Protokoll der Sitzung vom 20.12.2007

(Antje Hermenau, GRÜNE: Sind wir auch!)

aber ich lasse mir dann nicht Rechtsbruch vorwerfen, wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind. Da ist eben die Sächsische Haushaltsordnung nicht die gleiche wie die des Bundes; dazu gibt es wesentliche Unterschiede und die sollten Sie zumindest bereit sein zu akzeptieren. Demnach hat der Juristische Dienst des Sächsischen Landtags festgestellt: „Da jedoch mit dem Haushaltsgesetz 2007/2008 für das Jahr 2008 ausdrückliche Regelungen getroffen worden sind, bestehen bezüglich einer bereits im Jahr 2007 mit Wirkung für das Jahr 2008 erteilten Zustimmung keine Bedenken.“ Das bezieht sich hier auf die Bürgschaft in zwei Tranchen, in einem Akt beschlossen.

Also, Frau Hermenau, ich bitte Sie für die zukünftigen Debatten darum, dass wir hier auch fair miteinander umgehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Martin Dulig, SPD, und der Staatsregierung)

Wir fahren fort mit der Linksfraktion. Frau Abg. Mattern, bitte; danach die SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es noch einmal ganz deutlich zu unterstreichen: Wir sprechen heute und hier über eine Entscheidung, die bereits gestern gefallen ist und an der wir als Landtag, als Gesetzgeber nichts mehr ändern können. Wir sprechen darüber, dass 825 Millionen Euro ohne unsere Zustimmung und ohne Zustimmung des Landtags unserer Verfügung entzogen werden. Wir sprechen über eine Inszenierung, in der sich derjenige, der das Schiff Sachsen LB zum Kentern ge

bracht hat, jetzt als der große Retter aufspielt, sich hier vor dem Landtag ausschweigt und nicht den Mut hat, Stellung zu beziehen, was eigentlich passiert ist.

Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, bitte ich Sie, einmal kurz in sich zu gehen und sich anzuschauen, was Sie zugelassen und angerichtet haben.

Was könnte man denn mit 825 Millionen Euro alles machen? Frau Stange könnte mit 825 Millionen Euro zehn Jahre lang die TU Dresden finanzieren. Herr Flath könnte mit 825 Millionen Euro zehn Jahre lang Grundschullehrer – und auch noch erhöht um 20 % – bezahlen.

(Stefan Brangs, SPD: Fast wie im Dresdner Stadtrat!)

Herr Jurk könnte mit 825 Millionen Euro zehn Jahre lang die Technologieförderung verdoppeln. Allein von den Zinsen, die dann über 35 Millionen Euro ausmachen würden, könnten Sie, Frau Orosz, die Förderung der Jugendarbeit auf das Dreifache steigern.

Doch Sie, meine Damen und Herren Minister, haben den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern eine Finanzlast aufgebürdet, deren endgültige Höhe bis heute, bis zu diesem Moment, nicht feststeht. Wir haben Ihnen, Herr Tillich, gestern im Ausschuss diese Fragen gestellt. Sie sind uns die wesentlichen Antworten schuldig geblieben. Sie sagten uns nicht, worin die Deckungsquellen für die sogenannte Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro bestehen. Sie konnten uns noch nicht sagen, wie lange die Bürgschaften überhaupt laufen sollen. Sie konnten uns nicht darstellen, aus welchen Haushaltstiteln sich die 825 Millionen Euro für die Bürgschaftsreserve speisen sollen. Es sollen, so sagten Sie, Haushaltsreste und Steuermehreinnahmen verwendet werden. Doch die konnten Sie nicht beziffern. Wo werden wir denn sparen? Ist es falsch, wenn wir vermuten, dass Sie bei den Schulen, den Kindergärten, der Wissenschaft und der Kunst zugreifen werden, weil alle anderen Mittel gebunden sind?

Herr Hähle und Herr Dulig, Ihre Kollegen haben den Vorschlägen von Finanzminister Tillich zugestimmt, und zwar ohne die finanziellen Auswirkungen abschätzen zu können. Wir haben die Unterlagen, die dazu notwendig gewesen wären, eingefordert. Es wurde nicht nur verweigert, dass wir sie vorgelegt bekommen, sondern die Koalitionsfraktionen haben gestern abgestimmt, dass wir sie nie zu Gesicht bekommen werden. Das halte ich einfach für einen Skandal.

(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Fritz Hähle, CDU: Sie liegen doch aus!)

Meine Damen und Herren! Aus diesem einfachen Grund wende ich mich jetzt an jede Einzelne und jeden Einzelnen von Ihnen. Ich frage Sie: Halten Sie es für richtig, dass die Staatsregierung in einem handstreichartigen Vorgang dem Parlament sein Königsrecht, das Budgetrecht, aus der Hand nimmt? Ich persönlich halte diesen Vorgang für fatal und ich halte ihn für falsch. Meine

Fraktion wird diesen Akt in keiner Form sanktionieren. Mit unserem dann noch einzubringenden Entschließungsantrag fordern wir die Vorlage eines ordentlichen Nachtragshaushaltes. Er ist aus unserer Sicht der einzig mögliche Weg, um das entstandene Desaster der Bank aufzufangen. Es ist der juristisch saubere Weg, und es ist der einzige Weg, um das Parlament wieder in sein Recht einzusetzen.

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der Linksfraktion)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Nolle, bitte.

(Jürgen Gansel, NPD: Jetzt platzt die Koalition!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bekommen heute eine unvorstellbar teure vorläufige Schlussrechnung für das Experiment „eigene Landesbank“ präsentiert, die uns der Ziehvater des Institutes als Erfolg anpreisen will. Sicher wäre es noch unvorstellbarer gewesen, wenn die Bank hätte geschlossen werden müssen. Allein die Tatsache, dass wir nur wenige Stunden, wie ich hörte, nur Minuten, vor einer von Sachsen zu verantwortenden gigantischen Bankpleite in sicher zweistelliger Milliardenhöhe standen, der gegenüber uns die lächerlichen 2,75 Milliarden Euro Garantie für das „first lost“ Risiko wie Peanuts vorgekommen wären, muss uns erschaudern lassen. Jeder, der es wissen wollte, weiß, dass diese Entwicklung, die sich schon seit Jahren als ein Trio infernale an der Bankspitze abzeichnete, das sich der Freundschaft des Ministerpräsidenten rühmte und seines Segens gewiss war, völlig aus dem Ruder lief.

Seit Anfang 2004, meine Damen und Herren, war die Sachsen LB mit immer neuen Skandalen, Affären und kaschierten Verlusten in der Kritik. Ich habe damals schon Dublin als Blackbox bezeichnet und bin dafür heftig angegangen worden. Wer nicht blind und ignorant ist, muss zugeben: Nicht der Markt regelt sich hier selbst und trägt seine Risiken, sondern der sächsische Steuerzahler. Land und Leute werden für die ungedeckten Risiken unserer genialen Finanzbaumeister und ebenso hoch talentierten Finanzarchitekten Milliarden zahlen müssen. Der Landesbank-Untersuchungsausschuss hat praktisch ein Jahr lang mit der Bank gestritten, um den Sonderprüfungsbericht der KPMG zu erhalten, der Mitte 2005 erstmals die enormen außerbilanziellen Risiken benannte und die Lebenslüge erklärte, dass die Strategie der Bank davon ausging, dass es zu keinerlei Marktstörungen kommt.

Die Ereignisse im August 2007, meine Damen und Herren, machten deutlich, obwohl der Bericht der KPMG seit Frühjahr 2005 vorlag, dass man diese Risiken nicht abgebaut, sondern weiter gezockt hat. Der Ormond Quay umfasste im Sommer 2005 circa 9 Milliarden Euro. Er wurde bis zum Frühjahr 2007 auf 17 Milliarden Euro hochgefahren und sollte, wie uns Ex-Vorstand Süß verriet,

Ende 2007 bei genialen 25 Milliarden Euro liegen, meine Damen und Herren.

In den drei Jahren, in denen wir über die Sachsen LB streiten, gab es immer zwei Leute, die die schützende Hand über die Bank hielten, alle Vorwürfe als unbegründet zurückwiesen und die Kritiker der Bank wie Ungeziefer behandelt haben. Das waren Sie, Herr Professor, und Ihr damaliger Finanzminister. Sie, Herr Milbradt, waren nicht nur bestens informiert – in Sachsen pfeifen das die Spatzen von den Dächern –, sondern es war Ihr Lieblingskind. Sie wollten es so und nicht anders, und mit den Bankern, die sich vor dem OLG Dresden kleinkriminelle Energie vorhalten lassen mussten, waren Sie immer „dicke Tinte“. Nein, Herr Milbradt, so kann sich keiner aus der Verantwortung stehlen. Die Sachsen LB war sowohl von der Kapitalbasis, der Bedeutung als auch vom Gewährträgerrisiko her die wesentlichste Beteiligung des Freistaates. Glauben wir Ihnen einmal einen kleinen Moment, Sie seien wirklich nicht unterrichtet gewesen, dann haben Sie, Herr Milbradt, Ihren verdammten Job nicht erfüllt. Sie hätten als Klassenprimus versagt.

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, es wird nicht amüsanter. Die politische Verantwortung für das Bankfiasko liegt bei Ihnen, nirgendwo anders. Da stimme ich Herrn Prof. Biedenkopf ausdrücklich zu. Die politische Verantwortung tragen Sie allein. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, das werden wir im Untersuchungsausschuss im März exakt herausarbeiten.

Sie wussten nichts? Nicht, dass Sie unter einer Vielzahl von Augenzeugen ständiger Gast in der Vorstandsetage bei Weiss waren und mit ihm stundenlang im Dresdner „Luisenhof“ ausgiebig speisten? Nicht, dass Sie regelmäßig spät abends von Ihrem Gewährsmann und Koautor Thode in der Staatskanzlei besucht und informiert wurden? Nicht, dass es Stapel von Mails, Briefen, Faxen und nummerierten Gutachten vom Vorstand der Bank und aus dem Finanzministerium in die Staatskanzlei zu Ihren Händen gab? Nicht, dass Frau Fischer in Ihrem Auftrag über Herrn Weiss seinem Kumpel Fuchs Hilfe bei der Jobsuche angeboten hat, damit er den Schnabel hält? Nicht, dass Sie jene Vorstände immer als begnadete Banker bezeichneten, die das Fiasko von Dublin und der Landesbank mit Ihrem freundschaftlichem Beistand letztendlich zu verantworten haben? Nicht, dass Ihre Orden für Ehrenmänner wie Weiss und Fuchs „Ausdruck der Anerkennung ihrer jahrelangen erfolgreichen Tätigkeiten war, mit der beide die maßgebliche Grundlage für die heutige positive Entwicklung der Sachsen LB gelegt haben“, wie Sie mir noch am 26. Juni 2007 mitteilen ließen?

Wollen Sie die belastenden Dokumente, Herr Ministerpräsident, im Dutzendpack alle einzeln vorgehalten bekommen? Sollten wir wirklich erst die Zeugen und Parteifreunde Metz, Albrecht, Winkler, die Herren Thode, Süß und Weiss zu ihrem Wissen öffentlich befragen? Wollen wir uns das nicht lieber ersparen? Damals, im November 1991, haben Sie hier ausgeführt: „Ich bin

überzeugt, dass jede Mark, die in die Bank investiert wird, sinnvoll angelegt ist und Zinsen bringen wird.“ So Ihre Aussage von damals.

Herr Ministerpräsident Milbradt, dieser Traum ist aus, weil er inzwischen zum Albtraum für dieses Land, seine Bürger, Ihre Partei und die Koalition geworden ist.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der Linksfraktion, der NPD, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es fällt einem schon schwer, die Verdrehung von Fakten und Daten ohne Erregung zu kommentieren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Ich will zu einigen Punkten Stellung nehmen. Und ich möchte Sie herzlich bitten, mir genauso aufmerksam zuzuhören, wie ich das bei Ihren Ausführungen getan habe, wobei mir das nicht immer leicht gefallen ist.

Zum Ersten, der Gründung der Sachsen-Bank 1992. Dieser Entscheid ist im Landtag, soweit ich weiß, einstimmig oder mit großer Mehrheit getroffen worden. Alle Fraktionen, die hier sitzen – mit Ausnahme der NPDFraktion – waren dabei.

Wenn Sie damals diese Schwierigkeiten schon alle gesehen haben, dann frage ich mich, warum das nicht gesagt worden ist. Tatsache ist, dass wir 1991/1992, als diese Entscheidungen getroffen wurden, in einer anderen Landesbankwelt lebten. Das Modell Landesbank hat doch in den Neunzigerjahren nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen Ländern noch ordentlich funktioniert. Deswegen war auch die Entscheidung aus der Sicht der Jahre 1991 und 1992 nicht zu kritisieren und ist von Ihnen auch nie kritisiert worden. Sie ist auch nie kritisiert worden, solange ich dort Verantwortung trug.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir reden über 2000!)

Wir reden auch bis zum Jahr 2000 und von mir aus auch bis zum 31. Januar 2001, als ich aus allen Gremien ausschied.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Wer hat McKinsey beauftragt? Wer hat den Strategiewechsel beauftragt?)

Noch einmal: Bis zu diesem Zeitpunkt, dem 31. Januar 2001, ist an der Existenz und der Notwendigkeit nie ein Zweifel –

(Andrea Roth, Linksfraktion: … gelassen worden!)

gelassen oder geäußert worden. Es ist unfair, wenn Sie jetzt so tun, als ob Sie diese Zweifel schon vorher gehabt

hätten. Sie hatten sie nicht, genauso, wie sie andere auch nicht hatten.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion – Sebastian Scheel, Linksfraktion: Der Strategiewechsel war der Fehler!)

Wenn Sie Zwischenfragen haben, bitte ich Sie ans Mikrofon zu treten.

Das sind die Fakten für die Zeit von 1992 bis 2001.

Der zweite Punkt, den ich in Ihre Erinnerung bringen möchte, ist die Entscheidung, die ich nicht getroffen habe.

(Proteste bei der Linksfraktion – Zuruf von der Linksfraktion: Sie haben sie vorbereitet!)