Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt in 19 verschiedenen europäischen Ländern klare Regelungen, dass das Glücksspiel im Internet oder in einer anderen Form sanktioniert wird. Weitere regulatorische Maßnahmen werden in diesen Ländern geprüft. Es sind nur wenige Länder, zum Beispiel Großbritannien, verschiedene Kanalinseln sowie Malta, die für eine Öffnung für ausländische Spieler aufgeschlossen sind.

Lassen Sie mich noch einmal zu den angesprochenen europäischen Fragen Stellung nehmen. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass es zulässig ist, Gefahren in einem Sektor der Glücksspiele zu bekämpfen, wenn es an einem kohärenten Gesamtkonzept für die gleichzeitige Suchtprävention in anderen Glücksspielbereichen fehlt. Der EFTA-Gerichtshof hat dazu festgestellt: „Ferner kann es erforderlich sein, nach den verschiedenen Glücksspielarten zu differenzieren, zumal die verfolgten Ziele unter Umständen nicht gleichermaßen auf alle von dem Glücksspielgesetz erfassten Glücksspiele Anwendung finden.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir in sehr umfassender Form die Möglichkeit hatten, diesen Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz zu beraten. Wir haben die Gelegenheit, heute hier im Hohen Haus die Diskussion zu führen. Ich stelle für die Koalitionsfraktionen noch einmal fest, dass wir uns im Rahmen der europäischen Vorgaben befinden, dass wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetzen und dass wir um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitten.

Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Um die Aufmerksamkeit würde ich Sie auch ganz herzlich bitten. Es ist ein enormer Lärmpegel im Saal.

Es gibt weitere Wortmeldungen: für die Linksfraktion Herr Bartl und danach für die Fraktion der GRÜNEN Herr Lichdi.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schiemann, die Leidenschaft, mit der Sie um Fragen des Glücksspiels streiten, beeindruckt. Ich bin derart schockiert, dass ich heute Abend das Mensch-ärgere-dich-nicht!-Spiel bei meinen Kindern einziehen werde. Es ist mir zu gefährlich, was darin als Suchtpotenzial enthalten ist.

(Heiterkeit bei der FDP – Michael Weichert, GRÜNE: Davon kann man süchtig werden!)

Nach dem Rauchergesetz haben wir jetzt die nächste Problematik, mit der wir sehr behutsam umgehen müssen.

Ich will es einmal auf den Punkt bringen, Herr Schiemann. Es nützt uns auch nichts, wenn wir irgendwelche Verdächtigungen in den Raum stellen, dass irgendjemand an irgendeinem Gesetz etwas zu beanstanden hat, weil er irgendeinem Lobbyismus frönen will. Ich will es ausdrücklich sagen: Wir haben zu betandwin und ähnlichen privaten Anbietern keinerlei kommunikative oder sonstige Beziehungen. Ich kenne auch keinen Glücksspieler in unseren Reihen. Aber es ist in diesem Parlament ab und zu ein Glücksspiel, das Leben auszuhalten.

Ich will Ihnen, Herr Schiemann, das Problem erläutern, das wir damit haben. Neben den anderen Rednern der Oppositionsfraktionen hat es auch mein Kollege Hilker darzustellen versucht. Die Frage vorhin war, glaube ich, ein Missverständnis.

Als wir uns am 16. Juni damit befasst haben, war er mit dabei. Aber da war noch nicht einmal die erforderliche Zahl der Unterschriften für den Staatsvertrag vorhanden. Da hatten wir nur einen Entwurf vorliegen. Die letzte Unterschrift von Oettinger kam am 31. Juli.

Die vier Gutachter in der Anhörung waren etwa jeweils zur Hälfte für oder gegen den Entwurf, je nachdem, wer sie bestellt hatte. Es waren drei Anwälte dabei. Nun weiß ich als Anwalt, wie das geht. Wenn man bestellt wird,

gehört es zum Geschäft, dass einem etwas einfällt, was der Auftraggeber gern will. So einfach ist das. Da gehe ich gern mit. Aber was uns erheblich befasst, ist dieses Gutachten des Juristischen Dienstes des Landtages von Schleswig-Holstein, das der Präsident des SchleswigHolsteiner Landtages – vielleicht sogar unserem verehrten Justizminister persönlich bekannt –, Herr Martin Kayenburg, an die Landtagsfraktionen weitergeschickt hat.

In diesem Gutachten des eigenen Juristischen Dienstes, das sich stringent an dem Grundgesetz orientiert, also am Bundesverfassungsgerichtsurteil, macht der maßgebliche Autor deutlich, dass es gemessen an dem besagten Urteil wenigstens fünf verfassungsrechtlich bedenkliche Schnittmengen gibt.

Die erste Schnittmenge sieht er darin – und das lässt sich nicht wegreden –, dass wir es mit Grundrechten zu tun haben, also zum Beispiel mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung. Auf der anderen Seite gibt es dagegenstreitende Interessen, zum Beispiel den wirksamen Kampf gegen die Spielsucht. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass diese ordnungsrechtlich begründete Glücksspielmonopolkonstellation, die auch die Vermittlung von Gewinnspielmöglichkeiten durch restriktive Zulassungsentscheidungen ermöglicht, also ein Genehmigungsvorbehalt, dann möglich ist, wenn ein hochrangiges Gemeinwohlziel vorhanden ist. Da wurde gesagt: Das kann die Spielsucht sein. Darüber sind wir nicht im Streit.

Das führt uns zu der Frage, ob der vorliegende Staatsvertrag die vom Verfassungsgericht genannten Voraussetzungen, um dieses Gemeinwohl nachzuweisen, bereits in genügender Qualität erfüllt. Um nicht mehr geht es, weil wir mit Ihnen ein gemeinsames Interesse haben. Wenn man Spielsuchtbekämpfung bejaht und am Monopol festhält, muss das auch gegen eine Klage beim Verfassungsgericht oder OGH bestehen können.

Dazu stellt das Gutachten des Juristischen Dienstes von Schleswig-Holstein erstens eine mangelnde Bestimmtheit hinsichtlich der Erlaubnisregelung fest. Es ist also gesetzlich nicht hinreichend klar dargelegt, unter welchen Voraussetzungen trotz des Monopols private Anbieter solche Genehmigungen bekommen dürfen. Daran mangelt es. Das ist die erste verfassungsrechtliche Baustelle. Wegen des repressiven Verbots von Befreiungsvorbehalten muss das klar geregelt sein. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „… lässt die Bestimmung weder hinreichend klare tatbestandliche Genehmigungsvoraussetzungen erkennen, noch wird ein Sinn oder ein Zweck des behördlichen Versagensermessens erkennbar“. Deshalb wird das für verfassungswidrig gehalten.

Zweitens sagt der Juristische Dienst in seinem Gutachten: Es ist ein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes zu befürchten, weil repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt und das Herausnehmen bestimmter Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich von Grundrechten durch den Gesetzgeber nur dann zulässig sind, wenn das per Gesetz

bis zum Ende durchgeregelt ist. Das steht in dem Gutachten, geschieht aber nicht. Ich komme dann zu einer Baustelle, wo das nicht geschieht.

Ein dritter Vorbehalt ist die fehlende Verhältnismäßigkeit. Die Regelung sei also nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend durchdekliniert.

Der vierte Vorbehalt betrifft die Inkrafttretensregelung. Davon wurde schon gesprochen. Wir haben hier zum ersten Mal den Fall, dass das Einstimmigkeitsprinzip, dass also alle 16 Bundesländer zustimmen müssen, damit ein solcher Staatsvertrag zustande kommt, durchbrochen wird. Es reicht die Unterschrift von 13 Ländern. In der Anhörung war völlig ambivalent, ob die anderen drei, die nicht unterschreiben, mit gebunden werden oder nicht, welche Rechtslage eintritt und wie diese eintretende Rechtslage in der Rechtsverträglichkeit der sich überschneidenden Fragen mit den anderen 13 Ländern geklärt ist.

Das fünfte Problem will ich auch noch nennen. Wir halten vor allem auch die Verfassungskonformität für dahin gehend bedenklich, dass bestimmte Regelungslücken enthalten sind. Es ist so, dass der Staatsvertrag die Altlizenzen aus DDR-Zeiten, die nach Artikel 19 geschützt sind, nicht nennt. Da gibt es Sachverständige, die sagen, dass dies zur Konsequenz hat, dass diese Lizenzen, wenn sie nicht genannt werden, weiter gelten. Dagegen spricht das Protokoll der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13.12.2006. Das ist doch Fakt.

Im Beschlussprotokoll der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13.12.2006 ist eine Verpflichtung der Länder Berlin, Thüringen und Sachsen enthalten, die unter Geltung des Gewerbegesetzes der ehemaligen DDR die erteilten Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten genehmigt haben, diese Genehmigungen aufzuheben. Dazu haben sich die Ministerpräsidenten im Protokoll verpflichtet.

(Marko Schiemann, CDU: Das können Sie doch gar nicht!)

Natürlich, dem ist doch nicht widersprochen worden.

(Marko Schiemann, CDU: Sie können doch den Einigungsvertrag nicht aufheben!)

Nein, mein Problem ist doch Folgendes: Der Herr Ministerpräsident auch dieses Freistaates – momentan nicht zugegen – hat gemeinsam mit den anderen Ministerpräsidenten in diesem Protokoll die Erklärung abgegeben, dass man die Sportwetten, die zu DDR-Zeiten genehmigt worden sind und die unter den Besitzstand des Artikels 19 fallen, mit dem Vertrag aufhebt.

Man hat gesagt, wenn daraus – weil es eben den Artikel 19 gibt und man damit in Haftungskonstellation kommt – Haftungsansprüche gegen die drei Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen entstehen, dann treten die anderen Länder mit ein. Die anderen Länder lassen die drei nicht auf dem Ding sitzen, sondern sie gehen mit hinein. Nach dem Königsteiner Schlüssel wird praktisch die Haftungsmasse, die man mit minimal 500 Millio

nen Euro – eine halbe Milliarde Euro! – annimmt, dann verteilt. Der Königsteiner Schlüssel benachteiligt Sachsen ohnehin immens. Uns stehen also wiederum erhebliche finanzielle Konsequenzen ins Haus – heute haben wir über größere Baustellen und größere Beträge gesprochen –, wenn das eintritt.

Jetzt sage ich einfach: Wir haben zwar heute ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes. In der Presseerklärung – mehr liegt uns momentan nicht vor – wird gesagt, dass die damals entstandenen Konzessionen, die der Freistaat angefochten hat bzw. anfechten will, wenn er sagt, sie waren nach dem DDR-Gewerbegesetz erteilt, nicht gelten. Hier hätte man das Lotteriegesetz der BRD nehmen müssen. Das fällt praktisch weg. Momentan sagt man in der jetzigen Instanz in Bautzen: Beschlusswege, wir sind im Eilverfahren, ничево, es geht weiter. Damit habe ich überhaupt keine Rechtssicherheit, dass das nicht im Hauptsacheverfahren innerhalb der hiesigen Instanzen oder beim Bundesverwaltungsgericht genauso gestellt ist.

Ich habe in der legislatorischen Auslegung keine Regelung zu den Altlizenzen im Gesetz, habe aber ein Protokoll der Ministerpräsidenten, auf das die Gerichte im Rechtsstreit unter Umständen zurückgreifen und sagen: Moment, die Unterzeichner des Vertrages waren sich darin einig, dass keine Regelung hineinkommt, aber es soll bedeuten, dass Schluss ist mit den Altlizenzen.

Dann haben sie das nächste Problem mit Normenwahrheit und Normenklarheit mit allem Drum und Dran. Deshalb sage ich, dass ich absolut an Ihrer Seite bin. Ich will mit Ihnen gemeinsam, anders als Sie es der FDP oder anderen unterstellen, eine Regelung, die möglichst zwei Dinge einfängt: Zum einen will ich eine maximale Suchttherapie und zum anderen will ich etwas an Einnahmen erhalten. Wollen wir mal der Wahrheit die Ehre lassen: Wir wollen auch etwas einnehmen; so ganz uneigennützig sind wir ja nicht.

Nichtsdestotrotz ist dafür die Voraussetzung, dass es in einer verfassungskonformen Weise geschieht. Den Nachweis, Herr Schiemann – zwei leidenschaftliche Versuche stehe ich Ihnen gerne zu –, haben Sie leider nicht herbeigeredet.

(Marko Schiemann, CDU, steht am Mikrofon.)

Wenn Sie eine Frage haben, beantworte ich sie gern. Insofern habe ich hier wirklich kein Problem.

Sie gestatten eine Zwischenfrage? – Herr Schiemann, bitte.

Frau Präsidentin! Ich möchte folgende Frage stellen: Können Sie bestätigen, dass die Experten übereinstimmend gesagt haben, dass Artikel 19 des Einigungsvertrages vom Staatsvertrag unberührt bleibt?

Können Sie mir darin recht geben, dass meine Frage an die Staatsregierung in der Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschus

ses, ob man seitens der Staatsregierung davon ausgeht, dass diese Konzessionen Bestand haben, mit der Bemerkung beantwortet worden ist, dass man das derzeit schwer auslegen kann, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes noch aussteht und dass darüber hinaus generell im Streit steht – Magdeburg habe es bereits anders entschieden –, ob man nun das Gewerbegesetz der zuletzt gewählten Volkskammer heranziehen kann oder ob das überhaupt die Ermächtigungsgrundlage sein konnte?

Man geht also auf dieses Nebengleis und macht es etwas cleverer, indem man sagt, wir greifen nicht den Artikel 19 an, weil man es nicht kann und weil der Einigungsvertrag Völkerrecht ist. Wir sagen, ihr hattet die falsche Vergabegrundlage und deshalb läuft euer Artikel 19 ins Leere. Das ist ein blanker Taschenspielertrick, das ist mir völlig klar. Aber wir haben keine Regelung drin.

Jetzt ist hier mein Problem. Der Herr Ministerpräsident, der Herr Vizepremier oder der Herr Justizminister soll sich mit Erklärungsvollmacht vors Parlament stellen und sagen: Dieses Protokoll vom 13.12.2006 ist obsolet, daran wird nicht festgehalten, das gebe ich hier zu Protokoll. Jedes Gericht im Freistaat Sachsen und wer es denn braucht – auch andere Stellen der Bundesrepublik Deutschland – kann auf die Erklärung der Staatsregierung vertrauen. Dann zum Protokoll, bitte schön. Danach kann ich bedenken, ob ich mich zum Vertrag enthalte. Solange ich diese Erklärung nicht habe, denke ich einfach, dass Sie uns mehr oder weniger aufs Glatteis führen wollen. Dort begeben wir uns mit Ihnen nicht hin.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Fraktion GRÜNE hat noch Redebedarf gemeldet. Herr Lichdi, bitte.

(Zurufe von der CDU: Oh, nein!)

Sehr geehrter Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe noch einmal nach vorn, weil der Kollege Schiemann nicht die innere Größe besessen hat, meine Zwischenfrage zuzulassen.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Schiemann, was Sie hier zum wiederholten Male – nicht nur im Rechtsausschuss, sondern auch vor dem Plenum – gesagt haben, das ist wirklich der Gipfel der – ich will nicht „Heuchelei“ sagen, das wäre mir zu hart – Unwahrheit oder Teilwahrheiten, was Sie hier vortragen.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ich nehme Ihnen, Herr Schiemann, und Ihrer Fraktion einfach nicht ab, dass es Ihnen hauptsächlich um die Suchtprävention geht. Das nehme ich Ihnen einfach nicht ab. Es geht ums Geld. Das mache ich daran fest, dass Sie auf die Frage und auf die Darstellung des Sachverhaltes meines Kollegen Weichert nicht eingegangen sind. Es ist so, dass bekannte Spieler in die vom Freistaat betriebenen Spielhöllen gelassen werden, ohne dass sie dort kontrolliert werden.

Herr Schiemann, mit diesem Problem hat sich eine Anfrage meiner Person schon vor anderthalb Jahren beschäftigt. Dazu gibt es ein uraltes Urteil vom BGH usw. Es gibt eine Regelung von den Regierungspräsidien. Es ist die erklärte Absicht der Staatsregierung, hier nicht konsequent nachzufassen, weil man diese Leute einfach abzocken möchte.