Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Das Ergebnis der Auseinandersetzung ist in jedem Fall ebenso unbefriedigend wie angesichts der investierten Zeit und Mühe deprimierend. Dieser Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gemacht. Warum? Zwei von vielen Gründen möchte ich noch einmal herausgreifen.

Erstens. Notwendig ist es, Regelungen in Bezug auf die Wettspielsucht zu treffen. Nicht notwendig ist es aber, das Lotto zu regeln. Wir haben jedoch überhaupt keine Regelungen, die die Suchtgefahr betreffen, die von Spielautomaten usw. ausgeht. Zugegeben, das können wir hier nicht regeln. Aber man könnte Initiativen auf Bundesebene zusammenführen mit dem Ziel, in diesem Bereich befriedigende Regelungen zu finden. Wir könnten viel mehr in Sachsen tun. In den Spielbanken des Freistaates können Sie immer noch zocken, ohne einen Ausweis vorzulegen. Selbst registrierte Spielsüchtige werden in Dresden oder in Leipzig nicht daran gehindert, das große Spiel am Automaten zu betreiben. Drastisch formuliert, bedeutet das, dass der Freistaat Sachsen sich an kranken Menschen bereichert und noch nicht einmal genügend Geld zur Beratung und Therapie bereitstellt.

Zweitens: Europafestigkeit. Aus unserer Sicht wissen wir heute schon, dass mit dem Ergebnis im Grunde genommen die Vorbereitung für das nächste Gesetzgebungsverfahren schon eingeleitet werden muss, denn es wird nicht gerichtsfest und europafest sein. Dr. Martens hat das gerade sehr exemplarisch ausgeführt.

Das war früh absehbar, meine Damen und Herren. Aber statt innezuhalten und für eine neuerliche Abstimmung mit den anderen Bundesländern zu sorgen, wollten Sie die Sache noch irgendwie hinter sich bringen. Es bestehen erhebliche europarechtliche Bedenken, weil die Notifizierung durch die Kommission aussteht. Die Europäische Kommission hat einige Fragestellungen aufgeworfen. So hat sie die mangelnde Verhältnismäßigkeit der Regelungen insgesamt gerügt und um umfassende Stellungnahme gebeten. Die Kommission behält sich vor, meine Damen und Herren, weitere Prüfungen des Staatsvertrages vorzunehmen. Ferner ist der vorgelegte Entwurf nicht konsistent, da er nur Lotterien, Sportwetten und Regelungen zu den Spielbanken enthält, aber andere Glücksspiele außer Acht lässt.

Meine Damen und Herren! Wegen der offenen rechtlichen Fragen ist es zweifelhaft, ob der Glücksspielstaatsvertrag gerichtlichen Prüfungen standhält. Dies bedeutet eine Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten. Es besteht damit zugleich die Gefahr, dass die Zweckabgaben zur Erfüllung sozialer, kultureller und sonstiger gemeinnütziger Aufgaben noch weiter einbrechen und eine konsistente Suchtbekämpfung nicht möglich ist. Rechtssicherheit und ein klug geregelter Glücksspielmarkt sind die Voraussetzungen dafür, dass die Zweckabgaben möglichst konstant bleiben. Sachsen beteiligt sich so wider besseres Wissen an der Verabschiedung eines schlechten Gesetzes. Wir wollen uns nicht daran beteiligen und haben uns entschieden, dass wir diesen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages ablehnen.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und bei der FDP)

Gibt es aus den Fraktionen jetzt noch Redebedarf? – Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein wenig erstaunt bin ich schon darüber, was meine Vorredner mit Ausnahme von Kollegen Bräunig so alles erzählt haben.

Zunächst möchte ich daran erinnern, dass die erste Beratung zu diesem Glücksspielstaatsvertrag nach der 1. Lesung hier im Sächsischen Landtag im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss im Juni, und zwar genau am 18. Juni, stattgefunden hat.

(Heiko Hilker, Linksfraktion: Aber trotzdem nicht unterschrieben!)

Sie waren doch überhaupt nicht da. Wenn Sie eine Zwischenfrage wollen, dann müssen Sie sich an das Mikrofon begeben.

Sie müssen nicht darauf antworten.

Ich muss nicht reagieren. Danke, Frau Präsidentin, das werde ich auch nicht mehr tun. – Ich wollte nur feststellen, dass Sie als Zwischenrufer überhaupt nicht während der Sitzung anwesend waren, und ich weiß auch nicht, woher Sie wissen wollen, was wir in der ersten Beratung beraten haben. Das stelle ich zunächst fest.

Wir haben in dieser Sitzung vom Staatsministerium des Innern, sprich: vom Innenminister, umfassend dargelegt bekommen, welches Verfahren die Staatsregierung gewählt hat und welche weiteren Fragen bei der Entscheidung der Staatsregierung für das Ausführungsgesetz eine Rolle gespielt haben. Ich habe sehr wenig Nachfragebedarf bei den Fraktionen vernommen. Wir haben diesen Tagesordnungspunkt beendet mit der Maßgabe, dass es wohl aus den Fraktionen kein Anhörungsinteresse gibt.

Wenn jetzt von einigen meiner Vorredner, ausgenommen Kollegen Bräunig, immer wieder darauf abgestellt wird, dass die CDU noch Beratungsbedarf signalisiert hat, dann frage ich mich doch: Sind nicht auch die anderen hier im Sächsischen Landtag vertretenen Fraktionen verpflichtet, ihre Beratung im Laufe der Monate zu tun und sich mit der Sachmaterie zu befassen, um letztlich ihre Aufgabe hier im Hohen Haus zu erfüllen? Ich glaube schon, dass auch sie die Pflicht haben. So, wie es einige beim Abgeordnetengesetz gemacht haben, dass man alles schleunigst auf andere geschoben hat und dass man nicht mehr richtig wusste, worüber denn eigentlich in dem Ausschuss zu diskutieren war. Das werde ich Ihnen nicht mehr abnehmen,

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

besonders den Herren nicht, die in der Rechtsmaterie zu Hause sind und die sich auch qualifiziert als Rechtsanwälte betätigen. Das zum Ersten.

(Beifall der Abg. Volker Bandmann und Prof. Dr. Günther Schneider, CDU, und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Wir hatten am Schluss noch die Chance, auch die aktuellen Fragen, die von der europäischen Ebene gekommen sind, zur Kenntnis zu nehmen. Dieses Schreiben vom 24. September hatte ich angesprochen. Auch das ist Gegenstand der Beratung gewesen und wir konnten dieses Schreiben dort nutzen.

Worüber ich ein bisschen verwundert bin: Irgendeiner meiner Vorredner hat gesagt, es habe kein Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission gegeben. Da verweise ich – nur für diejenigen, die sich vielleicht doch nicht mit dem Material befasst haben – auf das Informationsmaterial Nr. 441 vom 19. Juli. Herr Kollege Weichert, dort können Sie nachlesen, wie das Notifizierungsverfahren auf der europäischen Ebene im Zusammenhang mit dem Glücksspielstaatsvertrag – auch in der Diskussion

mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – erarbeitet worden ist.

Der Vertreter der Linksfraktion hat hier über die Frage gesprochen, inwieweit das Oberverwaltungsgericht meiner Heimatstadt Bautzen/Budyšin alles genehmigt oder alles abgelehnt und geregelt hat im Sinne dessen, wie es von Ihnen vorgetragen worden ist. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen nennt ganz deutlich auch eine Sachmaterie, der wir uns im Rechtsausschuss umfangreich gewidmet haben, und zwar die Frage der Weitergeltung des Vertrages zur Erlangung der Deutschen Einheit, des Einigungsvertrages. Das haben wir sehr umfangreich getan und ich glaube nicht, dass der Ausschussvorsitzende ungebührend in der Form eingegriffen hat, dass er irgendjemandem versagt hat, sich an der Diskussion zu beteiligen.

(Zustimmung des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU – Dr. Jürgen Martens, FDP: Wo waren Sie denn? Welche Diskussion?)

Ich sehe zustimmendes Nicken. – Artikel 19 ist unberührt. Das ist auch in der Anhörung angesprochen worden und das Oberverwaltungsgericht hat, soweit mir die schriftliche Information aus den Medien vorliegt, deutlich gemacht: Genau diese Genehmigung ist unberührt und ist weiterzuführen. Aber der vorläufige Rechtsschutz des großen Wettanbieters aus Österreich, der geklagt hat, ist vom Gericht abgelehnt worden, denn dieser Wettanbieter verstoße gegen das Verbot unerlaubter Veranstaltungen von Sportwetten, indem die Firma sich ohne Genehmigung im Freistaat Sachsen über das Internet die Möglichkeit verschaffe, Wettangebote anzunehmen. Beide Beschlüsse, die Weitergeltung des Artikels 19 im weitesten Sinne – das heißt, die Genehmigung hat Bestand – und der von mir jetzt vorgetragene Beschluss der Untersagung des Gerichts, sind rechtskräftig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten neben der Expertenanhörung, die sehr umfangreich war, auch ein umfangreiches Material zur Hand. Ich finde es schon ein wenig ungehörig von meinem Kollegen Dr. Martens, sich ständig die Ausführungen des Ministerpräsidenten vorzunehmen und immer wieder nur einen oder zwei Sätze aus seiner Rede, die er hier vor dem Landtag gehalten hat, seziert vorzutragen.

(Zurufe der Abg. Dr. Jürgen Martens und Torsten Herbst, FDP)

Es ist ungehörig. Ich kenne das an und für sich nur aus früheren Zeiten, dass man das gemacht hat. Es stellt nämlich die Rede auf den Kopf. Man muss die Rede in Gänze lesen. Dann werden Sie auch ein anderes Bild bekommen. Denn Sie, meine Damen und Herren im Hohen Haus, haben einen Anspruch darauf, die ganze Wahrheit nachzulesen.

(Gelächter bei der FDP)

Denn der Ministerpräsident hat nicht zur Einnahmenerzielung gesprochen.

(Zurufe von der FDP)

Er hat davon gesprochen, welche Waagschale wie zu bewerten ist, und er hat deutlich gemacht, dass auch die entsprechenden Suchtgefahren anlässlich des Staatsvertrages mitverhandelt und diskutiert worden sind.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns ist es in den Beratungen der Ausschüsse sehr wichtig gewesen, dass wir die europarechtlichen Vorgaben beachten – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Schiemann?

– Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich gestatte keine Fragen. – und dass wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Staatsvertrag und im Ausführungsgesetz umgesetzt sehen.

Wir haben uns auch folgenden Fragen gewidmet: Vermeidung und Bekämpfung des Glücksspiels und der Wettsucht, Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielmarktes, Jugendschutz und Spielerschutz, Sicherstellung eines fairen Spiels und Schutz vor Kriminalität in diesem Bereich.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Ich betone das noch einmal. Es wird von einem Vertreter der FDP-Fraktion immer ins Lächerliche gezogen, wenn wir uns der Frage des Schutzes vor Kriminalität bei Sportwetten widmen. Ich halte dies für eine ernst zu nehmende Entwicklung, der wir auch aus Fairnessgründen gegenüber den Spielern letztendlich verstärkt Rechnung tragen müssen, sodass der Schutz vor Kriminalität gewährleistet wird. Ein einheitlicher Rahmen für alle Glücksspiele ist angesprochen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gemeinsam haben wir für die Koalitionsfraktionen, wie ich glaube, dargelegt, dass es für uns wichtig war, uns auch mit der Entwicklung der Glücksspielsucht zu befassen. In der Stellungnahme des Innenministeriums vom 19. Juli ist auch ein Hinweis darauf enthalten. Da konnte sich jede Fraktion bzw. jeder Abgeordnete, der es wollte, mit der Frage der Bewertung des Gefährdungspotenzials des Glücksspiels im Internet, unter anderem mit den anliegenden Empfehlungen von Experten im Bereich der Glücksspielsucht, befassen.

Es sind in der Diskussion des Verfassungs- und Rechtsausschusses, aber auch in der Anhörung die Suchtexperten mehrfach zitiert worden, es ist auch darauf verwiesen worden und jeder kann das selbst nachlesen. In Abwägung verschiedener Optionen, wie Selbstregulation und Verbot, wurde in einigen Beiträgen zu einer restriktiven Begrenzung des Online-Glücksspiels unter staatlicher Aufsicht geraten. Die Autoren Heyer und Meyer stellen

fest, dass beim Online-Glücksspiel die fehlende soziale Kontrolle – – Jetzt sage ich Ihnen ganz ehrlich, da hört – –

(Zurufe der Abg. Dr. Jürgen Martens und Torsten Herbst, FDP)

Wissen Sie, dass Sie alles lächerlich machen,

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Nein!)

was nicht von Ihnen kommt,...

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Alles, was andere vorzutragen haben, ist für Sie lächerlich. Jetzt sage ich Ihnen mal eines: Wenn Sie mit Spielsüchtigen zu tun hatten, sprechen Sie mit denjenigen, die sich um die Menschen kümmern, die der Spielsucht unterliegen,

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

gehen Sie zu den Beratungsstellen, sprechen Sie mit den auch für soziale Fragen Zuständigen, die Kontakt zu diesen Beratungsstellen haben, dann erfahren Sie, wie schlimm es ist – neben der Alkoholsucht, neben der Drogensucht –, wie schlimm Spielsucht sein kann und wie Spielsucht Existenzen vernichtet.

Die Autoren stellen fest, dass beim Online-Glücksspiel die fehlende soziale Kontrolle problematisch ist, die es dem Spieler erlaubt, anonym – Frau Präsidentin, Entschuldigung, ich lasse keine Zwischenfrage zu – am Rechner zu sitzen und auf Kreditkartenbasis zu wetten. Das Einloggen im Internet unter falschen Angaben scheine für Minderjährige leicht realisierbar zu sein. Staatliche Kontrollen im Rahmen eines Monopols stellten eine Möglichkeit dar, einer gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken, die Attraktivität des Online-Glücksspiels zu erhalten und gleichzeitig den Spielerschutz dabei zu gewährleisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt in 19 verschiedenen europäischen Ländern klare Regelungen, dass das Glücksspiel im Internet oder in einer anderen Form sanktioniert wird. Weitere regulatorische Maßnahmen werden in diesen Ländern geprüft. Es sind nur wenige Länder, zum Beispiel Großbritannien, verschiedene Kanalinseln sowie Malta, die für eine Öffnung für ausländische Spieler aufgeschlossen sind.