Protokoll der Sitzung vom 14.12.2007

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Vertretung des Sächsischen Landtags bei den Verfahren nach § 7 Nr. 9 Verfassungsgerichtshofgesetz

Drucksache 4/10615, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Ich frage, ob dennoch ein Abgeordneter das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich stelle die Drucksache 4/10615 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Stimmen dagegen ist dennoch die Drucksache 4/10615 beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, an dieser Stelle die Mittagspause einzulegen. Wir setzen unsere Beratung 13:40 Uhr fort.

(Unterbrechung von 12:42 bis 13:41 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratung fort mit dem

Tagesordnungspunkt 4

Zukunft sichern – Anpassungsstrategien an den Klimawandel in Sachsen jetzt entwickeln

Drucksache 4/9447, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Ein neues Energieprogramm für Sachsen: Energiepolitik unter den Primat des Klimaschutzes stellen!

Drucksache 4/7958, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet CDU, SPD und GRÜNE. Danach folgen Linksfraktion, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Einreicherinnen, CDU- und SPD-Fraktion, das Wort. Herr Abg. Heinz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klimaschutz ist ja zurzeit ein großes Thema, und auch auf Bali kämpft man noch um die entsprechenden Formulierungen der mehr oder weniger konkreten Ziele, zu denen man sich verpflichten möchte. Abzeichnen wird sich auf alle Fälle, dass lediglich wieder ein politischer Kompromiss auf niedrigstem Niveau zustande kommen wird. Ob man damit die befürchteten Entwicklungen aufhalten kann, ist mehr als fraglich.

Unabhängig von dem, was derzeit auf Bali beschlossen wird, möchte ich auf einige Dinge hinweisen, die in der öffentlichen Diskussion zurzeit etwas in Vergessenheit zu geraten scheinen. Der erste Hinweis diesbezüglich ist, dass Klimawandel der Normalfall ist und dass es ihn schon immer gegeben hat – egal ob mit oder ohne Mensch. Stets gab es den Wechsel zwischen wärmeren und kälteren Zeiten. Die Temperaturerhöhung, die derzeit prognostiziert wird, gab es im Mittelalter auch schon einmal.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, das ist falsch!)

Dieser Zeitraum wird heute als mittelalterliches Klimaoptimum bezeichnet. Zu klären wäre sicherlich, warum denn diese Temperaturkonstellation unbedingt verhindert werden muss, währenddem sie zu anderen Zeiten als optimal angesehen wird.

Dass die Ursachen für den Klimawandel vielfältig sind, ist hinlänglich bekannt. Das wird gelegentlich verdrängt. Dass die wenigsten von ihnen durch den Menschen beeinflussbar sind, wird noch mehr verdrängt. Derzeit wird das nicht zu ignorierende Ansteigen der Jahrestemperaturen allein auf das Ansteigen des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre zurückgeführt. Damit stellt sich erst einmal die Frage, welche Rolle Treibhausgase überhaupt spielen.

Dazu möchte ich kurz bemerken: Ohne den sogenannten Treibhauseffekt wäre es auf der Erde im Durchschnitt

minus 18 Grad kalt. Durch die Treibhausgase haben wir auf der Erde eine Jahresdurchschnittstemperatur von circa 15 Grad. Also, ganz ohne Treibhaus geht es nicht. Der NASA-Klimaforscher Roy Spencer kommt zu der Aussage, dass bei ungedämpfter Wirkung des natürlichen Treibhauseffektes die Durchschnittstemperatur auf der Erde sogar 55 Grad betragen müsste. Daraus kann man schlussfolgern, dass es noch andere Mechanismen geben muss, die die Natur in Form von Verdunstungs- und Wetterprozessen zu einer Art Kühlsystem installiert hat, dessen Bedeutung und Wirkungsweise bisher nur wenig erforscht ist und somit kaum verstanden wird.

Zu den natürlich vorkommenden Treibhausgasen gehören Wasserdampf, Kohlendioxid – das wurde schon angesprochen –, bodennahes Ozon und Methan. Mindestens zwei Drittel der Treibhausgase stellen sich in Form von Wasserdampf dar. Unabhängig davon stellt sich die Frage: Warum fokussiert sich zurzeit alles auf Kohlendioxid? Das lässt sich relativ leicht beantworten: weil dies das einzige Treibhausgas ist, welches direkt vom Menschen durch Nutzung fossiler Brennstoffe beeinflussbar ist.

Nun kommen wir langsam zum Kern der Dinge. Unabhängig davon, ob die befürchteten an die Wand gemalten Szenarien so eintreten, dass die Polkappen schmelzen und die Eisbären aussterben, ist es auf alle Fälle richtig, endlose fossile Energieträger sehr sparsam, möglichst effektiv oder, wenn es geht, überhaupt nicht zu verbrennen bzw. zur Energieerzeugung zu verwenden.

Damit wäre auch gesagt, dass der Klimawandel nicht nur per se negative Auswirkungen in Sachsen haben muss, sondern auch durchaus Vorteile bringen kann. Er wird sicherlich von einem Skiliftbetreiber im Mittelgebirge wesentlich anders bewertet als von einem Freibadbetreiber.

Es stellt sich dann die Frage, wenn denn der effektive Einsatz der endlichen Rohstoffe der Königsweg ist, um den Klimawandel zu bremsen oder gar zu stoppen: Was können wir in Sachsen dafür tun, um diese Rohstoffe möglichst sparsam einzusetzen? Wir haben in Sachsen ein gutes Potenzial, angefangen bei Umwelttechnologien, die hier entwickelt und produziert werden. Das geht von Kleinkläranlagen über Windräder bis hin zu Fotovoltaiksystemen. Mit der Produktion dieser Anlagen wird eine riesige Wertschöpfung im Freistaat erzielt und bei weiter

steigenden Energiepreisen werden diese technischen Produkte nachgefragt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben politischen Vorgaben und beispielhaftem Vorgehen des Staates darf nicht vergessen werden, dass auch jeder Einzelne seinen in der Gesamtheit nicht unerheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Dieses muss nicht einmal eine Einschränkung seines Lebensstandards zur Folge haben, sondern es reicht manchmal schon, gewisse Dinge etwas bewusster zu handhaben. Beispiele sind die immer wieder angeführte Benutzung oder Nichtbenutzung von Standby-Schaltungen, Umrüstungen oder Ergänzungen von Heizungssystemen auf regenerative Energien, der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmepumpen. Das alles bringt einen messbaren Energieeinspareffekt, der sich mittelfristig auch in der Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger bemerkbar macht.

Gleichzeitig haben wir im Freistaat weiterhin Aufgaben zu erledigen, denen wir uns bereits seit Längerem widmen. Ich möchte auf die Klimastudie „Klimawandel in Sachsen, Sachstand und Ausblick“ aus dem Jahre 2005 verweisen.

Welche Auswirkungen kann die prognostizierte Klimaentwicklung auf unsere Land- und Forstwirtschaft haben? Wie kann man dem eventuell begegnen?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die prognostizierte Erwärmung in Verbindung mit ausgeprägteren Trockenperioden durchaus Auswirkungen auf die Waldbestände und die dort zurzeit stehenden Baumarten haben kann. So wird die Nährstoffaufnahme der Pflanzen und der Biomassezuwachs in trockenen Jahren begrenzt und auch die Folgen extremer Trockenheit lassen sich noch im Folgejahr an den Pflanzen nachweisen, während die meisten Insektenarten auf Trockenheit und Wärme mit gesteigerter Aktivität, höherer Reproduktion und schnellerer Entwicklung reagieren, womit die ohnehin geschwächten Bäume noch weniger in der Lage sind, das zu kompensieren. Dies stellt eine zusätzliche Gefahr für die Wälder dar. Der Forstwirtschaft und jedem einzelnen Waldbesitzer ist daher schon heute ein Umbau der Wälder sowohl für die standortgerechte Baumartauswahl als auch ein Umbau von Reinbeständen zu Mischwaldbeständen zu empfehlen. Einzelne trockene, heiße Jahre können die Wälder sicherlich kompensieren, aber eine Häufung oder eine Aufeinanderfolge mehrerer Jahre mit ausgeprägter Niederschlagsarmut wäre für unsere in den Wäldern vertretenen Baumarten nur schwer zu verkraften.

In diesem Sinne fördert der Freistaat den Waldumbau mit standortgerechten, trockenheitsrelevanten Baumarten. Um die Bedeutung des Waldes weiterhin in der Öffentlichkeit zu mehren, wäre es sicherlich klug, in die Aufteilung von CO2-Zertifikaten die Forstwirtschaft einzubeziehen.

Für die Landwirtschaft als solche bieten sich durch den Klimawandel nicht nur Probleme infolge abnehmender Niederschläge und längerer Trockenheiten in der Hauptvegetationsperiode und dem Auftreten von Krankheiten und Schädlingen, die bisher nur aus Zeitungsberichten in

südlicheren Regionen bekannt waren. Ich möchte hier nur den Maiszünsler, den Maiswurzelbohrer und die Blauzungenkrankheit bei Rindern und Schafen nennen. Gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zur Blauzungenkrankheit. Wenn die derzeitige Bekämpfungsstrategie nicht geändert wird, ist mittelfristig mit einem Ende der Rinder- und Schafhaltung, zumindest auf den Weiden in unseren Breiten, zu rechnen.

Neuerdings haben wir festgestellt, speziell nach der intensiven Sonneneinstrahlung im vorigen April, dass Pflanzen unter Sonnenbrand leiden können. Hier ist die Züchtung sicherlich gefordert. Wir werden erleben – das nicht nur einmal –, dass auf leichteren Böden das Ertragsrisiko zunehmen wird. Das Ertragsrisiko kann man, wenn überhaupt, nur mit der Intensivierung und Ausweitung der Bewässerung, mit bodenschonenden und wasserschonenden Bewirtschaftungsmaßnahmen minimieren. Währenddessen bildet die längere Vegetationszeit der Landwirtschaft einen generell größeren Spielraum hinsichtlich Sortenwahl, Fruchtfolge und Zwischenfruchtfolge. Das heißt, heute regional etablierte Kulturarten und Sorten könnten durch besser angepasste Fruchtarten ersetzt werden. Positive Folgen der prognostizierten Erwärmung sind eine Verlängerung der Weideperiode sowie niedrigere Energiekosten im Unter-Glas-Anbau und bei der Jungtieraufzucht im Schweine- und Geflügelbereich.

Weiterhin ist durch ein wärmeres Klima in Sachsen der Anbau von Körnermais und die Qualität des Weines deutlich besser gegeben. Generell gilt: Biomasse ist gespeicherte Sonnenenergie. In 1 000 Kilogramm Getreide sind zum Beispiel circa 3 900 Kilowattstunden Sonnenenergie gespeichert. Mit angepassten Produktionsverfahren und standortgerechten Pflanzen könnte die Biomasseproduktion erheblich gesteigert werden, was wiederum zur Substitution von endlichen fossilen Rohstoffen beitragen kann. Damit meine ich aber ausdrücklich nicht den Anbau von landwirtschaftlichen Kulturen auf gerodeten Urwaldflächen.

Ich möchte an dieser Stelle anmahnen, die Rolle der Landwirtschaft bei der Bewertung von CO2-Bilanzen fair zu bewerten. Es kann nicht sein, dass bei der Düngerherstellung anfallendes CO2 zulasten der Landwirtschaft gerechnet wird, während die durch den Einsatz von Biosprit eingesparten fossilen Rohstoffe der Industrie zugute geschrieben werden.

Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag „Zukunft sichern – Anpassungsstrategien an den Klimawandel in Sachsen jetzt entwickeln“ wollen wir die Grundlage dafür schaffen, dass Bewährtes weiter fortgeführt und Neues aufgegriffen wird. Dazu ist ein Maßnahmenpaket erforderlich, dass das Ziel, die Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % zu reduzieren und die Deckung des Energiebedarfs in Höhe von mindestens 20 % aus erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020 umzusetzen, auch im Freistaat erreicht wird.

Dabei ist der Öffentlichkeit klar aufzuzeigen, dass die externen Folgekosten von Klimaveränderungen nicht in

den heutigen Energiepreisen enthalten sind, dass wirtschaftliche Konsequenzen entstehen und dass unser Lebensstil und unsere Wohlstandsvorstellungen zum Teil auch auf dem Prüfstand stehen. Wir wollen uns damit den Beschlüssen der Bundesregierung und der Europäischen Union stellen und uns messbar an der Umsetzung der Ziele „3 x 20 bis zum Jahre 2020“ beteiligen. Wir wollen aber auch den Betroffenen helfen, mit den Konsequenzen des Klimawandels umzugehen und ihrem eigenen Lebens- und Arbeitsstil anzupassen.

Eines sollte dabei aber allen klar sein: Einen Klimawandel werden wir nicht verhindern können. Es gibt, wie schon am Anfang erwähnt, natürliche Entwicklungsprozesse, denen wir uns stellen müssen und mit denen wir umzugehen haben.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Lehmann, ich werde nicht vom brasilianischen Urwald reden, sondern ich werde mich am Thema festhalten.

1991, vielleicht war es auch Anfang 1992, kam ein Kollege zu mir und sagte: Kannst du mir einmal erklären, was das für ein Unsinn ist, den du hier über die Erwärmung und die Temperatur erzählst? Da ziehe ich mir einfach einen Pullover weniger an. Für sich selbst hatte dieser Mann recht, nur hat er eine Menge Dinge nicht beachtet, die auch mein Vorredner in einer für mich schwierigen Mischung dargeboten hat.

Wir werden heute von einer Menge Daten fast erschlagen, die vom sogenannten IPCC kommen. Was ist das? Das ist ein UNO-Klimarat. Das möchte ich hier noch einmal ganz bewusst erläutern, weil viele nicht wissen, worum es geht. Hierbei arbeiten 191 Staaten mit, direkt circa 1 250 Wissenschaftler und indirekt noch einmal weitere 2 500. Jeder Wissenschaftler dieser Welt kann diese Daten anfordern und seine Kommentare abgeben. 1990, 1995, 2001 und 2007 erschienen sogenannte Sachstandsberichte, die jeweils unwidersprochen von allen Mitgliedern in vier Teilberichte gegliedert sind: wissenschaftliche Grundlagen, sektorale regionale Klimafolgen bzw. Verwundbarkeit der Erde, politische und ökonomische Optionen zum Klimaschutz, Synthesebericht. Die Sonder- und technischen Berichte erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.

Einzelteile des Sachstandsberichtes sind jeweils die sogenannten Grundtexte. Das sind circa 1 500 Seiten, dann die Technical Summaries – man nutzt das englische Wort, also die Zusammenfassung von 60 bis 80 Seiten –, und dann gibt es noch einmal für die Politiker sogenannte Summaries for Policymakers, das sind etwa 25 Seiten,

wobei alle Einwände und offenen Fragen dokumentiert werden. Die Ergebnisse werden als Wahrscheinlichkeiten angegeben. Das ist wichtig zu wissen, wenn man die Berichte liest.

Ich erwähne diese Einzelheiten, weil man besonders in der politischen Diskussion schnell auf sogenannte Klimaexperten stößt, die bei drängenden Nachfragen zugeben müssen, dass sie nicht einmal die Kurzfassung für die politischen Entscheidungen gelesen haben, geschweige denn die anderen. Sie kennen oft nicht die Arbeitsweise des IPCC. Das ist so ähnlich wie in der Bildungsdiskussion, bei der wir uns alle gern als Bildungsexperten ausgeben, weil wir einmal in der Schule waren.