Protokoll der Sitzung vom 09.07.2014

Deren Parteizugehörigkeit ist Ihnen bekannt. Ich kann wirklich nicht erkennen, dass Rheinland-Pfalz, Thüringen

oder Schleswig-Holstein, die solche Regelungen schon getroffen haben, dem Grundgesetz zuwider Bürgerbeauftragte etabliert hätten. Ich meine, dass dieser Vorwurf unberechtigt ist.

Auf Ihren Hinweis betreffs des Änderungsantrags würde ich gern eingehen, wenn ich diesen eingebracht habe.

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Bartl. – Herr Kirmes, Sie möchten erwidern?

Es sei nur ganz kurz darauf erwidert: Ich habe ausgeführt, dass die Ausstattung und die Rechte der Bürgerbeauftragten in anderen Ländern nicht mit dem identisch sind, was in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Deswegen, wegen des vorgesehenen Verfassungsrangs des Bürgerbeauftragten und angesichts der Möglichkeiten, die unsere Bürger bereits haben, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es geht in der Aussprache weiter. Für die SPDFraktion Herr Mann. Bitte sehr, Herr Mann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat uns soeben ihren Gesetzentwurf für einen – ich verkürze es – unabhängigen Bürgerbeauftragten vorgestellt. Die SPD-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich. Wir gehen davon aus, dass die sächsischen Bürgerinnen und Bürger für einen solchen Beistand oder Mediator durchaus Bedarf haben, und zwar nicht nur für Konfliktfälle, die, wie uns scheint, häufiger auftreten, sondern schon angesichts der Größe der Verwaltung und der Komplexität der politischen Kompetenzverschränkung.

Vorfälle wie zuletzt beim Polizeieinsatz in Plauen oder, wie jüngst bekannt geworden, mit einer Petition, die in der Staatskanzlei abgegeben wurde, auf die der Petent aber nie eine Antwort erhielt und die auch nicht an den Landtag weitergereicht wurde, illustrieren beispielhaft, dass es sinnvoll sein kann, eine solche Stelle einzurichten.

Zudem wurde in der Anhörung durch in anderen Bundesländern schon existierende Bürgerbeauftragte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass von dieser Person neben Orientierung und Beistand eine weitere Funktion übernommen werden könnte: eine Vermittlungs- oder Vorwarnfunktion. Probleme würden gar nicht entstehen, weil es nicht erst des üblicherweise langen Dienstweges durch die Verwaltung hindurch bedürfte oder weil vermieden werden könnte, dass durch Verwaltungshandeln das Problem erst entsteht.

Die Beispiele illustrieren aus unserer Sicht, dass in einer solchen Einrichtung durchaus Chancen für alle – damit meine ich ausdrücklich auch die Regierung – liegen und sie nicht, wie im Ausschuss geschehen, per se abgelehnt werden sollte.

Was dem Anliegen dagegen nicht dient, sind – das ist hier teilweise schon zur Sprache gekommen – das in § 8 des ursprünglichen Gesetzentwurfs formulierte Beanstandungsrecht und die Beanstandungsklage. Diese Regelungsvorschläge folgen aus unserer Sicht eher der Idee eines Oberkontrolleurs oder gar Inquisitors. Genau das würde die beschriebenen Funktionen zum Teil ad absurdum führen.

Wie – so müssen wir fragen – soll denn jemand vermitteln, der zugleich Anklagender ist? Wer wird einem Bürgerbeauftragten Türen öffnen, Spielräume ausloten oder Informationen geben, wenn er im Stillen befürchtet, dass dies gegen ihn verwendet werden könnte? Ich denke, hierin stimmen Sie mir zu.

Außerdem bin ich der festen Überzeugung – das mag eine persönliche Meinung sein –, diesen Job, die Kontrolle der Regierung, müssen wir schon als Parlament leisten oder im Konfliktfall die Gerichte ausüben.

(Beifall bei der CDU)

Die Sachverständigen und wir als SPD-Fraktion halten auch das in § 7 sehr umfassend ausgestattete Anhörungsrecht für so nicht praktikabel. Daher, meine Damen und Herren, haben wir den umfangreichen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu ihrem eigenen Gesetzentwurf nicht nur als konsequent aufgrund der geführten Diskussionen begrüßt, sondern ihm auch gern zugestimmt. Ich bitte herzlich, dass das auch heute hier geschieht; denn wir werden heute auch Ihrem Gesetzentwurf zustimmen, weil er ein lohnenswertes Projekt formuliert, das bereits in vielen anderen Bundesländern gute Praxis ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, erlauben Sie mir noch, mich kurz für die Zusammenarbeit der letzten fünf Jahre zu bedanken, insbesondere bei denen, die ich voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode hier missen werde. Die Arbeit mit Ihnen war häufig lehrreich, fast immer konstruktiv, aber in jedem Falle von gegenseitigem Respekt gezeichnet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Nun die FDP-Fraktion. Herr Abg. Biesok. Bitte, Herr Biesok, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zeigt sehr deutlich die Innovationskraft der Linksfraktion. Mangels eigener neuer Ideen kopiert man einfach das Konzept der Landesmutter aus den Regierungstagen von Kurt Biedenkopf, ist auch noch stolz darauf und nimmt in seiner Rede darauf Bezug, um so auch noch Sympathien bei der CDU-Fraktion zu wecken.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Damals sah man das, was Frau Biedenkopf gemacht hat, ein bisschen kritischer. Ich möchte den damaligen und

heutigen rechtspolitischen Sprecher der Linksfraktion, Herrn Klaus Bartl, aus einer Pressemitteilung vom 27. August 2001 zitieren: „Schon zu DDR-Zeiten – ich spreche aus eigener Erfahrung – waren Eingaben für die Betroffenen oft wirkungsvoller als das Beschreiten des üblichen Dienstweges. Nach der Wende wurde die Willkürlichkeit des Eingabewesens zu Recht durch das Instrument des Petitionsrechts ersetzt. Damit sollte die Möglichkeit gegeben werden, über die normalen Mittel von Recht und Politik hinaus Menschen in besonders schwierigen Lagen zu helfen, allerdings auf durchschaubare Weise, durch demokratisch legitimierte Volksvertreter im Petitionsausschuss bzw. zuständige Stellen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, Herr Bartl.

(Beifall des Abg. Svend-Gunnar Kirmes, CDU – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Und genau weil das so ist, Herr Bartl, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. Sie aber gehen einen anderen Weg. Sie nehmen diese uralte Idee, bereiten sie neu auf und denken sich: Mensch, ich habe doch einmal etwas von der „zuständigen Stelle“ gesagt; damit könnte man das doch retten. – Jetzt versuchen Sie, eine zuständige Stelle zu schaffen, um nachträglich rechtsstaatlich das Büro Ingrid Biedenkopf zu legitimieren. Damit scheitern Sie an Ihrem eigenen Anspruch, ein durchschaubares und transparentes Verfahren für diese Eingaben zu schaffen.

Herr Biesok, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Herr Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich fragen darf.

Meinen Sie, dass Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen auch die Idee von Frau Biedenkopf als Stelle aufgegriffen haben, oder war das eventuell die Umsetzung des europäischen Gedankens?

Ich kann keine Motivforschung für andere Bundesländer machen, aber Sie haben ausdrücklich auf Ihre Erfahrungen verwiesen, die Sie hier im sächsischen Parlament gesammelt haben. Daher gehe ich davon aus, dass das Ihr Beweggrund gewesen ist, diesen Gesetzentwurf vorzulegen.

Wenn man sich ganz konkret mit dem beschäftigt, was Sie hier vorhaben, kommen schnell Zweifel auf, ob Ihr Gesetzentwurf auch Ihren eigenen Ansprüchen genügt, ein transparentes und durchschaubares Verfahren zu machen. Sicher, beim ersten Lesen Ihres Gesetzentwurfs kann man durchaus positive Assoziationen haben. Sie kommen mit Bürgerfreundlichkeit und Unabhängigkeit und bringen so zwei positive Begriffe. Eine Bürgerfreundlichkeit im Umgang mit der Lösung von Bürgeranliegen und eine Unabhängigkeit, in einer Verwaltungsbehörde auch einmal unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um

einem Bürger zu helfen, erwarte ich jedoch von jeder Verwaltungsinstanz, wobei sie einen Ermessensspielraum hat, den sie für den Bürger und nicht gegen ihn ausüben soll. Deshalb ist das meines Erachtens eine Grundvoraussetzung für Verwaltungshandeln, und dafür brauchen wir keinen Bürgerbeauftragten.

Die von Ihrer Seite mit der Schaffung des Bürgerbüros beabsichtigte Verbesserung der Bürgerfreundlichkeit werden Sie meines Erachtens mit dem von Ihnen gewählten Verfahren auch nicht erreichen. Sie haben hier einen Zwiespalt zwischen dem Bürger und der Verwaltung aufgebaut, den man nur schwer wieder auflösen kann. Symptomatisch wird das an dem von Ihnen erwähnten Zitat von Dr. Hagen Matthes, in dessen Zusammenhang Sie in Ihrem Vorwort ausgeführt haben, der Bürgerbeauftragte sei das personalisierte Korrektiv des Bürgerschutzes gegen eine expandierende Verwaltung.

Meine Damen und Herren, wenn man so ein Bild von Verwaltung hat, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Verwaltung in ein negatives Licht gerückt wird und man ihr ein Korrektiv zur Seite stellen muss. Meines Erachtens ist die Verwaltung für den Bürger da. Die Verwaltung muss so ausgerichtet sein, dass sie das Bürgeranliegen von sich aus aufnimmt. Wenn man dieses Verständnis nicht hat, dann kann man es sich auch nicht so einfach machen, wie Sie es sich hier gemacht haben, indem Sie versucht haben, durch ein „Best of“ von anderen Bürgerbeauftragten ein Potpourri zu machen, wobei man sagt: Na ja, da könnte man die Zusammenarbeit zwischen Bürger und Staat entsprechend verbessern.

(Beifall der Abg. Svend-Gunnar Kirmes und Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Das funktioniert nicht. Sie haben einfach geschaut, wo man etwas abschreiben kann, und dabei haben Sie gar nicht verstanden, dass es eigentlich zwei ganz unterschiedliche Modelle gibt. Einerseits gibt es ein Modell aus Schweden, bei dem man versucht, durch eine Kontrollfunktion des Bürgerbeauftragten der Verwaltung ihre Grenzen zu weisen. Andererseits gibt es ein dänisches Modell, das eher auf Mediation ausgelegt ist. Das sind aber zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe. Sie versuchen das in einem Entwurf zusammenzuführen, und dabei torpedieren Sie selber den Versuch, eine Mediation entsprechend herbeizuführen.

Sicher, Sie haben mit Ihrem Änderungsantrag das schärfste Schwert aus Ihrem Antrag herausgenommen, nämlich die Beanstandungsklage. Damit hätten Sie jede Form der Mediation von vornherein ausgeschlossen. Die Grundkonzeption in Ihrem Gesetzentwurf bleibt aber auf Konfrontation ausgerichtet, und das ist einer Mediation nicht zuträglich.

Weitere Unstimmigkeiten finden sich in Ihrem Entwurf, wenn Sie sich mit dem Verhältnis zwischen Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragten beschäftigen. Sie haben in der zitierten Presseerklärung die hohe Funktion des Petitionsausschusses hervorgehoben. Wie sehen Sie den

Petitionsausschuss jetzt? Ist er nicht mehr wirksam? Hat er seine Zeit überdauert? Wollen Sie eine Parallelität zwischen Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragtem? Wollen Sie eine Doppelzuständigkeit? Wollen Sie dadurch die Verwaltungswege noch komplizierter machen? Wollen Sie dadurch eine weitere Intransparenz erreichen? Ich kann nicht erkennen, wie Sie das lösen wollen, was Sie hier an Problemen aufbauen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Bartl, in der Anhörung wurde ganz deutlich: Die meisten Probleme, die ein Bürgerbeauftragter in anderen Bundesländern gelöst hat, waren Probleme aus der kommunalen Selbstverwaltung. Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich die Probleme, die auf der Ebene der Kommunen entstanden, auf die Landesebene hochziehen, damit sich eine staatliche Behörde dieses Problems annimmt und dort entsprechend einschreitet? Meines Erachtens sind die Kommunen der bessere Ort, um subsidiär die Probleme der Bürger zu lösen. Oft genug kennen sich die Akteure dort, können entsprechend handeln und dann auch eine vernünftige Lösung finden. Dazu brauchen wir keinen Bürgerbeauftragten.

Meine Damen und Herren, Ihrer Neuauflage des Büros Ingrid Biedenkopf werden wir nicht zustimmen. Wir brauchen ein solches Büro nicht, sondern wir möchten daran arbeiten, dass die Verwaltung bürgerfreundlich wird und bleibt, und deswegen werden wir hier kein zusätzliches Gesetz verabschieden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Jähnigen, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie stoßen mit dem Gesetzentwurf eine wichtige Diskussion an. Der konkrete Gesetzentwurf lockt aber noch nicht des Pudels Kern heraus, und für des Pudels Schweif ist er zu kompliziert. Ich möchte Grundsatzfragen in den Fokus nehmen.

Einig sind wir uns mit den Antragstellern, dass Bürgeranliegen gerade im Freistaat – stärker als bei den Kommunen – zu wenig beachtet werden, und unser Petitionsausschuss ist, bei allem Respekt vor der Arbeit der Mitglieder und der Mitarbeiter, nicht genügend ausgestattet, um die Verwaltung zu kontrollieren.

(Zuruf des Abg. Carsten Biesok, FDP)

Hier kann so eine Institution in der Art eines Bürgerbeauftragten eine echte Hilfe leisten. Das Ombudsleute-System ist ein gutes.