Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

Ja, wir haben dazu eine andere Auffassung als die GRÜNEN. Wir sind nicht der Auffassung, es müsse das Ziel sein, leere Züge möglichst teuer zu bezahlen. Wir wollen das vorhandene Steuergeld so einsetzen, dass es den größten Kundennutzen erbringt, das heißt, dass die Menschen mit Bus und Bahn fahren, meine Damen und Herren. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Wir wollen die Bürger nicht zwingen, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu benutzen. In den Ausführungen von Frau Jähnigen schwingt immer „das böse Auto“ mit. Wenn es nach Ihnen ginge, dürfte niemand mehr Auto fahren.

(Lachen der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Wir folgen einem anderen Ansatz. Wir wollen den Bürgern ein Angebot unterbreiten. Sie sollen selbst entscheiden, das heißt die Freiheit haben, ob sie sich in einen Zug oder einen Bus setzen, ob sie Fahrrad fahren oder sich für das Auto entscheiden. Alle Verkehrsmittel in Sachsen sind für uns gleichberechtigt.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Das war Kollege Herbst für die FDP-Fraktion. – Jetzt ergreift Herr Müller für die NPD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs in den vergangenen 25 Jahren ansehen, dann haben wir als NPDFraktion Sorge um dessen Zukunft.

Ja, es gibt einerseits koalitionäre Prestigeobjekte wie den milliardenschweren City-Tunnel. Wir haben die übliche Leuchtturmpolitik, die schon angesprochen wurde, mit gut ausgebauten S-Bahn- und Straßenbahn-Netzen um die Metropolregionen herum. Der ländliche Raum dagegen ist weitgehend abgekoppelt. Dort gehört nach massiven Streckenstilllegungen der schienengebundene Personen

nahverkehr schon weitgehend der Geschichte an. Auch der Busnahverkehr ist nicht mehr in jedem Ort gewährleistet.

Ich kenne in meinem Landkreis Ortsteile, wo nicht einmal mehr der Schülerverkehr ordnungsgemäß stattfindet, sodass die Schüler lange Wege durch nicht gerade gut begehbares Gelände zurücklegen müssen, um an ihre Schule zu gelangen. Ich sage nur: Königstein, Ortsteil Halbestadt.

Nun kommt etwas Neues hinzu. Aus Brüssel gibt es eine Richtlinie zur Neuregelung der Gemeindeverkehrsfinanzierung über das Jahr 2019 hinaus. Das stellt die Leistungserbringer vor Ort vor neue Herausforderungen. Es gibt im Grunde nur zwei praktikable Varianten: entweder die Leistungserbringer zu rekommunalisieren oder das Ganze rein der Privatwirtschaft zu überlassen. Die Variante „reine Privatwirtschaft“ wird bestenfalls in den Metropolregionen funktionieren. Also wird in den Landkreisen deutlich intensiver darüber nachgedacht, den Busverkehr zu rekommunalisieren. Das bedarf ganz klar der Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Kommunen.

Über das Thema „Verteilung der Regionalisierungsmittel“ haben wir schon gesprochen. Insoweit sind wir ganz nah bei den Forderungen der GRÜNEN. Auch die Regionalisierungsmittel, die für den Schienenverkehr ausgegeben werden, sollten erhöht werden. Andererseits muss ich an die GRÜNEN weitergeben: Gerade von Baden

Württemberg wird die bedarfsgerechte Verteilung zwischen den Ländern angemahnt. Hier wird uns wohl die falsche Bescheidenheit von Staatsminister Morlok, die insbesondere 2009 zu beobachten war, auf die Füße fallen, sodass wir am Ende weniger Mittel als andere haben werden.

Unser Ziel muss es sein, den ÖPNV dauerhaft zu finanzieren. Das System kann gerade im ländlichen Raum nicht rein marktwirtschaftlich funktionieren. Ein optimaler öffentlicher Personennahverkehr ist schon heute eigentlich nur noch in den Ballungszentren vorhanden. Das ist aus der Sicht der NPD-Fraktion ein Verstoß gegen Verfassungsnormen; denn auch der ländliche Raum hat Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse.

(Beifall bei der NPD)

Der öffentliche Personennahverkehr im ländlichen Raum ist fast nur noch deshalb existent, weil der Schülerverkehr finanziert wird. Das ist eigentlich ein Unding. ÖPNV ist eine kommunale Pflichtaufgabe, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Deswegen unsere klare Forderung an Land und Bund: Die Landkreise brauchen ausreichend Mittel, um den ÖPNV – dazu stehen wir voll und ganz – zu rekommunalisieren, und zwar mit einem ausreichenden Streckennetz und ausreichenden Taktzeiten. Es reicht nicht aus, das Streckennetz zu erhalten, sondern es ist auszubauen, das heißt, stillgelegte Strecken sind zu revitalisieren. Das ist eine Forderung, die wir als NPDFraktion stellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Müller hat für die NPD-Fraktion gesprochen und unsere erste Runde abgeschlossen. – Wir beginnen die zweite Runde. Für die Einbringerin, die Fraktion GRÜNE, ergreift wiederum Frau Kollegin Jähnigen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Springer, lieber Herr Herbst, ich erkläre es gern noch einmal: Wenn die Deutsche Bahn – weil Sie es nicht verhindert haben! – in Sachsen Fernverkehr nicht mehr fahren lässt und wir dafür aus öffentlichen Geldern Nahverkehr bestellen müssen, dann steigen die Bestellleistungen. Insoweit haben Sie völlig recht, Herr Herbst. Trotz des gekürzten Haushalts steigen die Kosten. Genau das habe ich gesagt. Das wissen auch Sie ganz genau. Das ist das Dilemma, und das schlägt auf den Nahverkehr durch.

Zum Zweiten: Die Kosten, zu denen der Nahverkehr betrieben wird, hängen entscheidend vom Ausbau des sächsischen Bahnnetzes ab. Wenn das Bahnnetz marode ist, die Verbindungen nicht klappen, die Knotenpunkte an den Bahnhöfen nicht für den Taktverkehr ausgebaut sind oder die Weichen nicht funktionieren, dann wird der Nahverkehr teurer, er hat Verspätung bzw. fährt nicht im Takt.

Wir fordern auch deshalb den Taktfahrplan, weil man damit die vorhandene Infrastruktur effizienter nutzen, das heißt mehr Personen und mehr Güter auf dem Bahnnetz befördern und damit auch die Einnahmen erhöhen kann. Denken Sie doch einmal wirtschaftlich in Bezug auf das Bahnnetz! Es geht nicht darum, leere Züge durch das Land fahren zu lassen.

(Torsten Herbst, FDP: Das passiert aber!)

Es geht darum, neue Fahrgäste in die Züge zu holen.

(Torsten Herbst, FDP: Und wenn die nicht kommen?)

Auch im ländlichen Raum müssen die Leute fahren, um in die Großstädte zu kommen. Der Bus allein wird zur Erhöhung der Attraktivität nicht ausreichen. Die Reisezeiten sind entscheidend; das sagen Ihnen die Leute im ländlichen Raum auch.

Schauen Sie sich bitte an, was Rheinland-Pfalz gemacht hat. Dort gibt es den integralen Taktfahrplan. Die Fahrgastzahlen haben sich zwar noch nicht verdoppelt, aber bald wird es so weit sein. Das streben wir auch für Sachsen an. Das ist auch finanzierbar.

Die Verkehrsverbünde und die Verkehrsunternehmen sind da viel weiter als Sie; die wollen das. Das geht aber nicht ohne den Ausbau des Bahnnetzes. Wir haben darüber vor wenigen Wochen, am 26. Mai, auf einer großen Konferenz diskutiert. Herr Heidan und Herr Herbst waren bei der Auswertung dabei.

Damit komme ich zur anderen großen Frage: der Finanzierung. Liebe Frau Springer, lieber Herr Herbst, die ganze schöne sächsische Bahnprojektemacherei hilft uns gar nichts, wenn die Projekte nicht finanziert sind. Dazu haben Sie leider keine Vorstellungen. Klar ist: Der Freistaat wird den Ausbau der Strecken Dresden – Görlitz und Chemnitz – Leipzig nicht allein finanzieren können. Ich rede vom Bau; er muss ja schon die Vorplanung finanzieren. Den Neubau einer Tunnelstrecke Dresden – Prag durch das Erzgebirge wird der Freistaat auch nicht finanzieren können.

Noch einmal die Zahlen zum Vergleich: Der Ausbau des sächsischen Bahnnetzes für den integralen Taktverkehr kostet 1 Milliarde Euro. Davon kann ungefähr die Hälfte durch Investitionen der Bahn selbst erbracht werden. Die Neubaustrecke Dresden – Prag soll nach Ihren Auskünften – vor der Planung – 2 Milliarden Euro kosten; in Wirklichkeit werden es 3 oder 4 Milliarden Euro, wenn man realistisch ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir wollen uns auf das Machbare konzentrieren. Wir wollen den Ausbau der Strecken Dresden – Görlitz und Chemnitz – Leipzig durchsetzen. Dazu brauchen wir den Nachweis, dass wir mit unserem Bahnnetz steigende Fahrgastzahlen erzielen; sonst können wir das nicht begründen, liebe Frau Springer. Wenn die Bahn bzw. der Bund das mitfinanzieren soll, brauchen wir eine positive Kosten-Nutzen-Untersuchung. Wenn Sie aber weiterhin meinen, dass die Bahn nicht in den ländlichen Raum, sondern nur in die Ballungsräume gehöre, dann haben Sie schlechte Karten für den Ausbau der Strecken Chemnitz – Leipzig und Dresden – Görlitz. Das hat Bahn-Vorstand Kefer dem Ministerpräsidenten Tillich schon auf dem Bahn-Gipfel in Chemnitz gesagt.

Die Bahn selbst wird es nicht durchsetzen; wir müssen es durchsetzen. Wir müssen zeigen, was im sächsischen Bahnnetz steckt und wie wir Fahrgastpotenziale erschließen. Dann haben wir eine Chance, den Bahnverkehr zu ertüchtigen und das Netz auszubauen. Das braucht Sachsen. Wir geben uns – im Gegensatz zur CDU, Frau Springer – mit der Misere nicht zufrieden.

Noch eine Anmerkung zu den Kürzungen: Zurzeit reichen Sie an diejenigen, die Bahnen betreiben und Züge fahren lassen, 73 % der Bundesmittel weiter. Nach den Eckpunkten sollen es 79 % der Bundesmittel sein, obwohl sie auch schon mehr bestellen und auch noch die Schmalspurbahnen übernehmen mussten. Das ist nun weiß Gott kein Erfolg und keine Verbesserung. Neben den Abbestellungen, zu denen es kam, sind die Tariferhöhungen im VVO und in anderen Verkehrsverbünden sehr schmerzlich, völlig abgekoppelt von der Einkommensentwicklung. Allein im VVO gab es in den letzten Jahren über 16 % Mehrkosten für das Bahnfahren. Ein gutes Angebot, aber es wird sehr teuer!

Vor allem aber, Herr Minister Morlok, möchten wir jetzt wissen, wie Sie damit umgehen wollen, dass morgen zur Verkehrsministerkonferenz ein Schlüssel, der stärker an

der Einwohnerzahl orientiert ist, beschlossen werden soll. Sachsens Einwohnerzahl sinkt.

Die Redezeit!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Die Mittel sollen zwar erst einmal erhöht, dann aber langfristig nicht mehr dynamisiert werden. Da bekommt Sachsen ein doppeltes Problem. Was haben Sie deswegen unternommen, und wie vertreten Sie die sächsischen Interessen, damit wir überhaupt eine auskömmliche Finanzierung vom Bund bekommen können?

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die zweite Runde wurde von Frau Kollegin Jähnigen für die Einbringerin eröffnet. – Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe meinen Vorrednern sehr aufmerksam zugehört. Ich darf kurz zusammenfassen, wie wir die 600 Millionen Euro, die Herr Herbst hier genannt hat, im ÖPNV/SPNV-Bereich im Moment einsetzen, und zwar in Anbetracht der demografischen Entwicklung. Wir sind im Moment circa 4,3 Millionen Einwohner. Das ist nur eine Feststellung, überhaupt keine Wertung. Wir nehmen zwei Drittel des Finanzbedarfs für ein Drittel der Fahrgäste in Anspruch, nämlich im Schienenpersonennahverkehr. Ein Drittel des Finanzbedarfs nutzen wir für zwei Drittel der Fahrgäste in dem restlichen ÖPNVBereich. Das ist die Situation. Die will ich nicht bemeckern, sondern nur feststellen.

(Mario Pecher, SPD: Die habt ihr gemacht!)

Die haben wir nicht gemacht.

(Mario Pecher, SPD: Na, na!)

Wir haben die demografische Entwicklung nicht gemacht, Herr Pecher!

Wir haben in der Debatte festgestellt, dass sich die Bahn immer mehr von den Fernverkehren verabschiedet. Herzlichen Glückwunsch, Herr Stange, Frau Jähnigen! Dann können Sie ja heute unserem TOP 7 bedenkenlos zustimmen, in dem wir für mehr Wettbewerb auf der Schiene werben. Dann können Sie sich einmal hier vorn vom Pult erklären und dem gemeinsamen Antrag der Koalition zustimmen. Das ist der Grund, warum wir das heute hier auf die Tagesordnung gesetzt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Herr Stange, zu Ihren Stationspreisen: Vielleicht lesen Sie noch einmal unseren Antrag. Vielleicht lesen Sie den auch einmal so, wie er in diese Richtung zielt. Für mehr Wett

bewerb brauchen wir genau das, was jetzt in Leipzig auf den einzelnen Bahnhöfen stattfindet. Das ist ja nicht nur in Leipzig so, sondern flächendeckend in ganz Sachsen.