Noch ein kurzes Wort zur arbeitsmarktpolitischen Frage. Die marktradikalen Wettbewerbsfanatiker mögen doch bitte nicht so tun, als würde ein regulierter Glücksspielbetrieb ohne Arbeitsplätze auskommen. Meine Damen und Herren! Die gesellschaftlichen Kosten, die durch eine ernst zu nehmende Suchtprävention vermieden werden können, werden erfahrungsgemäß nicht durch eine Lösung mittels eines kapitalistischen Marktmechanismus zu vermeiden sein. In der Frage der Suchtprävention sieht die NPD-Fraktion nicht nur die Aufgabe des individuellen Schutzes, sondern auch des Schutzes der gesamten Gesellschaft im Vordergrund. Daher werden wir dem Glücksspielstaatsvertrag zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu diesem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages haben wir uns bereits im Januar 2007 unterhalten; aber das Verfahren, das dann eingeschlagen wurde, um diesen Gesetzentwurf im wahrsten Sinne des Wortes „auf den letzten Drücker“ durchzubekommen, war schon abenteuerlich. Was wir hier erleben, ist eine „gesetzgeberische Notoperation unter dem Weihnachtsbaum“, meine Damen und Herren, Das ist jedoch nicht die einzige. Wir haben es heute gesehen: Das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes sollte am besten gleich an einem Tag behandelt werden. – Ganz so schnell geht es dann doch nicht. Allein die Einleitung der Narkose dauert etwas länger.
Die Verwaltungsreform wird inzwischen nur noch in Nachtsitzungen behandelt; das Jugendstrafrecht wird einen Tag vor der Behandlung mit einem großartigen Änderungsantrag in wesentlichen Punkten, wie wir finden, kräftig verunstaltet. Dies alles sind Punkte, die die Gesetzgebungsarbeit dieser Regierung in der letzten Zeit auszeichnen. Solide Arbeit sieht anders aus. Hier geht es nur noch um die „letzte Eisenbahn“.
Am 30. Mai 2007 haben wir den Gesetzentwurf bekommen und am 18. Juni 2007 hat der Rechtsausschuss beschlossen, er wolle eine Stellungnahme der Staatsregierung erhalten. Das war’s dann auch schon. Danach ist vielleicht innerhalb der Koalition noch darüber gesprochen worden, aber in diesem Haus wurde jedenfalls nicht mehr über den Gesetzentwurf gesprochen. Deshalb sind diese plumpen Ausreden, es sei genügend Zeit zum Diskutieren gewesen, einfach an der Sache vorbei, meine Damen und Herren.
Erstmals am 26. November 2007 – um gleich den Legendenbildungen vorzubeugen – durfte sich dann der Rechtsausschuss wieder damit befassen, nachdem zuvor in anderen Ausschusssitzungen dieses Thema zwar auf der Tagesordnung stand, aber auf Antrag der Koalition für alle Ausschusssitzungen bis Ende November wieder abgesetzt worden ist. Das geschah auf Antrag der Koalition und nicht auf Antrag irgendeiner anderen Partei, sondern – Herr Schiemann, bitte zuhören! – es geschah auf Antrag der Koalition. Wenn etwas anderes behauptet wird, wird es durch ständige Wiederholungen nicht richtiger.
Am 26. November 2007 durfte sich der Ausschuss mit einem umfangreichen Änderungsantrag der Koalition beschäftigen. Auch das hat Methode: dass die wichtigen Sachen immer mit Änderungsanträgen zum Schluss kommen und dann wichtige Sachen im Sinne eines Gesetzestrojaners durchgefahren werden. Auch dazu gibt es entsprechende Beispiele in der Gesetzgebung, die sich aufzählen ließen, meine Damen und Herren.
Interessant ist die Beipackung zu irgendetwas geworden. Darauf muss man bei der Koalition schon wirklich achten.
Am 26. November 2007 haben wir dann beschlossen, am 17. Dezember 2007 eine Anhörung durchzuführen. Dann dämmerte es den Verantwortlichen offensichtlich und sie stellten fest, dass das für eine Verabschiedung im Dezember nicht mehr reichen würde. Nun wurde es wirklich abenteuerlich, denn es wurde die Brechstange herausgeholt und auf einer Fortsetzungssitzung am 3. Dezember 2007 kurzerhand beschlossen, die für den 17. Dezember 2007 anberaumte Anhörung auf den 10. Dezember 2007 vorzuverlegen. Das ist wirklich grob rechtswidrig gewesen. Das ist die eklatante Verletzung von Minderheitenrechten der Fraktionen, die eine Anhörung beantragt haben und die sich die Mühe machen, einen Sachverständigen zu gewinnen, ihn zu informieren, damit der Sachverständige noch Zeit hat, sein Gutachten selbst vorzubereiten.
Deshalb ist eine solche Terminverschiebung nicht nur unschicklich, sondern es ist schlicht und ergreifend eine verfahrensmäßige Unverschämtheit, auf diese Art und Weise mit Minderheitenrechten anderer Fraktionen in diesem Haus umzugehen. Aber getreu dem Spruch „Macht geht vor Recht“ hat sich die Koalition inzwischen darauf verständigt, ihre Gesetze in diesem Haus auf diese Art und Weise verabschieden zu lassen.
Am 10. Dezember 2007 fand dann diese Anhörung statt. Das Ergebnis war sehr interessant. Es war allerdings erstaunlich, wie wenige der doch ergebnisoffen diskutieren wollenden Koalitionspolitiker an der Anhörung teilgenommen haben. Das Protokoll lag schon am 11. Dezember 2007 morgens 9 Uhr vor. Aber das Mittag
essen war noch nicht einmal serviert, da wurde um 13 Uhr bereits im Innenausschuss über diese Anhörung gesprochen, und zwar, wie zynischerweise einige der dort anwesenden Koalitionspolitiker meinten, in ausreichender Zeit, nämlich innerhalb von 40 Minuten. Vielen Dank, meine Damen und Herren, wenn das ausreichend ist.
Um 14 Uhr tagte wieder der Rechtsausschuss. Auch hier hatte er wiederum ausreichend Zeit, um innerhalb von eineinviertel Stunden das Gesetz zu verabschieden.
Meine Damen und Herren! Das zeigt, hier geht es nicht um Sachbehandlung, die der Sache angemessen ist, sondern um ganz andere Dinge. Es geht um Zeitdruck und es ist auch hier schon – an diesem Platz am 24. Januar 2007 von Georg Milbradt – gesagt worden: „Und wird der 31.12.2007 nicht mehr erreicht, ist die Frage, über die wir hier diskutieren, eine theoretische, weil dann“ – es ergänzt Horst Metz – „alles weg ist“.
Jetzt wissen wir Bescheid, was die wirklichen Gründe sind und warum wir uns kurz vor Weihnachten in dieser verfahrensmäßigen Gestaltung mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen. Die Vorgaben des Verfassungsgerichtes sind klar gewesen. In ihrer Entscheidung – im 115. Band, Seiten 276 ff. vom 28. März 2006 – haben die Karlsruher Richter erklärt, dass ein Wettmonopol des Staates allein aus fiskalischen Interessen, das heißt zum Geldverdienen, unzulässig ist. Das ist mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Weiter erklärten die Richter des Bundesverfassungsgerichtes: Eine Ausnahme sei allenfalls zur Bekämpfung von Suchtgefahren hinzunehmen, aber sonst nicht. Herr Schiemann, hierbei geht es auch nicht um Verbraucherschutz, sondern um überragende Allgemeininteressen.
Wenn man sich diesen Gesetzentwurf anschaut, dann ist dies alles andere als der Vollzug der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Das Bundesverfassungsgericht fordert zum Beispiel eine deutliche Reduzierung der Annahmestellen. Das findet hier so gut wie nicht statt. Sie haben es gesagt, Herr Hilker. 40 Stellen – das liegt im Promillebereich.
Wir haben den Sportwettenanbieter Oddset. In sämtlichen Lottoannahmestellen kann gewettet werden. Die Flächenversorgung und Flächenabdeckung von Lottoannahmestellen ist größer als die gesetzlich vorgeschriebene Flächenversorgung durch Postdienststellen. Meine Damen und Herren, das heißt, hier werden flächendeckend mit staatlichen Wettbüros weiterhin Sportwetten angeboten. Das ist alles andere als Suchtprävention. Die Vertriebswege sind nach dem Jugendschutz zu orientieren, so das Bundesverfassungsgericht. In diesem Gesetz findet sich überhaupt nichts davon. Es kann weiterhin faktisch in jeder Lottoannahmestelle von Jugendlichen ein Schein abgegeben werden.
Das Ausführungsgesetz selbst ist auch so ein Fall. Hier haben wir es mit einem Verbot der Vermittlung zu tun, ohne Übergangsregelungen und ohne Entschädigungsregelungen. Für diejenigen, die bereits gewerblich Lottoveranstaltungen vermitteln, ist das ein Eingriff in den
Gewerbebetrieb, der so nicht zulässig ist. Dieses Gesetz ist grundgesetzwidrig, wie in der Anhörung deutlich erklärt wurde. Dieses Gesetz ist europarechtswidrig, denn die Vermittlung von Sportwetten aus dem Ausland fällt unter Artikel 49 des EG-Vertrages und damit unter die Dienstleistungsfreiheit. Das hat die EU-Kommission immer wieder in seltener Deutlichkeit in verschiedenen Schreiben, so zum Beispiel in einem Schreiben vom 14. Mai 2007, deutlich gemacht.
Etwas anderes ist der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 des EG-Vertrages, die durch diesen Staatsvertrag eingeführt oder besser gesagt weitergeführt wird.
Das Ausführungsgesetz begegnet ebenfalls erheblichen europarechtlichen Bedenken, denn hier werden ausdrücklich zur Umgehung der Notifizierungspflicht des Gesetzes kritische Gesetzesinhalte herausgenommen, das Gesetz dann verabschiedet und, so ist es zu befürchten, diese notifizierungspflichtigen Inhalte anschließend wieder in das Gesetz aufgenommen, denn sonst macht es keinen Sinn. Man erklärt, die Wettvermittlung oder die Veranstaltungsvermittlung über das Internet ist verboten, streicht aber gleichzeitig den Ordnungswidrigkeitstatbestand. Das heißt, wir haben zwar ein Verbot, aber keine Sanktionen. Da soll mir mal einer erklären, dass das sinnvolle Politik ist.
Lassen Sie mich schließlich aufräumen mit dem Argument, dieses Gesetz – das ist tatsächlich hier behauptet worden – diene der Suchtbekämpfung, meine Damen und Herren. Durch ein Monopol wird die Sucht als solche nicht bekämpft. Das hat bereits die empirische Forschung ergeben. Wir hätten dieses Problem im Übrigen längst auf dem Bildschirm politischer Handlungen gehabt, wenn es denn in Sachsen ein Problem gewesen wäre; denn in Sachsen gibt es seit dem Jahre 1990 private Vermittler von Sportwetten, ohne dass der Sachse als Spieljunkie nur noch mit rollenden Augen über die Straße zum nächsten Wettbüro torkelt. Wäre das so, dann hätte die sächsische Politik unter Führung der sächsischen Staatspartei zweifellos früher eingegriffen.
Ein Monopol – wir haben es gesehen – ist zur Suchtbekämpfung ungeeignet. Das ist anhand des Beispiels Schweden leicht zu widerlegen. Dort gab es ein Staatsmonopol für Alkohol. Alkohol ist im Übrigen ein klein wenig suchtgefährdender als Lotto,
um es einmal als Behauptung so in den Raum zu stellen. Selbst dieses Monopol hat dem Europarecht nicht standgehalten und ist abgeschafft worden. Diese Suchtbekämpfung ist mehr als scheinheilig, denn Lottosucht oder Sportwettensucht sind relativ ungefährliche Veranstaltungen im Verhältnis zu Automatenspielen. Dort passiert aber gar nichts. Hier wird nichts geregelt. Wir beschränken uns auf die Einführung eines Glücksspielmonopols für Lotterien und Sportwetten. Halt! Sportwetten stimmt auch wieder nicht, denn Pferdewetten bleiben weiterhin frei.
Nun soll mir mal einer erklären, dass das ein konsequenter Ansatz sein soll. Offensichtlich gibt es hier Fiskalinteressen, meine Damen und Herren, die durchgesetzt werden, und zwar mit der Brechstange. Dieses Argument der Suchtbekämpfung ist mehr als scheinheilig. Wer ernsthaft glaubt, das Gesetz über den Glücksspielstaatsvertrag habe etwas mit Suchtprävention in Sachsen zu tun, meine Damen und Herren, der muss auch jedem einen Jagdschein erteilen, der im Landratsamt vorspricht und nachweist, schon einmal einen Jägermeister getrunken zu haben.
Was hier gemacht wird, ist ordnungspolitisch falsch, denn es fehlt die Trennung zwischen Lotterie und Wettvermittlung. Es benachteiligt private Wettanbieter, und zwar grundgesetzwidrig und europarechtswidrig. Dieses Gesetz, dieser Staatsvertrag wird absehbar vor Gericht scheitern und in der Folge – das ist das fiskalisch Verheerende – erhebliche Schadensersatzforderungen der zu Unrecht ausgeschlossenen Anbieter mit sich bringen.
Tun Sie nicht so, als wäre das hier eine reine Veranstaltung zur Erhöhung von Einnahmen des Staates. Das Ding kann nach hinten losgehen. Das kann auch fürchterliche Risiken mit sich bringen, und nach dem, was wir heute Morgen hier besprochen haben, würde ich vorschlagen, dass besonders die Union ein klein wenig Sensibilität entwickelt, wenn es darum geht, nicht nur Gewinne einzufahren, sondern vielleicht auch gewisse Risiken zu vermeiden.
Dieses Gesetz, dieser Staatsvertrag ist ordnungspolitisch falsch und fiskalpolitisch kurzsichtig, denn das Modell des Monopols wird keinen Bestand haben. Es wird vor Gericht scheitern, stattdessen haben wir dann gar nichts mehr. Wir haben die Zeit nicht genutzt, ein zukunftsweisendes Konzessionsmodell zu entwickeln und mit den anderen Bundesländern vorzubereiten, sondern wir vergeben uns hier auch noch die Chance, langfristig aus diesem Bereich der Glücksspielvermittlung Erträge für den Freistaat und seine Bürger und für das Fiskalinteresse zu ziehen – nur aus reiner Kurzsichtigkeit.
Das, meine Damen und Herren, wird von uns abgelehnt. Zu Recht kann man so etwas als dilettantisch bezeichnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Staatsregierung und Koalition stehen an diesem 13. Dezember wieder einmal mit dem Rücken zur Wand. Entweder wir verabschieden heute das Gesetz oder der Freistaat ist wegen Versäumnis der Fristen aus dem Rennen, denn mit seinem Urteil vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein
staatliches Wettmonopol nur dann zulässig ist, wenn es konsequent auf die Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist. Der Gesetzgeber wurde mit dem Richterspruch verpflichtet, eine Neuregelung bis 31. Dezember 2007 zu verabschieden.
Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Wege aufgezeigt: entweder die konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols, die sicherzustellen hat, dass dieses Monopol tatsächlich der Suchtbekämpfung dient, oder aber die Öffnung der Sportwetten für private Anbieter, die eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung auf rechtlicher Grundlage erfordert.
Die Länder haben einen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen vorgelegt und sich für die Beibehaltung eines staatlichen Wettmonopols entschieden. Die Zielsetzung, eine bundeseinheitliche Regelung zum Glücksspielwesen zu schaffen, ist notwendig und auch zu begrüßen. Diese muss aber den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden. Gleichzeitig muss ein solcher Staatsvertrag europarechtskonform und im Hinblick auf die unterschiedlichsten Glücksspielarten konsistent sein sowie die Rechte Dritter beachten.
Ich gebe ja zu, dass es keine leichte Aufgabe war und ist, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Bei den Beratungen hier im Landtag hatten ich und meine Kolleginnen und Kollegen aber nicht das Gefühl, dass Staatsregierung und Koalition ein Interesse daran hatten, diese wahrlich nicht einfache Problematik zu lösen.
Was wir hier als Opposition erlebt haben, war einmal mehr ein Versuch der Mehrheit, sich irgendwie durchzuwursteln.
Das Ergebnis der Auseinandersetzung ist in jedem Fall ebenso unbefriedigend wie angesichts der investierten Zeit und Mühe deprimierend. Dieser Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gemacht. Warum? Zwei von vielen Gründen möchte ich noch einmal herausgreifen.