Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Bei der Problematik Mehrkosten tun Sie immer, als ob wir diese Mehrkosten absichtlich, extra für Sie sozusagen, einfordern und dann nur darauf warten, dass Sie Große Anfragen oder andere Dinge einbringen und nachfragen, warum diese Mehrkosten entstanden sind.

Bezüglich der geplanten Fahrgastzahlen haben Sie, Herr Külow, sicherlich schon beim Nahverkehrsverbund Leipzig nachgefragt, was Stand der Dinge ist, und sicherlich auch eine entsprechende Antwort erhalten. Davon gehe ich aus und ich hoffe, dass Sie vielleicht dazu noch einige Ausführungen machen. Denn auch dort liegen gewisse Verantwortlichkeiten, die dort, wo sie hingehören, geregelt werden müssen.

Das Thema City-Tunnel hat uns schon in vielfacher Form beschäftigt. Wir hatten eine Plenardebatte, auch beantragt von der PDS-Fraktion, wir haben heute die Große Anfrage, wir hatten verschiedene Kleine Anfragen und ich meine, informiert wurden alle Abgeordneten, die das wollten, kontinuierlich und ausführlich.

Dazu kann ich Folgendes sagen: Zum aktuellen Stand der Baumaßnahmen hat Staatsminister Thomas Jurk erst in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 11. Januar 2008 ausführlich Stellung bezogen. Am 16. Januar 2008 hatten die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses und der Parlamentarischen Gruppe Bahn im Rahmen des Ländergesprächs mit der Deutschen Bahn die Möglichkeit, sich über den aktuellen Stand sowie die Einschätzung zum Ende der Baumaßnahmen, die veranschlagten Kosten sowie die verkehrstechnische Nutzung zu informieren.

Herr Külow, ich weiß jetzt nicht genau, ob Sie da waren.

(Zuruf des Abg. Dr. Volker Külow, Linksfraktion)

Ich war da, ich kann mich aber nicht erinnern, dass Sie diese Möglichkeit der Information wahrgenommen haben. Denn auch dort konnte man diesbezüglich nachfragen und sich die aktuellsten Informationen geben lassen. Wir als Abgeordnete hatten also verschiedene Möglichkeiten und haben sie zum großen Teil auch genutzt. Neue Einsichten und Informationen kann also die heutige Debatte nicht bringen. Dennoch will auch ich einige Ausführungen zum Projekt City-Tunnel machen:

Dass der City-Tunnel eines der auch finanziell herausragenden Infrastrukturprojekte im Rahmen des weiteren Ausbaus der Schieneninfrastruktur hier in Sachsen ist, ist auch schon von meinen Vorrednern deutlich gemacht worden. Trotz aller zeitlichen Verschiebungen und der negativen Entwicklung der Mehrkosten ist der Ausbau richtig, wichtig und sinnvoll. Ich denke, dass wir das zukünftig feststellen werden.

Ich muss dann, wenn man ständig die Mehrkosten kritisiert, auch die Frage stellen: Wollen wir den Tunnel jetzt wieder zuschütten und wollen wir jetzt ein einfach nichts machen? – Darum geht es doch wohl nicht. Man muss überlegen, was man tun kann, damit wir im finanziellen Rahmen bleiben. Trotzdem kann man doch nicht heute entscheiden, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag fordern, und sagen: Dann und dann ist der Bau beendet und wir schließen jetzt aus, dass noch irgendwelche Verzögerungen stattfinden werden. Das wäre zu blauäugig. Es ist eine der größten Baumaßnahmen in Sachsen, und sie ist auch von technischen Schwierigkeiten – das wissen wir alle – gezeichnet.

Der Bau einer unterirdischen Schienenverbindung zwischen dem Leipziger Hauptbahnhof und dem Bayerischen Bahnhof dient vor allem zur besseren Erschließung der Innenstadt mit der S-Bahn sowie zur Optimierung des Regional- und Fernverkehrs im Großraum Leipzig. Ich denke, es wird ein zukünftiger guter Magnet für Touristen sein, aber sicherlich auch für die Bewohner Leipzigs.

Zur Finanzierung und zur Verteilung zwischen Bund, Land und Stadt wurde schon einiges gesagt.

Zum Stand der Baumaßnahmen. Anfang 2005 wurden die Aufträge für die Baubereiche A – Bereich Semmelweisstraße, Bayerischer Bahnhof – und B – Herstellung des Schildtunnels mit zwei Röhren – vergeben. Der Baubereich C umfasst die Untertunnelung des Hauptbahnhofs sowie die Nord- und Westrampe. Vor allem wegen der sehr problematischen geologischen Zusammensetzungen kam es gerade im Bereich B zu Verzögerungen. Diese Verzögerungen und die daraus resultierenden Kosten wurden ausführlich in einer Kleinen Anfrage dargelegt, nämlich in der Drucksache 4/2848.

Seit Mitte 2006 wurde vor allem durch die ungünstige Zusammensetzung des Bodens eine deutliche Verzögerung der Baumaßnahme immer wahrscheinlicher, und wie wir heute wissen, gibt es diese Verzögerung. Nach Angaben der DEGES in enger Abstimmung mit der DB AG wird der City-Tunnel nun nicht, wie ursprünglich geplant, im Jahr 2009, sondern wahrscheinlich mit dem Fahrplanwechsel 2011/2012 in Betrieb genommen.

Bereits im Juli 2006 – Herr Külow, Sie haben es bereits dargelegt – wurden Mehrkosten von 16 Millionen Euro eingeräumt. Erfahrungsgemäß ist bei derartigen Großprojekten eine Kostensteigerung im Laufe der Baumaßnahmen von rund 15 % nicht unüblich – natürlich nicht schön, aber auch nicht unüblich. Sie sprechen von einer Kostenexplosion. Davon würde ich eher am Beispiel des Berliner Hauptbahnhofs sprechen. Dort hat man die Verdoppelung der Kosten erreicht, obwohl das Projekt abgeschmolzen wurde. Aber im Falle unseres Projekts von einer Kostenexplosion zu sprechen finde ich doch ein bisschen übertrieben.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Ich könnte jetzt auch spitz sagen: In Sachsen spielt doch Geld keine Rolle. – Aber das mache ich natürlich nicht.

Bei der weiteren Befassung im Wirtschaftsausschuss Anfang 2007 wurde das Risiko auf weitere Mehrausgaben von rund 73 Millionen Euro beziffert und in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Jahr 2008 hat Herr Staatsminister Jurk auf eigenen Wunsch den Ausschuss ausführlich über die neu berechneten Mehrkosten informiert. Nach der Einschätzung der DEGES sind nun in der Gesamtkostenkalkulation Mehrkosten von rund 133 Millionen Euro zu erwarten. Das ist nicht erfreulich, aber es gibt Gründe dafür und diese Gründe wurden auch aufgezählt, unter anderem gerade von meinem CDUKollegen Herrn Prof. Bolick.

Da spielen die deutlich gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise eine Rolle, die Unwägbarkeiten im Baugrund, die Insolvenz eines Auftragnehmers, längere Bauzeiten, eine veränderte Streckenführung, eine Anpassung der Planungsgrundlagen und selbstverständlich auch erhöhte Sicherheitsanforderungen.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die ständige Diskussion über diese Mehrkosten nicht unbedingt die Verhandlungsposition der DEGES stärkt und es damit auch nicht einfacher macht. Ich weiß nicht, welchen Sinn und Zweck es haben soll, dies immer hier im Plenum auszubreiten, obwohl diese Dinge im Ausschuss ganz klar diskutiert und auch öffentlich dargelegt worden sind. Aber gut.

Eine wesentliche Frage ist die Auslastung des CityTunnels. Das wird uns zukünftig wirklich bewegen. Diese ist aber auch durch die Ausschreibung des Zweckverbandes für den Nahverkehrsraum Leipzig mit zu gewährleisten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Auch das Land muss in seine Verantwortung treten.

Der City-Tunnel ist verkehrstechnisch ausgelastet, wenn circa elf bis 13 Zugpaare pro Stunde in der Hauptverkehrszeit den Tunnel benutzen. Nach der Konzeption des Zweckverbandes für den Nahverkehrsraum Leipzig wird diese Belegung vor allem durch S-Bahn-Züge – etwa zehn Züge pro Stunde – erfolgen. Nach Angabe der DB AG aus der vergangenen Woche wird es darüber hinaus die Nutzung durch den Regionalverkehr – das sind etwa zwei Züge pro Stunde – und des Fernverkehrs – ein Zug pro Stunde – geben. Wenn sich diese Zahlen wirklich in die Realität ummünzen lassen, dann haben wir, denke ich, unser Ziel erreicht und der City-Tunnel hat eine ordentliche Auslastung.

Wertung und Fazit: Ich denke nach wie vor, dass der CityTunnel ein wichtiges und auch ein richtiges Schienenverkehrsprojekt ist. Wir sollten auf jeden Fall unsere Staatsregierung mit ganzer Kraft dabei unterstützen, dieses Projekt ordentlich zu Ende zu führen und bei den anstehenden Verhandlungen mit dem Bund und der EU die aufgetretenen Mehrkosten gerecht auf alle Schultern zu verteilen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der NPDFraktion das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Leuchtturmprojekt „CityTunnel Leipzig“ hat schon längst seine Strahlkraft eingebüßt und man hat den Eindruck, dass für manchen Verkehrspolitiker im Landtag ganz oben auf dem Leuchtturm die Luft schon dünn wird.

Das Problem dabei ist nicht allein das Unvermögen, den anvisierten Zeitplan einzuhalten, sondern hochproblematisch sind auch die schon erwähnten Kosten, die den ohnehin großzügigen Finanzrahmen zu sprengen drohen. Die Rolle der Staatsregierung und des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr ist in diesem Zusammenhang zumindest als unglücklich zu bezeichnen. Auch wenn es lange geleugnet wurde, wie die Antworten auf Kleine Anfragen belegen, verzögert sich die Inbetriebnahme des Tunnels um mindestens drei Jahre. Außerdem macht die unvertretbar teure Untertunnelung Leipzigs nur dann Sinn, wenn das Verkehrsprojekt in die Fernverkehrsplanung einbezogen wird, was aber die Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale voraussetzt, mit der es seit Jahren auch nicht wirklich vorangeht.

Bezeichnend ist auch, dass auf Anfrage noch 2005 mitgeteilt wurde, dass man im Hinblick auf Fördermittel mit keiner Projektverzögerung rechne und der Bauverlauf auf diesen Zweck hin ständig überprüft werde. Man will es aber kaum glauben, denn das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr informierte das zuständige Bundesministerium schon 2004 vorsorglich über Probleme bei der Umsetzung des EFRE-Projektes. Für das innerstädtische Gewerbe ist die bauliche Verzögerung des City-Tunnels schon jetzt mit spürbaren Nachteilen verbunden, die sich auch in Umsatzeinbußen niederschlagen. Man kann also schon jetzt gespannt sein, wie viele Insolvenzen im Leipziger Innenstadtgewerbe zu beklagen sind, bis das hochberühmte Projekt irgendwann einmal realisiert sein wird.

Bis zum heutigen Tag ist unklar, wie die weitere Finanzierung des Projektes City-Tunnel Leipzig überhaupt aussehen soll. Der Großen Anfrage ist zu entnehmen, dass ein Antrag gestellt wurde, um das mögliche Verfallen von EFRE-Mitteln zu verhindern. Weiterhin erfährt man, dass mit dem zuständigen Bundesministerium erste Gespräche über die Fortführung des City-Tunnel-Projektes in der aktuellen Strukturfondsförderperiode geführt wurden. Man würde doch zu gern etwas über den Erfolg oder Misserfolg der Antragstellung erfahren.

Von großer Bedeutung für die Schulterung der immer größer werdenden Finanzlasten ist auch die Kostenbeteiligungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung hängt indes vom Genehmigungsvorbehalt des Leipziger Stadtrates ab. Darüber hinaus interessiert uns alle, wo im

sächsischen Haushalt die Mehrkosten des City-Tunnels – mindestens 16 Millionen Euro gesteht der Staatsminister ja schon ein – veranschlagt werden können und sollen.

Für uns als NPD-Fraktion ist das City-Tunnel-Projekt schon längst ein Fass ohne Boden. Es wäre deshalb gut für uns alle zu erfahren, ob die zuständige interministerielle Arbeitsgruppe zu einem Ergebnis kam; denn bis zum Mai 2007 wurden keine Kostenstellen festgestellt. Die NPD-Fraktion erinnert daran, dass Staatsminister Jurk bereits am 14. September 2006 in diesem Haus erklärte, dass noch innerhalb des Jahres 2006 Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe zu erwarten seien. Nun haben wir bereits 2008, und passend zum gesamten City-Tunnel-Projekt sind auch im zuständigen Ministerium außerplanmäßige Verzögerungen der Arbeitsabläufe zu beklagen. Das ganze City-Tunnel-Projekt scheint mit viel zu heißer Nadel gestrickt zu sein und jeder seriösen Zeit- und Finanzplanung zu ermangeln.

Die NPD-Fraktion hat deshalb den begründeten, unguten Verdacht, dass das einzige Licht am Ende des CityTunnels von einer großen Kostenlokomotive stammt, die am Ende über den Steuerzahler hinwegrollen wird. Entsprechend skeptisch steht die NPD-Fraktion dem gesamten Projekt gegenüber. Wir sind gespannt, welche Informationen der Staatsminister nachher noch preisgeben wird.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Herr Morlok, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Morlok – mehr Lokomotive!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben über das Thema City-Tunnel schon des Öfteren in diesem Hause diskutiert, letztmalig anlässlich des Bekanntwerdens der Kostensteigerung auf möglicherweise 73 Millionen Euro.

In diesem Zusammenhang hatte ich mich schon zu den Vorplanungen des City-Tunnels geäußert. Bereits damals wurde von der Staatsregierung die Auffassung vertreten, man hätte im Vorfeld alle relevanten Gutachten und Meinungen eingeholt, wie wir es auch jetzt wieder in der Antwort auf die Große Anfrage nachlesen können.

In Gesprächen mit Leipziger Bürgern oder Leipziger Ingenieurbüros wird deutlich, dass man sich schon wundert, dass verschiedene Sachverhalte gerade nicht in diese Planungen eingeflossen sind. Insbesondere das Problem am Haltepunkt Wilhelm-Leuschner-Platz hat zu dem erheblichen Bauverzug geführt. Hier wurden circa 1 000 Betonpfähle notwendig, um den Untergrund zu stabilisieren. Das war der wesentliche Grund für den Bauverzug. Wenn Sie mit Leuten vor Ort sprechen, stellen Sie fest, dass man sich wundert, warum man das erst im

Nachhinein festgestellt hat und warum dies nicht bereits bei der Planung berücksichtigt wurde.

Das hätte an den Kosten nichts geändert, weil die Kosten in jedem Fall gekommen wären. Das ist gar keine Frage. Immerhin hätte man sich unter Umständen den Zeitverzug und möglicherweise ein paar Kostenanmeldungen von beteiligten Bauunternehmen ersparen können. Man muss schon sagen, dass man die Sache etwas sorgfältiger hätte vorbereiten können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Freilich!)

Der City-Tunnel – das ist bei der Bauentscheidung deutlich gemacht worden – ist mehr als ein S-Bahn-Tunnel für die Stadt Leipzig. Wenn er nur das wäre, müsste man sich schon die Frage stellen, ob er als S-Bahn-Tunnel für die Stadt Leipzig angesichts der Kosten, die für den CityTunnel anfallen, gerechtfertigt ist.

(Christine Clauß, CDU: Das stimmt!)

Die Maßgabe war ganz klar gewesen: Er soll nicht nur ein S-Bahn-Tunnel für die Stadt Leipzig sein, sondern er soll den Leipziger Großraum in den Schienenfernverkehr einbinden. Das war die erklärte Zielstellung für die Baumaßnahme des City-Tunnels.

Diese wichtige Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit des City-Tunnels, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eben nicht gegeben – trotz aller Beteuerungen aus Berlin von Verkehrsminister Tiefensee. Aus Berlin wird mit Nebelkerzen geworfen, wenn nicht irgendwelche zusätzlichen Gelder in Aussicht gestellt werden. Die zusätzlichen Gelder werden gerade nicht für das entscheidende Stück, das wir benötigen, in Aussicht gestellt: nämlich für eine sinnvolle Einbindung der Stadt Leipzig und des CityTunnels in den Fernverkehr, die Elektrifizierung der Eisenbahnverbindung von Reichenbach nach Hof. Das ist die entscheidende Voraussetzung, um Nord-Süd-Verkehre in den City-Tunnel hineinzubekommen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Recht hat er!)

Wenn wir in der Beantwortung der Großen Anfrage lesen, dass die Inbetriebnahme für die Jahre 2011/2012 geplant ist, müssen wir sagen: Selbst zu diesem Inbetriebnahmezeitpunkt, der nach dem Bauverzug eintritt – früher war ja mal ein ganz anderer Zeitraum geplant –, wird eine sinnvolle Einbindung des Fernverkehrs in den CityTunnel nicht möglich sein, da bis dahin die entscheidende Strecke – Elektrifizierung Reichenbach–Hof – nicht fertig bzw. vermutlich nicht einmal begonnen sein wird.