Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Herr Schiemann, mit diesem Problem hat sich eine Anfrage meiner Person schon vor anderthalb Jahren beschäftigt. Dazu gibt es ein uraltes Urteil vom BGH usw. Es gibt eine Regelung von den Regierungspräsidien. Es ist die erklärte Absicht der Staatsregierung, hier nicht konsequent nachzufassen, weil man diese Leute einfach abzocken möchte.

Herr Schiemann, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, reden Sie doch mit den Suchtberatungsstellen, dann frage ich mich: Haben Sie jemals mit denen geredet? Denn wenn Sie das getan hätten, dann wäre Ihnen dieses Problem vorgetragen worden. Also bitte lassen Sie diese Heuchelei.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Für die FDP-Fraktion Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von dem, was hier gesagt worden ist, sehe ich mich veranlasst, einiges richtigzustellen. Zum einen ist es die Behauptung, dass der Staatsvertrag und sein Ausführungsgesetz tatsächlich doch der Spielsuchtbekämpfung dienen sollen. Das ist wirklich, um es deutlich zu sagen, grober Unfug.

(Marko Schiemann, CDU: Das stimmt nicht!)

Das bekämpft alles Mögliche, nämlich Wettbewerber, private Konkurrenz, die gefürchtete Liberalisierung oder das Abwandern von Geld ins Ausland, aber es bekämpft mitnichten irgendeine Spielsucht.

(Marko Schiemann, CDU: Nein!)

Das ist die zur Legitimation des Gesetzes erfundene Lottosucht, von der vorher kein Mensch irgendetwas gehört hat und die auf einmal erfunden wird. Früher gab es eine Werbung „Milch ist gut gegen Maroditis“. Davon hatte vorher auch kein Mensch gehört, aber es machte sich in der Werbung gut. So ist es mit diesem Gesetz. Das dient der Bekämpfung der Lottosucht.

Wenn Sie es ernst nehmen würden, dann würden Sie Automatenspielsucht bekämpfen. Dort könnten Sie etwas erreichen. Dort werden Schäden angerichtet und dort haben Sie ein Suchtpotenzial, aber nicht beim Lotto. Vor allem können wir Ihnen eines nicht abnehmen: dass Sie die Lottosucht bekämpfen wollen mit Bekämpfungsmaßnahmen wie einem Jackpot von 43 Millionen Euro,

(Heiterkeit bei der FDP)

bei dem alles in Massenhysterie gerät und die „Bild“Zeitung hinterher die Gewinner präsentiert. Wenn Sie das ernst meinen, wird Ihnen das kein Mensch abnehmen, der seine Sinne noch halbwegs zusammen hat.

Noch etwas: Sie haben gesagt, es sei unredlich, den Ministerpräsidenten zu zitieren. Es mag sein, dass Sie heute lieber nicht hätten, was der Ministerpräsident gestern gesagt hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Das wird sich, fürchte ich, in der Geschichte dieses Hauses noch öfter wiederholen. Ich weiß nicht, wie oft sich das wiederholen wird. Aber möglicherweise wird es sich wiederholen.

Nur, im Gegensatz zu Ihnen habe ich diesen Beitrag im Protokoll der 70. Sitzung vom 24. Januar 2007, Seite 5755 und Seite 5756, vorliegen. In seinem Beitrag spricht der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen nicht ein Mal von Sucht, Suchtprävention und Suchtbekämpfung. Das kommt bei ihm schlicht nicht vor. Es geht allein um ordnungspolitische und fiskalpolitische Erwägungen. Das können wir noch weiter vertiefen. Wer jedenfalls hier richtig zitiert, das, so scheint es, ist im Moment die Opposition; und wer hier heuchelt – das können Sie sich ausrechnen –, sind möglicherweise die,

(Stefan Brangs, SPD: … immer die anderen!)

die das Verfahren entsprechend gestaltet haben, damit hier eben nicht der Wahrheit entsprechend diskutiert werden soll.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Nun lassen wir die Staatsregierung zu Wort kommen; Herr Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf in Vertretung meines abwesenden Kollegen Innenministers Dr. Buttolo die Position der Staatsregierung vortragen.

Mit dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland sollen vor dem Hintergrund der bereits mehrfach zitierten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielen und zur Zulassung und Durchführung von Sportwetten und Lotterien neu geregelt werden.

Nach dem Urteil aus Karlsruhe ist ein staatliches Monopol nur dann mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist. Die bisherigen Vorgaben in den jeweiligen Landesgesetzen genügten diesen Vorgaben nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat daher dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum Ende des Jahres 2007 das Recht der Sportwetten neu zu regeln. Andernfalls würde das derzeitige staatliche Monopol für Sportwetten entfallen.

Aufgrund dieser Entscheidung aus Karlsruhe haben die Regierungschefs der Länder vor fast genau einem Jahr den Entwurf des heute vorliegenden Glücksspielstaatsvertrages beschlossen. Dieser Staatsvertrag hat fünf wesentliche Ziele:

Erstens, den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Auswei

chen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern; zweitens, übermäßige Spielanreize zu verhindern; drittens, eine Ausnutzung des Spieltriebs zu privaten und gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen; viertens, sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß und nachvollziehbar durchgeführt werden, und fünftens, sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Förderung öffentlicher oder steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verwendet wird.

Keines dieser fünf Ziele, meine Damen und Herren, halte ich für unehrenhaft. Der Glücksspielstaatsvertrag, der den bestehenden Vertrag aus dem Jahre 2004 ersetzen soll, ist zunächst auf vier Jahre befristet. Er ist von den Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder innerhalb dieses Zeitraumes zu evaluieren und kann verlängert werden. Ein Fahrplan zur Evaluation wird derzeit durch zwei Arbeitsgruppen erarbeitet.

Der Glücksspielstaatsvertrag wurde von der Ministerpräsidentenkonferenz im Umlaufverfahren zwischenzeitlich von allen Bundesländern unterzeichnet, damit er am 1. Januar 2008 in Kraft treten kann. Das Ratifizierungsverfahren muss mit Hinterlegung der Urkunden zum 31.12.2007 abgeschlossen sein, da andernfalls das derzeitige Monopol für Sportwetten entfallen würde. Zwar würde für eine rein formelle Wirksamkeit des Glücksspielstaatsvertrages die Ratifikation von 13 Bundesländern genügen; zur Durchsetzung der Ziele des Staatsvertrages im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung der Wettsucht ist jedoch die materielle Wirksamkeit zwingend erforderlich, das heißt, die Ratifikation durch alle Bundesländer. Andernfalls liefe der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgte Zweck ins Leere, und so werden ihn in der Tat auch alle 16 Länder bis zum Jahresende ratifizieren.

Der Entwurf des Gesetzes dient der Umsetzung des Staatsvertrages in Landesrecht. Neben dem Transformationsgesetz in Artikel 1 werden in Artikel 2 Ausführungsbestimmungen getroffen. Hier werden insbesondere Art und Umfang der Erlaubniserteilung für den staatlichen Anbieter von öffentlichen Glücksspielen mit besonderem Gefährdungspotenzial geregelt, da die Erlaubnispflicht aufgrund der Entscheidung aus Karlsruhe auch den staatlichen Anbieter betrifft. Dies bedeutet ganz konkret für Sachsen, dass auch das Finanzministerium als Veranstalter ab 2009 einer solchen Erlaubnis bedarf.

Darüber hinaus werden die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages zum übergreifenden Spielersperrsystem und zur gewerblichen Spielvermittlung konkretisiert. Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist nach Auffassung der Staatsregierung europarechtskonform. Ein Notifizierungsverfahren ist dann erforderlich, wenn die Mitgliedsstaaten neue Vorschriften betreffend die Dienste der Informationsgesellschaft einführen wollen. Die Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrages enthält teilweise solche Bestimmungen, die daher der Kommission gemeldet werden mussten.

Das Notifizierungsverfahren wurde abschließend durchgeführt. Zwar hat man sich nicht in allen Punkten auf eine gemeinsame Haltung in der Sache einigen können; eine solche umfassende Einigungspflicht sieht die Richtlinie jedoch auch nicht vor. Im Übrigen liegt das Letztentscheidungsrecht über eine EU-Konformität von Gesetzesvorhaben nicht bei der Kommission, sondern eben beim EuGH.

Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen reagiert auf ein Schreiben der Europäischen Kommission, Generaldirektion für Industrie, vom September 2007. Nach der darin vertretenen Auffassung der Kommission lösen auch die Ordnungswidrigkeitsvorschriften in den Ausführungsgesetzen der Länder eine Notifizierungspflicht aus, die implizit an das Internetverbot im Staatsvertrag anknüpft. Die Kommission begreift die Bußgeldvorschrift insoweit nicht als Annex, sondern als eine eigenständige Regelung, die formal gesehen nicht von der ursprünglichen Notifizierung erfasst ist.

Gegen diese Auffassung der Kommission spricht zwar, dass der bereits abschließend notifizierte Vertrag es den Ländern ausdrücklich erlaubt, Verstöße gegen die Bestimmungen des Staatsvertrages mit Geldbußen zu ahnden; um aber gleichwohl eine Notifizierung zum 01.01.2008 nicht zu gefährden, sollen die Bedenken der Kommission in allen Ausführungsgesetzen der Länder vollumfänglich berücksichtigt werden, um deren EUKonformität zweifelsfrei zu gewährleisten.

Der Entschließungsantrag lässt im Übrigen das Kernanliegen des Gesetzentwurfes unberührt; insbesondere ist eine lückenlose Bewehrung aller verbotenen Glücksspielaktivitäten im Freistaat Sachsen ab dem nächsten Jahr ausnahmslos gewährleistet.

Meine Damen und Herren, am Montag dieser Woche fand die öffentliche Anhörung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses statt. Schwerpunkte der Ausführungen der Sachverständigen waren die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfes, seine Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht, die Frage der Konsistenz des Glücksspielstaatsvertrages, Fragen des Internetverbotes sowie der Suchtprävention. Dabei wurden die bereits seit Jahren bekannten Argumente ausgetauscht; neue Erkenntnisse gab es meines Erachtens nicht.

Damit sieht sich die Staatsregierung weiterhin in ihrer Auffassung bestätigt, den Gesetzentwurf in Form des Änderungsantrages zu unterstützen.

Ich darf abschließend noch einmal auf die gravierenden Folgen hinweisen, die entstünden, wenn das Sächsische Ausführungsgesetz gar nicht bzw. erst nach dem 01.01.2008 in Kraft treten würde. Dann nämlich wäre das derzeit geltende Staatslotteriegesetz in Sachsen nicht mehr anwendbar, da es nach dem Urteil aus Karlsruhe als verfassungswidrig anzusehen ist. Die Veranstaltung von Sportwetten bliebe zwar weiterhin formalgesetzlich verboten; das Verbot wäre aber von Verfassungs wegen

nicht mehr durchsetzbar. Private Anbieter könnten sich in der Folge ungehindert betätigen.

Die Fristeneinrede von Herrn Dr. Martens, dass wir heute spät dran sind, ist richtig; es ist aber keine typisch sächsische Erscheinung: Zwölf von 16 Bundesländern werden den Glücksspielstaatsvertrag erst in diesen Tagen, im Dezember 2007, ratifizieren.

Ein fehlendes Inkrafttreten hätte gravierende Auswirkungen auf die Bekämpfung der Spielsucht und die Eindämmung der Wettleidenschaft, die sich ohne gesetzliche Regularien ungehindert ausbreiten dürften. Das würde zu einer ungezügelten Liberalisierung führen, die in dieser Form auch von den Befürwortern einer grundsätzlichen Liberalisierung nicht gewollt sein kann. Ein Zurück zu einer kontrollierten Liberalisierung wäre nämlich danach praktisch nicht mehr möglich.

Problematisch wäre dabei auch eine erst später greifende Wiedereinführung eines Monopols, da die Anforderungen – das hat Herr Bartl gut gesagt – insbesondere im Hinblick auf Artikel 12 und 14 dann höhere sein würden und umfangreiche Schadenersatzforderungen gegenüber dem Freistaat auslösen könnten. Überdies müssten hinsichtlich der tatsächlichen Suchtwirkungen der Sportwetten gänzlich neue Untersuchungen angestellt werden. Ein solches Ausführungsgesetz späteren Datums wäre mit wesentlich höheren verfassungsrechtlichen Risiken behaftet.

Vor diesem Hintergrund werbe ich eindringlich dafür, dem Gesetz und dem Entschließungsantrag zuzustimmen, um die bereits geschilderten Negativauswirkungen unbedingt zu vermeiden. Mit Stand vom heutigen Tage, 14:00 Uhr, haben bereits elf der 16 Länderparlamente ihren jeweiligen Ausführungsgesetzen zugestimmt; Sachsen sollte hier kein Verhinderer sein.

Abschließend, Herr Hilker: Ich weiß nicht, welches Urteil aus Bautzen Sie gelesen haben; in beiden Verfahren gegen betandwin hat der Freistaat gewonnen – mit einer Einschränkung: In einem Verfahren wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung des Innenministeriums lediglich für den Bereich der westdeutschen Bundesländer wiederhergestellt. Das heißt, Sportwettverträge dürfen nur mit Personen abgeschlossen oder an diese vermittelt werden, die sich im Gebiet der ehemaligen DDR aufhalten. Die Kostenquote in diesem Verfahren war fifty-fifty, sodass man insgesamt mindestens von einem Obsiegen des Freistaates von 75 % reden kann.

(Verwunderung bei der FDP)

Und, Herr Bartl, der Schleswig-Holsteinische Landtag hat heute dem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt, sodass das Gutachten des verehrten Kollegen Kayenburg, den Sie eben zitiert haben, für den Schleswig-Holsteinischen Landtag – ich weiß nicht, woran das liegt – nicht mehr so ausschlaggebend gewesen sein kann.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war der Abschluss der Debatte zum Staatsvertrag. Jetzt haben wir vor der Einzelberatung noch zwei Dinge zu erledigen. Zunächst frage ich den Berichterstatter des Ausschusses, Prof. Schneider, ob er das Wort ergreifen möchte. –

(Kopfschütteln des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)