksspielwesens in Deutschland nicht unbedingt das Gelbe vom Ei war. Gerade bei den Themen Spielsucht und Werbung im Glücksspielbereich gab es Defizite, auf die auch das Bundesverfassungsgericht – zu Recht, wie ich meine – hingewiesen hat. Diese Punkte aber werden mit dem neuen Staatsvertrag vernünftig gelöst. Es wird künftig effektive Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht geben. Dazu gehört zum Beispiel der Verzicht auf Werbung.

Lassen Sie mich noch auf einige europarechtliche Fragestellungen eingehen. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Verfahren Recht gesprochen. Er hat den Mitgliedsstaaten freigestellt, welchem Glücksspielsystem der Vorzug gegeben wird; und wie das Bundesverfassungsgericht verlangt auch der Europäische Gerichtshof, dass bei einer anderen Marktform als dem freien Wettbewerb die ordnungspolitischen Ziele widerspruchsfrei umgesetzt werden und die Wettbewerbsbeschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Genau diesen Vorgaben, meine Damen und Herren, wird der Glücksspielstaatsvertrag gerecht.

Zusammenfassend: Eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes führt zu keiner besseren Bekämpfung der Spielsucht, sondern sie beseitigt die bisherige Sozialpflichtigkeit des Glücksspieles, und einer solchen Entwicklung wird die SPD-Fraktion in keinem Fall zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Für die NDPFraktion spricht Herr Delle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade rechtzeitig zur vorgegebenen Frist des Bundesverfassungsgerichtes hat dieses Haus nun die Gelegenheit, dessen Vorgaben zum staatlichen Wettmonopol umzusetzen.

An meiner Formulierung erkennen Sie bereits die Sichtweise der NPD-Fraktion, die weder aufgrund des BVGUrteils vom März 2006 noch aufgrund des sogenannten Gambelli-Urteils eine liberalistische Aufweichung einer ordnungspolitischen Maßnahme bringt. Entscheidend sind für die NPD-Fraktion also nicht irgendwelche europäischen Rechtsprechungsakte, sondern entscheidend ist für uns allein das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Dies beinhaltet unter anderem, dass rein fiskalische Argumente zur Rechtfertigung eines Wettmonopols unter Einschränkung der Berufsfreiheit zwar ausscheiden, sich aber aus dem Gemeinwohlziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht eine Rechtfertigung ergibt. Daher wird die NPD-Fraktion dem vorliegenden Glücksspielstaatsvertrag zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wer die Menschen nicht einer einzig nach materialistischen Erwägungen entfesselten Spaßgesellschaft ausgesetzt wissen will, dem kann es nach Ansicht der NPD-Fraktion ohnehin nicht um fiskalische oder ähnliche Erwägungen, sondern nur um die Verhinderung der gezielten Entfesselung der Spielsucht durch private, insbesondere auch ausländische Anbieter gehen.

Erlauben Sie mir nun einen kurzen Vergleich mit England. Dort liegt der Spielumsatz nach der Öffnung des Marktes bei 470 Dollar pro Person gegenüber lediglich 44 Euro in Deutschland. Ich glaube nicht, dass eine derartige Situation wie in England für Sachsen wünschenswert wäre. Auch das BVG hat das Gefahrenpotenzial, das vom Glücksspiel ausgeht, erkannt, indem es dem Gesetzgeber den Auftrag gibt, der Suchtprävention und der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht mehr Gewicht zu verleihen. Die NPD-Fraktion vertritt die Auffassung, dass einer vernünftigen Kanalisierung des Spielbetriebes über eine Beibehaltung bzw. weitere Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols entsprochen wird. Der Staat darf sich nicht, wie es etwa die Vorstellung der FDP ist, aus allen Bereichen zurückziehen und sich quasi selbst auflösen.

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hält es aber auch bei diesem Thema für unerträglich, wie sehr sich, bar jeglicher Souveränität, permanent an einer europäischen Rechtsprechung orientiert und ständig darauf geschielt wird, inwieweit das BVG-Urteil und/oder der Staatsvertrag mit dem EU-Recht vereinbar ist – oder auch nicht. Für die NPD-Fraktion möchte ich feststellen, dass die Begrenzung von Annahmestellen, Beschränkungen der Werbung und ein Verbot von Glücksspielen im Internet, ungeachtet der Haltung der EU, politisch anzustreben sind. Bezüglich Letzterem stellte auch das BVG fest, dass das Glücksspiel im Internet besonders suchtgefährdend und eine Angebotsbegrenzung im Internet leider nur schwer möglich ist. Wenn ich aber so etwas weiß, kann

doch für einen souveränen Staat die Europarechtskonformität eines Internetverbotes nicht ausschlaggebend sein.

Noch ein kurzes Wort zur arbeitsmarktpolitischen Frage. Die marktradikalen Wettbewerbsfanatiker mögen doch bitte nicht so tun, als würde ein regulierter Glücksspielbetrieb ohne Arbeitsplätze auskommen. Meine Damen und Herren! Die gesellschaftlichen Kosten, die durch eine ernst zu nehmende Suchtprävention vermieden werden können, werden erfahrungsgemäß nicht durch eine Lösung mittels eines kapitalistischen Marktmechanismus zu vermeiden sein. In der Frage der Suchtprävention sieht die NPD-Fraktion nicht nur die Aufgabe des individuellen Schutzes, sondern auch des Schutzes der gesamten Gesellschaft im Vordergrund. Daher werden wir dem Glücksspielstaatsvertrag zustimmen.